Nr. 65 39. Jahrgang Ausgabe Nr. 33
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Mittwoch, den 8. Februar 1922
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Die am Montag abend vertagte Generalversammlung wurde geftern( Dienstag) im Gewerkschaftshause fortgefeßt. Redner war wieder Emil Barth . Die Galerien des Saales waren schon vor Eröffnung der Versammlung mit Zuhörern gefüllt und im Laufe der Tagung fammelte sich auch vor den Eingängen sowie auf den Gängen vor dem Lotal eine solche Fülle von Personen an, daß Zuden Draußenstehenden der Versuch gemacht, in das Lotal ein. und Abgang schwer behindert waren. Verschiedene Male wurde von 8udringen, was nur durch das energische Auftreten des Verfammlungsleiters mit vieler Mühe verhindert werden konnte. Schließ lich wurde einer aus sechs Personen bestehenden Dele aation auf Wunsch der draußen Harrenden der Zutritt gestattet. Die Ausführungen des Referenten wurden durch lärmende Zwischenrufe von der Galerie vielfach unterbrochen, zeitweise mar es nicht möglich, ihm Gehör zu verschaffen.
Der Eisenbahnerstreit ist zu Ende! Die Die Reichsgewerkschaft telegraphiert Streikschluß. Sitzung der Reichstagsfraktion. Reichsgewerkschaft hat sich entschlossen, den Abbruch des Streites zu erklären. Zu dem 3wed, diesen Beschluß den Der Sozialdemokratische Parlamentsdienst" meldet: Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion tritt heute vorStreifenden mitzuteilen, sind ihr die Diensttelegraphen zur Nach langwierigen Verhandlungen wurde in den späten mittag um 11 Uhr zu einer neuen Sigung zusammen. Die Verfügung gestellt worden. Heute früh werden also alle Abendstunden des geftrigen Tages über die ftrittige Frage der gestrige Beratung war furz, da für 4 Uhr eine Kabinettsstreifenden Eisenbahner im Reiche wissen, daß die Gewerk. Maßregelungen, die bekanntlich dem freien Ermessen sizung anberaumt war und die Fraktion es für unzwedschaft, deren übereilter Streifparole sie gefolgt waren, nun des Reichsverkehrsministers anfänglich überlassen werden mäßig hielt, in Abwesenheit der Parteigenossen, die der felber den Streit für beendigt erklärt. Mit der Wiederauf- follte, eine Einigung erzielt. Die Reichsgewerkschaft gab Reichsregierung angehören, weiter zu verhandeln. Die Denahme der Arbeit im Laufe des heutigen Tages ist für das noch im Laufe des gestrigen Abends an alle Bezirksorgani- batte drehte sich selbstverständlich ausschließlich um den Eisenfationen den sofortigen Abbruch des Streits bahnerstreit und zwar insbesondere um die Frage der etwaigen ganze Reich zu rechnen. Selbstverständlich sind damit auch die Teilstreifs, in die telegraphisch bekannt, so daß bereits für den heutigen Tag mit disziplinarischen Folgen. Beschlüsse wurden noch nicht gefaßt. einzelne Beamtentategorien im Laufe des gestrigen Nachmit der Wiederaufnahme der Arbeit gerechnet werden kann. Mit dem Streifabbruch fällt automatisch die Berord. tags eingetreten waren, um ihre Sympathie mit den Kolle- nung des Reichspräsidenten . Nach den VereinGeneralversammlung der Betriebsräte. gen pom Flügelrad zu befunden, als erledigt zu betrachten. barungen, die zwischen Reichsregierung und dem Mandatar Mit der Beendigung des unglückseligen Streifs fällt auch der Reichsgewerkschaft, der Reichspoffgewerkschaft, getroffen automatisch die Verordnung des Reichspräsiden wurden, werden Maffenenflaffungen nicht vorgenommen. ten. Den sozialdemokratischen Unterhändlern, die seit SonnBevor die Einigung erzielt wurde, fanden zwischen Reichsabend unablässig um eine Vermittlung bemüht waren, ist es fabinett und Parteiführern Berhandlungen statt, deren Erauch gelungen, die Zusage zu erreichen, daß keine Mas gebnis die sozialdemokratische Reichstagsfraktion beschäftigte. fenentlassungen vorgenommen werden. Nur einzelne Das Ziel dieser Besprechungen war, einen Verständigungsweg Disziplinarverfahren gehen ihren Gang weiter; es ist damit zu finden, der zu einem baldigen Abbruch des Streits führt. zu rechnen, daß auch in diesen Fällen, die im Interesse der Erst in den Abendstunden wurde ein kompromiß vorgeschlaStaatsautorität nicht als ohne weiteres erledigt betrachtet gen, das sowohl die Regierung, wie auch die Reichsgewert werden konnten, ohne persönliche Berfolgungssucht verfahren schaft in längeren Berhandlungen beschäftigte. Um 10 2hr Faßt man das Ergebnis zusammen, über das noch fo abends wurde erfreulicherweile eine Einigung erzielt, die von Faßt man das Ergebnis zusammen, über das noch so manches zu sagen fein wird, so tann man feststellen, daß den beteiligten Seiten als allgemein zufriedenmanches zu sagen fein wird, so tann man feststellen, daß diefer ungewerkschaftliche Streit zwar gewaltigen Schaden tellend anerkannt wurde, und die Sicherungen für eine Der Redner schickte voraus, daß er hier die Auffassung des angerichtet hat, daß aber durch ihn nichts erreicht worden erträgliche Beendigung des Streifs bietet. Bollzugsrates wiedergebe. Er ging dann zunächst auf den ist, das ohne ihn nicht mindestens ebenso gut hätte erreicht Streit der Reichsgewerkschaft der Eisenbahner ein, der gekommen werden fönnen. Daß der Schaden nicht ins Unendliche stieg Eine später herausgegebene a m tliche Meldung bejagt: fei, ohne daß eine andere Organisation vorher davon gewußt habe. und daß die schlechtest bezahlten Beamten Aussicht haben, Die nationalistische Presse scheine eine hämische Freude über die Die Besprechungen, die zwischen der Reichsregierung und Ber - durch den Erlaß der Regierung erzeugten Schwierigkeiten zu emp ihre berechtigten Wünsche befriedigt zu sehen, ist nicht zuletzt tretern der Gewerkschaften wegen Beilegung des Eisenbahnerstreits finden, und man fönne zu der Auffassung fommen, daß sie die der sozialdemokratischen Vermittlungstageführt wurden wurden heute nachmittag vom Reichsfangler mit Ber- Reichsgewertschaft als Mittel für ihre mede tigkeit zu danken. tre en des Deutschen Beamtenbundes und einem Vertreter der Post- betrachten wolle. Den Streiferiaß der Regierung und die dazu erfeine fofortige Ingangsegung des ganzen ungeheuren Eisen zu einem pofitiven Ergebnis. Die Verhandlungen bezogen der Eisenbahner mükten als berechtigt anerkannt, soweit diese Die Wiederaufnahme der Arbeit bedeutet natürlich noch gewerkschaft wieder aufgenommen. Sie führten heute abend 9 Uhr lassenen Anordnungen des Polizeipräsidenten verurteilte er mit voller Entschiedenheit. Die materiellen und arbeitsrechtlichen Forderungen bahnbetriebes. Es werden noch Tage vergehen, bevor alles fich zuletzt nur noch auf die Frage der Disziplinierung ausständischer aber auf die Ausgestaltung des Beamtenrechts gerichtet sind, abgewieder in Ordnung fommt, und in wirtschaftlicher Beziehung Beamter. Nachdem die Beamtenvertreter unter inzwischen geflärten lehnt und dafür die Anstellung auf freien Vertrag gefordert werden. werden sich noch manche Nachwehen einstellen. Aber die Voraussetzungen den als baldigen Abbruch des Streits in Jedem müsse im Falle der Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit furchtbaren Gefahren, die ein noch länger dauernder Ver- Aussicht stellten, wurden zwei Vertreter der Reichsgewertschaft zu eine ausfömmliche Rente zuteil werden. Bedauerlich sei, daß der tehrsstreit über das Reich gebracht hätte, sind beschworen, und einer lehten Zussprache beigezogen. Es wurde über folgende Er- Aufruf des ADGB . und Afa- Bundes nicht einmal die Zurückziehung man fann, wenn aus den Erfahrungen der letzten erregten flärung Uebereinstimmung erzielt, nachdem das Kabinett von dem des Regierungserlaffes und der polizeilichen Anordnungen verlangt Tage überall die richtigen Lehren gezogen werden, Gang der Berhandlungen Kenntnis genommen und das vom Reichs- habe. Die Einstellung der Reichsgewerkschaft war aber falsch, denn wieder mit etwas Zuversicht in die Zukunft sehen. Auch der Streit der Berliner Gemeinde. fanzler vorgetragene Ergebnis gebilligt hatte. Die Erklärung lautet: ohne Hilfe anderer Organisationen fann sie nichts erreichen. Aus dieser Auffassung heraus sind auch der ADGB . und Afa- Bund zu arbeiter nähert sich rasch dem Ende. „ Die Reichsgewerkschaft gibt die Versicherung ab, daß fie noch ihrem Aufruf gekommen. Deshalb foll man sie nicht gleich in die heute abend den Streit der Reichsgewertschaft als beendet erklären wird. Nachdem der Herr Reichskanzler Genen den Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter fei zu seinerseits im Namen der Reichsregierung ausgeführt hat, daß bei sofortigem Abbruch des Streits die Disziplinierung nach den vom Gesamtkabinett aufzustellenden Richtlinien erfolgen wird. Die Reichsregierung wird bei fofortigem Abbruch des Streifs in der Anwendung und Durchführung der Disziplinarmaßnahmen von Maffendisziplinarverfahren und Massen entlassungen absehen.
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Die Versammlung der Obleute hat gestern zu dem Beschluß der Streitleitung auf Ein tellung des Streits Stellung genommen. Nach vierstündiger Aussprache, an der sich sowohl Bertreter der Gewerkschaften wie der Berliner Gewerkschaftstommission beteiligten, wurde folgendes beschlossen:
1. Den Magistrat zu ersuchen, die Frist zur Wieder aufnahme der Arbeit um 24 Stunden, also bis heute nach mittag 2 Uhr, zu verlängern.
2. Heute eine Urabstimmung über Fortsetzung oder Beendigung des Streifs unter den Streifenden vorzuneh men. Diese Abstimmung muß spätestens bis 11 Uhr abgeschlossen sein, worauf die Obleute zu dem Ergebnis Stellung nehmen und die sich daraus ergebenden Anordnungen
treffen werden.
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Den in Frage fommenden Beamten wird ihr Beschwerderecht selbstverständlich gewahrt."
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In vorgerückter Abendstunde wird uns von der Reichsgewertschaft gemeltet, daß ihr Hauptvorstand über die Abmachung seiner Vertreter mit der Regierung in dieser Nacht Beschluß fassen will. An dem Ergebnis dürfte dadurch nichts geändert
Mit Rücksicht auf den Beschluß, die endgültige Entscheis dung den Streitenden felber zu überlassen, wurde der Beschluß werden. der Streifleitung auf Beendigung des Streits mit 131 gegen 90 Stimmen abgelehnt.
Keine Generalstreikparole! Parteigenossen! Betriebsräte!
Der Magistrat hat in seiner Aufforderung den Termin zur Wiederaufnahme der Arbeit bekanntlich auf gestern nachmittag 2 Uhr festgesetzt. In diesem Buntte war der Magistrat schlecht beraten, da es rein technisch unmöglich war, die Streitenden, die um diese Zeit von Der am 7. Februar 1922 in der Vollversammlung der dem Aufruf des Magistrats taum Kenntnis haben konnten, Betriebsräte der freigewerkschaftlichen Betriebsrätezentrale in die Betriebe zu bringen. Bumal, nachdem die Streilleitung gefaßte Beschluß wurde unter dem Drud der Trinun selber zum Abbruch des Streits riet, mußte eine etwas 6ünen angenommen und bedeutet nie und nimmer einen längere Frist zum Arbeitsbeginn eingeräumt werden. Generalstreitbeschluß. Ein solcher fann nur vom ADGB . Bie wir vernehmen, hat der Magi trat das Verlangen der und U. gefaßt und durchgeführt werden. Wir erklären, daß Obleute der Streifenden, die Frist bis heute nachmittag zu unsere Redner das Wort nicht nahmen, weil sie mit einer der verlängern, abgelehnt. Es wäre bedauerlich und würde artigen Verhandlungsform niemals einverstanden sein können. nur geeignet sein, die Situation zu verschärfen, wenn der wir fordern unsere Betriebsräte auf, die Bekanntmachung Magistrat in diesem Punkte auf seinem Beschlusse bestehen zur Vollversammlung zu beachten, vollzählig zu erbliebe. Da eine absichtliche Berzögerung der Ar- scheinen und unserer Meinung zum Durchbruch zu verhelfen. beitsaufnahme nicht vorliegt, und dem Allgemeinintereffe damit gedient ist, wenn wenigstens heute nachmittag der Betrieb wieder in vollen Gang fommt, ist zu erwarten, daß der Magistrat seine zu furze Frist fegung nachträg lich forrigiert und sie bis heute 2 Uhr verlängert. Die Bahn ist dann frei für die Aufnahme der Arbeit.
Die SPD. - Betriebsräte. Metallindustrie: O. Grohn, B. Krüger. Graph. Gewerbe: Imhoff, B. Hermann. 3d2.: Maynz, Schönlein. Lederindustrie: A. Lillig.
" offschlucht" werfen.
sagen, daß am Donnerstag die Urabstimmung den Streit ergeben babe, aber über den erst am nächsten Tage gefällten Schiedsspruch im Arbeitsministerium habe eine Urabstimmung stattgefunden, mos mit Bedauern registriert werden müffe. In der gegenwärtigen Situation muß ich diesen Streit auf das fch är ffte verurteilen. Was nun? Der Generalftreif merde zwar aefordert, aber es dürfe dabei nicht verkannt merden, daß diefer sich nach Lage der Sache nicht bloß gegen die Regierung, sondern auch gegen die sozialiftischen Parteien richten und lekten Endes zu einem Kampf der Arbeiter gegen Arbeiter führen würde. Dann sei ein Sieg der Reattion sicher. Die Errichtung einer rein fozialisti chen Regierung würde schmerlich zu erreichen fein. Viel richtiner werde es fein, noch gewerffchaftlichen Grundfäßen auf den 2DGB. einzuwirken, daß er die Führung in die Hand nehme. Wenn es dann zum Brechen fomme, werde das zum Wohl des Proletariats ausschlagen.
Der Redner leate am Schluß feiner Ausführungen eine längere Entschließung vor, die von diesen Grundlägen getragen war.
Dem Referat folate eine etwa vierstündige Aussprache, an der sich auch Redner der Reichsgewerffchaft beteiligten. Eine Resolution Relch folgenden Inhalts:„ Die Generalversammlung befchliekt, daß bie aesamte Arbeiterschaft in einen Sympathie streit für die tämpfenden Eisenbahner einzutreten hat, um die fämpfenden Eisenbohner zu unterstüken", wurde mit überwiegender Mehrheit abgelehnt. Weiter lag folgende Entschließung vor:
,, Angesichts des harten Rampfes der Eisenbahner, Beamten und Arbeiter um ihre Existenz und der unversöhnlichen Haltung der Regierung hält die Generalversammlung der Groß- Berliner Bezirksräte die Broklamierung des Generalftreits für ganz Deutschland für unbedingt notwendig und fordert die Betriebsrätezentrale auf, in diesem Sinne auf die Spigenverbände energisch einzuwirken. Die Forderungen des Generalstreiks sind:
Surückziehung der Ebert- und Richterverordnungen, unbedingter Schuß der Koalitionsfreiheit, Zurückziehung des Arbeitszeitgefeßentwurfes, Berhandlung mit den streifenden Eisenbahnern über ihre materiellen Forderungen,
Befreiung der verhafteten Streitführer und Herausgabe der Streit elder sowie Enteignung der Kohlen- und Eisenbergwerke zur Wiederherstellung der Rentabilität der Eisenbahnen, teine Maßregelungen."
Diese von Gehlmann vorgeschlagene Entschließung wurde mit