sägt!n seinem Artikel, dieses automatische Steigen der Löhne U»«> Gehälter wird wertvolle Hemmungen gegen die Preis- erhöhungen beseitigen. Das trifft nur ganz bedingt zu, denn die Preisbildung wird von anderen Faktoren wesentlich stärker beeinflußt. Hinzu kommt ja auch, daß die Lohnerhöhungen bisher und auf Grund der Indexziffern auch in Zukunft hinter der Preiserhöhung herkommen. Eine andere Frage, die viel mehr zu beherzigen ist, ist die, sotten beim Fallen der Preise auch sofort die Löhne sinken? Den Kölner städtischen Arbeitern, bei denen jede 10 Pf. Lohnerhöhung für die Stadt drei Millio- nen Mark ausmacht, habe ich gesagt, nein. Man muß sich vorher darüber verständigen, wann und in welcher Höhe die erste Herabsetzung der Löhne eintreten soll. Eine Herabsetzung erst nach soundsoviel Monaten eintreten zu lassen, halte ich nicht für praktisch, sondern man muß sich darüber einigen, ob man nach einem Fallen der Indexziffern von 1t), 20 oder mehr Pro- zont die erste Herabsetzung der Löhne eintreten läßt. Nach meinem Dafürhalten braucht man nicht kleinlich zu fein, wenn man bedenkt, welcher Schaden heute entsteht, wo dauernd in ganz Deutschland von unzähligen Unterhändlern, Schieds- richtern usrv. über die jeweilige Lohnerhöhung verhandelt wird. Spitzen sich die Verhandlungen zu, so wirkt es sofort auf die Arbeiter und Beamtenschaft und die Arbeitsfreudigkeit läßt, äus sehr begreiflichen Gründen, nach. Dieser Schaden ver- mehrt sich durch die Arbeitsniederlegungen, die durch dieselben Ursachen entstehen, um noch bedeutendes. Der Einwand, das Steigen und Fdllen der Löhne ist nicht allein vom Steigen und Fallen der Preise, sondern sehr viel von der jeweiligen Konjunktur abhängig, ist der bedeutungs - vollste. Es wird Berufe und Industrien geben, die auch beim besten Willen nicht in der Lage sind, den allgemeinen Preis- fteigerungen mit den Löhnen zu folgen. Aber auch in solchen Fällen sind die Teuerungsunterlagen zu den Verhandlungen out zu gebrauchen und werden heute schon gebraucht. Da man bei den Reichs-, Staats- und Eemeindcbetrteben diese Konjunkturschwankungen im allgeminen nicht hat, so wäre es für sie die erste Pflicht, zu einer gleitenden Skala zu kommen. Damit wurde bei ungefähr 4 bis 5 Millionen Menschen das System ausprobiert, vhn-e Gefahr für die Arbeiter und Gewerk- sch ästen, denn der Einfluß der Arbeiter ist durch ihre politischen Vetretungen in den Reichs-, Staats- und Gemeindebetrieben wesentlich stärker als in den Privatbetrieben. Zum Schluß noch etwas zu dem Hauptgrund der Ab- lehnung. Die Gewerkschaften könnten an Einfluß auf die Ar- beiter und damit an Mitgliedern verlieren. Jeder Gewerk- schaftsführer wird schon unzählige Male in seinem Leben die fortwährenden Lohnbewegungen zum Teufel gewünscht haben und mit ihnen diejenigen Mitglieder, die die Gewerkschaften nur als eine Lohnbewsgungsmafchine betrachten. Ein Zeichen, daß er der Meinung ist, daß die Gewerkschaften doch auch noch viele andere Aufgaben haben. Durch die mehr selb- ständige Regelung der Löhne würden unzählige Gewerkschafts- führet mehr frei, um sich selbst und die Mitglieder zu bilden. Ein großer Vorteil für unsere Bewegungen einer Zeit, wo wir nach Kräften schreien, um die Verwaltungen zu demokratisieren, die Köpfe und das Herz. der Arbeiter zu sozialisierer?. Also, große Vorteile für unsere Wirtschaft und große Vorteils für unsere Bewegung und damit für den Sozialismus.
Kampf um üen Reichspräsiöenten. -'-xzDie fchwerindustriell-volksparteiliche Presse möchte jetzt die Reichspräsidentenwahl„ins Rollen" bringen. Das macht si«rffc, daß sie die gestrige klare Erklärung der Reichsregierung beiseiteschiebt und„annimmt",„es besteht offenbar in den Kreisen um WIrth Neigung, die Angelegenheit bis zum Herbst hinauszuschieben". So steht es wirklich in der„Täglichen Rundschau". Der„Lokal-Anzeiger" betont mit Geflissentlich- keit, daß Genosse Eber!, wie ja auch aus seinem, von uns gestern veröffentlichten Brief hervorgeht, die Regierung schon im Oktober vorigen Jahres gebeten habe, den Tag für die Neuwahl zu bestimmen. Mit erleichterndem Aufatmen wird konstatiert, daß die kürzlich drohende Reichstagsauf- lösung am deutschen Volk vorübergegangen sei.
„Sv aber wirb das DahNntmsse des deutschen Volkes in diesem Jahre hoffentlich nicht anderweitig in Anspruch genommen, und die Verfassung wird endlich auch in diesem Punkt auf die Prob« gestellt werden können. Ein Experiment, vor dem manchen Vätern des Werkes von Weimar heute insgeheim zu grauen scheint. Einmal wegen der wohl unausbleiblichen Aufwühlung der Volksleidenfchaften, dann aber auch wegen der unabfeh- baren Schwierigkeiten, die die Kandidatenfrage den Par» teien bereiten dürfte". Der„Lokal-Anzeiger" meint wohl mit den Schwierig- leiten, die bei der Kandidatenaufstellung eintreten werden, die kommende Katzbalgerei der Rechtsparteien. Die Konklaven der Hergt und Strefemann werden uns demnach manche heitere Stunde bereiten. Wir können nur sagen, daß uns vor dieser Probe auf die Weimarer Verfassung nicht im mindesten graut. Im Gegenteil, wir freuen uns auf die Gelegenheit, die Deutsch - nationalen in Wahrung der Verfassung von Weimar einen Kandidaten für den Präsidenlenposten der Republik aufstellen zu sehen. Das„B. T." meint überdies: Daß diese Reichstagsdebatte heute von einigen Organen der Rechten zu Angriffen gegen die Person des jetzigen Reichspräsi- deuten benutzt wird, ist um so auffälliger, als selbst der deutschnatio- nale Redner gestern betonte, daß die Art und Weise, wie der Reichs- Präsident die Pflichten erfüllt, die durch sein Amt in bezug auf äußere Aufwendungen für die Vertretung des Reichs ihm auferlegt find, durchaus keinen Anlaß zu irgendwelchen Beanstandungen ge- geben hat. Darüber hinaus muß betont werden, daß die Amts- führung des Reichspräsidenten Ebert im ganzen, auch soweit sie nicht in die Oeffentlichkeit trat, weit über die Kreise seiner Partei« freunde und der Koalitionsparteien hinaus begründete Anerkennung gefunden hat. Roch deutlicher sprechen das die„Frankfurter Nachrichten" aus. Sie schreiben: „... daß die Berechnung des Reichskanzlers, die Wahl werde nach den Wünschen des jetzigen Regicrungsblocks ausfallen, sich darauf gründen könnte, daß auf feiten der bürgerlichen Parteien gegen den jetzigen Reichspräsidenten kaum jemals eine ernsthafte Kampagne eingeleitet worden ist. Das hat zum großen Teil seinen Grund darin, daß Ebert zu einer ernsthaften Bewegung keinen An- laß gegeben hat. Andererseits ist zu bedenken, daß bis jetzt zwischen den bürgerlichen Gruppen eine auch nur nennenswerte Einigung über einen Kandidaten für die Präsidentschaft nicht hat erzielt werden können. Betont sei auf verschiedene Bemerkungen der Rechtspresse hin ausdrücklich, daß in unseren Rechen n i e m a n d so verrückt ist, der Deutschen Volkspartei auf dem Umweg über die Präfi- dentenwahl ein Hintertürchen, durch das sie so gern in die Re- gierung herein möchte, zu öffnen. Im übrigen sehen wir der Neuwahl des Reichspräsidenten ohne Aufregung entgegen.
Crnahrungskatastrophe in Sapern. Bayern , die südliche agrarische Ecke des Reiches, das Land, in dem im Vergleich zu den nord- und mitteldeutschen Industriegebieten die Dolksernährung bis zur Stunde einigermaßen gemeistert werden konnte, wird augenblicklich von einer Unerhörten Teuerung s- welle heimgesucht, die auf die kommend« Fremden-Hochsaison, die Münchener „Gewerbeschau" und die„Oberammergauer Passivus- spiele" zunickzuführcn ist. Diese beiden Veranstaltungen zusammen mit dem Sommer und Winter währenden Prasserleben der deutschen „besitzenden Klasse" in den oberbayerischen Kurorten haben auf dem Ernährung?- und Wohnungsmarkt eine Hochkonjunktur geschaffen. der gegenüber die bayerische Land- und Industriearbeiterschaft mit ihrer gegen norddeutsche Verhältnisse bedeutend zurückstehenden Ent- lohnung förmlich der Verelendung preisgegeben ist. Die Lebens- mittel werden bereits jetzt im bayerischen Hochland in wahren Depots angehäuft, Lastwagen zur Personeitbeförderung nach Oberammergau bereitgestellt. Die Arbeiter werden ausquartiert, um Fremden-
Wie ein Alensib geboren wirb. Von Artur Zickler. Regenschauer peitschen die Straße hinunter. Der Sturm fährt in Stößen dazwischen und nollführt mit den Jalousien der Miet- kasernen einen höllischen Lärm. Jedesmal schrecken die Straßen- laternen zusammen und schlagen wie irre Vögel mit den Schatten- flügeln. Josef schlägt die Haustür zu und rennt in das Wetter hinein. Wie mit Eimern gegossen klatscht es gegen ihn an. Er flucht durch die frierenden Zähne und läuft, was er kann, um das halbe Häuser- gevien. Die Hebamme hat eine Rachtglocke. Er klingelt und wartet. Schaut nach dem ersten Stock, wo die Donna wohnt. Nichts rührt sich. Schließlich klappt ein Fenster im Erdgeschoß auf. Ein spitzes Altweibergesicht läßt sich vernehmen:„Die Alte ist oben, ich weiß es ganz g-mau. Die Alte ist bloß zu faul... Immer feste klingeln, das Hilst.'" Joses nimmt ein Stück Streichholz und klenkwt es an den Kliiigelknopj. Er hört, wie oben unentwegt die Klingel strrt. Plötz- iich ist Ruhe.„Das Aas har abgestellt," knirscht er.Jetzt packt ihn die Wut, er langt sich Schotler- aus dem Rinnstein und schmeißt nach den Fenstern, klirrend prasseln die Splitter aufs Pflaster. Oben wird es hell und lautes Keifen ist vernehmbar. Ein Nachthemd lehnt sich schimpfend heraus.„Kommen Sie runter, aber dalli, sonst gehen die anderen Scheiben auch noch hops." Nach drei Minuten ist sie unten. Der Regen hat etwas nach- gelassen. Sogar ein Schutzmann hat sich herausgewagt und be- schirmt eine Laterne. In der� Stube ist die Lampe ausgegangen. Der blaue Lichtkranz eines Spirituskochers, über dem ein Topf Wasser siedet, verrät dürftig die. Konturen des Raumes. Maria wälzt sich und stöhnt in- Wehen. Josef, bis auf die Haut durchnäßt, such! nach dem Petroleum, zündet die Lampe an, räumt Gefäße und Tucher heran und muntert das Feuer im Ofen auf, während die Hebamme mit der Verdrossenheit des Gewohnten ihre Arbeit be- ginnt. Während das Schreien der Frau und ihr Winden immer verzweifelter wird, geht er an einen stillen Ort und legt die Stirn in die Hände. Wie er zurückkommt, ist es ruhig geworden. Maria sieht ihn lächelnd an. Die weise Frau planscht ein faltiges Etwas im warmen Wasser ob. Nachdem alles am Ende und die Helferin gegangen ist, bläst Josef in den Lampenzylinder und sinkt neben das Bett. Wie lange er so schläft, weiß er nicht, aber als er auf- schrickt und die Fensterläden hochzieht, graut draußen der Tag. So wird zwischen Abend und Morgen ein neuer Mensch. (Aus einem demniichst erscheinenden Roman„Der Mann im « o r g» n*.)
Ein Schinkci-Rouch-INusenm. Die Ausstellung aus Alt- und Reu-Berlin hat die Aufmerksamkeit wiederum auf den Plan gelenkt, im Charlottenburger Hochschuwiertel an der Hartenbergstratze Schinkel und Rauch ein eigenes Museum zu widmen. Wie wir hören, ist vorgesehen, auf das im Rohbau fertiggestellte Rauch- Museum in der Mitte einen Aufbau auszusetzen. In diesem Ober- .stock soll di? jetzt in der Charlottenburger Technischen Hochschule
versteckte Schinkel-Sammlung untergebracht» werden, Zugleich mit den Zeitgenossen und Nachfolgern des Meisters, mit den Werken der (Billy, Strack, S t ü I e r, Persius, ferner die bSften der in der Hochschule aufbewahrten neueren Architekturmodelle und die baugeschichtliche Callenback-Sammlung von Baumodellen aus alter Zeit. Im Unterstock des Museums wird die jetzt im Rauch-Mufenm in der Klosterstraße, das im nächsten Jahre geräumt sein muß, nicht sehr würdig ausgestellte Sammlung der Werke Rauchs unterge- bracht werden, einschließlich der Serie von Lehrmitteln, die Rauch für den Anschauungsunterricht der jungen Künstler begründet hat und die bis jetzt auf dem Dachboden unzugänglich war. Dazu wer- den hier die großen Vorgänger und Zeitgenossen Rauchs aus der Berliner Bildhauerschule gezeigt werden, vot allem Gottfried Schadow und Friedrich Tieck . Für die Architekten der Hoch- schule wird eine Klasse für Architekturplastii im Antikenjaal der be- nachbarren Hochschule für bildende Kunst eingerichtet, wo sie in Gemeinschaft mit den Plastikern der Kunsthochschule ihr« Ansbil- dung erhalten sollen. Zum Zwecke des Mukeumsbaus wird die unbewohnbar gewordene und vom Schwamm durchsetzte, einst übel berüchtigte Villa Sternbcrg an der Ecke der Berliner Straße und der Äurftirstenallee endlich abgebrochen, ihr» Materialien werden für das Museum Verwendung finden und der Platz am Knle kann dann endlich reguliert werden. Erhaltung einer gefährdeten kunststätte. Die H o l z s ch n i tz- schule in Warmbrunn im Riescngebirge. die unter Leitung des kürzlich an die Kunftgcwerbcfchule nach Flensburg abgewander- ten Professors Hüllweck zur künstlerischen Hebung der im Gebirge heimischen Holzschnitzerei viel beigetragen hat, stand unmittelbar vor dem Zusammenbruch. Staat und Gemeinde tonnten oder woll- ten die Lasten nicht mehr trogen. Nunmehr hat. wie uns aus Hirschberg gemeldet wirk, der Hirschbergcr Kreistag beschlossen, vom 1. April ab die Anstalt zu übernehmen und weiter zu� betreiben. Die Leitung wird dem Holzbildhauer Prof. d e l l'A n t o n i o übertragen werden. Der Unterricht erfolgt in vier Klassen für figürliche Schnitzerei und eine Tischlerklasse. Die sozialen Einrichtungen für die Schüler, namentlich was Unterkunft und Verpflegung betrifft, sollen weiter ausgebaut werden. Zu diflem Zweck äst die Gründung eines besonderen Vereins zur Unterstützung ter Holzschnitzschüler geplant. Anmeldungen von Schülern für dos Osten, beginnende neue Schuljahr sind an die Holzschnitzschule in Warmbrunn zu richten. Die Wüste als Kulturland. Seit die Engländer sich in Karthum festgesetzt haben, sind viele Hunderte von Kilometern Wüste im Sudan zu Kulturland umgewandelt worden. Die primitiven Be- wässerungsmethoden des Nillandes wurden" auf wissenschaftlicher Grundlage oerbessert, und so hat man von Jahr zu Jahr immer mehr fruchtbares Land geschaffen, die Wüste mehr und mehr zurück- gedrängt. Mit die wichtigste Arbeit bei dieser Fruchtbarmachung der Wüste leisten die Laboratorien des Gordsn-Eollege in Karthum , in denen Gelehrte die besten Tierarten und Vslan�en heraussuchen, die unter den vorhandenen Bedingungen in diesen Gebieten leben und sich ausbreiten können. Der neueste Erfolg dieser Art ist mit der Ansiedlung der Seidenraupe gemacht worden. An den Ufern des Nils und vielfach auch in der Wüste selbst wächst die Rizjnusölpflanze in wildem Zustand. Obwohl diese Pflanze die
Wohnungen zu schaffen, Lebensmittel nur mehr zu„Sakson-.Prekfe» unter Zugrundelegung des Dollar-Kurfes ver- abreicht. Große Posten von Auslandslebensmitteln werden unter Riesengewinnen der Spekulanten im freien HandÄ 'eingeführt, ohne daß die Regierung einen Finger rührt, der kommen- i den Katastrophe irgendwie Einhalt zu hin. Sie könnte es ja auch ■ nicht tun, da der geringste Versuch in dieser Richtung die agrarisch« Landtagsmchrheit auf den Plan rufen würde. Eine Funktionärversammlung der bayerischen Gewerkschaften nahm nun unter Beteiligung der sozialistischen Parteien, der Konsum- vereine und des Verbraucherbundes Stellung zu der bevorstehenden Ernährungskataftrophe in Bayern . Der Referent ließ keinen Zweifel darüber auskommen, daß die bayerische Arbeiterschaft in der Meiste- rung dieser drohenden Gefahr ganz auf sich allein angewiesen sei. Mit ernsten Worten warnte er vor der Prasserei, die im bayerischen Oberland demnächst zu erwarten sei. Wenn dort ge- fressen und geschlemmt werde, so sei es sehr die Frag«, ob dies die bayerischen Holz- und Bergarbeiter ruhig ertragen würden. Die Bergarbeiter haben bereits beschlossen» angesichts solchen Treibens nicht in die Gruben zu fahren. Die Debatte nahm stellenweise stürmischen Charakter an. Der Ruf nach dem Generalstreik und nach Zwmigsmaßnahmen gegenüber der Regierung wurde immer energischer erhoben. Der offene Kampf mit der Bauernregierung, deren Funktionäre selbst zum Steuerstreik aufriefen, wurde mit aller Entschiedenheit verlangt. Schließlich gelang es dem Genossen Auer, die erregten Gemüter zu beruhigen. Er führte aus, die Ernährungsfrage sei eine Machtfrage. Auch die bevorstehende Krise sei nur mit parlamentarischen Mitteln zu lösen. Das Argument von dem Griff an die Gurgel des Staates werde der bayerischen Landwirtschaft ebenso schlecht bekommen, wie der Reichsgcwerkschaft der Eisenbahner. Schließlich einigte man sich aus eine Resolution, welche an di« Regierung folgende Forderungen stellte: Bekämpfung des Lebens- mittclwuchers durch Wucherabwehrstellen in Verbindung mit Kom- Missionen von Erzeugern und Verbrauchern. Verteilung der Lebens« mittel durch Einkanfsgenossenschaften. Erhebung von Valutaabgaben und sofortige Erhöhung der Löhne und Gehälter.
Seltsame Settgenossen. Kommunisten, Unternehmer und Deutschnationale. Der„Berliner Lokal-Anzeiger" verteidigt �»ie Klassenjustiz durch Angriffe auf Ebert und Scheldemann. Die Ausnahmegerichte habe Ebert eingesetzt, die Amnestie der Kapp-Rebellen habe die Koa- litionsregierung beschlossen, und in der Verfolgung der Mörder und Schieber oersage der Staatskommissar für öffentliche Sicherheit. Die„Rote Fahne " übernimmt diese Verteidigung der Klassenrichter und schließt sich ihr an. Zur Sache ist einfach zu sagen, daß di« Amnestie auf Drängen der Kommunisten beschlossen werden mußte. weil eben die Richter nur ausständische Arbeiter und keine Kapp- Rebellen verurteilten, daß die Verfolgung der Mörder und Schieber Sache der Staatsanwälte und nicht einer politischen Informationsstelle ist, und daß die von Ebert eingesetzten Sondergerichte — natürlich handelt der Präsident nicht aus eigene Verantwortung, sondern unter Verantwortung des Kabinetts— so ungeheuerliche Urteile gefällt haben, daß der Reichspräsident von seinem Be- gnadig ungsrecht in allerweitestem Umfange Gebrauch machen mußte. Aber nicht dieses Sachliche ist entscheidend, sondern die Tat« fache, daß die„Rqte Fahne" ArminArmmitdenDeutsch« nationalen die Klassenjustiz verteidigt. In derselben Nummer der„Roten Fahne'" wird über einen Be- schluß der U n t e r n e h m e r v e r b ä n d e berichtet, wonach diese 5 unbedingt die Forderung der Gewerkschaften ablehnen, die Vorteile der Tarifverträge nur denen zugute kommen zu lassen, die in den vertragschließenden Organisationen für dies« Errungenschaften mitgekämpft haben. Die„Rote Fahne " stellt sich in dieser Frage auf den Standpunkt des Unternehmertums gegen die Gewerkschaften. Im Interesse der Unorganisierten und der Syndi- kalisten bekämpft sie die Forderungen des Bergarbeiterverbandes und fordert ihre Zurückziehung. Arbeitgeberverbände und„Rote Fahne" Arm in Arm gegen das Verlangen sämtlicher gewerkschaftlich organisierter Bergarbeiter!
bekannten Eigenschaften des Rizinus besitzt, gibt sie doch nicht genug � Oel , als daß seine Gewinnung im Wettbewerb mit der ostindischeN Produktion gewinnbringend wäre� Man weiß nun, daß eine Art der Seidenraupe, �uacus ncini, sich von diesen Pflanzen nährt. Die groß« schöne Raupe verfertigt eine sehr kräftige Seide, die zwar nicht so fein ist wie die des Lomb�-x wori, von dem die beste Seide kommt, aber sich doch zu den verschiedensten Zwecken sehr gut ver- wenden läßt. Man hat nun große Mengen von Eiern dieser Raupe nach dem Sudan eingeführt und mit der Züchtung gute Erfahrungen gemacht, so daß die 5)offn»ng besteht, in der Wüste hier eine reiche Seidenraupenzucht zu entfalten. Reklame für Kirchenbesuch. In den Kreisen der englischen Geistlichkeit wird gegenwärtig eifrig die Frag« behandelt, ob sich die Kirche all jener modernen Reklame- und Propagandamittel be- dienen darf, die die Geschäftswelt herausgebildet hat. In den Der- «inigten Staaten ist man ja in dieser Beziehung bereits bis an die äußerste Grenze gegangen und hat in den verschiedenen„Komm zur K i r che"- Feldzügen mit Flugblättern, Handzetteln, Plakaten und riesigen Zeitungsannoncen gearbeitet. Es gibt Geistliche in England, die diese amerikanischen Methoden ebenfalls anwenden wollen, um das Publikum wieder mehr zum Kirchenbesuch zu ver- anlassen und mit den Kinos und Vergnügungslokalen, die die Massen an sich fesseln, in Konkurrenz zu treten. Die„innere Mission " der englischen Kirche hat während des Krieges mehrere Millionen Flug- blätter verteilt und damit große Erfolge gehabt. Der größer« Teil der englischen Geistlichen weichet sich aber gegen- diese allzu markt- schreierisckien Mittel, zumal die Zeitungsanzeigen gewaltig« Sum- wen verschlingen, und ist der Ansicht, daß die Werbung für den Kirchenbesuch in den Missions- und Pfarrelblättern vor sich gehen solle.' Ein schwieriges Problem. In Braunschweig tagte vor kurzem die Vertreterversammlung des Deutschen Anwaltvereins . Mit großer Mehrheit nahm sie folgenden Antrag an:„Die Frau eignet sich nicht zur Anwaltschaft oder zum Richtertum: ihre Zulassung würde daher zu einer Schädigung der Rechtspflege führen und ist aus diesem Grunde abzulehnen." Es war die höchste Zeit, das auszusprechen. Wir stehen vor einer Reform des Ehescheidungsrechts. Da» könnte ja nett werden, wenn sich in einem Ehescheidungsprozeß die Frau einen weiblichen Anwalt nehmen könnte. Die Interessen einer Eheftau kann natürlich wirksam nur ein Mann vertreten. Was nun die Eignung der Frau zum Richkkramt betrifft, stehen wir vor einer bangen Frage. Der Fall Kaehne zeigt mit erschreckend» Deutlichkeit, wie weit unsere Rechtspflege bereits geschädigt ist. Trotz ihrer liebenswürdigen Eigenschaften wird die hochachtbare Familie ständig von Automobilisten, Pilzsuchern und Kindern be- droht. Den Arbeiter Nistert überraschte Herr v. Kaehne mit ein» Säge unter dem Arm. Nur seiner Geistesgegenwart war es zu verdanken, daß er und seine Angehörigen nicht ein beklagenswertes Opfer dieses grausigen Mordinstruments geworden sind Er streckte den gefährlichen Burschen durch einen wohlgezielten Schuß durch die Brust nieder. Die Staatsanwaltschofi hätte jetzt sofort ein» greisen müssen. Aber sie blieb untätig. Auf die energischen Bor- stellungen der Presse wurde sie aus ihrer Lethargie geweckt, ab» bis»u dies« Stunde hat sie de» entscheidenden Schritt nicht«p«