Der demonstrative Veifall, der ihm besonders von den maßgebenden Führern des Vorstandes der USP. gezollt wurde, ist für den Gedanken der Einigung kein gutes Zeichen. » Das Vorspiel zu der mit reichlicher Verspätung er- ösfneten Montagsitzung gab eine kurze Anklagerede Kurt R o f e n f e l d s gegen die.Klassenjustiz, für die er in merkwürdiger Weise die Koalitionspolitik der Sozialdemo- kratie mitverantwortlich zu machen suchte. Er verlangt kein« Gnade für die politischen Gefangenen, denn das wäre re- volutionärer Klassenkämpfer unwürdig, sondern er fordert A m n e st i e. Der Parteitag unterstreicht diesen sonnenklaren Unterschied mit lebhafter Zustimmung. Entsprechende Resolu- tionen, die auch für das Asylrecht der spanischen Datomörder eintreten, werden einstimmig angenommen. Die Eröffnungssitzung. LS. Leipzig. 8. Januar. (Eig. Drahtbericht.) Im Leipziger V o l k s h a u s, das während der Kapp- Unruhen im März 1920 fast vollkommen zerstört wurde und jetzt mit einem Kostenauswand von 9 Millionen Mark wieder aufgebaut worden ist, begann am Sonntag nachmittag der Parteitag der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lcmds, der erste Parteitag nach der in Halle erfolgten Spaltung der Partei im Jahre 1920. Aus dem Ausland waren erschienen Paul Faure , Grumbach, Rene Cabannes, Georges Maurange und Pierre Rennudel von der französischen sozialistischen Partei, aus Luxemburg I. E. Becker, von der Jndependent Labour Party W. S). Anles. Aus der Schweiz war Reinhard gekommen, aus Lett- land Professor Dr. Ballod, aus Deutfchöstcrreich Dr. Adler, aus der Tschechoslowakei Hillebrand, von der menschewistischen Partei Ruh- lands Marlow und Abramowicz, von den linkssozialistischen Revo- lationären Ruhlands Alexander Schreiber sowie als Vertreter der „Pools Zioti" Robaschew-Wien. Räch einleitendem Chorgesang eröffnete Crifpicn den Parteitag. Räch einem Ueberblick über die Entwicklung der USPD . führte Crispien aus:„Die Entwicklung der Revolution wurde gehemmt durch Erscheinungen, für die andere Parteien ver- antwortlich sind. Die Sozialdemokratische Partei paktierte mit den bürgerlichen Parteien, anstatt die sozialistische Regierung zu be- haupten. Die kommunistische Bewegung verfiel bald in«inen sinnlosen Pulschismus, in einen Kampf gegen die Arbeiterklasse. Deshalb konnten die Kräfte des Proletariats nicht zur vollen Entfaltung gelangen. Die USP. hat sich immer die Erkenntnis gewahrt, daß der Klassenkampf aus den ökonomischen Lebensbedingungen erwächst. Sie war in jeder Phase der Revolution bestrebt, das Gefamtinterefse des Proletariats zu vertreten. Es bestand die wohlbegründete Hoffnung, daß unsere Partei sich bald zu der revolutionären Masscnpartei ent- wickeln würde. Es kamen die 21 Thesen aus Moskau , die Zu- mutung, daß wir politischen Selbstmord verüben sollten, daß wir abdanken sollten zugunsten eines putschistischen, ver- brecherischen Wahnsinns. Mit der Spaltung von Holle hat das deutsche Proletariat eine grohe Schlacht verloren. Geistig siegte damals die USP. über den Bolschewismus. Unser Parteitag wird bestimmt« Fragen zu beantworten haben, er wird sich mit der Finanz, und Steuerfrage beschäftigen, mit der Koalitionspalitit, mit der Frage der Einigung, nationalen und internationalen. Die bürgerlichen Parteien rechnen auf die Spaltung und Selbstzer- fleischung des Proletariats: das Proletariat wiederum blickt auf unseren Parteitag in Hoffnung und auch in Besorgnis, in Be- ftrgnis, daß zu den zwei großen Enttäuschungen der letzten Zeit, Jena und Görlitz , eine neue treten könnte. Das Zena der Kommunisten ist nicht zum Ausgangspunkt der Sammlung des Proleiariats ge- worden, sondern hat die Entwicklung zur Einigkeit gehindert. Das stolze Schiff der Kommunisten treibt heute als Wrack vor dem Sturm. Und schon werden die bolschewistischen Grundsätze als unnützer Ballast über Bord geworfen: an Bord herrscht Meuterei. Diele verlassen das Wrack freiwillig, und das von den Kommunisten unserer Partei zu- gedachte Schicksal des Zerfalles vollzieht sich jetzt an der Kommunist!» schen Partei selbst. Das Görlitz der Sozialdemokratischen Partei war ein verstärktes Bekenntnis zur Koalitionspolitik. Wenn man zuerst kommandiert hat: Halb rechts marsch!, dann hat man in Görlitz kommandiert: Rechts schwenkt einl Das Görlitz der Sozial- demokratie diskreditiert den Sozialismus und verbittert das Pro-
Dichterarbeit. G» ist etn weitverbreitetes Vorurteil, die Künstler und die Dichter für wankelmütige und unbeständige Menschen zu halten, die zu dem mühseligen Alltagswerk unfähig sind, und zu glauben, daß ihre Werk« von einer höheren Inspiration geschaffen worden sind. Alle Berichte über das Leben und Wirken der Dichter konnten diese Meinung nicht aus der Welt schaffen, weil die Beschreibung ihrer Kämpfe, um die künstlerische Pollendung immer nur von einer geistigen Tätigkeit berichtet hat und eine solch« kein greifbares Bild der Arbeit gibt. Darum wird ein Beispiel, mit welcher Ausdauer und Hartnäckigkeit selbst ein Genie wie Strindberg im wahrsten Sinne des Wortes gearbeitet hat, sehr interessant sein. In dem jetzt er- schienenen Buch der Strindbcrgschen Gesamtausgabe„Die Natur- trilogie"'(bei Georg Müller) erzählt der Dichter in einem Essay, wie er seine botanischen Beobachtungen angestellt hat. Da er nicht imstande war, irgendwelche größeren Ausgaben zu machen, mietete er sich ein Stückchen Boden von 18 Schritten im Quadrat auf einem Felsenhügel im Stockholmer Jnselmeer,„der allen Winden mit Aus- nahm« de» warmen südlichen ausgesetzt war' und begann im ständi- gen Kampf mit den Hühnern, Hunden, Kindern und Nachbarn dort seine Arbeit. Bei den ersten warmen Sonnenstrahlen kauft« er sich von seinem Gewürzkrämer einige niedrige Seifenkasten oder dergleichen und vom nächsten Gärtner einige Wetzen Erde. „Und in die Kästen säe ich meine Pflanzen zum Sommer... Wenn jetzt die Stadtsonne sehr eifrig ist» schießen meine Pflanzen in» Kraut und neigen sich dem Fenster zu. Da nehme ich sie auf, schneide die Pfahlwurzel ab und setze sie bis zum Herzblatt nieder, worauf sie wieder schießen, jetzt aber solider. Und wenn ich Anfang Mai hinausziehe, habe ich meine Schützlinge in besonders eingerichtete Kasten eingepackt... aber es ist zu früh, um schon zu pflanzen, und die Pflanzen müssen abge- härtet werden. Da stelle ich meine Pflanzen in einen trockenen Graben und lege ein herausgenommenes Doppelfenster darauf. Die Doppelfenster sind meine Erfindung, und mit ihnen tue ich Wunder." Dann folgt die genaue Beschreibung, wie er arbeitet, wie er den Boden düngt, wie er jede Pslanzenart besonders behandelt, besonder» pflegt, Ihr besonderen Boden bereitet, und erzählt stolz die ver- schiedenen Erfolge:„Aus dem kleinen Flecken von der Größe eine» Eßtisches habe ich Gurken vom Monat Juli bis in den Herbst hinein geerntet, und zwar in der Menge einer halben Tonne... Auf diesem Fleck, so groß wie ein großer Restaurationssaal, weit draußen w den Schären, findet sich alles versammelt, wa» das mittlere Schweden Bestes hervorbringen kann. Außer dem Gemüse, vom Spargel bis zum englischen Blumenkohl und den Artischocken, wach- Jen hker die edelsten Früchte, von den Erdbeeren bis zu den spa» nischen Kirschen, der Reineclaude, dem Hawthornapsel und den be-
letariat. Ich bin überzeugt, daß diejenigen unter den Sozial- demokraten, die am meisten von der Einigung reden, am wenigsten praktisch dafür getan haben.(Sehr richtig!) Unser Parteitag hat die große Aufgabe, eine Tagung des Sozialismus zu sein. Er wird diese Aufgabe lösen, denn wir haben die große Linie der politischen Einstellung und Taktik richtig eingehalten und in den großen entscheidenden Fragen sind wir politisch glänzend gerecht- fertigt worden Die augenblicklichen Verhandlungen in Cannes sind nicht zuletzt das Resultat der Taktik der USPD., wenn wir auch in die Verhandlungen der kapitalistischen Regierungen nicht zu große Hoffnungen setzen. Wir werden die Vorbereitungen dafür zu treffen haben, daß das Proletariat, wenn der nächste entscheidende Tag kommt, machtvoll und fähig ist, seine Macht zu behaupten, bis der Sozialismus verwirklicht ist.(Stürmischer Beifall.) Es folgte dann die Bildung des Bureaus. Zu Borsitzenden des Parteitages wurden D i t t m a n n-Berlin und S e e g e r-Leipgzi gewählt. Dann wurde die Tagesordnung festgesetzt. In Abänderung der ursprünglich festgesetzten Folge der Referate wurde beschlossen, am Montag zunächst den politischen Bericht der Partei- l e i t u n g entgegenzunehmen, in dem zugleich die Frage der Koali- tionspolitik und der Einigung behandelt werden soll. Unmittelbar hieran wird sich der Bericht der Reichstagsfraktion schließen, zugleich mit der Behandlung der steuerpolitischen Fragen. Dann soll der Bericht der Programmtommission unter Be- rücksichtigung der Kommunalpolitik und der Agrarfragen folgen. Das Referat über Finanzpolitik ist mit Rücksicht aus die zurzeit schwebenden Reporationsverhandlungen von der Tagesordnung ab- gesetzt worden. Nach erfolgter Wahl der verschiedenen Kommissionen verlas Ditt- mann ein Begrüßungstelegram.m der erkrankten Abgeordneten Toni Sander und einen Brief Ernst Tollers aus der Festung Nieder- schönenfeld. Dann begrüßte Dittmann die ausländischen Gäste, die ihrerseits dem Parteitag die Grüße ihrer Partei überbrachten. Der ersie verhanölungstag. LL. Leipzig, 9. Januar. (Eig. Drahtbericht.) Der heutige erste Berhandlungstag wurde mit starker Der- spätung gegen 10 Uhr vormittags vom Vorsitzenden S e e g e r- Leipzig erösnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung legte Abgeord- neter Dr. Rosen seid dem Parteitag zwei Entschließungen vor, in denen der politischen Gefangenen in Deutschland gedacht und ihre sofortige Freilassung und Amncsticrung verlangt wird, des ferneren von der Regierung gefordert wird, daß allen ausländischen So- zialisten, die heute wie in den Zeiten der Wilhelminischen Re- gierung vielfach als lästige Ausländer ausgewiesen würden, das A s y l r e ch t gewährt wird. Beide Entschließungen wurden ein- stimmig angenommen. Dann wurde in die Tagesordnung eingetreten und Dittmann- Berlin erstattete den politischen Bericht der Parteileitung. Die Politik der USPD. — so führte er aus— war feit dem letzten farteitag wie auch schon vorher diktiert von ihrer Einsicht in die röste der inneren und äußeren Politik und in die Machtverhältnisse der Klassen. Der imperialistische Gewaltfriede erschwert den proletarischen Klassenkampf enorm und hält aus beiden Seiten den Nationalismus wach. Deshalb mußten wir im verflossenen Jahre zahlreichen nationalistischen militaristischen Konfliktsmöglichkeiten ent- gegentreten. Hätten wir das Londoner Ultimatum abgelehnt, so wäre damit nicht nur keine Erleichterung der Lasten, sondern eine Verschlechterung in der Lage der deutschen Bevölkerung eingetreten und das nationalistische Eist hätte weitere Kreise verseucht. Durch den ernsthaften Versuch, das Londoner Ultimatum zu erfüllen, ist eine neue politische Lage geschaffen worden. Auch im Loger der Entente wächst die Einsicht von der Unerfüllbarkeit und der Ge- meinschädlichkeit des Ultimatums und des Friedensvertrages. Daher macht sich eine gewisse Geneigtheit für eine Revision geltend. Kommt es zu einer solchen, so tritt dadurch eine gewisse Er- leichtcrung in der Lebenslage der deutschen Arbeiterschaft ein. Gleich- zeitig würde aber damit auch ein Ausgleich zwischen dem Kapita - lismus hüben und drüben erfolgen und ein internationaler Zusam- menschluß der Kapitalisten zur gemeinsamen Ausbeutung Europas und der ganzen Welt entstehen. Seit dem Kriege hat Mars die Stunde regiert. Diese Periode der militärischen Gewaltanwendung scheint sich jetzt ihrem Ende zu nähern. Man beginnt mit den Me- thoden der äußerlich friedlichen Durchdringung der besiegten Länder mit dem Kapital der Sicgerländer. Das führt naturgemäß zu einer gewaltigen Aenderung der wirtschaftlichen Lag« in Deutschland . In
rühmten Louisebonnebirnen, und als Wunder werden zwei Wein- stöcke im Spalier an der Südwand der Hütte gezeigt." Und bei dieser Fronarbeit, bei dem ständigen Kampf gegen den Boden', die kalten Winde, die widrigen Umstände, die Würmer- und Insektenplage, ganz allein, ohne jede Hilfe, hat der-Mann noch die Skannkraft, die Pflanzen zu beobachten, und in ihre Gestaltungs- und Empfindungswelt einzudringen, wie kaum ein mit ollen Hilfs- Mitteln versehener Gelehrter, und die Phantasie, die Erlebnisse draußen auf der Schäre zu künstlerischen Werken zu verarbeiten („Das Jnselmeer und die Jnselbauern"). Daran kann man sehen, wieviel Wahres an dem Lorurteil ist. M. Ch.
(Cannes . Cannes , wo heute die Weisen der Entente über das Schicksal der Menschheit brüten, wird unter allen klimatischen Kur- orten Europas von den Engländern mit besonderer Vorliebe besucht. Ein Engländer war es auch, der durch Zufall diese Perle fand. Ver- dankt doch Cannes feine Entdeckung als Kurort dem Lordkanzler Henry Brougham . Es war im Jahre 1834, als der Lordkanzler durch eine Seuche gezwungen wurde, seine Jtalienreise in einem Ort der damals noch von den Touristenschwärmen unberührten Küste zwischen den Alpen und der See zu unterbrechen. Das kleine Städtchen, in dem er Quartier bezog, war Cannes . Es war ein ganz unbedeutender Ort, dessen Bewohner ihr kümmerlich» Leben dadurch fristeten, daß sie dem von der Sonne ausg»d3rrten Boden in müh- zcliger Arbeit Früchte abzugewinnen suchten oder dem Fischfang ob- lagen. Lord Brougham war berauscht von der landschaftlichen Schönheit und beeilte sich, in begeisterten Zeitungsartikeln das Lob dieses Ortes zu singen. Das alte Cannes ist in der modernen Stadt mit den eleganten Läden, punkenden Villen und stolzen Hotels frei- lich nicht mehr zu erkennen. Die Altstadt mit ihren Türmen und Kirchen liegt vom Hafen entfernt an den Abhängen der Berge. Die Gäste der Riviera tragen nur selten Verlangen, die engen Gäßchsn der alten Stadtteile zu durchwandern, die abseits von dem modernen Luxus des Wsltkurorts ein bescheidenes, verborgenes Dasein führen. Da» moderne Cannes hat zwei hervorstechende Merkzeichen: die palmenbeschattete Promenade und die wunderbaren Villen. Cannes ist ausgesprochenermnhen eine Villenstadt. Die nach Grosse führende Bergstrahe ist von Hunderten dieser entzückenden Billen umsäumt, wie man sie nur an der Riviera sieht. Wie Orgelpfeifen bauen sie sich aus den olivenbesetzten Anhöhen auf und ihre roten Dächer und schimmernden weißen Mauern lugen durch das Laub der Bäume ihrer Gärten, die das ganze Jahr hindurch im Schmuck der Rosen prangen. Ralürliche und tkinstliche Pfefferstoff«. Die Chemie kommt der Natur immer mehr auf die Schlich«. Sie gibt uns ständig neue Einblicke in die Art und Weise, wie die Natur ihre kompliziertesten Stoffe aufbaut. Sie hat der Natur das Geheimnis des Aufbaus der Fcrbstoffe und der Riechstoffe entrissen, sie raubt ihr auch das Ge- heimnis der Konstitution der Gewürzstoff«. Das Geheimnis des Aufbaus des wirksamen Bestandteils des Pfeffers ist jetzt völlig durchschaut. Es gibt zwei Pfefferarten, den indischen(schwarzen,
Westdeutschland, im Soargebiet, im Rheinland und im Ruhrrevier sind heute bereits die großen Unternehmungen mit französischem, be« gischem, englischem und amerikanischem Kapital durchsetzt. EbeNF ist es bei den großen Schisiahrtszejellschasten und über Danzig dring» das Ententekapital nach Polen , nach dem deutschen Osten� und WW Oberschlesien. Das in Deutschland investierte Kapital verliert sti"? bisherigen national-deutschen Charakter und nimmt einen mternano' nalen Charakter an. Diese Entwicklung des Kapitals erzeugt natm- lich fein proletarisches Gegenstück. In steigendem Maße nähern w» uns einer Epoche, in der die Interessen der Proletarier aller Länder sich mit einander verschmelzen. Die internationale proletarüP Kampfgemeinschaft gewinnt gewaltige praktische Bedeutung. marxistisch geschulte Sozialisten sind wir uns bewußt, daß wir durc? die Perlode der Machkkonzcnlrakion des Kapitals kämpfend hindurch müssen, und erst hinterher zu dem gelobten Land des Sozialismus gelangen können. Unser« Partei hat stets dl« gomein'amen Interessen der Pro'«tarier aller Länder allen übrigcn Interessen vorangestellt. Wir haben rücksichtslos den Nationalismus in Deutschland bekämpft und das Proletariat für den internationalen Kampf vorbereitet. Die Spaltung von Halle warf unser« Partei zurück. Ein blinder Glaube an die Macht der Bolschewisten hui damals die Massen beherrscht, die von uns gegangen sind. Der kommunistische Märzputsch war die Generalprobe aui das Moskauer Exempel. Die Rechnung erwies sich als falsch.
Die Mtwationalen. Die nationalistische Presse bietet jetzt einen Anblick, der zum Totlachen wäre, wenn nicht jede humoristische Anwand- lung durch ein tiefes Gefühl des Ekels und Abscheus so« fort erstickt würde. Dreiviertel Jahre lang haben die Herr- schastcn gegen die Ersüllungspolitik des Kabinetts Wirth ge« hetzt, im Dezember feierlich den„völligen Bankrott" der Wirthschen Politik festgestellt, und nun zittern sie vor Angst an sämtlichen Gliedmaßen, daß sich in Cannes ein Erfolg der Ersüllungspolitik für Deutschland � offenbaren dürfte. Diesen großen„Patrioten" ist nichts entsetzlicher als die Aussicht, daß Deutschland einen Aufschub und eine Besserung seiner Zahlungsverpflichtungen erhalten könnte. Denn getreu ihrem Grundsatz„Das Baterland über die Partei" pfeifen die Nationalisten auf das Vaterland, sobald ihre reaktionären P a r t e i i n t e r- essen zu kurz kommen. Typisch für diese Haltung ist die „Tägliche Rundschau", die in ihrer Sonntagsnummer unter der Meldung des Zahlungsaufschubs für Deutschland einen Artikel abdruckt, der unter bundert ähnlichen Ausfällen gegen Nathenau und Wirth auch folgende bringt: „Der Ausflug, den Herr Dr. Walter R a t h e na u in das Ge- biet der höheren Diplomatie gemacht hat, ist kläglich geschei- ts r t. Cr kommt als geschlagener Mann heim... Herr Rathenau kam also mit einem leeren Sack, der lediglich durch unverbindliche Versprechungen aufaeba.l.'sckft war, nach Berlin zurück. Der einzige Erfolg, den er aufweisen konnte, war, daß er die ersten zarten Fäden, die Stinnes(aha!) angesponnen hatte, in Ver- w i r r u n g brachte... Die letzte Note der Reparationskommisston beweist auch dem Blindesten, daß das Spiel verloren ist. Sogar Herr Dr. Wirth hat von der Glaubensfreudigkcit, mit der er bisher der nächsten Zukunft entgegensah, kaum einen kleinen Nest gerettet, er wird es heute bereuen, daß er nicht doch lieber die Hand ergriff, die ihm die Industrie bieten wollte. Herr Na- thsnau ober hat feine diplomatische Karriere ausge- spielt, ehe er sie so recht begonnen hatte." Daneben schreibt der Ebesredakteur Herr H u s s o n g einen Leitartikel, der mit Rücksicht auf unbestreitbare Tatsachen etwas vorsichtiger gehalten ist. Aber als vorausschauender Mann stellt Herr Hussong gleich fest, daß, wenn sich in Cannes die Dinge zu unseren Gunsten zu entwickeln beginnen, das natürlich nicht auf Konto Wirths und Rathcnaus käme, son- dern einzig und allein auf Konto der„zwangsläufigen natur- notwendigen Entwicklung". Wobei Herr Hussong nur ver- gißt, daß wir auf die Auswirkung dieser Entwicklung noch jahrelang hätten warten können, wenn wir die von den Alldeutschen geforderte Politik der Nichterfüllung betrieben hätten.
weißen und langen Pfeffer) und den spanischen Pfeffer. Aus dem indischen Pfeffer wurde in langwieriger Arbeit von Generationen das Piperin ausgeschieden, dessen künstliche Zusammensetzung bis 1894 völlig gelungen war. Aber das Piperin ist nicht der Träger des spezifischen Pfeffergeschmacks, es ist vielmehr fast geschmacklos. Aus dem spanischen Pfeffer schied T h r e s h 1876 das Eapsaicin als wirksamen Bestandteil aus. 1919 stellte E. K. N« lf o n die chemische Konstitution dieses Stoffes fest,«»bei aber noch Unklarheiten über den inneren Bau blieben. Im letzten Heft der„Annalsn der Chemie" veröffentlichen nun E. O t t und K. Zimmermann di« Ergebnisse ihrer Untersuchungen über di« Beziehungen zwischen chemischer Konstitution und Pfeffergeschmack. Auf Grund der Unter- suchung von Nelson hoben sie durch Synthesen di« gesuchten Be- Ziehungen aufgedeckt. Sie sagen darüber:„Die bisher bekannten Träger des scharfen Pfeffergcschmacks sind Säurcamide aus unge- sättigten Säuren mit Oxybenzylaminen". Die einzelnen Synthesen ergaben eine Reihe von künstlichen Pfesferstosfen, deren scharfer und aromatischer Geschmack sich se nach der Konstitution der zur Zusam- mensetzung verwandten Stoffe änderte. Man kann also durch di« Art der Synthese die Nuancierunq des Geschmacks bestimmen. Aus der großen Zahl der möglichen Kombinationen hat die Natur im spanischen Pfeffer gerade die stärkste ausgewählt. Dieselbe Unter- suchung wird setzt beim indischen Pfeffer unternommen. Der Konstrukteur der Heißdampflokomofwe, der Geh. Vaurat Robert Garbe in Berlin , vollendet am 9. Januar sein 7Z. Lebensjahr. Im Jahre 1893 trat der Zivilingcnieur Wilhelm Schmidt- Kassel wiederholt mit der Aufforderung an Garbe heran, ihm dabei behilflich zu sein, den bei ortsfesten Maschinen mit großem Erfolg« bereits angewendeten hochüberhltzten Dampf auch beim Betrieb von Lokomotiven einzuführen. Große Schwierigkeiten praktischer Natur waren zu überwinden. Trotzdem gelang es ihm, in einem knappen Jahrzehnt die Heihdampflokomotioe soweit zu vervollkommnen, daß bereits im Jahre 1903 die Kinderkrankheiten als überwunden be- trachtet werden konnten. Der Erfolg der preußischen Staatssisen- bahn war derartig, daß man überall dazu überging, Heißdampsloko- Motiven zu bauen. Heute laufen weit über 60 000 Heißdampsloko- Motiven in allen Teilen der Welt. Seine reichen Erfahrungen hat Garbe in seinem Buche„Die Dampflokomotiven der Gegenwart" niedergelegt. SvielPlanSndernng. Im DeutsKen OpernbauZ wird Montag infolge Erkrankung an Stelle von„Don I an" die„Fl e der- maus" ausgeführt.— Im F ri e d i ch- W i l d e l m st ä d t i s ch e n Theater wird vom 13. Jan. an statt dcS.FrauenränderS" ein wechselndes Repertoire<Over, Overette und Schaulpicl) gegeben. Freitag„Rigoletto", Sonnabend.Waffenschmied", Sonntag.Die Dollarprinzesfin«. Mustk. Dienstag, den lO., abends 8 Ubr, finde! in der Brauerei Friedrichshain ein O p c r n a b e n d des Blülhner-Orchestei S statt.» Ter lüiistlrriiche Beirat unseres wrost-Berltner Bezirks« b i I d u n g z a us s ch u I s e s setzt bch jetzt aus folgenden Genossen und Geno sinnen zusammen: Musik: Professor Karl Thiel, Leiter des staat- lichen Instituts tür Kirchenmilsik, Ploscssor Schünemar,«, Direktor an der staatlichen, akademischen Hochschule sllr Musit und Dr. Ernst Jokl . Bildende Kunst: Dr. Jvim SchikowSki und Wilhelm Oestcrle, Literatur und Theater: Clcenore Brun», Karl Korr, und Marti» Hartwig.