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Nr. 615 58. Jahrgang

Heilage öes vorwärts

Vonnerstag, 29. Dezember 1921

Das Srot öer Verzweiflung. Ausstellung vou Nahrungsmitteln ans dem russischen Hungergebiet.

Wenn man ein scharfes kritisck)es Gemüt ist, kann man wohl mit manchem in unserer Zeit unzufrieden sein. Eine» ober muß jeder Kritiker ehrlich zugeben: das Wichtigste, ohne das ein Leben gar nicht möglich wäre, nämlich dos Brot, haben wir seit dem S. November 1918 in Deutschland doch wieder in ausreichenden Mengen. Und wenn es bei sehr Dielen nicht dazu langt, täglich weißes Brot und weiße Brötchen zu kaufen, so gibt es doch wohl hin und wieder die Möglichkeit, sich den ersehnten Genuß zu ver- schaffen. Alle Nöte und Sorgen des einzelnen und seiner Familie müsien aber zurücktreten und klein und bedeutungslos werden gegenüber dem grenzenlosen Lammer eines ganzen Lölkes, der sich in einer Sammlung von Broten verkörperte, die in den Berliner Sophien-[ fälen vor kurzem zur Schau ausgestellt waren. Einem deutschen , Hilfskomitee für das notleidende Rußland waren von seinen in den' russischen Hungergebieten weilenden Vertretern eine Reihe von Broterzeugnissen zugesandt worden, die dos Komitee zu einer kleinen Ausstellung vereinigt hotte. Was dort unter dem Namen Brot ge- zeigt wurde, dos ging allerdings noch weit über das hinaus, was dem deutschen Volke in den härtesten Kriegsjahren als Brot zu- gemutet worden war, und nur mit Grauen konnte man daran denken, daß es unserem Volke nicht besser ergangen wäre, wenn der fürchterliche Krieg noch einige Monate länger gedauert hätte, der Zusammenbruch noch größer geworden wäre. Hras, Kleie, kohl unü ölätter. Was im allgemeinen als Ingredienzen der Nahrung für Pferde. Kühe und Schweine gilt als: Gras, Kleie, Leinölkuchen, Kohl und Blätter, dos war auch in diesen für die menschliche Nahrung be- stimmten Dingen enthalten. Man sah brotähnliche Gebilde, die aus -erkleineriem und zermahleuem Stroh und grünem Roggen not- dürftig zusammengebacken waren, eine Masse, in die man ohne\ Zwang und Not nicht seine Zähne setzen möchte. Brot nannte sich. auch ein feuchtes Konglomerat aus gekochte» Gräsern. Sohl und Oelluchenrnckständen. Ein andermal hatte man grüne», d. h. unans- gereislen Roggen und zerquetschte oder gemahlene Eicheln zu- jammcngcmischt und gebacken. An anderer Stelle mußte aus einem Gemisch von wenig Roggenmehl. Lindenblättern und Lindenblüten Brot entstehen. Auch allerlei Kräuter wurden zur Streckung oder als Ersatz des Mehlcs herangezogen. Man sah ein Brot ans reiner hirseklcie, und wer noch nicht weiß, was Kleie ist, dem fei mitgeteilt, daß sie aus den für die menschliche Ernährung ungeeigneten Ge- treidekörnerhülsen besteht. Auch zermahlene Eicheln mußten her- halten, um einen Klitsch für den Menschenmagen zu formen. Ein aus Oelkuchenrllckständen hergestelltes Brot wird gezeigt, das auf dem Markt in Saratow , der Hauptstadt des im südöstlichen Ruß-

land gelegenen ehemaligen Gouvernements gleichen Namens, für 509 Rubel verkauft wird. Und alle diese dunklen, feuchten, schwom- migcn und klebrigen Massen werden mit dem Namen belegt, der bei allen Völkern der Erde einen fast mystischen Klang hat, mit dem Namen Brot. Brök aus Birkenrinde und Erde. In Finnland ist es ein nicht unbekanntes Hilfsmittel, in den Zeiten der zu Ende gehenden Geireidevorräte diese durch zu Riehl verarbeitete Birkenrinde zu strecken. Außerdem wird in Finnland , Lappland und Schweden eine sogenannte eßbare Erde gefunden, Infusorienerde, wissenschaftlich Kieselgur genannt, die in Notzeiten in den genannten Ländern zur Streckung des Brotes gebraucht wird. Auch in Deutschland ist diese Erde geologisch nachweisbar, und in Zeiten ungeheurer Not. wie nach dem Zgjährigen Krieg und in den fürchterlichen Hungersnöten der Jahre 1719 und 1733, ist diese Erde tatsächlich auch in unserem Land als Nahrungsersatzmittel benutzt worden. Während sich dann die Brotbcreitung des letzten Krieges von der Verwendung derartiger Zusätze fern hielt, hat doch so mancher Soldat, ohne daß er es wußte, ein paar Löffel Erde zu schlucken bekommen. Wer nämlich über Durchfall klagte, bekam im Lazarett, mehr aber noch in den Revierstuben, einen dicklichen weißen Brei zum Ausschlürfen. Das aber war nichts anderes als dolus alba, zu deutsch weißer Lehm, in Wahrheit ge- reinigter Lehm, der wohl eine medizinische, ober natürlich keinerlei nährende Wirkung hat. pferöehaut als Nahrungsmittel. Dos Fürchterlichste aber, was in dieser Ausstellung gezeigt wurde, war die Haut eines gefallenen Pferdes, die in den Hunger- gebieten der Wolga als llahrungsmiltel für Erwachsene und Rinder gelten muh. Selbstverständlich kann bei dem Genuß dieser unmög- lichen Dinge von einer Ernährung gar nicht die Rede sein. E? handelt sich lediglich darum, den Magen zu täuschen. Im übrigen muß der Körper so lange von den vorhandenen Kräften zehren, bis der völlige Zusammenbruch da ist. Die Derhältmfle in Südrußland, wie sie uns durch die Aus- stellung von.Broten" demonstriert wurden, liefern den Beweis, daß die Verhältnisse vor nahezu 490 Iahren noch unterboten werden. Und das olles zu Zeiten, in denen jedes Kind weiß, daß in den ge- segneten Ländern Amerikas Weizen und Mais verfaulen mußten oder zur Lokomotivheizung verwertet wurden, weil dieValuta" ihre Ausfuhr in die europäischen Hungergebiete verbot, vielleicht kehrt angesichts diesesBrotes der Verzweiflung" bei vielen Kritikern und Nörglern der neuen Ordnung doch ein wenig Dankbarkeit, zum mindesten aber doch ein wenig Berständnis für die Arbeit derer ein, die dafür gesorgt haben, daß aus Deutschland kein Rußland wurde.

ver Höchstmietezujchlag. Der Magistrat beschloß in der gestrigen Sitzung: Der Höchstmietezusidlag wird für die Sladtgemeinde Berlin ob 1. Januar 1922 wie folgt festgesetzt: t. für Wohnungen, ins- besondere auch solcke. die mit gewerblichen Räumen verbunden sind. 79 Proz.; 2. sür zu gewerblichen Zwecken im Sinne der Ee- werbcordnung hergestellte Räume, a) bis zu einer FriedenSmiele von 2999 M. 70 Proz., b) bis zu einer FricdcnSmiete von 5999 M. 90 Proz. und von über bOOO M. 120 Proz. lieber die eingehende Bestimmung in Ziffer 2im Sinne der Gewerbeordnung" wird seitens de? zuständigen Dezernenten erneut mit der Aussichtsbehörde verhandelt werden, welche ermächtigt ist, den Beschluß je nach Aus» gang dieser Berhandlung entsprechend zu ändern.

Zu der Ankerschlagong bei der Polizei haupikasie wird uns noch mitgeteilt, daß nach den bisherigen Ermittelungen der ungetreue Hilfsarbeiter Ziblcr mit seinem Freunde Fechner das Weite gesucht hat. Wie die Nachforschungen weiter ergeben haben, hatten sich beide schon längere Zeit durch große Geldausgaben in Lokalen ver- dächtig gemacht. Sie gingen sehr fein gekleidet und gaben sehr viel Geld aus, das sie durch Beteiligung an Wettkonzerncn erworben haben wollten. Die Nachprüfungen bei der Haupikasie haben jedoch noch zu keinen Feststellungen über weiter« Veruntreuungen geführt. Beide Unterwachtmcistcr hatten auch viele Danienbekanntschasten. sie hatten nämlich ein richtiges Doppellsben geführt. Außer ihrer Wohnung in der Kaserne hatten sie noch möblierte Zimmer, wo sie die feinsten Zioiltleider aufbewahrten. Hier zogen sie sich dann um und spielten in ihrer dienstfreien Zeit dieKavaliere".

die Jubelfeier üer Lebrerschafl. Die V9. Wiederkehr des Tages der Gründung des Deutschen Lehrervereins wurde gestern in Berlin durch eine Festsitzung im Lehrerneromshaus gefeiert. Den Begrüßungswortcn des Vorsitzenden, Gemeindeschulrcktor Roehl-Berlin , sclgien glückwünschende Ansprachen von Vertretern der Schulbehörden des Reiches und des Staates. Die Stadt blieb leider unvertreten, weil Oberbürgermeister Böß durch eine plötzlich angesetzte Magistratssitzung oerhindert und Oberstadtschulrat Paul- sen erkrankt war., Für das Reichsamt des Innern war Staatssekretär Genosse Heinrich Schulz erschienen. Er erinnerte daran, daß 1871, im Gründungsjahre des Deutsifeen Lehrervereins, Deutsch­ land als Sieger dastand, aber den Haß des Besiegten erntete. Leider feien dann die Kulturaufgabcn'nicht mit ebensp viel innerer Wärme und ebenso viel äutze- rem Reichtum gefördert worden, wie die militä­risch« R ü st u n g.(Lebhafte Zustimmung.) vom Deutschen Lehreroerein, der die Lehrerschaft Deutschlands zusammenschloß, seien vorwärtstreibende Tendenzen ausgegangen. Der habe den Aealis- mus und die Berufsfreude der deutschen Lehrer gefördert und in ihnen eine Kraft onaesammelt, die j?tzt auf freier Bahn sich aus- wirken will. Die Millionen und Milliarden, die einst für die schimmernde Wehr" statt sür die Kulturausgaben ousaegeben wur- den, fehlen uns leider heute, weil wir«in besiegtes Volk und in der Hand des Siegers sind. Genosse Schulz betonte, daß die keineswegs weitgehenden Schulforderungen der unter innerem und äußerem Druck zustandegekommene» Weimarer Verfassung nur bei enger Verbindung der Lehrerorganisationen mit den Behörden durchgesetzt werden können. Das Reichsmini- sterium des Innern lege größten Wert auf ein solches Zusammen- arbeiten.(Lebhafter Beifall.) Dann sprach der Mini st er für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung Dr. B o c l i tz. Das Ministerium wisse ganz genau, was es den deutschen Lehrern zu verdanken habe, und dankbar werde es den Rat der deutschen Lehrerschaft entgegennehmen. Neue Probleme seien zu lösen, u. a. die neue Frage der Geltendmachung des Willens der Erziehungsberech- tigten. Der Minister schloß:Stehen Sie zu uns, dann werden wir zu Ihnen stehen!"(Lebhaiter Beifall.) In seiner Rede teilte er mit, daß der bisher im Ministerium tätig gewesene frühere Berliner Gemeindeschulrektor Regierungsrat P r e tz e l in die Lei- tung des Provinzialschulkollegiums berufen worden ist. In einer Erwiderung hob der Vorsitzende R o e h l hervor, daß Staatssekretär Schulz, der selber Mitglied des Deutschen Lehrer- verein? ist, den von dem Deutschen Lehrerverein seit Jahrzehnten vertretenen Gedanken eines R e i ch s s ch u l g e s« tz e s jetzt ver­wirklichen wird.(Beifall.) Allerdings werde der Entwurf gerade. im Deutschen Lehreroerein die schärssten Gegner finden.(Leblzafte Zustimmung.) Aber das solle die Freundschaft nicht beeinträchtigen. (Heiterer Beifall.) Rvchls Festrede schilderte dann den Aufstieg des Deutschen Lehrervereins, der im Kampfe gegen wider- strebende Gewalten, trotz allem Druck von Staat und Kirch« groß geworden ist. Er wies auch auf die neueste Entwick- lung hin, auf den Ausbau zu einer gewerkschaftlichen Organisation. Doch betont« er, daß der Verein politisch neu- trat bleiben wolle und werde. Er werdeweder ins rote noch ins schwarze Meer steuern".(Heiterkeit und Beifall.) Rur so werde er«in Hort der deutschen Schule bleiben.(Lebhafter Beifall.) Es folgte eine lange Reihe Ansprachen der Vertreter von Organisationen. Der Deutsche Philologenverband, die Sondcrorqani- sation der Oberlehrer,wünscht nichts sehnlicher" als eineArbeits- gemeinschaft" mit der Volksschullehrerschaft. Geheimrat Falken- berg, der Vertreter des Deutschen Beamtenbundes, forderte mehr Durchdringung der Lehrerschaft mit dem richtigen G e w« r k s ch a f t s g« i st. Die künstige Gewerkschaftsbewegung werde sich zwischen den beiden Bolen der Solidarität und des verantwortlichkeitsgefühls abspielen.(Beifall.) Die Jubelfeier endete am Nachmittag in der Philharmonie mit einem Festkonzert, in dem mir dem Philharmonischen Orchester der Berliner Lehrerverein wetteiferte.

Das Dödeli.

8s

Bon Jakob Boßhark. Wär's nur für ein Jahr, ich würde nicht sagen nein: aber überlegt eimnal, ihr Mannen! Jahr für Jaar, sie ist jetzt zwanzig und kann siebzig, achtzig werden, das zählt sich. Das ist eine Servitut!" Ein unwilliges Brummen ging um den Tisch: das Wort Servitut hört kein Bauer gern. Und wenn sie einen Fehltritt tut, was dann? Der Sigrist hat ja freilich ein Auge auf sie, aber da fällt mir gerade was Spaßiges ein; es ist vielleicht am Platz, daß ich's erzähle. Einmal an einenl Sonntagnachmittag hütete ich die Kirschen hinten im Lungert. Kommen da ein paar Lausbuben ge- laufen, in der Tobelwiese hocke das halbe Oberdorf auf meinen Kirschbäumen. Ich wie's Bisewetter in die Tobelwiese hin- unter. Kein Bein zu sehen, versteht sich, aber unterdessen hatten mir die Sackermenter im Bungert den letzten Stiel von den Aesten gerupft. Das zum Exempel! Man kann die Augen nicht an allen Orten haben, ich nicht und der Sigrist nicht!" Sie stimmten ihm bei, und er fuhr fort:Nun ist mir ein Mittelchen eingefallen, das helfen könnte. Ich will es euch nicht aufschwatzen. Es spricht manches dafür und manches da- gegen. Kaust man eine Kuh, so kaust man auch ihre Fehler! Fürs erste müßten wir die Hand tief in den Sack stecken: das ist der Haken-, aber... dann bätten wir Ruh' für immer." Die anderen sahen ihn fragend rn. Er hüstelte zwei-, dreimal, rutschte hin und her, so daß der Stuhl ächzte, und sprach dann sein Mittelchen gleichgültig, wie etwas Selbstver- ständliches aus:Wir müsien der Dorothea Schudel einen Mann geben, einen Auswärtigen, versteht sich." Die anderen stutzten einen Augenblick und arbeiteten in ihren Köpfen. Dann ging es wie eine Erleuchtung um den Tisch. Keiner, der nicht in diesem Augenblicke vor der Ueber- legenheit des Präsidenten den Hut gezohen hätte. Nur der Lehrer und Schreiber schien nicht zu begreifen. Er hatte während der Sitzung sich nie in die Beratung ge- mischt, teils weil er dazu nicht berufen war, teils weil ihm, als einem in der Stadt und fast ohne Fühlung mit einem Ge- meindeleben Aufgewachsenen, all das Her und Hin und Hin- tenherum fremd war. Bei dem Vorschlag des Präsidenten «ar aber ein Schreck über ihn gekommen. War es Scherz oder Ernst, was da dem angesehensten Manne des Dorfes über die Lippen kam? Er warf ohne lange Ueberlegung und heftig die Worte in die Beratung:Ich oerstehe so etwas nicht."

Einer der Pfleger meinte ihn aufklären zu müssen:Sie wird durch die Heirat Bürgerin der anderen Gemeinde und geht uns nichts mehr an." Sie ist ja eine halbe Idiotin." rief der Lehrer,die ver- heiratet man doch nicht! Da käme ja zum Uebel das Elend!" Der Präsident hüstelte und erwiderte etwas scharf:Sie verstehen das jetzt noch nicht, junger Mann: sind Sie einmal etwas länger unter uns, so werden Sie wissen, daß die Ge- meinde arm ist, kein Gemeindegut und kein Armengut besitzt. Man muß sich wehren, wie man kann: wir tun's ja nicht für uns, sondern für das Allgemeine. Uebrigens ist es ja nur eine Meinung, und für das Bessere bin ich immer zu haben. Sprecht euch aus, ihr Mannen!" Gleich ergriff einer das Wort:Die Sache ist Heitel, aber sooieUich sehe, sind Fenster und Türe geschlossen, und die Wände dürfen kein Maul bekommen. Ich an meinem Orte sehe den Vorteil." Ein anderer unterstützte ihn und fügte bei, es sei vielleicht jetzt die Gelegenheit gekommen,' den Herrn Lehrer darauf aufmerksam zu machen, daß es nicht Brauch sei, über die Ver- Handlungen öffentlich zu reden: sonst wäre bald das ganze Dorf verhetzt. Man traue dem Herrn Lehrer in diesem Punkte das Beste zu. Uebrigens sei das Trötteli nicht so beschaffen, daß man ihm einen Mann vorenthalten müsse. Das Mädchen gehöre nicht zu den Schlauen, das müsse zugegeben werden: aber es gebe noch weniger helle Weiber im Dorfe» die anderen könn- tcn's nur besser verbergen. Das Mädchen bedürfe freilich einiger Wegleiwng: aber dafür gerade habe ja der Herrgott dem Weiblichen das Männliche beigegeben. Das Dödeli fei gesund und stark, und wenn man ihm häusliche Zufriedenheit gebe und verhüte, daß es hineintrete, wo ein Mädchen nicht hineintreten sollte, so tue man ein gutes Werk und brauche sich auch vor dem Herrgott kein Gewissen zu machen. Die Folge sei nur, wo der Mann zu finden sei. Ich habe mir das auch überlegt," hüstelte der Präsident: wollt ihr, daß ich die Karten ablüpfe?" Sie nickten.Es ist der neue Schuhmacher, der Schuppli . Ich habe die Sache schon mit ihm zu Faden geschlagen, im Groben wenigstens; es wäre um eine Unterhandlung zu tun. Er sitzt drüben." Alle schwiegen. Schuppli flößte ihnen wenig Vertrauen ein. Sie wußten, daß er zwar sein Handwerk verstand, aber doch lieber auf den Wirtstisch als auf das Leder klopfte und es noch nirgends lange ausgehalten, hatte. Daß er das Trötteli nur versilbert nehmen würde, setzten sie als selbstverständlich voraus. Woher ist er?" fragte einer. Bon Güttikon, das ist im anderen Kanton drüben." Dieser Aufschluß wirkte beruhigend, die Gesichter ent-

spannten sich etwas. Sogar über der Kantonsgrenze! Was wollte man mehr! Wollen wir mst ihm reden?" Da alle zustimmten, rief der Präsident den Schuhmacher herein. Schuppli trat keck auf. stellte sich in seinem Drilch- schürz breit vor die Armenpsleger und wischte rasch mit der Hand die Weintropfen aus dem Schnurrbart. Ihr wißt, was Lands," redete der Präsident ihn an. Jawohl," gab Schuppli mit heiserer Stimme zurück. Man sagt im Dorf, Ihr holtet dem Dödeli Schudel nach. Wär' Euch das Mädchen anständig? Ich meine als Frau?" Der Schuster drehte die Antwort langsam aus feinem Schnurrbart heraus:Man sagt im Handwerk, man müsse zum Fuß den Leisten finden. Soll heißen: es kommt auf die Abmachung an." Dödeli ist unsere Bürgerin, und wir wollen sie aus- steuern, so gut wir es vermögen: aber die Gemeinde ist nicht reich. Ihr könnt es wissen." Was soll für den Hausrat ausgelegt werden?" forschte Schuppli. der unterdessen die eine Schnurrbartspitze schon fast wie einen Schusterdraht zugespitzt hatte. Der Präsident machte seine Stimme so mager als möglich: Ich habe mit dem Schreiner ftolzhalb gesprochen: er würde für dreibundert Franken etwas Anständiges liefern, Tisch und Stühle, Bett, Kasten, Wiege und was man sonst noch etwa benötigt." Und das Hochzeitskleid für sie?" Das soll dabei sein." Das ist nicht ungrad, da will ich nichts dagegen sagen," meinte Schuppli.Ihr wendet an die Aussteuer dreihundert Fränkli und sorgt für das Hochzeitskleid für sie: aber.. Was, aber?" Ich will nichts gegen das Dödeli gesagt haben: aber... Hm. hm. Und dann Hab' ich mich erst jetzt auf eigene Beine gestellt, als der Nöggeli. mein Meister, mit Tod abging. Das ist euch bekannt. Ich Hab' von der Wittfrau das Handwerks- zeug und das Lcder übernommen, aber.. Die Stimme des Präsidenten schwoll an:Aber noch nickst bezahlt?"» Das ist der Item," erwiderte der Schuster kleinlaut. Das ist freilich ein Item. Wieviel habt Ihr ausgemacht?" Ich muß es sagen, ich Hab' mehr an den toten Meifter als an meinen Vorteil gedacht; es sind fünfhundert Franken." Er übertrieb, ohne sich ein Gewissen daraus zu machen. Er dachte:Man muß das Maß immer etwas zu groß neh? men. und bei Bansrnschuhen erst recht." Fünfhundert!" wiederholte der Präsident ungläubig und gedehnt: sein Gesicht zag sich so in die Länge, daß das Kinn sich fast in die Tischplatte einbohrte.Fünfhundert! Können