Nr. HZ 4 39. Jahrgang
Beilage öes Vorwärts
5reitag. 24. Februar 1922
Nachwehen vom Sememdearbeiterstreit.
Oberbürgermeister Boß steht zu feinen Versprechungen.
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«ach dem Gemeindearbeiterstreik vorgekommenen! Nichtwiederemftellungen wurden gestern in der S t a d t v e r- oronetenversammlung erörtert. Zu den Angristen der Kommunisten erklärte Oberbürgermeister Boß, daß er an seinem gegebenen Wort festhält und f ü r loyale Durchführung sorgen wird. Unter Hinweis auf diese sehr bestimmte Erklärung lehnte für die sozialdemo- kratische Fraktion unser Genosse H a ß es ab, für den Antrag der Kommunisten in allen Punkten zu stimmen. Die in ein- zelnen Dienststellen vorgekommenen M i ß g r i f s e und Eigenmächtigkeiten und besonders die Cinschrän- kungen und Entlassungen bei der Straßenbahn rügte Haß scharf. Aber den Kommunisten hielt er vor, daß die Schuld an diesem Streik und seinen Folgen sie trifft. Unangenehm war den Unabhängigen seine Feststellung, daß ihre Genossen im Ma- gistrot dessen Haltung gegenüber dem Gemeindearbeiterstreik gebilligt haben. In der Abstimmung unterstützte die sozial- demokratische Fraktion selbstverständlich die Forderung, daß die Wiedereingestellten voll in ihre alten Rechte eintreten sollen, eienso die andere, daß bei Nichtdurchführung der Magistratsanordnung die Dienststellenleiter ihres Postens ert- hoben werden. Der kommunistisch« Antrag fand aber auch für diese Punkte keine Mehrheit. Sitzungsbericht. Ein Dringlichteitsontrag der Kommunisten, der die heule vom Magistrat oerfügte Auflösung des Gesamtbetriebsrats der städtischen Werke betrifft und dessen sofortige Wiedereinsetzung in seine Rechte fordert, scheitert für heute an dem Widerspruch von bürgerlicher Seite:«ine dringliche Anfrage» Weyl(U. Soz.) zu demselben Gegen- stand geht an den Magistrat.— Ein Antrag der Kommunisten, ihren Antrag wegen Wiedereinstellung der beim Streik Beteiligten vorweg zu nehmen, wird mit 85 Stimmen der Bürgerlichen gegen 50 sozialistische verworfen. Mit der Schaffung von Z neuen Dezernenten stellen in der Houptfürsorgestelle für Kriegsbeschädigte hat sich der Ausschuß einverstanden erklärt. Die Besetzung mit zwei Juristen wird mit SO gegen 85 Stimmen beschlossen: mit der gleichen Mehrheit die Besetzung der dritten Stelle mit einer sozial geschulten und sozial erfahrenen Frau. Der alljährlich einmaligen Einschulung zum Ostcrtermin 1922 hat der Ausschuh zugestimmt, aber es abgelehnt, stch für die sofortige' Umwandlung der Michaeli»- in Osterklassen zu erklären, fordert vielmehr einen allmählichen Abbau dieser Klassen von unten herauf cm säimliclzen städtischen Schulen. Ein Antrag, wonach eine Erhöhung der Frequenz durch die einmalige Einschulung nicht«in» treten darf, soll dem Magistrat überwiesen werden. Dr. L ö w e n st e i n(U. Soz.) will auf einmal abbauen und beantragt deshalb, die Umwandlung nur da zu unterlassen, wo durch ste erheollche Härten entstehen könnten.— Frau R i e d g e r(Soz.) ist befremdet über diese veränderte Stellungnahme und tritt für den Ausschuhantrag ein.— Groß(Komm.) sieht in der jährlich zwei- maligcn Einschulung einen Vorzug des Hochentwickelren Berliner Schulweseno und lehnt die ganze' Vorlage ab.— Nachdem Dr. Löwenstein seinen Antrag zurückgezogen, wird der Antrag Merten, für den mit den Bürgerlichen auch die Kommunisten stimmen, mit 0? gegen 89 Stimmen angenommen.— Bei der Zählung stellen sich wiederHoll Differenzen im Ergebnis bei den vom Vorsteher be- stellten Zählern heraus: unbedingte Zuverlässigkeit ist anscheinend auch dann nicht verbürgt, wenn auf jeder Seite gleichzeitig zwei Zähler m Funktion treten.» Mit der nachträglichen Erhöhung der Teuerungszu- lagen für die Standesbeamlenhilssstellvertreter aus 95 Proz. für die Zeit vom 1. August bis 30. September 1921 ist die Versammlung einverstanden, nimmt aber gleichzeitig einen An- trag Haß auf Abbau dieses.überflüssigen" Instituts an. Die vom Magistrat entsprechend der Beanstandung durch die Aufsichtsbehörde umgestaltete S t e u e r o r d n u n g aus das H a l. t e n vos Wogen und Pferden gelangt jetzt ohne Aussprache zur Annahme: die Steuern auf Pferde scheiden damit wieder aus. Mit 94 gegen 93 Stimmen gibt die Versammlung die Borlage
Auch der Rest des Antrages, für den auch die Sozialdemokraten stimmen, bleibt in der Minderheit, desgl. der Antrag Gäbel, den Gefomtbetriebsrat wieder in seine Rechte einzusetzen. Schluß der öffentlichen Sitzung nach Uli Uhr.
wegen Erhebung von Schulbeiträgen für die Berufsschule in Berlin auf Antrag Merten tcni Magistrat zurück. . Der erneute Antrag der Kommbnisten aus Beratung ihres An- trags betr. die Diederelustellung der Streikenden findet jetzt(?L8 Uhr) eine Mehrheit. Auf Borschlag des Vorstehers wird auch der Antrag wegen Auflosung des Gesamlbetciebsrats mit verhandelt. Dr. Weyl beantragt die Herbeiziüerung des Ober- bürgermeisters. Der Antrag wird angenommen. Schumacher(Komm.): 200 städtische Arbeiter und Ängs- stellte sind nicht wieder eingestellt worden. Denen, die zu anderen Berufen übergehe» wollten, hat man die Papier« verweigert.- In einer Reihe von Privatbetrieben hat man die Annahme dieser Ge- maßregelten abgelehnt aind sich dafür aus einen Beschluß des Ver- bandcs der M«tallindustriellen berufen.(Oberbürgermeister Böß erscheint im Saale.) Das Wort des Oberbürgermeisters wird von den untergeordneten Organen ter Stadtverwaltung ungestraft sabotiert. Wie kam Stadtrot Wege dazu, heute früh dem Gesamt- betrlebsrat die Schlüssel abzufordern und ihn auszuweisen? Oberbürgermeister Böß: Ich habe nicht nötig, zu versichern, daß ich zu meinem Worte stehe. Die Vertretung der Gewerkschaften wird bestätigen, wie ruhig und sachlich alle Fälle durchgesprochen sind und.wie bis auf ganz wenige Ausnahmefalls Uebereinstim- mung herrschte.(Stürmische Zurufe bei den Komm.: 2000 Gemäß- regelte!) Fälle, wo die Papiere nicht ausgehändigt sind, werde ich sofort prüfen, wenn sie mir namhaft gemacht werden. Der Gesamt- betriebsrat ist aufgelöst worden, weil er nach einer Entscheidung des Han.delsministers überhaupt nicht zu Recht besteht. Aber auch hier ist nW rigoros verfahren worden: es ist eine Vereinbarung zu- stände gekommen, die die Geschäfte zu erledigen ermöglicht und wo- mit stch der Betriebsrat einverstanden erklärt hat.(D örr: Aber erst heute abend, heute morgen sind sie rausgeschmissen worden!) Haß(Soz.)� Wir haben die Erklärung des Öberbürgermelsters als Ehrenwort des Magistrat» betrachtet. Noch vor wenigen Tagen waren es 8000 b i s 10 000 Entlassene, heute sind es nur noch 2000, auch an die glauben wir nicht. Auch Münfner bestätigt uns, daß bei der Prüfung der Fäll« fast durchweg Uebereinstimmung erzielt ist. Nur gegen die Straßenbahner bleibt eine Ungerechtigkeit zurück, wir können die Haltung des Stadtbaurats Adler nicht billigen. Eine Maßregelung liegt nach unserer Meinung nichtvor:wenn überflüssige Kräfte entlassen worden sind. Herr Schumacher hat entscheidend beim Streik mitgewirkt: es ist doch ein sonderbarer Zustand, daß dieselben angeblichen Arbeitervertreter jetzt darüber schreien, daß der von ihnen mit angerichtet« Schaden zum Unheil der Arbeiter ausgeschlagen ist.(Lärm bei ddn Komm.) Wo ist jemals nach einem verlorenen Streik die Wiederemstellung aller Streikenden erfolgt?(Pfuirufe bei den Komm.) Wir lehnen das Mißtrauensvotum gegenden Magistrat ab. Ich wollte einmal sehen, welch« Stellung jetzt Dr. Weyl zum Streik einnähme, wenn er zum Oberbürgermeister gewählt worden wäre?(Große Heiterkeit und Unruhe.)— lEJps Vorgehen gegen den Gesamtbetriehsrot kann starke Beunruhigung dei den Arbeitern er- zeugen. Wer billigen nicht, daß man die Leute hinausgeworfen hat. Wir freuen uns der getroffenen neuen Vereinbarung. Rachepolitik darf nicht getrieben werden. Zimmermann(II. Eoz.): Es sind Leute mit 32 Dienst. jähre», auch Vefchädiite und Prämiiert«, entlassen worden.— Oberbürgermeister B ö ß: Es ist keine Rede davon, daß jemand wegen Ausübung eines Ehrenamts erstlossen ist. Im Zweifelsfalle ont- scheidet der Magistrat selbst. Um 9 Uhr 20 Minuten wird Schluß der Erörterung beantragt. Der Antrag wird mit 88 gegen 87 Stimmen angenommen. Nach dem Schlußwort"Schumachers verbreitet sich Dr. Weyl in einer persönlichen Bemerkung ausführlich darüber, was er dem Streik gegenüber getan haben würde, wenn er Oberbürger- meister wäre. Der erste Teil des Antrags Gäbell„Der Magistrat wird beauftragt, sofort den einzelnen Dien st stellen die Anweisung zu geb-en, d-aß alle am Streik beteilig» ten städtischen Zlrbeiter und Angestellten restlos wiedereingestellt werden", wird in namentlicher Abstimmung mit 129 gegen 49 Stimmen abgelehnt.
Schluß öer Sechstagsreise. Sieger Saldoiv-Bauer. Archimedes stellte das Prinzip der„Schraube ohne Ende" auf. Nach Erfindung des Fahrrades kopierte man ihn im Sechs- Tage- Rennen. Sechs Tage Rennen gleich sechs Tage Rummel, daran hatte der Erfinder der Schraube nicht gedacht. In ewigem Kreisen um ihre Achse drehten sich die Räder auf der Bahn, manchmal schneller, manchmal langsanier, doch ohne Ende, ohne Philofophi«, ohne Sinn der tieferen Bedeutung. Und doch, da seht es, geht es wie elektrisches Fluidum durch die Masse und überträgt sich auf den Fahrer, irgend etwas im Mechanismus bewirkt das. Plötzlich jagen sich die Fahrer, rempeln sich an, bringen sich aus dem Gleis, überrunden sich. Das Publikum brüllt frenetischen Beifall, klatscht, johlt, strampelt die Schnelligkeit ihrer Favoriten durch die Fußbodenbretter Hinab. Da wird die Radbahn zur Arena, zum Kampffeld. Es gilt nicht mehr die Stunden abzufahren, die letzt nicht endenwollenden fünf Stunden, es gilt den Kampf um den Sieg, um den Sinn, der im Ganzen liegt. Und dieser Sinn, er bedeutet für die«inen den Wert im Geld, für die anderen den Auftakt zum Ruhm oder was man so zu nenne« pflegt. Dann wird es wieder still, die Wertung ist vorüber. Die Leute, die was für ihr Geld sehen wollen, haben die Empfindung, daß die Schraube etwas geölt werden muß, man ölt sie mit Preisen, die jene verschwenderisch auswerfen, die ihr Geld mülzelos vev» dienen, man jagt sich ein wenig um einen Korb voll Wein und zu» weilen auch um eine Zigarettenschachtel. Doch ist die Stimmung bei den Fahrern jetzt in den Schlußstunden nicht so stark für diese Ding«. Sie haben ihr ganzes Augenmerk auf den Endspurt zu richten. Sie sind mißtrauisch, kontrollieren stch gegenseitig, verhw- dern das Vorfahren. Die Partner sind sprungbereit, niemand kommt mehr recht zur Ruhe. Und eine Betrachtung für den nüch- lernen Beurteiler dieser Kraftleistungen sei hier noch eingestreut: Es scheint die Kunst bei den Abgelösten in den Pausen die größere zu sein, nicht versagen, sich nach zehn oder fünf Minuten wieder frisch kampfsreudig zu fühlen, als die eigentliche des Fahrens. Da treten sie an ihre Kojen heran, mit verzerrten Gesichtern. der eine Fahrer muß von seinem Trainer getröstet werden wie ein kleiner Junge. Und über den Kojen, malerisch hingelagert zwischen Konservenbüchsen und bunten Tulpensträußen. die zärtliche Weib» lichkeit. Eifrig kneten die Masseure die{vadbemden Muskeln und andere fangen in der Fahrt sonderbare Flaschen auf, aus denen st« trinken. Doch dann wird es bei den Fahrern stiller, je mehr die Erregung bei dein tausendfältig besetzten Zuschauerraum wächst. Es naht das Ende, der Kampf, dl« letzte Leistung. Aus den Schrägen werden ste kriechen, zum Gehen zu schwach, nur noch zum Treten und Trampeln den Mark ihres Körpers in den Beinmuskeln versenkt, und ste werden siegen oder stch den Hals brechen. Und wenn von beidem nichts passiert, so werden sie ihre Anmeldung zum nächsten Rennen abgeben. Das Publikum, das große Unbekannte, um dessen Rausch das Geschäft sich dreht«, wird seinen Liebling mit frenetischem Jubel aus der Bahn tragen, ihn in Sekt und tausend Freuden taufen, um ihn morgen im grauen Alltag zu vergessen.... Die letzten Stunöen. Nachdem die Entscheidung des Rennens bereits seit gestern durch den Vorsprung Saldow-Dauer festlag, flaut« das Interesse scheinbar bei ten Fahrern ab, die das Verlorene nicht mehr einholen konnten. Wesentlich zur Verbesserung ihrer Punktzahl legten sich van Nek-R. Huschte und Lorenz-Aberger tüchtig ins Zeug. Stell» brink- Appelhans, Schrage-Kohl und Tadewald« Pakebusch schieden vor den Endkämpfen aus, well ihr Rundenverlust nicht mehr einzuholen war. Dagegen hielten Saldow-Bauer sich vor ihrer Position und führten sie auch siegreich zu Ende. Das Rennen der beiden war schon vorher gesichert. Sie holten sich zuletzt noch den Preis eines Autos im Wert« v o n 100 000 M. und andere dieser kleinen Annehmlichkeiten. Die
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Die Sünde im Wasser..
von Wilhelm Schmldlbonn. „Tu deine Augen zu." befahl er und tastete nach ihren Lidern. Sie hatte die Augen zu und atmete bald leise und regelmäßig. Er. lauschte.„Grete?" fragte er. Sie war still, sie' schlief. Er lag lange und träumte. Als sie im Schlafe sonderbar aufseufzte, drückte er in einem aufwallenden Gefühle der Gemeinsamkeit ihrer Lage seinen Mund auf ihre Backe und auf ihre Stirn und legte seine Arme nun fest um ihren Leib: o, er wollte wach bleiben und sie hüten! Ihm fielen ihre guten, asten Estern zu Hause in der kleinen enggassigen Stadt ein, er stellte sich vor, was ste tun und reden mochten— nun, morgen hielten sie ihr Kind ja wieder in ihren Armen und streichelten ihr mit den weißen, alten Händen über das Haar. Er ertappte sich darüber, daß ihm die Augen zugefallen waren, und um sie offen zu hatten, begann er Berse vor sich her zu sagen. Aber bald hörte er nur noch den Klang, und der Sinn schwand semem Bewußtsein. Stundenlang lag er und zwang sich, wach zu bleibeil. Er setzte sich und lauschte auf die unbestimmten Töne, die aus der West da draußen fast unhörbar herüberhallten— wie ein Schlag am Holz, dann wie ein Schleifen und Klirren. Die Augen taten ihm weh und brannten. Cr entschloß stch, sie zuzumachen, ohne zu schlafen. Er fing an. Reime zu machen— ein schönes, edles Gedicht auf das Mädchen neben ihm, das er ihr morgen, wenn die Sonne schien, sagen wollte. Das Wort„weiß" kani zweimal darin oor: das war die Farbe, die er vor sich sah, wenn er an ihren Namen dachte. Sie atmete laut und tief. Wenn ihre Brust sich hob, fühlte er sie an der seinen. Er sog ihren Atem ein und dachte, wie duftig der war und dann dachte er noch, daß er ja nun doch eingeschlafen war, und dann schlief er wirklich. Bald mischten sich seine vollen, breitbrüstigen Atemzüge mit den ihren.
Früh am andern Morgen war sie wach. Ueber ihr tollten schon die Vögel. Gleich drehte ste den Kopf nach dem Vetter, und als sie ihn noch schlafen sah. war sie ganz still. Sie rieb sich die Augen und gähnte, und erst
nach einer Weile fiel ihr ganz ihrer beider Lage ein. Aber sie war nicht mehr bange bei dem hellen steigenden Tag: heute kam ja ihr Verlobter mit den Leuten, und Hein war ja bei ihr. Sie richtete sich leise auf. Wie tat ihr der Rücken weh! Sie war wie gelähmt, wie mit Stöcken geschlagen an allen Gliedern. Sie hewegie die Anne und drehte sich in den Schuttern und in den Hüsten. Sie schob die Zweige über sich auseinander, und ein blendender Sonnenstrahl blitzte ihr in die Augen. Dann wollte sie zum Wasser hinunterklettern und trinken und sich waschen— aber da eitzhrak sie. Das Wasser stand dicht unter ihr. Ihre Schuhe fchwainmen darauf, und Die Sonne erleuchtete es, so daß sie die Aeste. auf denen sie gestern gesessen, tief unten schimmern sah. Und wenn sie ihren Ast mit den ausgestemintep Armen hinabdrückte, berührten die Enden die Oberfläche. Im ersten Schreck wollte sie ihn wecken. Aber dann zögerte sie und hielt es für besser, ihn in seinem Schlaf zu lassen. Sie wusch sich Hals und Gesicht und die Arme und trocknete sich mit ihrem Kleide ab. Wo die Sonne nicht hin- I fiel und das Wasser dunkel war, da spiegelte sie sich und steckte sich das Haar auf. Dann legte sie sich wieder still neben ihn und sann mit offenen Augen und hörte den Vögeln zu. Aber mit einem Male entsetzte sie sich'vor der Einsamkeit und beugte sich über Heins Gesicht. Sie rief ihn. Sie rührte mit dem Finger an seine Stirn, an seine Nase, an seinen Mund. Sie griff ihn bei den Schultern. Ste zog seine Hände auseinander, die unter dem Kopf gefaltet waren, und schüttelte seine Anne. Sie riß an jedem einzelnen seiner Finger. Ihre Angst stieg, auch der Eigensinn, der in ihren zu- sammengewackisenen Brauen mädchenhaft versteckt lag. Sie nahm seinen Kopf und schlug ihn leise auf das Holz, sie zog � endlich seine Augenlider an den Wimpern, die sie mit zwei j Fingern fa¥e, in die Höhe. Seine Augäpfel drehten sich nach unten, ein Netz von- roten Lldern zeigte sich. Und er erwachte. Schnell hob er sich in den Hüften und saß und sah sie mit großen, fremden Augen an. Wie ein Blitz kam ihm dann die Erinnerung, mährend Grete leise, mit sonderbaren Tönen jubelte und sich an ihn drückte. Er bog das Laub auseinander und sah nach allen Seiten— er fing den Tag damit an. womit er ihn gestern aufgehört hatte. Ueberall blendete die grelle, sonnenglänzende Fläche seine schlafmüden Augen. Er i wollte unter sich nach dem Wasser sehen und prallte fast zurück�
ccks es dicht unter seinen Augen stand. Aber er bezwang sich, und kein Muskel zuckte in seinem Gesicht. „Guten Morgen, Hein," flüsterte sie ihm ins Ohr,„habe ich dich endlich lebendig?" „Morgen. Grete," sagte- er und gab ihr die Hand und lachte sie von der Seite an.„Wie fühlst du dich?" „Du, wenn dir so wohl und froh ist!" rief sie. Aber er tonnte eine leise Unruhe auf seinem Gesicht doch nicht verbergen. Sie sah es.„Du, wie hoch das Wasser steht," sagte sie und sah ihn erwartend an. „Was macht das? So klettern wir wieder ein Stockwerk höher in den Himmel." „Ich bin kein Kind, Hein. Sag mir, wir sind in Gefahr?" „Ach was. jede Stunde müssen sie jetzt kommen: die lassen uns doch nicht sitzen und verhungern." „Ich weiß wohl, wie es mit uns steht. Ich sehe es so gut wie du, wie schnell das Wasser gestiegen ist. Zu Haus sitzen sie selber bis über die Fenster im Wasser." „Dummes Zeug, sei doch nicht kindisch." Sein Gesicht hatte sich ernst, fast düster überzogew „Das wird ein schöner Tag heute, was?" sagte sie,„sieh nur, wie die Sonue scheint."- Sie streckte die Hand aus, und ein Sonnenstrahl blitzte in dem Vrautring an ihrem Finger. Dann bog sie einen Ast herab, daß die warme Sonne auf ihr Gesicht fiel. Wie ein Kind versuchte sie bineinzusehen. Schließlich brach sie den Ast mit ihrer ganzen Kraft ab und ließ sich das volle Gold über den Leib rieseln. Durch die Wärme glücklich gemacht,, pfiff sie mit spitzen, ungeschickten Lippen ein Frühlingslied, wabrend sie die Blätter von dem Ast pflückte, sie. in ihren Schoß häufte und mit den weißen, kurzen und kräftigen Fingern Blatt an Blatt zu einem-Kranz fügte. Sie musterte ihn und setzte ihn dann schnell dem Vetter aufs Haar. „Wie schön du bist." sagte ste, und nach einer Weile fügte sie hinzu, indem sie ihn mit einem lächelnden Seitenblick ansah,„ich wollte, du wärst setzt mein Bräutigam, und ich säße mit»dir auf dem Baum. Dann wollte ich nicht auf- hören, dich zu küssen." Cr nahm sich den Kranz vom Kopf und zerpflückte ihn langsam und steh ein Blatt ums andere ins Wasser fallen. „Du," fing sie plötzlich an.„hast du denn noch keine, die du lieb hast?" Sie fragte es leise und legte den Kopf dabei nach hinten und sah den Vögeln zu. �........■(Fortsetzung folgt.)