Reichsregierung und Auslieferungsbeschluß.

Im Reichstag   stand gestern der Etat des Reichsjuffiz­minifteriums zur Debatte.

Abg. Hoffmann- Kaiserslautern  ( Soz.):

Am besten ist jene Justiz, von der am wenigsten geredet wird. Ueber unsere Justiz wird viel geredet. Die Strafjustiz erscheint dem Bolt als Beschüßerin des Uncechts. Das Uebel steckt tief. Es zeigt sich im ganzen Verfahren von der Eröffnung bis zur Urteilsverkündigung, es zeigt sich in der Psyche des Richterstandes, es steckt in der Klaffengliederung des Volkes. Die Justiz dient der herrschenden Klaffe. Die Richter gehören zur herrschenden Klaffe Nur felten stammt ein Richter aus dem Arbeiterstand. Die Klassen­justiz ist im Klaffenstaat ein notwendiges Gewächs. Freilich gibt es auch da und dort einen vorurteilsfreien Richter, und wir wissen auch, daß die Richter nicht absichtlich und bewußt das Recht beugen. Aber der Richter fann sich dem Einfluß seines Lebenstreifes nicht entziehen. Daher die

Justiz mit Ansehen der Person.

Ich erinnere an den Richter, der den Hohenzollernprinzen sofort nach der Bernehmung den Gerichtssaal verlassen ließ. Sie fagen: Das find Kleinigkeiten. Gewiß, aber Kleinigkeiten von großer psycholo­gischer Bedeutung. Das Volk hat ein feines Gefühl und viel Ber­ständnis für solche Kleinigkeiten. Ich erinnere an den Fall Raehne. Häffer nicht der Junker den Arbeiter erschossen, sondern der Arbeiter den Junker, dann wäre der Arbeiter längst verhaftet worden.( Zustimmung links.) Die Sozialdemokratie wird nicht auf­hören diese Klassenjuftiz zu bekämpfen. Wenn bei uns eine Ber­höhnung der Symbole der Republik   milde und eine Verhöhnung der Symbole des alten Regimes scharf gestraft wird, dann sehen wir, daß die Richter die politische. Gesinnung verschieden werten. Jagow wurde gegen Kaution vom Reichsgericht freigelassen, der Kommunist Ebel dagegen nicht, obwohl Ebel unschuldig war. Das nennen wir Sozialdemokraten Klassenjuftiz. Man muß sich wundern, daß Sie( nach rechts) sich nicht fragen, warum die Milde der Richter fich immer nur nach rechts hin offenbart. Wie lächerlich gering waren die Strafen, die der Schiele- Prozeß brachte. Die Teil­nehmer an fommunistischen Butschen werden von der Polizei noch nach Jahren aufgestöbert. Dieselbe Polizei findet aber nicht die Mörder von Gareis und Erzberger  . Sie wird auch den Kappiften Jagom nicht finden, wenn er nächstens entfliehen sollte.( Sehr rich­tig! links.) Wir verstehen, wenn es unter den Richtern Monarchisten gibt. Diese Gesinnung entwertet nicht ihren Charakter. Wir wissen, daß es nicht immer die besten Elemente sind, die rasch und leicht ihre politische Ueberzeugung wechseln. Aber der Richter, der das Urteil .im Namen des Böbels"

verkündet, durfte teine Stunde länger im Amte bleiben. Und wenn ein Richter bei der Schwörung des Eides ohne Gott fizen bleibt, dann haben wir es hier mit einer abfichtlichen Verhöhnung zu tun. Die Republik   darf sich solche Belchimpfungen durch ihre eigenen Be­amten nicht gefallen lassen. Läßt sie sich diese Behandlung gefallen, dann verdient sie keine bessere. Der Richterverein fordert auf, die im Republikanischen Richterbund   organisierten Richter als.befangen abzulehnen. Die Richter, die bei den Rechts­parteien organisiert sind, dürfen natürlich nicht als befangen abge­lehnt werden. Es ist Zeit, daß die Groke Juffizreform fommt. Gie darf nicht länger verzögert werden. Es muß der Ehrreiz eines Reichsjuftizministers fein, hier etwas Großes zu leisten. Wir wissen, daß es der neue Reichsjustizminister Dr. R abbruch nicht leicht in feinem Amte haben wird. Er hat ja fogor Beziehungen zu den Männern der Räterepublik, zu Toller und Mühsam. Ist das nicht Schlimm? Beziehungen zu Revolutionären? Dr. Radbruch wird dadurch für meine Partei nicht weniger wertvoll.( Buruf links:" Im

Betelligung der Frau an der Rechtspflege.

In Bayern   ist man der Auffassung, daß es eine Schande sei für einen Mann, von einer Frau abgeurteilt zu werden. Das hat auch das einer Inferiorität des Verstandes der Frau gesprochen.( hört, hört! Bayerische Justizministerium behauptet und hat dabei von links.) Bedauerlich ist auch, daß sich der deutsche Anwalts­verein gegen die Beteiligung der Frau am Richteramt ausge sprochen hat. Es ist unbegreiflich, wie man von der Inferiorität des Berstandes der Frau sprechen kann, nachdem die Gesellschaft die Frau fcheidung. Die Erleichterung der Ehescheidung darf nicht mit dem früher geistig hungern ließ. Notwendig ist die Reform der Che­ist unfittlicher, als eine zerrüttete Ehe. Wo der Zerfall der Ehe ein­Hinweis auf die Heiligkeit der Ehe unmöglich gemacht werden. Nichts getreten ist, ist die Scheidung schon im Interesse der Kinder und der Moral eine Notwendigkeit. Was die Auslieferung der Mörder des spanischen   Ministerpräsidenten Dato betrifft, so muß ich betonen, daß diese Auslieferung nicht unferen Wünschen entspricht. Wir erwarten vom Reichsjuftizminister die Gründe für diese Auslieferung zu hören. und hohes Amt. Wer über Leben und Schicksal von Personen und Wir Sozialdemokraten betrachten das Richteramt als ein schweres Familien entscheidet, muß sich seiner Verantwortung voll bewußt fein. Wir wollen einen freien und unabhängigen Richterstand. Richterstand und Deffentlichkeit müssen zusammenarbeiten. gute Justiz ist ein Segen, eine schlechte eine Qual und Schande. ( Lebh. Beifall bei den S03.)

Eine

Nach weiteren Ausführungen der Abgg. Warmuth( Dnt.), Rosenfeld  ( U. Soz.) und kahl( D. Bp.), der u. a. erklärt, wenn er Richter wäre, dann würde er wahrscheinlich dem republikanischen Richterbund beitreten, da jeder Richter auf dem Boden der Ber­fassung stehen müsse, ergreift

Reichsjustizminister Dr. Radbruch

Boltes, die zwar einen Mord verurtellen, ganz gleich, aus welchen Gründen er begangen ist, die aber den politischen Mörder nicht auf die gleiche Stufe stellen wie den Raubmörder.

Die Beratung des Justizetats wird abegbrochen. Angenommen wird noch das Gesetz über den Kassenbestand der Reichsbant. Das Haus vertagt sich auf Freitag 12 Uhr: Anfragen, Kleine Borlagen, Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, Justizministerium. Schluß 7 Uhr.

Groß- Berliner Parteinachrichten.

2. Kreis Tiergarten. Sonnabend, ben 25. Februar, 7% Uhr, in ber Aula der Kirschner- Oberrealschule, Zwingliste. 2, Vortragsabend. Rezi tationen, Bieber zur Lante. Eintrittstarten 3,50 R.

25. Abt.

30.

Heute, Freitag, den 24. Februar:

Der Verein Arbeiter- Jugend Groß- Berlin gründet hier unter dem • Namen ,, Landsberger Viertel" eine neue Abteilung. Die Parteigenoffen werden gebeten, ihre schulentlaffenen Göhne und Töchter auf die heute abend 18 Uhr in der Turnhalle der Gemeindeschule Schönlanter Straße statt­findende Gründungsversammlung aufmerksam zu machen. Der Genosse Richard Timm   spricht über das Thema was will der Verein Arbeiter Jugend".

Abt. Die Genossen treffen sich zum gemeinsamen Abmarsch zur Versamm­

lung bei Burg, Brenzlauer Allee 189.

33. Abt.

Die Genossen treffen sich um 7 Uhr Petersburger Str. 4 zur Ver­

fammlung.

120. bt. Friedrichsfelde  . 6½ Uhr treffen sich die Genoffen zur Bersammlung

-

in der Aula des Jahn- Gymnasiums, Marktstr. 3.. Jungsozialisten. Gruppe Spandau  : 7½ Uhr im Jugendheim Neuendorfer Straße 35, Vortragsabend. Gruppe Lichterfelde  : 7% Uhr im Jugendhelm Albrechtstr. 14a, Bortragsabend. Gruppe Norden: 7% Uhr in der Ges meindeschule Butbufer Str. 3/6, Diskussionsabend. Arbeitsgemeinschaft Suben  : 8% Uhr in der Juristischen   Sprechstunde, Lindenstr. 3, Fortfegung der Aussprache.

6. Abt.

Morgen, Sonnabend, den 25. Februar:

7 Uhr gemütliches Beisammensein bei Dohbrolaw, Swinemünder Straße 11. Gäste willkommen. triebsvertrauensleute und Elternbeiräte.

t. 7 hr bei Burmeister, Cadiner Str. 21, Gigung der Funktionäre, Be­Abt. Reinickendorf  - Weft. 7 Uhr im Lokal Schiller  , Antonienftr. 10a, Funt­

tionärsigung.

Jugendveranstaltungen.

Berein Arbeiter- Jugend Groß- Berlin, GW. 68, Lindenstr. 3, 2. Sof, 2 Ep. Telephon Merisping 121 08-121 10.

Ein Kunstabend zum Besten des Arbeiterjugend- Sandheims finbet am Sonntag, den 26, Februar, abends 6 Uhr, in der Aula Gleimstr. 49 statt. Genosse Hans Fuhrmann rezitiert aus Heine, Lilieneron und anderen Werken. Agnes Fuhrmann- Ruhy Bieber zur Laute. Eintritt 3 M. Eintrittskarten find am Eingang zu haben.

das Wort: Zu den aufgeworfenen Fragen nehme ich morgen Stel- 34. lung. Unaufschiebbar aber ist ein Wort zur Frage der Ausliefes 137. rung der angeblichen Mörder Datos. Das Asnrecht muß einer demokratischen Republik   besonders heilig sein.( Ruf links: Müßte!) Das Deutsche Reich muß sich aber auch verpflichtet fühlen zur peinlichen Beobachtung seiner vertraglichen Verpflichtungen be­fonders in dem Augenblid, wo es im Begriff steht, aus einer ähn­lichen Rechtslage gleiche Konsequenzen zu ziehen, nämlich in der Frage der Auslieferung der Erzberger- Mörder. Es handelt sich hier nicht um menschliches Mitgefühl oder um Bolitif, sondern lediglich um eine Frage des Rechtes, des Vertrages, des internationalen Bertrauens. Der Artikel 6 des deutsch  - spanischen Vertrags von 1878 lautet: Die Bestimmungen des gegenwärtigen Bertrages finden auf solche Personen, die sich irgendeines politischen Ber­brechens oder Bergehens schuldig gemacht haben, feine Anwendung. die Person, die wegen eines der im Artifel 1 oder 2 angeführten gemeinen Berbrechen ausgeliefert worden ist, darf demgemäß den jenigen Staaten, an die die Auslieferung erfolgt ist, in feinem Falle megen eines vor der Auslieferung begangenen politischen Verbrechens oder Bergehens oder wegen einer Handlung, die mit einem solchen Berbrechen im Zusammenhang steht, in Untersuchung gezogen oder bestraft werden." Es handelt sich also einerseits um politische Straf- Schönlankste 1, Grünndungsversammlung. Bortrag des Genossen R. Timm: taten, andererseits um solche, die mit politischen Straftaten im Zu­sammenhang stehen. Politische Straftaten find demgemäß im engen Sinne dieses Begriffes auszulegen. Das sind Straftaten,

gegen den Staat unmittelbar gerichtet, wie z. B. Hochperrat, Landesverrat und dergleichen. Es wäre finn los, die politischen Delikte in diesem Zusammenhang zu nennen, menn fie im weitesten Sinne gemeint wären. Es entsteht nun die Frage: Wo ist das politische Verbrechen oder Bergehen, mit welchem die angebliche Tat der angeblichen Mörder Datos in Zusammenhang steht? Wo ist das wirkliche oder auch nur geplante Hochperratsver­

Heute, Freitag, den 24. Februar:

Salensee: Jugendheim Gemeindeschule Joachim- Friedrich- Str. 35/36, Bor­Neukölln- Süb: Jugendheim Rogatstr. 53, Nordosten: Jugendheim Gemeindeschule Schöneberg II: Jugendheim Comenius- Schule, Frankenstr. 10, Bortrag: Landsberger   Biertel: Jugendheim Gemeindeschule will der Verein Arbeiter- Jugend?"

trag: Erste Silfe bei Unglüdsfällen" Marienborf: Jugendheim  , Bortvag: Erste Hilfe bei Unglüdsfallen". Bortrag: Jugend und Bartei". Seinersdorfer Str. 18, Vortrag:„ Die Kulturbestrebungen der Arbeiterjugend". Geruelle Sygiene".

-

Lebensmittelpreise des Tages.

Zufuhr Fleisch ausreichend, Geschäft ziemlich rege. Fische

reichlicher, Geschäft rege. Obst und Gemüse schwach, Geschäft

still.

Am Donnerstag galten in der Zentralmarkthalle folgende Klein­handelspreise: Kalbfleisch 18-23 M. Kalbskeule 17 M. Rindfleisch 16-24 M., ohne

Die Kommunisten sind revolutionär, die Unabhängigen und Sozial brechen, in dessen Rahmen sich dieser Mord einreiht? Nach der Dar. und Rinderleber bis 25 M. Kalbsleber 26 M. Rückenfett 31-33 M. Ljesen

.. bemofraten waren es und die Herren der Rechtsporteien werden es sein.( Heiterfeit.) Selbst die Ahnen der Bayerischen Volkspartei  haben einmal vor 70 Jahren gegen die Lola Montez   revoltiert. ( Heiterkeit.)

Toller und Mühsam

stellung, die nicht nur die spanische, im Einklang mit ihr die deutsche Breffe geliefert hat, handelt es sich nicht um eine Tat, die sich Botschaft gegeben hat, sondern die auch die kommunistische als unmittelbare oder mittelbare Vorbereitungshandlung eines aus­aus politischen Motiven, aus dem Motiv politischer Rache begangen gearbeiteten Hochverrats darstellt, sondern um eine Tat, die zwar wurde, aber nicht zu politischem Zwede.( Lachen links.) Politische Taten sind nur solche Taten, die zur Ausführung eines politischen Berbrechens dienen.( Gelächter auf der Linken.) Ich gebe zu, daß das Ergebnis, zu dem die Reichsregierung gelangen mußte, nicht nur aus menschlichen, sondern auch

haben in der Revolution ihr Leben riskiert, und solche Revolutionäre verdienen auch die Achtung des Geaners.( Sehr gut! links.) Auch die Kappisten hätten bei den Arbeitern sich einer größeren Ach tung erfreut, wenn sie mehr persönlichen Mut geoffenbart hätten. Von diesen hohen Gesichtspunkten aus betrachten wir die Frage der Amnestie. Wir erkennen die weitherzige Auffassung des Reichs­juftizministers an, aber die individuelle Begnadigung reicht nicht aus. aus juristischen Gründen höchst unerfreulich Die Frage der Amneffle der politischen Gefangenen, auch der in Bayern  , muß ein Stüd vorwärts fommen. Gerade die Haltung ist. Ich will es einmal drastisch ausdrücken. Hätten diese angeb­des Reichsgerichts gegenüber den Kappisten war von großem Ein- lichen Mörder Datos es schlimmer getrieben, so wäre es ihnen fluß auf die Haltung der Sozialdemokratie in der Amnestiefrage. beffer ergangen. Stellte ihre Tat sich dar als eine Teilerschinung Dietleine Justizreform, das heißt die stärkere Heranziehung eines Hochperratsunternehmens, so wäre die Auslieferung unmöglich der Arbeiter zur Tätigkeit der Schöffen und Geschworenen und der gewesen. So aber mußte die Auslieferung erfolgen. Gerade dieser gleichen, tann die Klassenjustiz nicht befeitigen, fon- Fall dürfte zum Anlaß werden, unser Auslieferungsrecht zu revi bern nur mildern. Wichtig ist, daß nun auch die Volksgerichte in dieren! Ein Auslieferungsgesez ist bereits in Bor Bayern endlich verschwinden. Es ist nicht notwendig, daß hier fo bereitung. Es ist dem spanischen Botschafter feierlichst der eine Art von neuem Reservatrecht für die Partitularisten entsteht Wunsch der Reichsregierung ausgesprochen worden, daß ein etwaiges oder bestehen bleibt. Bon Bayern tommt auch der stärkste Widerstand gegen die beiden Spanier gefälltes Todesurteil nicht zur bestehen bleibt. Bon Bayern kommt auch der stärkste Widerstand| Ausführung gebracht wird. Das ist nicht nur der Wunsch gegen die der Reichsregierung, sondern auch der Wunsch weitester Kreise des

32-34 M. Kabeljau 7,50-8.50 M. Dorsch 5 M. Seelachs 8 M. Rot­zungen 10-11 M. Grüne Heringe 7,50 M. In Eis: Hechte 12 M. Zander Aale 50-55 M. Schleie 22-23 M. Hechte 20 M. Weißkohl 3,50-4 M. 20-21 M. Schleie 12 M. Karpfen 12 M.

Barsche 10-14 M. Lebende

Wirsingkohl 4-4,50 M. Grünkohl 2,25 M. Rotkohl 5-7 M. Rosenkohl 9 M. Naturbutter 44-51 M Margarine 24-33 M. Schweineschmalz 31-32 M. Blumenkohl 12-15 M. der Kopf. Mohrrüben 3 M. Zwiebeln 3.50-4 M. EBäpfel 7,50-10 M. und Eẞbirnen 6-9 M. Mandarinen 15-16 M.

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