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ttc.3 39. Fahrgang
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Dienstag. 3. Fanuart922
Zwei Fahre chuäkerfpeisung. Lm Z. Januar sind«s zwei Jahre, seit die Quäker(Gesellschaft der Freunde) unter Führung von Alfred G. Seattergood ihr Liebes- werk an deutschen Kindern begonnen haben. Di« erst« Speisung von Kindern fand am 26. Februar 1S2<) in Berlin   statt. Bis zum Sommer 1S2l> war das Werk auf 88 Orte ausgedehnt und zirka 630000 Kinder und Mütter gespeist worden. Bis zum Jahresend« hatte sich die Zahl der Orte, in denen die Speisungen stattfanden, auf zirka 000 oermehrt. Im Juni 1921 war der Höhepunkt in dieser menschenfreundlichen Tätigkeit erreicht. Es wurden in diesen: Monat töguch 1 Million Portionen in 1640 Orten ausgegeben. Sie verteilten sid) wie folgt: an Kinder unter 2 Iahren..... 1 762 ,» von 2 bis 6 Jahren... 63 730 , von 6 bis 14 Jahren... 896 541 werdend« und stillende Mütter.. 27 267 Die ursprünglich« Absicht, mit der Speisung am 1. August 1921 aufzuhören, wurde angesichts der fortdauernden Not der deutschen Kinder und vieler deutscher   Mütter wieder aufgegeben. Es ist eine Pflicht der Dankbarkeit, einmal auszusprechen, daß hier von Menschenfreunden(Feinden des Krieges und der Menschen- Vernichtung) in taktvoller und selbstlose? Weise ein Werk ausgebaut wurde, von dem wir nur hoffen können, daß es über das Derbieiben feiner Schöpfer hinaus zum Wohle der deutschen   Jugend erhalten bleiben möge. Di« Gesellschaft der Freunde will in nächster Zeit aus Deutschland   gehen, ein Teil von ihnen hat uns schon verlosten, weil sie glaubt, daß jetzt das deutsche   Volk Kraft genug besitzt, sich sllbst, seiner Jugend zu helfen. Man glaubt auch, angesichts des großen Hungers in Nußland Kräfte und Mittel anders verwenden zu müssen. Wir verstehen das und rufen den Scheidenden deshalb Dank und Gruß zu. Der best« Dank wird ihnen die Gewißheit sein, daß das Werk von uns fortgeführt wird. Bis zum Februar 1922 sind die Mittel für die Speisung gesichert. Bis zur Ernte des Jahres 1922 sollen weiter« Mittel aus amerikanischen   Sammlungen ver- wendet werden, die von den Quäkern und Deutschamerikanern zur Verfügung gestellt werden. Darüber kurz folgeitbes: Die bisherigen Mittel stammten zum großen Teil aus den von Hoover veranstalteten Sammlungen, die jetzt ihrem Ends entgegen- gehen. Deshalb bildete sich im Ottober in Amerika   dasThree Million Dollar Compaign« Commitee" aus Deutschamerikanern   und deutsch  -amerlkanischen Bereinigungen einschließlich des Central- Nelief-Comittee. Der Zweck war, die Weiterspeifung deutscher   Kin- der zu ermöglichen. Am 6. Oktober wurde ein sogenannterDeut. scher Tag* veranstaltet. Man wendet sich vornehmlich an deutsch  - amerikanische Gemeinden. Die Organisation der Arbeit geht nun in deutsche   Hände über. Nach dem von uns als richtig und selbstverständlich anerkannten Grundsatz der Selbsthilfe hat die deutsche   Rcichsregirnmg schon im ivrgongenen Jahr Mittel zur Durchführung der Speisung bereit- gestellt, um durch Lieferung von Zucker und Mehl die Aktion zu unterstützen. Kurz vor Weihnachten   find wieder 100 Millionen für diesen Zweck vom Reichstag bewilligt worden, und der Etat für 1922 steht für das erst« Halbjahr 1922 weiter« 50 Millionen für diesen Zweck vor. Sg wird mit ausländischen und deutschen Mitteln das Werk fortan unter deutscher   Leitung fortgesetzt werden und hoffentlich dazu beitrogen, der deutschen Jugend Gesundheit und Kraft zu geben, lieber die neue Organisation der Speisung soll in einem weiteren Artikel das Notwendige gesagt Merden. Marie I u ch a c z. Heute geregelter Eisenbahnverkehr. Die Diederausnabme deS Stadt- und RingbakmverkehrS erfolgte (ütstern nur teilweise. Aus der Ringbahn wurde zunächst nur s: ü n d l i ch. später halbstündlich ein Zug in jeder Richtung gefahren. Auf der Stadtbahn verkehrten gegen Mittag stündlich 8 Züge in jeder Richtung. Der Vorort- derkebr auf den nördlichen Strecken mußte durch die Fernzüge mitbedient werden. Auf den Vorortbahnen noch Zosien und Wannsee  wickelie sich der Zugverkehr bis 9 Uhr vormittag« nur mit großen Unter brcchungcu ab, in der Folgezeit gestaltete er sich regelmäßiger- Der Vcrkebr auf den übrigen Vorortstrecken erfolgte im a l l g e-
was öer Mieter im neuen Fahr wisien muß. Einstweilig erlaubte Kündigung zum Zwecke der Mietesteigerung.
Auf die häufige Frage, welcher Rechtszustand eintritt, wenn der Vermieter unter Bezugnahme auf die öffentliche einstweilige Anordnung des 1. Vorsitzenden des Mieteinigungsamtes der Stadt Berlin   vom 10. v. M. kündigt, ist folgende Antwort zu er- teilen: Die Kündigung selber ist sonst wäre sie rechtsungültig unbedingt und löst deshalb das alte Mietvcrhälinis auf. Dennoch aber erhält der Vermieter keinen Anspruch aus Räumung, denn die Erlaubnis zur Kündigung ist nur»zum Zwecke der ZNiclsieigeruug" erfolgt, d. h. es ist, wenn auch nicht die Kündigung, so doch die Er- laubnis zum Kündigen bedingt ausgesprochen, nämlich unter der Bedingung erteilt, daß der Vermieter eine neue Mietofserte macht. Der Vermieter muß also, um sich im Rahmen der Erlaubnis zu hat- ken, mik der Kündigung den Antrag verbinden, das ZNielverhältnis zu neuen Mietbedingungcn forkzusehen. Diese Bedingungen brauchen zwar nicht schon im einzelnen bestimmt zu werden, sie müssen aber bestimmbar" sein. Also genügt es z. B., wenn der Vermieter sich bereit erklärt, das Mktverhöltnis zu dem Mietzins fortzusetzen, der sich nach Abschluß der noch schwebenden Abänderung der Höchstgrenze als Höchstmiete ergibt. Ungültig wäre dagegen die Kündigung, wenn der Vermieter sie mit der Bemerkung begleitet, daß ervorläufig keine neuen vertraglichen Abmachungen zu machen gedenkt".
Beim Clnigungsamt bleibt die letzte Entscheidung. Es kommt nun weiter darauf an, ob der Mieter auf die gleich- zeitig mit der Kündigung angetragenen neuen Bedingungen eingeht. Tut er dies, so ist es Pflicht des Vermieters, der zuständigen Ab­teilung des Mieteinigungsamts dies mitzuteilen, da sich daraufhin sein Antrag erledigt. Versäumt der Vermieter diese Anzeige, so hat das Mieteinigunosamt das Recht, ihm die Kosten für das weitere Verfahren Aufzuerlegen. Denn wenn keine solche Anzeige beim Amt eingeht insbesondere also, wenn der Mieter auf die neuen vedin- gungen nicht eingeht muß das Ami in voller, d. h. paritätischer Besetzung ohne weiterem Antrag und noch vor Ablauf des Vertrages über den Antrag entscheiden, d. h. von sich aus die neuen Miet- bedingungen regeln. Es ist ein sehr bedauerlicher Mangel der einstweiligen Anordnung des Berliner   I.Vorsitzenden vom 10. v.M., daß darin auf die Pflicht der einzelnen Abteilung des Mieteinigrmgs- omts zur Entscheidung in jedem einzelnen Falle vor Ablauf des Vertrages nicht hingewiesen ist. Ein solcher Hinweis wäre für das richtige Verständnis der Bekanntmachung unerläßlich und entspricht der bisherigen Uebung. Einstweilige Anordnungen. Zum Schluß sei darauf hingewiesen, daß zwar nach der Mieter- ichutzvcrordnung t§ 7 Satz 2) nur das kollegial« Amt einstweilige Anordnungen erlassen kann und daß die Verfahrensanordnung, die
in Z 9 die Befugnis zur einstweiligen Anordnung auch dem Vorsitzen- den gewährt, deshalb für dos Mieterfchutzverfähren nicht in Frage kommt, weil sie den Mieterschutzprozeh nur insoweit regelt, als dies nicht bereits durch die Mietsrschutzordirung geschehen ist(Z 14 Abs. 3 Mieterschutzvercrdnung). Indes Hot der G e r i ch t s g e b r a u ch der Einigungsämter ein Gewohnheitsrecht geschaffen, wonach auch im Mictcrschutzversahren(nicht nur im Beschlagnahmeocrfahren) und also insbesondere auch in bezug auf Kündigungen der Vor- sitzende allein einstweilige Anordnungen erlassen kann. Stadtrat B r u m b y- Neukölln. hauserhaltungsksßen Au Lasten öer Nieter! Beim Bezirksmieteinigungsamt 15 für die Kammern T r e p- tow, Oberschöneweide  , Niederschöneweide   und Johannisthal   haben eine Anzahl Hauswirte als Vorposten ihrer Organisationen den Antrag gestellt, ihnen den Ersatz der im Jahre 1921 aufgelaufenen Hauscrhaltungskostcn zu bewilligen und diese Kosten aus die Gesamtheit ihrer Mieter zu verteilen. So hat beispielsweise ein Treptower Hauswirt, der sein Haus mit ganz geringer Anzahlimg zu Spskulationszwecken erst vor zwei Jahren erwarb, den Ersah von 6400 Mark durch 24 Mieker, ein anderer den Ersah von 16 000 Mac? durch 46 Mieter beantragt. Es handelt sich dabei nicht etwa»m Kosten für ganz notwendige Reparaturen am Hause oder innerhalb der Wohnungen, sondern um die allgemeinen Abgaben für Licht, Wasser. Müllabfuhr und dergleichen, die noch der Berechnung dieser Hauswirte einen Fehlbetrag gegenüber den Mieteinnahmsn hervorgerufen haben. Das Misteinigungsamt Treptow   hat bereits die Antrage den Obleuten der Mieterausschüsse zugefertigt mit dem Ersuchen, die Berechnung der Hauswirte nach- zuprüfen und sich über die Art der Verteilung der Kosten auf die einzelnen Mieter zu äußern. Es scheint demnach wirklich die Absicht zu haben, den Hauswirten einen hohen Extrazuschlag zu bewilligen, was einer Belastung mit durchschnittlich 300 bis 350 Mark pro Miete? entsprechen und sich nach solchem Präzedenzfall natürlich auch für die in Zukunft entstehenden Hausauszaben wiederholen würde. Mit Recht fragen die Mieter, was dann noch der fortlaufend neu festgesetzte höhere Mictezuschlag zu bedeuten habe, der doch ein ange- messener Ausgleich für die steigenden Hansabgaben sein soll. In den jetzigen Anträgen muß also der Versuch erblickt werden, durch ' Mieteinigungsämter ohne Berufungsrecht für die Mieter dos zu erhalten, was die Hausbesitzer durch die höhereu Verwaltungsbehör­den an prozentualen MietzuschlSgeu nicht erreichen konnten. Die Bewilligung der Forderungen würde auch dem Grundsatz wider- sprechen, nichts mit rückwirkender krafi zu bewilligen. Für derartig weitgehende Anträge, durch die der Sinn der jeweiligen prozentualen Mictzuschläge illusorisch gemacht wird, dürften die Mieteinigungs» ömter überhaupt nicht zuständig sein.
meinen planmäßig. Mit der regelmäßigen Durchführung aller Züge kann heute gerechnet werden. Der Fernpersoirenbcrkehr wurde planmäßig durchgeführt. Der Güterverkehr wird am Abend wieder voll im Gange sein. Tie Heranführung geschlossener Kohlenzüge nach Berlin   wird mit allen Kräften gefördert werden.__ Die Sluttat am kurfurstenSamm. Nach den eingehenden polizeilichen Ermittelungen hat sich die Bluttot am Kurfürstendamm   folgendermaßen abgespielt: Der Unter- Wachtmeister Erich Rosengorth von der 3. Hundertschaft Tiergarten hatte am Neujahrstage nachmittags gegen 4 Uhr seinen Dienst als Verkehrsposten an der Ecke Kurfürstenstraße Kurfürstendamm an­getreten. Etwa um 63r! Uhr ließ sich der Arbeiter Paul Beetz aus Spandau   vor dem Eden-Hotel in der Kurfirrstenstraße nieder und bettelte. Als der Beamte ihn fortwics, kam es zwischen ihm und Beetz zu einem erregten Wortwechsel. Dann stürzte sich Deetz nach Aussagen von mehreren Zeugen auf den Beamten und stach mit den WortenIhr Lumpen, Ihr Verbrecherl" mit einem großen Messer auf den Beamten ein, so daß er schwere Verletzungen an der linken Brustseite erlitt. In der Notwehr gab Rosengorth jetzt einen Schuh ab, der ober fehlging. Als Deetz den Beamten aufs neu? angriff, taumelte dieser zurück und feuerte einen zweiten Schuß ab, der wiederum den Täter nicht
traf, jedoch dos in diesem Moment vorbeigehende Frl. Martha Tschoppe an der Stirn streifte und sie leicht verletzte. Auf der Rettungsstelle 7 legte man ihr, wie auch dem Rasen- g a r t h einen Verband an. Rosengarth starb bald nach seiner Ueber- führung in dos Clisabsth-Krankenhaus. Beetz war inzwischen m i t gezücktem Messer den Kurfür st endamm entlang ge- gangen. Am Marmorsaal stellte sich ihm der Pförtner entgegen, mußte aber zurückweichen, da Beetz auch auf ihn mit dem Messer losging. Jetzt erschien der Polizciwachtmeister Schmidt von der Mommsenwoche, auf den Beetz ebenfalls mit dem gezogenen Messer losging. Der Beamte rief ihm zu:Messer fallen lassen, Hände hoch!" und gab, als Beetz der Aufforderung nicht nach- kam, einen Schuh auf ihn ab, durch den der Messerstecher- in den Unterleib getroffen wurde und zusammenbrgch. s Er wurde noch der obengenannten Rettungswache gebracht und dann der Charit« als Polizeigefangener übergeben. Hier fand man bei der Durchsuchung der Sachen des Bettlers 840 Mark bares Geld. Aächtsichir Raubüberfall. In der vergangenen NaSt wurde ein Wertmeister Friedrich B. rn der Steinstroße von drei unbekannt ge« bliebenen Männern ü herfallen und ausgeraubt. Die Burschen entwenderen ihm mit Gewalt den Maniel, einen schwarzen Velourhut, eine silberne Taicheiruhr, eine lederne Bricflaiche mik 300 M. Papiergeld, Mililärpaß. Einreiseerlaubnis mit Bild, das Verbandsbuch vom W-rkmeisterverband und verschiedene andere Papiere, ferner sechs WohnungSichlüsiel und liefen dann davon.
-i Sine seltsame Nachk. Roman in vier Stunden von Lanrids Bruun. Er küßte seiner Frau die Wange, die sie ihm hastig zu- gekehrt hatte, während eine ganz leise Röte sich von der Rasenwurzel über ihre hohe, elfenbeinweiße Stirn zog. Während der Amtsvorlteher jetzt eilig zur Kontortür schritt, nickte er dem jungen Mädchen zu, die im selben Augen- blick mit den beiden Kristallgläsern, worin sie die Syrmgen geordnet batte, zurückkam. In der Tür blieb er noch einmal stehen und wandte den Kopf zu Fräulein Sindal um. Was ich noch sagen wollte wenn sich etwas mit Ellen ereignet Fieber oder so was dann telephonieren Sie nur gleich an Doktor Sylt.  * Der Doktor ist aber heute in der Stadt," wandte Fräulein Sindal ein.und kommt erst mit dem letzten Zug zurück das sagte er heute morgen!" Frau Hjarmer sah von ihrer Stickerei auf.Er wird schon von selbst kommen" sie nickte ihrem Marni, dessen Srngcn einen nervös gespannten Ausdruck bekommen hatten, beruhigend zuwenn er vorbeiradelt und sieht, daß hier noch Licht ist." Ja nicht wahr?" Dann fügte sie hinzu, als sie sah, daß ein neuer Gedanken- gang sich seiner bemächtigen wollte: Mach nur, daß du fortkommst, mein Freund! Sonst stirbt die Brauerswitwe noch, bevor sie ihren letzten Willen kundgetan hat." Adieu, Liebste! Adieu, Fräulein Sindal! Der Amtsvorsteher nickte ihnen beiden zu und ging. Frau chjarmer sah zum Rauchtisch hinüber. Ja, da lag das schwere Buch noch und wartete. Run hat er das Protokoll doch vergesien!" Fräulein Sindal lief, so rasch sie konnte sie war etwas schwerfällig in ihren Bewegungen, wenn sie sich beeilen wollte. Sie hielt das schwere Protokoll In beiden Armen und lief durchs Kontor hinaus. Herr Hjarmer!" rief sieDas Protokoll!" Bielen Dank!" antwortete der Amtsvorsteher von der Haustür her; er hatte beide Türen hinter sich offen stehen
lasien. Dann nahm er das Protokoll entgegen und trug es selbst in den Wagen. Besten Dank, Fräulein! Ich bin so zerstreut." 2. Indem Fräulein Sindal die Tür zum Kontor schloß, er- hob Frau Hjarmer sich, atmete tief aus. reckte vorm Kamin die zartgeformten Arme, so daß die Brust sich nach vorn spannte, und strich dann mit den Handflächen von der schlan- ken Taille über die lange Bogenlinie chrer starken Hüften. Fräulein Sindal setzte eines der Kristallgläser auf den Schreibtisch, der schräg an der Wand stand, zwischen dem großen Fenster links und dem Erker mit den Glastüren zum Garten. Heute kommt Herr Hjarmer wieder spät zu Bett," sagte sie,und morgen hat er dann seine Kopfschmerzen." Ja. ja." Frau Hjarmer beugte sich gedankenverloren über die Syringen, indem sie in vollen Zügen deren Duft einatmete. Fräulein Sindal trat an den Tisch. Soll ich Stine nicht etwas Butterbrot streichen und es drimren im Kontor hinstellen lassen, bevor sie nach oben geht?" Frau Hjarmer erwachte aus ihren Gedanken. O, Sie Pflegemütterchenl" sagte sie und lächelte. Pflegemütterchen?" Sie denken immer an andere: versorgen Ellen, verziehen mich und machen es Knud behaglich." Fräulein Sindal lächelte mit ihrem großen, hellen Lächeln, das alle ihre starken, weißen Zähne zeigte. Ja, und versorge außerdem die Hühner, Enten und Tauben. Es ist nicht so leicht, hier im Hause Stütze zu sein!" Wie sagt doch Doktor Sylt  ?Sie bekommt nichts und zahlt nichts" Frau Hjarmer setzte sich auf die Armlehne des Sessels, nahm die Stickerei zur Hand und betrachtete sie prüfendund doch ist sie der gute Geist des Hauses."" Ach, dieser Doktor Sylt!" Fräulein Sindal rümpfte die kurz- Rase, so daß die Oberlippe nach oben gezogen wurde. Der muß immer necken!" Im selben Augenblick überkam sie ein Gähnen, aber sie schluckte es energisch hinunter: sie wußte, wenn es erst anfing, würde es kein Ende nehmen. 'Jetzt muß das Pflegemütterchen wohl zum Patienten
hinauf!" sagte sie und reichte die volle Hand mit den kleinen, ' runden Fingern über den Tisch hinüber.Gute Nacht, Frau Hjarmer." Frau Hjarmer behielt Fräulein Sindals Hand in der ihren und sah sie an.Ellen sckzlüft, sonst hätte Stine sie ja. gehört, Leisten Sie mir noch ein wenig Gesellschaft!" Wissen Sie, Frau Hjarmer Sie sollten lieber zu Bett gehen, anstatt aufzubleiben und zu sticken." Frau Hjarmer zog ihre Hand zurück, während eine feine Falte an der Nasenwurzel sichtbar wurde und die flauinige Oberlippe sich ganz leise kräuselte, als hätte sich etwas Bitteres auf ihre Zungenspitze gelegt. O, ich finde, hier im Hause wird gemig geschlafen!" sagte sie hart, wurde aber im selben Augenblick selbst auf den harten Klang aufmerksam und erhob sich, den Halskragen in der Hand. Er soll zu meinem Geburtstag fertig fein!" sagte sie. Kommen Sie, wir wollen ihn probieren." Sie wandte sich zum Spiegel, knöpfte die obersten Knöpfe ihrer Taille auf und bog den Halskxagen zurück, so daß ihr blendend weißer Hals unter dem Nackcngelock zum Bar- schein kam. Fräulein Sindal kam herbei und half ihr den Kragen mit Stecknadeln festzuheften. Dann trat sie zurück, um besser zu sehen. Großartig!" sagte sie und fügte kurz darauf hinzu: Wer solchen Hals und solche Schultern hätte!" Was dann?" fragte Frau Hjarmer und blickte sich mit einem Lächeln um. Dann wäre man hübsch!" Frau Hjarmer kehrt« sich wieder zum Spiegel um. Was soll man damit, wenn niemand es sieht und sich daran erfreut!" Niemand?" Fräulein Sindal lächelte ein kleines neu- gieriges und verstohlenes Lächeln. Knud, ja?" sagte Frau Hjarmer zögernd, mit einer leisen Röte bei dem flaumigen Ohr. Dann kräuselt« die Oberlippe sich wieder wie vorhin, während sie den Kopf beugte und sich von der Seite im Spiegel betrachtete.Aber nie ein strahlen- des Fest meine ich niemals eine glänzende Toilette!" Fräulein Sindal war in Bewunderung versunken was häufig vorkam. ..(Fortsetzung folgt.) 4