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deutschlanü und die französische   Krise. DieF r e i h e i t' bemerkt zu dem Rücktritt des Ministeriums B r i a n d:»Es ist von besonderem Interesse, daß neben dem Senatsausschuß sür auswärtige Angelegenheiten und der republita- nischen Kammergruppe es vor allem dasComite der Eisen- Hütten", die Vertretung der französischen   Schwerindustrie gewesen ist, das von Briand   in Cannes   forderte, keine Minderung der fron  - zosischen Ansprüche in der Reparationsfrage zuzulassen. Die sran- zösischen Schwerindustriellen stellten sich diesmal an die S p i tz e d e r Opposition gegen Briand  . weil sie von einer Umgestaltung der deutschen   Zahlungsbedingungen, und namentlich von einer Erhöhung des Preises der von Deutschland   an Frankreich   zu liefernden Kohlen «ine starke Beeinträchtigung ihres Prosits befürchteten. Diese ihnen drohende Gefahr steht ihnen höher als die Gefahr einer politischen Isolierung Frankreichs   von feinem stärksten Verbündeten, England/ In der ssG e r m a n i a" heißt es:Die lebhaften Entrüstung?- rufe, die feine gestrige Kammerrede unterbrachen, als er erklärte, daß die Mehrheit der Reparationskommission für ein Moratorium an Deutschland   und für Abänderung der Zahlungsbedingungen sei, zeigen an, was in Frankreich   die Parole des Tages ist: Z u r ü ck z u B e r s a i l l e s! Briand   ist gestürzt, weil er sich der Vernunft nicht länger verschließen tonnte, er ist gestürzt um des Prinzips der Un» Nachgiebigkeit halber, des Prinzips des Derharrens am Buchstaben des Versailler Vertrages und des Londoner Ultimatums." DieVoss. Z t g." sieht die letzte Ursache der Krise darin, daß die Verhandlungen mit England jetzt soweit gediehen sind, daß in der Frage einer selbständigen französischen   Machtpolitik eine klare eindeutige und endgültige Entscheidung gefällt werden muß.Die Politik Briands, so heißt es weiter, hat diese Entscheidung ohne Frankreichs   wirtschaftliche Forderungen preiszugeben oder zu min« dern, im Einvernehmen mit England in der Pazifierung Europas  , in Garantieverträgen und Wirtschaftsabkommen gesucht. Die Fortsetzung dieser Politik muß naturgemäß zu einem Abbau des französischen   Militarismus, zu einer Einordnung Frankreichs   in ein europäisches Staatensystem führen, in dem sich bis zu einem gewissen Grade kontrolliert von den großen angelsächsischen See» und Weltmächten allmählich wieder eine Art Gleichgewichtszustand herausbildet." Das offizielle Organ der Deutschen Dolkspartei,Die Zeit", bezweifelt, ob die Gegner Briands die Lage richtig sehen. Es schreibt:Das Auftreten des Ministerrates, der dem in Cannes  weilenden Briand   aus Angst vor der nationalen Erregung einen Knüppel zwischen die Beine warf, konnte der Welt nicht gerade als ein politischer Meisterstreich erscheinen und habe dahin geführt, daß die Intransigenz der französischen   Politik in um so grellerem Lichte erscheint. Man möchte glauben, daß die Folgen dieser Krisis sich ganz anders ge st alten, als das französische Selbst. bewuhtsein erwartet." Wenig optimistisch ist die«Deutsche Allg. Ztg.". Sie be- merkt: Vorbedingung jeder weitschauenden Regelung ist aber der ernste Wille des französischen   Volkes, den Haß gegen Deutschland   zu begraben und auch die Deutschen   leben zu lasten. von dieser Geistesverfastung ist Frankreich   noch weit entfernt. Das ist die betrübende Lehre, die sich aus dem im Sturze Briands gipfeln- den Gang der Ereignisse ergibt. DieT ä g l. Rundschau" hofft, daß der französische   Ehau» vinismus sich diesmal überschlägt und daß schließlich aus dem Schlimmsten das Bessere geboren wird. Sehr pessimistisch sieht dieKreuzztg." die Lage an. Es heißt dort: Kommt das Kabinett Poincars zustande, woran wohl kein Zweifel ist, so ist das ganze Ergebnis der Konferenz von Cannes   in Frage gestellt, sowohl die Reparation?- frage, wie die Wirtschaftskonfcrenz, der Wiederaufbau Rußlands  und alle Bemühungen Lloyd Georges, eine Basis für den Wieder- oufbau Europas   zu finden. Ein Ministerium Poincare   muß den Gegensatz zu England verschärfen. Daß Deutschlands  von einer Politik des Kriegshetzers Poincare erneuten schweren G«- fahren ausgesetzt ist, braucht kaum hervorgehoben zu werden. DieDeutsche Tageszeitung" begrüßt den Sturz Briands insofern, als er die Lage klärt:Poincarö als französischer Ministerpräsident," so folgert sie,bedeutet aber wenigstens völlig« Klarheit über die Ziele Frankreichs Deutschland   gegen-
über, und über die Grundtendenzen der französischen   Politik auf dem Kontinent.. Ein Poincare   ist bis tief in die Reihen der deutschen  Sozialdemokraten hinein erkannt. Gerade in allerletzter Zeit ist wieder durch zahlreich« Dokument« nachgewiesen worden, in wie hohem Maße dieser Mann an der Einkreisung Deutschlands   und am Ausbruch des Weltkrieges schuldig ist. Wenn dieser Kriegshetzer es wagen sollte, von der deutschen   Schuld am Kriege zu sprechen, dann wird er hoffentlich selbst von einer deutschen   Links- regierung die gebührende Antwort erhalten." DieDeutsche Zeitung" hofft, das Lloyd George   stark genug ist, um die Lage zu meistern. Aehnlich wie dieTgl. Rdsch." meint derL o k a l a n z e i g e r": Poincare   das ist der Feind; de? unbelehrbare, haß- und furcht- erfüllte Feind, der Deutschland   jeden Schaden zulügen wird, den er ihm irgend wird zufügen können. Sicheclich. Aber d-ieftr Wahn- sinn wird sich eben einmal ausrasen müsten. Dieser Wahn- sinn wird dadurch, daß er die Leitung der französischen   Politik un- eingeschränkt übernimmt, sich selbst am besten und, wie man hoffen möchte, in der allerkürzesten Zeit-dsuräum führen." lknglisthe Stmllnea. .London  . 13. Januar.  (WTB.) Zum Rücktritt Briands schreibt Daily News": Der Schlag gegen die Verhandlungen über eine neue Entente zwischen England und Frankreich   sei weit weniger wichtig als die Bedrohung der Konferenz in Genua  . Wenn Frankreich   sich abseits halte, müßten die anderen Nationen einschließ- lich Rußlands   und Deutschlands   ohne Frankreich   zusam- menberufen werden. Daily C h r o n i c l e" sagt: Cannes   sei nicht ganz ftuchllos gewesen. Der Plan der Konferenz von Genua   werde nicht mehr umgestoßen werden. In Genua   oder sonst irgendwo, ob die Teilnahme widerrufen werde oder nicht, die Konferenz werde statt- finden. Wenn P o i n c a r ö oder seine Freunde wieder ans Ruder kämen, so würden sie in internationalen Angelegenheiten bald vor zwei Alternativen stehen, Rückkehr zur Politik Briands oder vollständige Isolierung Frankreichs  . Daily Expreß  " erklärt: Keine Notion verliere durch ein Fiasko mehr als die Franzosen. Frankreich   stehe der Möglichkell, ja sogar der Sicherheit vollständiger Isolierung gegenüber. W e st m i n st e r Gazette" führt aus: Es sei kein Grund vor- Händen, wegen dieses Zwischenfalles bezüglich der englisch  -franzö- fischen Beziehungen zu verzweifeln. Man könne sogar Ermutigung aus der Tatsache schöpfen, daß ein mächtiger Mann in Frankreich  auf entschiedene Weise die Gruppe von fr ü h e r e n M i n i st e r n herausgefordert habe, deren dauernde Forderungen Frank­ reich   in eine Lage trieb, die friedlichen Beziehungen zwischen ihm und seinen Nachbarn unmöglich zu machen. Wenn Poincars Premierminister werden sollte, dann werde sich bald Gelegenheit bieten, offen zu sein und zu erklären, daß England an keiner Politik tellnehmen kann, welche die d e u t s ch-f r a n z ö s i s ch e Fehde auf unbeschränkte Zeit verlängere und olle Hoffnungen auf eine Wiederherstellung Europas   zunichte mache. Sie Sörfe wartet. Als gestern abend in Berlin   die Nachricht vom Kabinetts- Wechsel in Frankreich   bekannt wurde, rechnete man in hiesigen Bankkreisen mit einer sehr scharfen Devisen Hausse. Tat» sächlich zeigten Telephongespräche mit holländischen Banken, daß sich gestern im Auslande ein Marksturz vorbereitete. An der heutigen Berliner   Börse machte sich jedoch eine ziem» lich ruhige Auffassung geltend. Zwar stieg der Dollar anfangs auf Deckungskäuse der Baissespekulanten bis auf 1S6, im welleren Verlauf ließen jedoch die Säße merklich nach und der Dollar hielt sich ungefähr auf dem Niveau von 189 190. Die hiesige Spekulation ist der Meinung, daß die Tatsache des Ministerwechsels in Frankreich   nicht ausreichend fei, um größere Transaktionen an der Börse zu motivieren. Man nimmt an, daß das neue französische   Kabinett die Eini» gung der Reparationskommission über das Moratorium im großen und ganzen anerkennen werde und daß vielleicht hin» sichtlich der Bedingungen und Sanktionen eine gewisie Ber» schärfung eintritt. An der Effektenbörse zogen die Kurse der führenden In» dustriepapiere durchschnittlich um 20 40 Proz. an. Die Spekulation zeigt jedoch nur geringe Unternehmungslust im Hinblick auf die bevorstehende zweitägige Geschästspause.
Deutsch  -englisches Sankabkommen. Ueber den Zweck der Reise des Reichsbankpräsidentcn Havenstein nach London   liefen seinerzeit die verschiedensten Gerüchte um. Jetzt kann mitgeteill werden, daß zwischen der Reichsbank und der Bank von England   ein Abkommen dahin getroffen worden ist, daß in Zeiten vorübergehender Zäh- lungsüberlastung der Reichsbank, etwa hervorgerufen durch den Bedarf an Devisen oder aus anderen Gründen, die Bank von England   in gewissem Umfange S i ch e r h e i t s l e i st u n- gen übernimmt. Dasür verpflichtet sich die Reichsbank, einen Teil ihres Goldschatzes als Sicherheit zu hinterlegen. Das Gold bleibt jedoch Eigentum der Deutschen Reichsbank. Dem Rcichsrat ist eine Vorlage zugegangen, die das Reichsbank- gesetz in entsprechendem Sinne abändert. Das in der Bank von England   hinterlegte Gold wird auch in Zukunft in den wöchentlichen Ausweisen der Reichsbank als Reichsbank- e i g e n t u m erscheinen. Ein ähnliches Abkommen ist zwischen der Reichsbank und der Holländischen Staatsbank getroffen, das sich aber nur auf holländische Guthaben in Deuts6)land bezieht. Einkommensverbesserungen fürdieSeamten Berlin. 13. Januar.  (WTB.) Die mehrtägigen Verhand- lungen über die durch die Teuerung weiter notwendig gewor­denen Einkommensverbesserungen für die Beamten, Angestell» ten und Arbeiter des Reichs sind gestern abend im Reichs- finanzministerium zu Ende geführt worden. Zwischen den , Vertretern der Regierung und den Beauftragten der Spitzen- ; Organisationen wurde unter Zurückstellung weitergehender Wünsche ein Einvernehmen erzielt, das einen Einklang zwischen den für die Beamten, Angestellten und Arbeiter gewährten Verbesserungen herstellt. Auch die Diätare, die Beamten im Vorbereitungsdienst, die Pensionäre und Hinterbliebenen sollen an den Verbesierungen in entsprechender Weise teil- nehmen. Einzelfragen werden noch in besonderen Verhand- lungen erledigt werden. Die Regierung wird bestrebt sein. dem Reichstag   die notwendige Vorlage bei seinem Wieder- zusammentritt vorzulegen, so daß im Falle der Genehmigung die erhöhten Bezüge in Bälde zur Auszahlung ges-�gen können.
Liga �unge Republik�  . Eine Sammlung republikanischer Politiker, Schriftsteller, Künst- ler und Beamten bezweckt ein« soeben m Berlin   begründete Liga , Lunge Republik  ". Wie wir einer Zuschrift des Arbeitsausschusses entnehmen, will die Liga nämlich die jüngeren aktiven Ele- mente heranziehen, um sie für die republikanischen Aufgaben zu stärken. Die Liga lehnt es ab, zu den bestehenden Organisationen zentralistischer Art eine neu« hinzuzufügen; sie will ihr« Arbeit im Rahmen eines politischen Klub» verrichten, der alle'diejenigen ver- j einigen soll, die auf politischem, sozialpolitischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet entschieden neuzeitliche Grundsätze vertreten und j willens sind, bei der Neulormung der Ding« in Deutschland   tatkräftig mitzuwirken. Dem Arbeitsausschuß gehören u. a. die Herren Karl Vetter  , Hauptmann a. D. Willi Meyer, Dr. Hans Simons jun., Cuno Tiemann, Karl v. Ossietzky, Walter Trojan und Dr. Kurt Tucholsky an.
Zur produkklonsschule. Zu den wichtigsten Fragen der Gezcn- wart gehört die: Wie muß unsere Schule gestaltet werden, wenn sie denneuen Menschen" heranbilden soll? Daß die alte Schule ver- besierunasbedürftiz ist, darin sind sich heute Schulmänner und Laien einig. Während aber die Mehrzahl der Schuloerbesierungsvorschläge nur Flickwerk bedeuten, suchen die entschiedenen Schulreformer w-rk- lich neue Wege. Auf ihrem Weg zurneuen Schule" liegt diePro- duktionsschule". lieber dieses wichtige Kapitel der neuen Erziehung bringt das soeben in zweiter vermehrter Auslaae erschienene, von Professor Paul O e st r e i ch herausgeqebene Büchlein:Zur Pro- duktionsschule" lEntschiedene Schulreform III)(Verlag für Sozialwissenschaft, Berlin   SW. 68) wichtige Informationen.
Die falsche Kur.
Die weisen Acrzte hatten die Krankheit des Organismus ganz genau festgestellt, und auch die energischsten Maßregeln zu seiner Wiederherstellung ergriffen. Aber es erging ihnen damit sonder» bar. An den Stellen des stärksten Druckes bei ihrer Massage bil- deten sich Quetschungen. Bei jedem Schnitt, den sie zur Heilung für notwendig erachteten, entstand Wundficber. Und ihre Salben erzeugten Brandwunden. Diese verfluchten Zellen", sagten da die Aerzte, und weil ihre Meinung so viel galt, plapperten die Angehörigen des kranken Organismus es ihnen nach:Diese verfluchte»'>ßellen, daß sie es nicht ruhig vertrogen können, wenn ein paar von ihnen zugrunde gehen. Es geschieht doch zum Wohl« des ganzen Organismus. Immer müssen diese Nachbarzellen mitrebellieren. Sie können doch abwarten, wenn die Heilmittel an sie selbst angewandt werden! Wir hätten den Organismus schon längst geheilt, wenn die Zellen sich, soweit sie uns stören und für unsere Anschauung von dem ge- sunden Organismus überflüssig find, ruhig abtöten ließen. Daß sie nicht einsehen können, daß an ihrem Leben so gar nichts liegt! Und die Aerzte kurierten weiter drauf los, und die armen Zellen wur- den immer von neuem vom Brandfieber ergriffen, und die Brand- Herde wurden immer wieder ausgeschnitten, und der Organismus verfiel mehr und mehr. Die Schuld an dem Verfall wurde aber ein- stimmig den Zellen gegeben, weil jede einzelne sür sich Nahrung?» zufuhr verlangte, und wenn diese ausblieb, Fieberströme aussendete. Und kein einziger von all den konsultierenden Aerzten verstand, daß die Zellen nur darum fieberten, weil in ihnen eben die Gifte In Erscheinung traten, die die Aerzte dem Organismus einflößten. Daß das Fieber nur die Reaktion auf die Operation, und der Brand nur die Foix  * der zu scharfen Salbe war. Keiner wollt« verstehen, daß man nur für die richtige Ernährung der immer arbeitenden Zellen zu sorgen hatte, um durch die von ihnen erzeugten gesunden Säfte einen kräftigeren Organismus zu bekommen. Keiner wollte es verstehen, weil dann ja doch die Arzneien unnötig geworden wären, und sowohl ihre Hersteller wie ihre Berordner sich als überflüssig erwiesen hätten.>1. CK.
Berliner variek«- vor 200 Jahren. In den Anfängen miserer Theatergeschichte ist die ernste Bühne noch eng mit jenen Schau- stellungen mannigfacher Art verknüpft, die wir heute unter dem Begriff Variete zusammenfassen. Daher ist es nicht verwunderlich, daß eine in der Theatergeschichte bekannte Persönlichkeit, der »starke Mann", Johann Karl   v. Eckenberg, zugleich ein seinerzeit berühmter Akrobat und Kraftmensch war. Eckenberg hatte von Friedrich Wilhelm I.   von Preußen ein langjährige« Pri- vileg erhalten, mit seiner Truppe in Berlin   und den preußischen Londeu aufzuttsten, und so ist er wohl der erste ständig« Theater  »
direktor in Berlin   gewesen. Sein Unternehmen, das wir wohl als ein Variete bezeichnen dürfen, unterschied sich nur dadurch von der modernen Spezialitätenbühne, daß es zugleich Aufführungen großer historischer Schauspiele brachte. Den besten Einblick in den Betrieb dieses Barietes vor 200 Jahren gewährt ein pompös gedruckter Theaterzettel. Die Anklln- digung beginnt:Mit gnädiger Bewilligung einer hohen Obrigkeit werden heute Mittwoch, den 14. Oktober 1739, unter Direktion des berühmten Starken Mannes die allergnädigft privilegierten Hof- komödianten, Seiltänzer, Loltigierer und Luft- f p r i n g e r sich auf ihrem Schauplatz repräsentieren... Da dann nicht nur allein die Seiltänzer, sondern auch die Voligierer und Luft- springer beflissen sein werden, mit neuverändcrlichen Kunststücken zu erscheinen. Wobei Spezialiter Scepin seine Personage rekomman- dieret. Und dann werden unsere Acteurs aufführen: eine ganz neue aus dem Italienischen   in die teutsche Sprache übersetzte, und hier noch niemals präsentierte, zu der jetzigen Zeit sich wohl schickend« türkische Darstellung, betitelt:Das von den Türken oerfolgte, den- noch siegende und triumphierende Christentum" oder:Mustopha und Roggiero". Mit Hanswurst, einem unschuldigen Galeotten, und von den türkischen Pfaffen mit Gewalt zur Beschneidung gezwun- genen Calabresen." Dem Leser wird dann auf diesem Theaterzettel der Inhalt dieser tragikomischen Komödie genau erzählt, wobei be- sondersdie vorkommende dreifache Liebesintrigue wie auch Lustig- leiten des Hanswurst" beroorgehobcn werden. Zum Schluß wird alsSchauplatz" dieNeustadler Fulentwiete in der bekannten großen Komödienbude" angegeben. Das Ende des Lorbeers. F. Schwab stellt imKunstwart" melancholische Betrachtungen über das Ende des Lorbeers an, der so lange ein Symbol des Künstlerruhms gewesen und, wie alles im kapitalistischen   Getriebe, entwertet worden ist. Als Theaterkritiker schreibt er Hab' ich'? erfahren: Die Großen im Reich der Kunst ernten meistens Applaus. Manchmal nämlich auch nicht. Auf den guten Bühnen gibt's keine Blumen. Aber in Opcrettcnten:pc!n brechen noch Schluß des zweiten Akts die Gabentische, und Musikdiebe und Schundlibrettistcn stehen mit Lorbeerwagenrädern neben dem wurstfingrigen Bühnenleiter, der ein vergoldetes Kronzgcwinde vor feinem Lebebauch trägt.<Wer erträgliche Operetten schreibt oder aufführt und so was geschieht des Jahrs immer noch zwei-, dreimal istselbstredend" nicht gemeint.) Beim Benefiz eines Zotengewaltigen zählte ich über vierzig Spenden. Rom   konnte Gladiatoren nicht stürmischer feiern, das Berlin   von heute leistet Höstens noch mehr, wenn's um Ringkämpfer geht, um die Feststellung der erschütternden Tatsache, daß von zwei Menschen meistens einer dem andern über ist. Der Lorbeer ist gleich all den Orden und Ehrenzeichen Kotillon- artikel geworden und leider auch noch Schlimmeres. Dielfach bezahlt ihn ja der Gekrönte selbst. Wir müssen neue Ehrungen schassen und neue Wörter für hellige Dinge. Denn: wer heute für gangbare Pro- dukte einBlumenarrangement" erhält, der heißt auf den Gassen Dichter, imd wer heute betrunken ein Hurenlied verblökt, und seelisch sich oder körperlich nackt zeigt, heißt ein Künstler. E» ist Zeit, entwürdigte Zeichen und Symbole denen schmerzlos zu überlassen, die sie durch Staub und Schmutz gezerrt haben.
Vom Dreadnoughi zur Sardinenbüchse. Wer sich beut« noch den Genuß einer Sardine leisten kann, der denkt vielleicht auch, durch den Leckerbissen philosophisch gestimmt, darüber nach, woher wohl die Sardinenbüchs« stammt, und er würde bei weiterer Nochforschung zu seinem Staunen erfahren, daß' er hie? das Zinn voi� einem Drcadnougth vor sich hat, der einst als stolzes und gefürchtet«? Niesenschiff den Ozean durchkreuzt«. Bom Dreadnoughi zur Sar- dinenbüchs«! Das ist lhcwiß ein weiter Weg und doch in unferen Tagen ein ziemlich häufiger. Die Konserenz von Washington  , die die Kriegsflotten de? wich» tigsten Völker so stark herabsetz:«, wird eine groß« Anzahl von Schissen auf den Schutthousen werfen, und auch ohne das sind bereits viele S!l)lach!treuz«r zmn Abbruch verurteilt worden, vielfach sq. auch unsere deutschen   Schiffe, die wir abliesern mußten. Di« englische Regierung hat seit dem Waffenstillstand S00 Kriegsschiff, auf Ab­bruch verkauft, und über 200 davon sind an ein« einzig« Abbruchs- sirma gegangen. Einer der letzten Verkäme umfaßt« 113 Kriegs» schiff« mit einer Gesamttonnage von 360 000 Tonnen. Der ursprüng» liche Wert dieser Äampfkreuzer belief sich auf viele Millionen Pfund. Aber die britische Admiralität ist froh, wenn sie für ein Krieos- schiff, das ursprünglich 2 Millionen Pfund gekostet hat. fttzt SO 000 Pfund bekommt. Ueberall an der englischen   Küste befinden sich groß« Höfe, die zu nichts anderem als zu riesigen Schutthaufen sür die ab- getakelten Kriegsschiffe dienen. Der Abbruch ausrangierter Kriegs- schiff: ist zu einer richtigen Kunst entwickelt worden. Sobald das Schiff in Dock gebrocht ist, entfernt ein Schwärm von Arbeitern zu» nächst das Deck. Dabei werden Sauerstoff- und Azetylengebläse in derselben Art verwendet, in der dieGeldschrankknacker" den schwer- sten Panzerplatten zu Leib« gehen. Nachdem das Deck verschwunden ist. werden die Maschinen und der ganze Inhalt des Schisfes ab- montierr, so daß schließlich nichts zurückbleibt als ein« leere Hülle. Messing und Kupfer kommen in den Schmelztigel, sobalo die«in» zelnen Metallstücke aussortiert und gesäubevt sind. Dann werden daraus Teekessel und andere(Bebrauchsgegenstände gemacht. Das Zinn wird zu Sardinenbüchsen und Aehnlichem oerarbeitet, das Holz findet mannigfache Verwertung und lebt sott in einem Stall oder in dem Stiel einer Harke. Ein neuer Alpenkunnel. Ein« Versammlung von Eachverstän- diqen hat in Nizza   den Durchstich eine« neuen Alpentunnels in Aus» ficht genommen. Man geht dabei von der Erwägung aus, daß die Eisenbahnstrecke von Paris   nach Nizza   von mehr als 1000 Kilo- Metern um fast 200 Kilometer verkürzt werden kann, wenn die Linie ganz direkt gelegt wjrd. Man gedenkt die Streck« von Grenobl  « nach Nizza   über Gap und Sisteron   und von da nach St. Anbau zu führen. Dabei ist es ober nötig, einen Durchstich durch das Gebirge vorzunehmen, der in die Richtung von Castellan  « führt. Tu» VIII. Konzert der Volksbühne findet am Sonnta» b», m >/,1Z Ubr im T> eater am Bülowplah fialt. Mitwittende- Der Berlin  -- Lebrer-Sesangverein. Alexander Kropholler  , Biolonccll,»Udelm S*nu Klavier.
tSrnll Janniug» ifi au« dem Verband de« Deutzen Tteater* Sffi'-AÄl Ät