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Nr. 18 39. Jahrgang Ausgabe Nr. 9

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Mittwoch, den 11. Januar 1922

Briand über den Garantievertrag.

Die Nebelmänner sind in Cannes am Werk. Hieß es lung in den legten Tagen gebe zu der Befürchtung Anlaß, daß eine zuerst, Lloyd George wünsche einen Garantievertrag, der französisch englische Krise in der Luft liege. Selbst alle Bölfer Europas umspanne, Frankreich aber sträube sich die Freunde und Anhänger Briands fähen mit Besorgnis in die gegen jeden Berrtag, der über ein englisch - französisches Bünd- nahe Zukunft. nis hinausgehe, so verkündet Briand heute das Gegenteil. Er, Briand , sei mit einem engherzigen Projekt, das lediglich Frankreich seine Oftgrenze garantiere, in feiner Weise zu frieden und wolle gern die Bölker Europas an den Segnungen eines europäischen Garantievertrages teilhaftig werden lassen, aber Nun, die englische Presse atmet wieder ein mal Krisenluft, und Grund genug dazu ist vorhanden, wenn man in der Daily Mail" nachlieft, was alles unter dem Deck­mantel des englisch - französischen Garantievertrages zusammen­gearbeitet werden soll.

Wir Deutschen tun gut daran, nicht allzu begierig den Duft dieser Küche einzuschnuppern und abzuwarten, was man uns morgen an der Riviera an Leckerbissen serviert. Die Meinungen der Aerzte im eigenen Haus, wie weit wir in der Kunst gelangt sind, eine derartige Rost zu verdauen, sind ja noch feineswegs abgeschlossen, obwohl allen Parteien daran liegen sollte, Deutschland als gesunden Mann nach Genua zu schicken, wo unfere subjektive Meinung von Belang

sein kann.

Briand über den Garantievertrag.

Cannes , 11. Januar. ( WTB.) Nach Schluß der gestrigen Nach­mittagssigung des Obersten Rates gab Briand französischen Presse­vertretern Erklärungen ab, wobei er unter anderem sagte: Die ein zige Frage, die zwischen Lloyd George und ihm erörtert worden sei, sei gewesen, ob es nicht zweckmäßig wäre, daß Frankreich und England fich zufammentäten, um die französisch deutsche Grenze zu sichern.

Er persönlich würde einen großzügigeren Plan vorgezogen haben, die Engländer wollten sich aber nur verpflichten, die fran. zösisch- deutsche Grenze zu garantieren. Infolgedessen habe er, Briand , ein System einer politischen Entente er dacht, die sich auf ganz Europa erstrecken würde. Es sei un zweifelhaft, daß die belgische Grenze, die sich an die französische anschließe, durch den französisch- englischen Baft ebenfalls geschützt werden würde. Italien wisse sehr gut, daß Frankreich bereit sei, alle Abkommen zu schließen, die geeignet wären, die Bande zwischen beiden Ländern enger zu knüpfen.

Der Sonderforrespondent des Daily Telegraph " berichtet, die englischen Bedingungen betreffend Angora, Tanger , Bolen, die U- Boote und die Abrüftung zu Lande würden in den Wortlaut des englisch - französischen Bertrages formell eingefügt werden. Alle diese Fragen würden indessen bei den Verhandlungen über den endgültigen Abschluß eines Garantievertrages eines Garantievertrages zur Sprache kommen.

Opposition in Frankreich .

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Die russische Tragödie.

Bon Heinrich Ströbel ,

in den Hungerstreit eintreten mußten, um gegen die Berurtei Die Nachricht, daß 240 sozialistische Gefangene in Moskau lung zur trodenen Guillotine der Verschickung nach Turkestan zu protestieren, hat wieder einmal die unsäglich widerfinnigen. lung zur trockenen Guillotine der Verschickung nach Turkestan Zustände in Rußland mit Scheinwerferhelle beleuchtet. Auch hängnisvollen Lurus der Parteispaltung und des Getten­die Sozialisten anderer Länder haben sich seit Jahren den ver haders gestattet, obwohl feiner Zeit die Zusammenfassung hängnisvollen Lurus der Parteispaltung und des Setten­aller sozialistischen Kräfte so bitter not getan hätte, wie der Zeit seit der Beendigung des Krieges, feit dem Beginne der großen Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Kapi talismus. Aber so schwerer Fehler sich beispielsweise auch die deutschen Sozialisten schuldig gemacht haben: all ihre Tor­heiten verblassen gegenüber der Haltung der regierenden Männer in Rußland . Denn daß die Bolschewifi selbst heute noch, wo es um Sein oder Nichtsein der letzten Reste des So­zialismus in Rußland geht, feine weitsichtigere Tattif tennen, als die rachsüchtige Berfolgung der andersden­tenden Sozialisten, das ist schon das Aeußerste revo­lutionären" Selbstvernichtungswahns.

Im Bureau der franzöfifchen Rammer find eine ganze Reihe von Entschließungen eingelaufen, die gegen eine etwaige Ber legung des Versailler Vertrages und des Londoner Zahlungsplanes durch die Konferenz von Cannes protestieren. Ein Antrag des be­tannten Nationalisten Daudet , zu den Berhandlungen eilig Stellung zu nehmen, wurde jedoch von der Rammer mit 312 gegen 199 Stimmen abgelehnt. Bon größerer Bedeutung ist es, daß die re­publitanische Linte des Senats, die über die Mehrheit westeuropäischen Sozialisten, die das System der Rätediktatur Daß die Bolschewiki jahrelang die Menschewifi" und alle verfügt, eine Warnung nach Cannes gerichtet hat. Briand und der Gewaltsozialisierung für verfehlt hielten, als ihre Tod­antwortete der Kammer und der Oppofition telegraphisch, das Re- feinde ansahen, war ein tragischer, aber immerhin begreiflicher parationsproblem fel bisher in feiner Bollfigung erörtert worden; Irrtum. Die Bolschewiti erblickten in den Bertretern des er werde Schmälerungen der Rechte Frankreichs nicht zulassen.

Das Programm der europäischen Konferenz. Cannes , 11. Januar. ( WTB.) Der Sonderberichterstatter der Agence Havas meldet: Der Oberste Rat hat heute den am Bor mittag von dem Sonderausschuß für die Internationale Wirtschaftstonferenz hergestellten Entwurf zur Kenntnis genommen. Die Einladungen würden von dem Ministerpräsidenten Bonomi ausgehen und an die interessierten Staaten in zwei oder drei Tagen abgeschickt werden. Georgien wird nicht ein geladen werden.

demokratischen Sozialismus Saboteure ihres Systems, Wider­facher jener Weltrevolution", auf deren Sieg sie bei der In­Szenterung ihrer Rätediktatur zuversichtlich gerechnet hatten und auf den sie unbedingt rechnen mußten, wenn ihr Herr­schaftssystem nicht wieder in sich zusammenbrechen sollte. Die innere und äußere Politif Moskaus erklärt sich aus ihren ersten entscheidenden Schritten. Nachdem die Bolschewifi einmal die Konstituante auseinandergefprengt und die Difta tur des revolutionären Vortrupps proflamiert hatten und, im Grunde sehr gegen ihren eigenen Willen, durch die unaus­bleiblichen Folgen der Arbeiterkontrolle" Hals über Kopf Heute wird der Oberste Rat endgültig das Programm diefer auf die Bahnder Bollsozialisierung gedrängt Konferenz anzunehmen haben. Wie bereits gemeldet, handelt es worden waren, gab es für sie schlechterdings kein Zurück­sich in erster Linie um die Genehmigung der in der Resolution vom mehr. Wer jetzt, wo nur noch unaufhaltsames Borwärtsdrän­6. Januar aufgezählten Bedingungen. Ferner stehen folgende gen Rettung zu verheißen schien, Zweifel hegte und Bedenken Fragen auf der Tagesordnung: Währungen, Wechselkurse, Zentral- äußerte, war der Feind, der Verräter. Und wer sich in den banken, Emissionsbanken, Staatsausgaben im Zusammenhang mit Westländern der Bolschewisierung widersetzte, und sei es zehn­Die Besorgnisse einiger Engländer bezüglich der Handelstransaktionen, Hindernisse für den Handel, Zollschranken, mal aus ernſtefter Sorge um die Sache der Sozialismus, ward U- Boote würden, falls das Abkommen zustandekäme, zerstreut Transportwesen, technische Hilfe beim Wiederaufbau, Gesetzgebung gleichfalls als Sozialverräter geächtet. Aber die Wirtschaftstatsachen erwiesen sich als noch härter, werden. Wenn Frankreich und England Hand in Hand gingen, so bezüglich des Wechsel- und Scheckverkehrs. als die Köpfe der fanatischsten Bolschewifi. Das Rätefnitem, würden ihre beiderseitigen Admiralitäten in gemeinschaftlicher Ueber­die Diktatur der Minderheit, ließ sich nur in den ökonomisch einstimmung über die Berwendung ihrer beiderseiti. gen Seeftreitfräfte fich einigen fönnen. und politisch rückständigsten Ländern durchführen, scheiterte Briand fügte hinzu, es sei verabredet worden, daß alle zwischen Heute fand an der Berliner Börse ein offizieller Berkehr aber unfehlbar an der Interessenvielgestaltigkeit und dem Frankreich und Großbritannien schwebenden Probleme zur Sprache nur in Devisen und Noten statt. Die Kurse der ausländischen demokratischen Selbstbewußtsein aller ökonomisch und politisch gebracht werden würden, um ihnen womöglich eine befriedigende Zahlungsmittel zeigen wieder steigende Tendenz. Hinsichtlich entwickelteren Länder. So kam es, daß sich nach vier Jahren Lösung zu geben. Er hoffe, daß man zu einer prinzipiellen Eini- der Ergebnisse von Cannes hat sich ein starter Pessimismus vergeblichen Harrens und vergeblicher internationaler Minier­gung gelangen werde. Ob das jetzt oder später der Fall sein werde, entwickelt. Man ist der Meinung, daß die deutsche Wirtschaft fönne er noch nicht sagen. ohne weitere Inanspruchnahme der Notenpresse nicht in der Lage sein wird, die für das Jahr 1922 verlangten Geld- und Sachleistungen aufzubringen. Der Dollar wurde um die Mit­tagsstunde mit 176 gehandelt.

Der Pariser Berichterstatter der Times" meldet dagegen, in politischen Kreisen herrsche große Erregung. Die Entwid

Das Schicksal der Deutschen Werke.

Antwort der Botschafterkonferenz. Die deutsche Botschaft in Paris hat am 10. Januar 1922 folgende von Cambon gezeichnete Note der Botschafterfonferenz über die Deutschen Werte erhalten:

Der Dollar 176.

arbeit die führenden Bolschewiki schweren Herzens der Hoff­nung auf die heißerfehnte Weltrevolution entschlagen mußten. Lenin , der bei allem Glauben an seine Ideen zugleich die stärkste Fähigkeit zum Erkennen unerbittlicher Realitäten bewiesen, fand den Mut zu dem Bekenntnis, daß die Bolschewiki fich über das Tempo und den Verlauf der Welt­revolution gründlich getäuscht hätten.

Deutsche Volkspartei und Steuern. Die Revision der bolschemistischen Auffassungen von der Ueber die Erklärung der beiden Sozialdemokratischen inneren russischen Politit, die durch den Zu­Beltrevolution aber beschleunigte die Umstellung der Parteien und der gewerkschaftlichen Verbände zur Steuer- fammenbruch der Sowjetwirtschaft längst notwendig gewor frage läßt sich die volksparteiliche Zeit" folgendermaßen aus: den war. Zur Zerrüttung der Industrie und des Verkehrs­Das ist eine Rampfansage, sowohl gegen die Regierung wesens war die furchtbare Hungersnot gekommen: sollte wie gegen die bürgerlichen Parteien. Die Mehrheitssozialdemokratie Rußland nicht durch Hunger, Seuchen und Bürgerkrieg völlig Eure Erzellenz haben der Botschafterkonferenz mit dem gefl. will offenbar, nachdem sie bisher das Steuerkompromiß unter zugrunde gehen, so mußte man wieder zu den Kräften der Schreiben vom 16. November 1921 die Auffassung Ihrer Regierung mancherlei Schwankungen hinausgeschleppt und hintertrieben hat, Privatwirtschaft und den Hilfsmitteln des ausländischen Ka­über die Frage der Deutschen Werke wiffen lassen. Ich beehre mich, nunmehr nach dem Leipziger Parteitage der Unabhängigen die pitalismus seine Zuflucht nehmen. So wurde im Frühjahr Eurer Exzellenz mitzuteilen, daß die Botschafterkonferenz alle Schlachtwagen und eine Reichstagsauflösung erzwingen. Sie ber neue Wirtschaftskurs proklamiert, der dem Kapital die Maßnahmen, die die Interalliierte Militärfontroll- hofft nun in einem Wahlkampfe mit Steuerheße gegen die Besigen befannten Konzessionen machte. tommission in dieser Hinsicht getroffen hat, als vollständig den Parteigeschäfte zu machen. Zugleich glaubt fie eine Arbeits­begründet ansieht. Indes ist die kommission ermächtigt, zur gemeinschaft. wenn nicht Einigung mit den Unabhängigen zu erzielen Durchführung der Umstellungen, die sie für erforderlich und Deutschland mit einer rein sozialistischen Regierung beglücken zu erachten wird, Fristen zu bewilligen, die ausreichen, um die be- können. fonderen 3nteressen der Arbeiter vollständig zu wahren. Ueber die Redewendung, die es als Parteigeschäft" hin­Bedingung ist dabei, daß diese Umstellungen spätestens im Zeitpunkte des Aufhörens jeder effektiven Kontrolle seitens der alliierten Mächte vollständig beendet sind.

Die Botschafterkonferenz hat die Interalliierte Militärkontroll­tommiffion angewiesen, diese Entscheidung zur Kenntnis der deutschen Regierung zu bringen und alle Einzelfragen zu regeln, die das Schreiben Eurer Exzellenz vom 16. November aufwirft."

Das in der Note angefündigte Schreiben der Interalli­ierten Kontrollfommission ist dem Auswärtigen Amt bisher noch nicht zugegangen. Es wäre voreilig, Schlüsse auf seinen Inhalt aus den Andeutungen der Note der Botschafterkonferenz zu ziehen

stellt, wenn die Sozialdemokratie die Besitzenden zur Er­füllung ihrer Pflichten am Staate heranziehen will, braucht tein Wort weiter verloren zu werden. Erfennbar ist aber aus der Notiz des volksparteilichen Blattes zweierlei: erstens die Einsicht, daß es der Sozialdemokratie mit ihren Steuerforde rungen bitter ernst ist, und zweitens die Tatsache, daß die Bolkspartei der Hort aller Widerstände gegen eine aus­reichende Besitzbesteuerung zu bleiben beabsichtigt.

Zur Bertagung der Steuerausschüßfe. Mit Rücksicht darauf, daß ber 11. Reichstagsausschuß sich vertagt hat, hat auch ber 35. Ausschuß des Reichstages seine Vertagung beschlossen.

Diese Entwicklung des Bolschewismus hat schlagend die Richtigkeit der Auffassung bewiesen, die von Anbeginn der russischen Revolution an von den Menschewifi und dem Marrismus westeuropäischen Gepräges vertreten worden war. Aber diese Erfüllung unserer Voraussagen erfüllt uns feineswegs mit einem Gefühl des Triumphes, denn die Lage des russischen Proletariats ist viel zu ernst und die Folgen einer Katastrophe des Bolichemismus tönnten für das ganze Weltproletariat viel zu verhängnisvoll sein, als daß bei ver­nünftigen Sozialisten fleinliche Rechthaberei eine Rolle spielen könnte.

Wir demokratischen Sozialisten können heute dem Bol­schewismus um so eher gerecht werden, als er aufgehört hat, eine Gefahr für den gefunden sozialen und politischen Fort­schritt in Westeuropa zu sein. Seit der Bolschewismus sich genötigt fah, fein ökonomisches Fiasko einzugestehen und um die Unterstügung des ausländischen Rapitals