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Veröffentlichung außer gewissen Spezkalveftkmmungen. z. V. des§ 184 b des Strafgesetzbuches und§ 17 des Preßgesetzes. Die Feststellung der verbrecherischen Vor- g ä n g e aus den Kapp-Tagen entsprach um so mehr einem allgemeinen Interesse, als durch die Einstellung des Ver- fahrens auf dem Wege der Amnestie falsche Vorstellungen im Publikum entstehen tonnten. Daß manchen Leuten die Er- innerung an die Rolle, die sie zur Zeit des hochverräterischen Unternehmens gespielt haben, nicht angenehm ist. verstecht man. Darauf aber Rücksicht zu nehmen, würde dem inneren Frieden und der Achtung vor dem Gesetz nicht dienen.

Die Wahl öes Reichspräsiüenten. Die Herren Hergt und Kahl haben sich im Reichstage bei der Beratung des Etats des Reichspräsidenten danach erkun-' digt, wann die von der Verfassung vorgesehene Wohldes Reich spräfidentendurchdasVolk erfolgen werde. - Die Regierung hat es abgelehnt, bei diesem Etat eine politische Debatte zu führen. Später, nachdem die Kommu- nisten Fröhlich und Adolf Hoffmann ihre Späße vorgetragen hatten, gab der Reichskan.zlcr bei der Beratung seines Etats die Erklärung ab, daß die Regierung sofort nach Erledigung der oberschlesischen Angelegenheit, also in naher Zeit, dem Reichstage vorschlagen werde, die Volkswahl des Reichspräsi- deuten in die Wege zu leiten.' Der Reichspräsident hat wiederhost darauf gedrungen, daß die Wahl so rasch wie möglich vorgenommen werden möge. Außer den schon bekannten Schritten, die er zu diesem Zwecke unternommen hat, existiert auch ein bisher unbe- kanntes Schreiben an den Reichskanzler, das vom 21. Oktoberl921 datiert ist und folgenden Wortlaut hat: Herr Reichskanzlerl Alsbald nach der Verabschiedung des Gesetzes über die Wahl des Reichspräsidenten im Juni vorigen Jahres, habe ich Ihren Herrn Vorgänger im Amte des Reichskanzlers gebeten, zu veranlassen, daß der Reichstag den Tag für die Neuwahl des Reichs- Präsidenten baldmöglichst bestimmt. Nachdem die Reichsregierung mich gebeten hatte, im Hinblick auf die Lage des Reiches mein Amt vorläufig weiterzuführen, habe ich mich mit der einstweiligen Hinausschiebung des. Wahltermins einverstanden er- klärt. Ich muß Sie, Herr Reichskanzler, aber jetzt doch dringend bitten, zu veranlassen, daß nunmehr unverzüglich die Vor- bereitungen für die Wahl des Reichspräsidenten getrosten werden, und der Reichstag gemäß Z 2 des Gesetzes über die Wahl des Reichs- Präsidenten vom 4. Mai 1920 sobald als möglich den Tag für diese Wahl bestimmt. Mit der Versicherung meiner besonderen Hochschätzung bin ich Ihr wie stets ergebener - gez. E b e r t, Reichspräsident." So der Reichspräsident. Regierung und Reichstag haben sich jedoch auf den Standpunkt gestellt, daß zur Ausführung der VerfaffungsbestimmungWahl des Reichspräsidenten durch das ganze Volk", die Festsetzung der Reichsgren- z e n nach allen Seiten hin notwendig ist. Wenn dies auch in Oberfchlesien erfolgt sein wird, dann wird der Vornahme der Wahl kein Hindernis mehr im Wege sein. '« jahrelangeNotwehr". f Warnung vor den Kaehnes. Kaehne auf Petzow hat sich mit aller Entschiedenheit dar- auf-berusen, daß erin N o t w e h r" gehandelt habe. Am Ende wird man es ihm gar noch glauben. Die preußische Justiz hat ja den Marburger Studenten, dem Oberleutnant Marloh und ähnlichen Helden auch allerlei geglaubt. �Immer- hin. der Fall v. Kaehne liegt ganz besonders. Denn der Herr auf Petzow ist ein s e i t v i e l e n I a h r e n bekannter Schieß- bold. Dafür ein neuer Beweis: In Straubes Hipp-Hipp-Hurra, Führer f-ür Wasserwanderer, bearbeitet von Frie-

Der NeMauf mit öem Schatten. Konzertumschau von Kurt Singer . Em trauriges Spiel geht an: Der Wettlauf mit dem Schatten Nikijchs, der, ein Lichtspender, alles bei Lebzeiten in den Schatten gestellt hat. Wie einst noch Bülows Tod« treten die Stabmatadore zum Matsch an. Wer wird siegen? Furtwängler wurde schon vor zwei Jahren an dieser Stelle als der große Dirigent der Zukunft gefeiert. Aber Ruhe müßte er finden und Seßhaftigkeit und Ablösung vom Herumjagen, und Probensehnsucht, Einstellung auf neue Kunst. Da er einer der wenigen ist, die Brucknern und Beethoven und Mahler aus dem 5>erzen heraus musizieren können, so ist sein Engagemem nirgends und niemals ein Experiment. Ueber Wein- gartner wurde schon gesprochen. Er hat die Masse für sich, nicht aber die Tiefe in sich: und ob er sich sür Jugendstarkes einfetzen wird, ob er sich noch zu einem Borwärismann entwickelt? Sein letztes Konzert begann mit dem schrillen Ton des Hausschlüssels. Nach der sonnenlusimen Heiterkeit Mozartscher üis-Dur-Sinsonik kam die erd- lustige Ouvertüre Wemgartners, ein Potpourri aus Strauß Richard und Strauß Johann, gemischt mit Negertanz. Alles wieder fehr apart serviert, gefchmeidig dirigiert, dock, alles wie vorher bestimmt in den Proportionen, fargsältig im Geist geordnet nach Schnell und Lang- sam, Höhe und Tiefe. Der Augenblick bietet diesem großen Techniker keine Aufgabe, er weiß Wirkung und Reiz schon lange vorher abzu- schätzen und musiziert immer im Vollbewußtsein des Könnens. Nikifch war ein noch größerer Techniker. Aber vor die Bewegung hatten die Götter ihm die Erregung, vor die Technik die Intuitiv« Gestellt. Nun wird noch Werner Wolfs dirigieren, der eine stille, an- dächtige Bruckner -Gemeinde hat, Busch, dessen Ausstieg schneller, dessen Ehrgeiz größer ist als seine Dirigentenkapazität, und Walter, der schon ein prachtvoller Kerl ist, mit propagierender Kraft einen Pfitzner, Mahler auf den Schild hob und setzt ein Mozart- Sänger von äth-snuher Klcmgbewältignng wurde. Doch gehört seine Liebe, sein letztes Wissen um die Dinge nicht der Bühne? Läßt ihn nickt ein Mangel an schöpferischem Temperament den Zusammenhang mit der Welt verlieren? Und Hausegger, Schuricht, Klemp'erer lauter illustre Spezialitäten, die an die Univer- salität des wundervollen Podium-Mannes Nikifch mit Wehmut denken lassen! Bei allem Reichtum an Glanz sind wir arm an Leuchtkraft. Es geht um Berlins Ruf als Weltmusikzentrum, Zwischen Furt- wängler und Weingartner pendelt die Wage hin und her. Holt Furt- wäna'-.'r! Jungsein, das ist in der Produktion und Im NochsHasten der Stimmrus. Das ist auch Entschuldigung für manches Unzu- länglich?. Wie aerck streut man nicht Rosen aus den Weg der Unbe- kannten! Werden sie ausblühen, oder zertritt das Leben ihre Knospen? Auch diese Neulinge stehen und leiden im Schatten anderer. Ziehen wir sie ein paar Augenblicke ans Licht; vielleicht werden sie in wenig Jgbren wieder dunklere Wege fahren. Da verirrt sich Käthe P i r l ch e l aufs Konzertpodium. Wer so schmuck aussiebt, mit so mit gebildeter Stimme Heiteres mit heiterer Laune vortrügt, wer so scharmant in Dialekthumoresken ei,, Publikum in Stimmung zu bringen weiß, der sollt? den Weg zur Operette, zum seinen Kabarett nicht scheuen. Dort leuchtet ihr« Zukunft. Ein freundliches Gesicht, unbefangen und furchtlos, strahlt Margarethe Mntz.i'av uns entgegen. Gerade jo offen und musikalisch frisch

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brich Eduard Keller, findet sich in der dritten Aussage vom Jahre 1919 auf Seite 199 der folgende Vermerk: Unter hohen Strengenbrücke(5 Meter über M. W. mit Masten- stoppen) geht es in den herrlichen Windowsee. Er weist malerisch schöne Walduser und Berge auf. Die Ecken sind vorlandig. In die südliche Bucht zeigt das Kirchlein von Petzow den Weg; je- doch, da es Privatbesitz ist, darf man dort nicht anlegen. Alan pflegt aus Personen, die das Land unbefugt betteten, zu schießen! Also Vorsicht! Nur an der Ziegelladestelle ist Landen möglich." Die Heldentaten der schießenden Herren auf Petzow waren also schon vor drei Jahren so bekannt, daß i n ö f f e n t- lichen Führern davor gewarnt wurde. Alle spart- mähigen Ruderer, Segler und Automobilisten aus näherer und fernerer Umgebung kannten diese Schießknüppelhelden genau so gut wie die Arbeiter der umliegenden Ortschaften. Alle haben die Schießlust der Herren v. Kaehne gekannt, nur Justiz urck�Verwaltung haben sie bis zum Jahre 1922 über- sehen, haben denen v. Kaehne Waffen und Freiheit gelassen. Sollte es denkbar fein, daß die Justiz auch nach der neuesten Bluttat beide Augen zudrückt?! Die Vernehmung am Tatort. Ueber die erste Vernehmung des Schießgewaltigen v. Kähne er- halten wir diesen Bericht: Im Amtsgericht in Werder fand am Mittwoch Termin in SachenKaehne statt. Schon in aller Frühe bildeten sich neugierige Gruppen in dem kleinen Garten des Amts- gerichts. Um Uhr kam vom Potsdamer Staatsanwalt die Nachricht an den Amtsgerichtsrat Eichelkraut, daß der Potsdamer Untersuchungsrichter Haller die Vernehmung am Tatorte anberaumt habe. Der Tat- ort liegt weit draußen an der Gabelung der Chaussee Petzow Bliesendorf. Zur Vernehmung war v.. Kaehne, sein Kutscher, der Schwager des angeschossenen Nietert und dessen Pflege- söhn geladen. Um 14II Uhr erschien am Tatort der Untersuchungs- richter, Staatsanwalt Haller, aus Potsdam . Kurz vor 11 Uhr kam v. Kaehne mit seinem Förster Wiesbach und seinem Diener in Livree angefahren. Der Tatort ist in weitestem Umfange von Landjägern abgesperrt. Erst als der Rechts - beistand v. Kaehnes, Rechtsanwalt Josefsohn, aus Potsdam erschien, begann das Verhör. Für das Gerichtspersonal waren im Freien Tische und Stühle aufgestellt. Von Kaehne stellt sich ganz auf den Stand- punkt der Notwehr. Bis gegen 4 Uhr dauerte die Unter- suchung am Waldesrand und am freien Felde. Als es gar zu kalt wurde, begab sich das Gericht mit den Zeugen auf ein Bauerngehöft, wo das Verhör weiter fortgesetzt wurde. Ueber das Resultat kann vorläufig nichts veröffentlicht werden. Um 146 Uhr begaben sich, die Herren vom Gericht in das Glindower Krankenhaus, da Nietert schon ver- nehmungsfähig war. Außer dem Untersuchungsrichter war auch ein Herr vom Kammergericht Berlin anwesend. Das Verhör mit Nietert dauerte eine halbe Stunde. Auf der Chaussee, wo die Untersuchung stattgefunden hatte, sammelten sich viele Dorfbewohner an, die mit Interesse die Verhand- lungen am Waldesrand verfolgten. Von Kaehne ist bisher nochnichtverhaftet worden. Im Dorfe Glindow und Plessow hat sich die Nachricht verbreitet, daß sich auf dem Gute Masck?inengewehre befinden sollen; bei einer Haussuchung ist jedoch nichts gefunden worden.

SozwZAemokratische Politik.. Vor einer Kopf an Kopf gedrängten Versammlung der Ge- Hessinnen und GenossG, aus der R e i ch s d r u ck e r e i in den Arminhallen" sprach Rcichstagspräsident Gen. Paul Löbe . Er begründete die Unterstützung der Regierung Wirth aus der E e- samttendenz der Sozialdemokratie seit dem Zusammenbruch, der gegenüber die Unzufriedenheit mit gewissen Bestimmungen des Steuerkompromisses und gewissen Regierungsmaßnahmeii beim Eisenbahnerstreik nicht ausschlaggebend sein konnte. Die deutsche Arbeiterklasse ist noch nicht stark genug, um allein die Herrschaft ausüben zu können, sie ist aber schon zu stark, als daß gegen sie

ist ihr Klavierspiel, im kraftvollen Bach-Anschlag(Toccata und Fuge I>Moll) noch zuverlässiger, als in einem blossen Intermezzo Brahms '. Marianne F 0 u r n! e r läßt wegen Heiterkeit um Nachsicht bitten. Die Verstimmung sitzt gar nicht in der Kehle, sondern in der Seele, die noch ängstlich um den freien Ausflug ringt. Ein kleines, seines, zierliches Srimmck>:n, und das Gefühl folgt den Annxisungen des Lehrern James Simon stützt sie(in Windelssohn-Liedern) ausge- .zeichnet. Viel anspruchsvoller wagt sich Annie Stein auf das Podium. Ihrer Tongebung mangelt noch Adel und Sicherheit, die Kantilene ist mehr ein Hauckx als Fülle, zittrig, haltlos. Sie ist ganz auf Koloratur eingestellt. Die Lieblichkeit und der ungezwungene Vorttag(Arie der Frau Fluth, der Rosa Friquet) sind zu loben, auch wenn der Passagcnlauf noch über Klippen und Steine zu gehen scheint. Ganz außerhalb der Tagesmusik, und auch außerhalb der persönlichen Ausdrucksnuancen stellt sich der Berlin er Dom- ch 0 r unter Riedels Leitung mit einem Programm des 16. und 17. Iabrhunderts vor. Wollt?« schönen, biegsamen Knabenstimmen, welche Ehrfurcht vor der Klarheit des polyphonen Satzes, welche kirchliche Andacht in der Disposition der Stimmenl Eine Messe von Lafstis. einStabat mater" von Palcstrina an der Kenntnis, an der Nachahmung dieser reinen Musik könnte auch unsere Jugend lernen und genesen! Die unv>erwüstlick?e Musikantin Anna Hegner beendete ihr Riesen-Geigenprogramm, sicher im Gefühl, in Berlin uns ein stets willkommener Gast zu sein. Alired Licktenstein ver­bittet sich aus dem Programm seines Novitätenabends Bsikalls- oder Mißfallensäußerungen. Dazu ist nicht Anlaß genug, weder für, noch gegen. Arthur Wollfs Stücke für Flöte und Klavier sind mit leichter Hand geschriebene, der Flöte gut liegende, blasse Virtuosen- alltäglichkeiten. Hans Peter Deutschs erotisch« Suite gibt sich sehr modern und chinesisch und ist im Satz geschickt, im Zusammenhalt und Zusammenklang sehr talentiert. Doch sehr gewählt ist diese Sprache bei allem Hang zum Absonderlichen nicht, und die Jnteressantheit tönt dicht beim Klamauk. F. W. der blies vorzüglch das Englisch- Horn (ohne Probe), Lichten sie in flötet« ohne Liebe, Wolfs spielte seinen Part gewissenhaft und anfeuernd. Kein Anlaß zu Lust oder Unlust, zu Hosianna oder.Hausschlüssel. Bescheidenheit ziemt allen, die im Schatten der Kunst wandeln.

Der keusche Lebemann". An der Stelle, wo Schnitzlers viel umkämpft«?Reigen" in brunnerunzüchtigem Rhythmus über die Bühne schwang, kullert nun Guido, der Dicke, über die Bretter, die in diesem Falle aber nicht die Welt bedeuten sollen. Das Kleine Schauspielhaus will von seinen literarischen Taten ausruhen, und es hat den Schwank gefunden, der die Monate und mahrschein- lich auch die Vierteljahre überdauern wird.Der keusche Lebe- mann" heißt der Blödsinn, den die bewährte Firma derSpan i- scheu Fliege" und anderer Unsterblichkeiten.?l r n 0 l d und Bach, zusammengebraut hat. Da, wo der Unsinn sozusagen Prinzip wird und nicht Anspruch erhebt,literarisch" erscheinen zu wollen, bann man ihm zustimmen: die Geschichte ist harmlos, das Publikum kreischt und die Schauspieler freuen sich über den Klamduk, den sie machen dürfen. Es ist überflüssig, den Inhalt dieser Ge- schichte, in der ein Provinzfabrikant seinem harmlasen Kompagnon ein Vorleben mit einer Filmdiva andichtet, um ihn seiner Tochter mundgerecht zu machen, z» erzählen. Die Andeutung möge die

regiert werden könnte daher die vielen unbefriedigenden Lösungen, mit denen wir uns so oft zu befassen haben. Den Weg zur Dess> rung von Deutschlands Lage sehen wir nur in der versuchten E r f ü l l u n g s p 0 l i t i k, zu der sich mit uns die Unabhängigen bekennen,, während die Kommunisten sie schärfstens bekämpfen. Was der Wiederanschluß an die Weltwirlschast wert ist, zeigt die große Wandlung der Sowjetregierung in dem Augenblick, wo sich ihr diese Aussicht wieder eröffnete. Zur Milderung der n ä ch st e n Reparationszahlungen, worauf es an- kommt, und zu ihrer Leistung durch Sachgüter, ist unter der Führung Wirths und Rathenaus viel erreicht worden: statt 3! Goldmilliarden 2)4, und davon 1)4 in Sachgütern, soweit Frankreich usw. diese Sachleistungen zum Wiederaufbau auch verwenden können, was eine weitere erhebliche Verminderung bedeutet. Die von Robert Schmidt zuerst vorgeschlagene Erfassung der Sachwerte durch Mit- besitz des Staates an den Produktionsmitteln ist der lOOprozentiqen Enteignung nach russischkin Muster zunächst weit vorzuziehen; Zen- trum und Demokraten waren nicht dazu zu bewegen vielleicht stehen wir in 8 Wochen in einem W a h l k a m p s darum, wir mußten uns vorläufig mit der Zwangsanleihe abfinden. Scheitert dieses Kompromiß, was zu ertragen wäre, so wird unsere Wahlparole sein: Sollen die Verpflichtungen, denen wir uns nicht entziehen können, weiter van den Arbeitenden gedeckt werden, oder von denen, die unter den 5triegsfolgen lange nicht ebenso gelitten haben? Bei Besprechung des' letzten Gemeindearbsiierstreiks wies Gen. Löbe nach, wie die Stillegung der lebenswichtigen Bettiebe schließ­lich zum'Kampf innerhalb der Arbeiterklasse selbst führen muß. Der Bewegung der Eisenbahner kann mancherlei Berechtigung nicht abgesprochen werden: verbieten kann man auch Beamten- streiks nicht, aber dann müßte dem Stteikrecht, ebenso wie bei den Arbeitern, das Risiko des Verlustes der Stellung entsprechen: oder aber lebenslängliche Anstellung und Versorgung dann auch Ein­schränkung der Rechte im Interesse der Allgemeinheit. Wir müssen mit den Beamtenverbänden eine Vereinbarung in dieser Weise treffen. Nachdem sich Löbe noch gegen Inhalt und Sprache des Streit- Verbots gewendet, auf die Gelährlichkcit kommunistischer.Methoden" für die deutsche Arbeiterklasse und auf die fürchterliche russische Lehre hingewiesen hatte, schloß er mit der Ausforderung, zu wirken für die demokratische Umwandlung des heutigen Staates in den wahren Volksstaat.(Stürmischer Beifall.)

Die Spanier ausgeliefert. Durch das offiziöse Depeschenbureau wird mitgeteilt, daß die des Mordes an dem ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten Dato beschuldigten Spanier Luis Ntculau Fort und Lucia Joaquina Concepcion, deren Auslieferung von der spanischen Regierung verlangt worden war, gemäß dem deutsch -spanischen Ausliefe- rungsvertrage der zuständigen spanischen Behörde aus- geliefert worden sind. Sie befanden sich seit ihrer jm 29. Ot­tober vorigen Jahres erfolgten Ergreifung im Berliner Polizei- gefängnis. Diese Meldung wird wieder eine Flut von Kommentaren inßder linksradikalen Presse auslösen und die deutsche Regierung dürste noch manche Schmeichelei zu hören bekommen. Run ist, wie von suriR- scher Seite betont wird, leider nicht daran zu zweifeln, daß de? Wortlaut des deutsch -spanischen AuÄieferungsoertrages auch bei sorgfältigster Auslegung zur Erfüllung des Auslieferungsbegehrens zwang, wenn anders man abgeschlossene und gültige Derträge über- Haupt gelten lassen will. Aber neben den juristischen Erwägungen stehen auch politische. Es wider st rebt dem elementaren Gefühl .'der Rechtsgleichheit, wenn man sieht, daß deutsche politische und gemeine Mörder wir denken nur an den Leutnant Bogel , an die Kappisten, an die Schulz und Tillesscn in aller Herren Länder Unterschlupf finden und weitergeschoben werden, wenn's brenzlich wird, daß aber andererseits Deutschland gewissen-' ha f t ausliefert, wenn ausländischeMörder" in Frage kommen, die aus politischen Motiven handelten. Es gehört doch auch wohl zur Staatskunst, solche Gewissenskonflikte rechtzeitig zu ver- meiden.

Das Reichsvereinsgeseh soll der Weimarer Verfassung an« gepaßt werden.(Da wird von der Blocksrucht von 1S0S nicht viel übrig bleiben.)

Phantasie anregen, eine unendliche Kette von Mißverständnissen. Verwicklungen und Verwirrungen wird abgeklirrt, bis sie sich end- lich zum erwünschten Ehering schließt. Guido Tielscher, als Jnszenator der Diva-Komödie, ließ alle Minen des Akrobaten- Komikers springen, und wenn er den Text erst noch etwas besser beherrscht, wird die ganze Geschichte noch besser flutschen. Der keusch« Lebemann war Victor Schwanneke, der diesen Unbeholfenen in manchen Augenblicken sogar bis an die Grenze brachte, hinter der der Mensch beginnt der natürlich in solchen Amüsements nichts zu suchen lM. Die sensationslüsterne und schließlich geheilte Tochter brachte sehr hübsch Poldi Müller, die rächende Filmdiva in schönen Kleidern und gut gespieltem falschen Temperament Blanche Dergan. Else Bäck, D e l i u s,.H 0 f m a n n, Eva Brock, Käthe Sonden, Maria Burke assistierten wacker. Es gab ein Trommelfeuer von Lachen und Applaus, in dem die taniieme- frohen Autoren seiig schwimmen konnten. O. E. H. Arno-HolZ 'Abend(..D afnis" in Wort und Ton im Schwechten-Saat.) In der Vorrede zu seinem Dafnis-Buche sagt Slrno Holz-Schäfer Dafnis, man sänge seineeinfältigen Wihsen- Lider schon aufs allen Märckten und in den Schäncken" in Wirk­lichkeit ist es aber noch sehr weit davon entfernt. Und doch müßten eigentlich diese Dafnis-Lieder bei uns eine ähnliche Rolle spielen, wie B e l l m a n n s Gesänge in Schweden . Beide umfassen denselben Stosskreis, sind lebensstrotzeude Freß-, Saus- und Liebeslieder mit gelegentlichen melancholischen Einschlägen durch Kater,. Geld­mangel oder nahendes Alter hervorgerufen. Bei allen Zusammen- künsten der lebens- und trinkfreudigen Skandinavier fehlt darum auch nie ein Bellmann-Gesang, während man sich bei uns in solchen Fällen an den Höhepunkten des geselligen Frohsinns mit derLore- ley" undVerlassen bin i" begnügt. Liegt dies daran, daß für Arno Holz der kongeniale Vertaner noch nicht gekommen ist? Bellmann, das Kind des 13. Jahrhunderts, benutzte für feine(oft improvisierten) Gesänge alte französisä)« Chansons: die Dafnis- Lieder, die im Stile ein Jahrhundert früher, zur Martin-Opitz-Zcit, sich bewegen, haben schon die verschiedenartigsten musikalischen Aus- legungcn, bis zu den allermodernsten, erfahren. Bei der Veran- staltung im Schwechten-Soale konnte man sie in der Vertonung von Zll f 0 11 s B l ii m e l und von Henry Christofscrsen mit schöner, geschulter Stimme, aber etwas zu temperamentlos und schwer im Bortrag, hören. Blümels Kompositionen sind geschmack­volle, gediegene Arbeiten, die. ohne sich dadurch einseitig beschränken zu lassen, auch dem barocken Zeitstil, besonders in der sehr geschickten Begleitung, gerecht werden. Und doch der Text, die Dichtung, kommen bei ihm nickt so recht a»f die Kosten: die Munt ttitt zu sehr aus ihrer sekundären Rolle, die sie gerade bei diesen pracht- vollenFreß-, Sauf- und Benusliedsrn" einnehmen müßte, heraus. Hier würde eine leichte musikalische Untermalung, eine rezitativ- artige Komposition oder eine ganz einfache sangliche Melodie, am besten mit Loutenbcgleitunq, geniwen. Und diesen Anforderungen schien noch am ersten, al? dos begeisterte Publikum weitere Zugaben verlangte und Blümel erschöpft war. die kicl-ie anspruchslos Ver­tonung von Walter Schnell, dem geschickten Klavierbegleiter des Abends, zu entsprechen. Es war viel nette weibliche Jugend im Saal, mit allen von dem Dichter gepriesenen Vorzügen versehen. Arno Holz kann sich zu dieser Gemeinde gratulieren, g. Z,