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Nr.H�Z�.�ahegang

Beilage öes Vorwärts

vienstag, 2S.5ebrv«1H22

Reklamefrühling in Herlin. Die neue Straftenreklame. Kulturbarometer auf der Straße. E, ist R«»am«frühling in Berlin . Fast üb» Nacht, mächt«, ZlllaMMenaeAkÜckte kunft man sagen, hat sich das Strahenplakat unserer Verkehrsadern bc- SMaMMcngeorU<m Runsl. mächtigt. Und mm schreit es auf uns ein, wo wir gehen und wird bunt m Berlin . Wir werden uns daran gewöhnen. sieben N,,,' hämmeri m ima mif Gewohnen müssen. Und allmählich wird man gedankenlog daran u Z'Ll wit l-ner Eindringlichkeit. di° nur gellen- und nur ein Wort, ein besonders einprägsames Wort durch sortgeseste sinnlose Wiederholung zu erreichen.st. Worter.> Biri, �f{en bleiben und mit hypnotischer, suggestiver Kraft seine Namen, Zeichen in den S.nn. Wir merken s selbst kaum und unter- Wirkung tum der Reklamemeister Hot seinen Zweck erreicht. Und liegen doch ollmählich dieser Hnpnosekünstler-N-klome. Auf den der Nachdenklich« wird erkennen, daß auch die Reklame ein« Kunst Straßenbahnen, die noch vor drei Jahren so nüchtern und zweck-; ist. die von den Hunderten, die die neuen Schilder bemalt haben, mäßig aussahen, verdrängt das riesige Dachschild jet en anderen r,ur e�r"r oder vielleicht zwei verstanden hoben. Der Nachdenklich« Eindruck: an den Ecken der Plattform, an den Fensterscheiben, an wird ober auch merken, daß die Straßenreklame ein Sutturboro. der Decke im Innern Reklame und wieder Reklame. Und fliehst f daraufhin schon einmal unferc °.u 6«,,. m. rn m** tu wh UNL

Sommer die Havel entlang oder die Obcrspre« auch die Fähr- boote und Sterndampfer schreien dir mit riesigen gelben Plakaten die.beste" Zigarettenmarkc ins Ohr. Reklamehunger als Rettungsanker. Die Großbetriebe schwimmen im Geld«, sie können sich jegliche, noch so teure, amerikanische Reklame leisten. Wer sollte sich da noch darüber wundern, daß Staat und Stadt, die dafür in um so größeren Schulden schwimmen, auch nach diesem Strohholm zur Rettung vor dem Ertrinken greisen und aus dem Reklamehunger des Kapitals selbst Kapital zu schlagen versuchen. Die Post sing damit an und opferte das schlichte Blau ihrer Briefkästen. Du kannst keinen Brief mehr loswerden, ohne dich daran erinnern zu lassen, bei wem es die billigsten Füllfederhalter gibt. Und nun ist die Stadt Berlin gefolg! und Hot ihre caternenpfahl«. Straßen- bahnmasten und Straßenschilder dem Moloch Reklame zum Opfer gebracht. Und was im Herbst durch den Beschluß der städtischen Körperschaften in den Saatboden unseres Reklamewefens gesenkt wurde, das beginnt nun lustig zu sprießen: weih und gelb und rot, geschmackvolle Reklameblüten und gräßliches Plakatunkraut in bun- tcm Durcheinander. Es ist Reklamefrühling in Berlin ! Und mit der Veränderung oder verschandelung des Straßenbilde, Pesti - misten behaupten daß da überhaupt nichts mehr zu verschandeln wäre werden dann hoffentlich auch die Millionen für den Stadt- säckel heranwachsen, die aus der Rekiameplantage geerntet werden sollen. 7�. Millionen werden ja allein die Anhängsel an den Stroßcnmasten einbringen. Di« harmloseste Blüte in dieser Früh- lingspracht" ist noch die.Hastrag";Säule. Auf dem Potsdamer Platz schoß sie plötzlich aus der Erde und griff dann nach Unkraut- manier gleich auf die angrenzenden Straßen über. Wie lange noch. und das letzte der guten alten, so schön sichtbaren weißroten Schilder an den Haltestellen d«r Elektrischen ist aus dem Berliner Stadtbild verschwunden. Hastrag heißt die Parole. Der Mensch der neuen Zeit will Rätsel raten. Und wird dann um so entzückter sein, wenn er dann an dieser magischen Säule nachts leuchtet si« ja sogar Jahrplan und Linienführungseiner" Bahnen ent- deckt. Er hat ja so viel Zeit, Zeit wie Heu, um an der Haltestelle Berkehr-stlldien zu treiben. Herr Dr.. Adler kennt seine Leute, die Pein des Wartens und der ocllgepjropstin Sahnen soll ihnen ver- süßt vcrdcn. Sarbaeisch oder kultiviert! Böser ober siehbs an den Mafien der Straßenschilder und Bogenlampen aus. Auch sie spüren den Reklamefrühling in ihren alten Gliedern und beginnen lustig auszuschlagen. Die Träger der elektrischen Lampen haben über Nacht Ohren gekriegt, gelb« Ohren, gleich vier an der Zahl. Den Etraßenschilderpfosten am Dönhoff- platz sind viereckig« Anhängeschilder gewachsen, gräßlich roh geformt und ncch roher bemalt rechtes, echtes Unkraut ohne Zeden künst­lerischen Ehrgeiz. Und kie Faustskizze der nächsten Etroßen, die ol» letztes Glied der Schilderkett« dai.melt, wird in all ihre? unver- ständlichen Kümmerlichkeit niemand mit dieser Reklamebarbarei ver- söhnen. Ging'« wirklich nicht anders, nicht gefchmackooller? O ja, es ging nicht nur, sondern es geht sogar. Man schlendere nur«in- mal über den Köllnifchen Fischmarkt, wo die hübschen eseublott- förmigen Gebilde oben auf di« Straßensckstlder gewachsen sind und wo man seine helle Freude an der archiieklonischen Kunst des Reklamefrühlings haben kann. Warum nicht überall so? Soll auch hier Kunst- und Geschmackiosigkett je nach dem StaWwiertrt verteilt werden?

eicht, Tonzkurse, Tanzte«, Tanz für die reifere Jugend, Rockttanz usw. usw.? Hast du schon beobachtet, wie scheu sich in diesen Tagen die Kunst, Konzerte und Theater, zwischen Tanz und Zigaretten nuf. der Anschlagsäule zusammendrücken? Wir wissen kaum noch, wie's ftüher war. Wir«rinnern uns kaum noch, daß die.tOVO-Rl.- Belohnllng" ftüher eine große Rarität an der Litfaßsäule war, um die sich in gruseliger Neugier die Stroßenpassanten scharten. Ja, die Litfaßsäule kann weinen und sie hat Grund dazu. « Und heute? Da hängen sie gleich zwei-, dreifach neben- und untereinander: Raubmord, Einbruch, Diebstahl. Zeichen der Zeit! Kultur und Sittlichkeit nach demStahlbad" der Ration! Auch die Straße redet man muß ihre Sprache nur oerstehen. Und der Reklamefrühling in Groß-Berlin, der nun an- bricht, wird uns erzählen, daß das Geld auf der Straße liegt und daß das Kapital es ausliest vom Fahrdamm wie vom Bürger- steig, aus dem Staub des Werktags wie aus dem Dreck der Gosse. Es ist Reklamefrühling in Berlin ...

Die Krummbeinigen. Diesmal handelt««s sich wirklich um«ine ganz besonder« Schau der Krummbeinigen und nicht um die alltäglich«, die von den mensch- lichen Lebewesen veranstaltet wird, wenn sie, trotz ihres Schönheits- fehler?, der kurzen Rockmod« huldigen. Nein, diesmal kamen Krumm- beiner in Betracht, di« man allgemein ob ihrer oder trotz ihrer krummen Beine schön findet. Di« märkisch« Londesgruppe des Deutschen T«ckel- klubs hielt nämlich«me Teckel-Sonderaus fiel long ob. Folglich hatte die!« Hundevasi« sich i» vielen Exemplaren in der Brauerei Königstadt, Schönhauser Alle«, eingefunden. Wütende» Gekläff, Geheul und Geknurr empfing den Eindring- ling. Jeder Stand barg einen Teckel. In den oberen Räumen waren die Richterring«. Die Säle sind ursprünglich für festliche Veran- staltimgon hergerichtet, ober inmitten, der Alp-niandschoft und aus dkn Parkettböden ginge» nunmehr die hunWchen Krummbeine? spazieren, I!»d es würde viel' gewischt und auch Sand gestreut, wenn ihnen mal' etwas Menschliche« passiert war. Teckel aller'Far- den traten an. Mm: sah gelbe oder braun«, rot«, schwarz«, schwarz- rote, glatte, langhaarige, rauhhaarige usw. Auch gefleckt«, doch ist da» Aug« gar nicht an sie gewöhnt, der Laie konstatiert gewöhnlich: .Der Köter hat die Rande." Unt«r den zur Schau gestellten sah man stramm« Hunde, di« sich ihres Wertes und ihrer Würde vollauf be- wuß: waren. Doch gab es auch verdutzte, denen die Ohren ganz besonders schlapp hingen, und Schüchterne aus d«r Jugendklasse, denen die Kimimersalten ti«s im Gesicht standen und drr«n Augen- ausdruck so hilflos war, als seien sie ein Menschlein, der seine Steuer- erklärung beim zuständigen Finanzamt abgeben muß. Für gewöhn- sich ist der Teckel harmlos, durch Bissigkeit zeichnet er sich gerade nicht aus. In der Ausstellung waren einige Zwergteckel ausfallend und «in paar Hundemomas. Di« kamen mit Fürsorge und Lieb« ihren Muiierpflichien nach. Die Ehrerpreis« waren fast alle irgendwie mit der Verehrung des Teckel- in Verbindung gebrocht. Für den besten Rüden gab es«inen Teckel aus Bronze, sonst sah man noch Teckelsiguren aus Aschenbechern, Briefbeschwerern uird sogar ach«nrem

Lampenschirm. Auch war unter den Ehrenpreisen ein Revolver. Di« Gewehrfabrik, die ihn stiftet«, dachte wohl vornehmlich an di« Teckel züchtenden Förster. Dies« bilden die Krummbeine für die Jagd aus, wo sie vorzügliches leisten, während die Teckel in der Stadt nur als Zier- und Wachthund« in Betracht kommen, » Während man dem Teckel nachsagt, daß er nie ganz gehorsam ist, muß der deutsche Schäferhund unbedingt fest im Gehör- sam sein. Sonst taugt«r nichts. Der deutsche Schäferhund ist zur- zeit der Modehund, und oiewiel Anhänger er hat, sah man erst am Sonntag wieder auf dem Platz der Lessing-Schule in Neukölln. Dort veranstaltete der Deutsche Schäferhund-Perband, Landesgruppe der Mark Brandenburg,«ine geschlossene Lorführung. Man sah nicht nur schöne Hebungen, sondern auch beachtenswerte Leistungen,, und es wurde vor allen Dingen auch gezeigt, wie die Dressur zu erfolgen hat. Als die Mannarbeit an der Reihe war und derVerbrecher" im Beißmantel erschien, heulten und zitterten fast sämtliche Hunde vor Aufregung und Eiser. Di« Hund« dürfen sich bekanntlich, wenn sie auf der Berbrecherjagd sind, nicht durch die schwerste Peitsch« abschlagen und auch durck) Schüsse sich nicht verscheuchen lassen. Als nun bei der Vorführung die dazugehörigen Schüsse sielen(der Revolver funktionierte freilich nur ausnahms» weise mal), waren die Hunde, die mit ihren Besitzern im Zuschauer- räum weitlten, kaum mehr zu halten: sie wollten einfach di« mensch- lichen Zuschauer verdrängen und selber di« erste» Plätze am Zaun «inehmen. Aur Unterschlagung bei See polizeihauptkasse. Wachtmeister Iiebler in vollem Umfange geständig. Der verhaftete Wachtrfieister Ziebler wurde gestern vom Kri» minalkommissar Dr. ltzriinberg, der, wie wir mitteilten, den Flüchti» gen in Leipzig festgenonimen Hot, mit seinen Beamten nach Berlin gebracht, wo er nachmittags nach seiner Ankunft einem Verhör unter- zogen wurde. Ziebler ist in vollem Umfange ge» st ä n d ig. Im Laufe der beiden Monate hat er etwa 200 000 M. ausgegeben. Da er ständig unterwegs war, in Hotels und Pen- sionaten wohnen mußte, und auch fortwährend sich neue Kleidungs- stücke zulegen mußte, rann ihm das Geld geradezu unter den Händen fort. Um jiclz unkenntlich zu machen, trug er nicht nur ständig andere Kleidungsstücke, sondern auch, obwohl er gut sehen kann, bald einen Kneifer, bald ein« Nickel- oder Hornbrille. Die Haare ließ er sich kurzschneiden und zuletzt auch den Schnurrbart abnehmen. Ueberall legte er sich andere Namen bei. So hat er sich u. a. Recardus, Josmus usw. genannt. Bei seinen Nachforschungen nach dem Ge­suchten hatte der Kommissar erfahren, daß er sich zuletzt wieder in Leipzig aufhielt. Dort war ihm seine Deckadresse bekannt. An diese telegraphierte er und vereinbart« eine Zusammenkunft auf der Post. Als Ziebler dort erschien, wurde er festgenommen. Sie folgen einer Verwechselung. Ein äußerst fataler Iustizirrlum. Ein interessanter Rechtsfall, der allzu deutlich die noch immer bestehenden Mängel des Vorverfahrens in Strafsachen kennzeichnete, beschäftigte das Amtsgericht Berlin-Wedding. Der Fall betrifft einen unbestraften und sich des besten Ansehens erfreuenden Kauf- chany, der sich wegen Diebstahls verantworten mußte, während der wirklich« Täter und das ist das interessanteste läng st wegen derselben T a t z u längerer Gefängnisstrafe verurteilt ist. Wegen Diebstahls an einem Motorrenn- boot Deta war der Automobilhändlsr Reinhold B o i g t angeklagt. Diese Anklage hat folgende eigenartige Vorgeschichte: Ein Kaufmann A. Preis war Besitzer des erwähnten Motor- bootes, welches auf einer Bootswerft in Stralau auf Winterlager stand. Von der Werft war an Herrn A. Preis ein schriftliches Cr- suchen gerichtet worden, das Lagergeld zu bezahlen. Versehentlich gelangte dieser Brief in die Hände eines Mannes, der auch A. Preis hieß. Dieser erschien auf der Werft, bezahlte das Lagergeld und ließ das Boot abschleppen. Als einige Tage darauf der richtige A. Preis aus der Werft erschien, stellte es sich zum allgemeinen Er- staunen heraus, daß ein falscher Preis in Tätigkeit getreten war. Die polizeilichen Ermittlungen führten dazu, daß das gestohlene Boot bei dem jetzigen Zlngeklagten beschlagnahmt �wurde. Diese Tat- fache genügte der Amtsanwaltschaft, um gegen den völlig unbe» scholtenen B. Anklage wegen Diebstahls zu erheben. In der ersten Verhandlung stellte Rechtsanwalt Dr. Frey unter Be- weis, daß derwtrklich«Dieb A. Preisinzwischenwegen dieses Diebstahls zu 1 Jahr Gefängnis verurteilt

Die Sünde im Wasser. Von Wilhelm Schmidlbonn.

Wir«ollen schlafen," sagte er wieder. Ja schlafen." Sie horchte: ja, er schlief, er atmete tiej und unruhig. Sie tat die Lugen zu, um auch zu schlafen. Allmählich wurde das Schlagen ihres Herzens stiller, aber ihre Augen wollten nicht zubleiben. Sie hielt sich die Lider mit den Fingern fest und begann so zu schlummern. Noch einmal nur regte sie sich si« hatte ihr Abendgebet vergessen. Sie faltete die Hände und betete._, Dann senkte es sich über ihr Bewußtsein. S,e sah sich und die Eltern und Hein um den Mittagtisch sitzen, in der hellen, grünen Laube, und Hein war ihr Verlobter. Und dann schlief sie ein. Mitten in der Nacht machte er die Augen auf. Aber er tat sie gleich wieder zu. Er wollte nicht wach sein, er wollte nicht denken, er wollte sschlasen. Er legte den Kops von einer Seit» zur anderen. Alles schmerzte ibn, über se-nen�Augen lag ein dumpfer Druck. Er rieb mit der Hand über die Stirn, seine Pulse an den Handgelenken klopfteii schnell, und mit jedem Klopfen stach es ihn in den Schläfen. Jetzt sprang ein heftiger Schmerz in seinem Hmterkovs aus, und als er mst der flachen Hand über sein Haar fuhr, kam es ihm vor, als sei es hart und spröde und stehe aufrecht. Es rieselte ihm kalt über die gange Kopfhaut. Endlich tat er die Augen auf. Alles war Jchwarz um ihn. auch der Himmel war nicht zu sehen, kein Stern flimmerte durch die Blätter. Er stöhnte und dreht« sich um. Es war so finster, daß er Eret; kcum sah. Er tastete nach ihr. Er wollte etwas Lebendes fühlen, er wollte nicht allein sein. Ähr Kopf lag in ihren Händen gebettet. Er beugte sich über ihr Gesicht und suchte hineinzusehen und horchte auf ihren Atem. Wie sonderbar ihn das anrührt«, daß sie schlief und er noch wach war! Seine Augen singen an, sich an das Dunkel zu gewöhnen, und er unterschied schon die Linien ihres'Gesichtes. Sie seufzte und wimmerte im Traum, wie«in junger Hund an der Kette wimmert, und es drängt« ihn zu ihr. Er strich ihr gut und

liebevoll mit d«r Hand über die Backe, die glühend und weich wie der Sammet auf seinem Sofa war. Er zog ihr Haar langsam durch seine Hände, und es lackte ihn, es ihr rund ums Gesicht und auseinandergebreitet über die Brust zu legen. Er nahm ihre Hände und legte ihre Finger zusammen, er drückte auf ihre Knie und streckte sie» bis sie lang auf dem Nucken dalag, etwas nach unten gebogen, nur von den Arsten gehalten, mit gefalteteu> Händen, in ihrer Reinheit, in ihrem Schlafe wie eine Heilig«. Das ganze Weh ihrer Lage kam über ihn. Er versteckte seine Stirn an die ihre, um nicht denken und denken zu müssen. Aber er mußte sitzen und denken. Wieder kam es über ihn, daß er sterben sollte in seiner Jugend, in seiner Kraft, in seinem Leben voller Freude und Hoffnungen. Und nicht zur Klage zum Trotz und Nicht- duldenwollen wurde dieses Gefühl bei ihm. Und plötzlich war der Gedanke an das Weib da, vor dem er sich lange gefürchtet hatte. Hätte er ein anderes Mädchen da neben sich auf den Aesten liegen, wahrhaftig! er würde die Liebe bei ihr suchen hätte er doch ein anderes da liegen! Sein Atem ging schneller. Er setzte sich anders. Wie vom Blitz erhellt, standen die klugen, blauen Augen seiner Mutter vor ihm. Abrr der Gedanke, daß er sterben mußte, hatte sein erschöpftes Gehirn wie im Taumel erfaßt. Er tastete nach ihren Augen, um zu sehen, ob sie schlief. Da plötzlich suhlte er ihre Knie an den seinen zittern, und da lief«in Schauder über das ganze Mädchen, von dem Nocken abwärts bis in die Füße, so stark, daß er selber ihn fühlte, und da schlug sie beide Hände vors Gesicht. Er beugte sich zu ihr und wollte ihre Hände wegziehen und in ihr Gesicht sehen. Sie wehrte ihm nicht, sie regte sich- nicht. Aber er fühlte, wie eine Träne zwischen ihren Fingern hervortrat. Er wischte sie mit seinem zitternden Finger weg,' er zog ihr die Hände auseinander und küßte ihr die nassen Augen, die geschlossen waren. Er küßte ihre Lippen, die zuckten. Sie nahmen seinen Kuß willenlos, aber sie gaben ihn nicht wieder. ..Du bist so schön." hauchte er ihr Ins Gesicht. Wie zum Schutze kreuzte sie die Arme über sick'- Große Tränen kamen, eine nach der anderen, aus ihren geschlossenen Lidern. Er küßte sie weg und wieder weg, er nahm sanft ihre Arme fort und zog ihren ganzen Leib cm den seinen.

Weine doch nicht," flüsterte er,ich tu dir keine Sünde. Ich will dich ja doch nur küssen, deinen Mund küssen, weil du so schön bist. Es ist ja nur ein Spiel. Siehst du, morgen sind wir müd und können den Rücken nicht mehr von den Aesten heben, und wieder morgen sind wir tot, sind wir beide tot." Aber da kam plötzlich Leben in sie. Wie ein Aal wand sie sich in seiner Umarmung und drängte von ihm weg. Sie stieß ihn mit beiden Händen ins Gesichl und wehrte seinen Kopf von sich ab. Er nahm ihre ausgestreckten Arme, beugt- sie in den Ellen- bogen und bog sie auseinander, und zwischen ihnen senkte er seinen Kopf hindurch und suchte ihre Lippen. Sie machte sich los mit aller ihrer Kraft, hob sich auf die Knie, griff in die Zweige über sich und stand oben, über ihm. Er lag und regte sich nicht, hörte, wie sie sich leise setzte, »nd wagte nicht, den Kopf zu heben und zu ihr hinaufzusehen. Das Herz schlug ihm so laut, daß er das Fleisch seiner Arme darüber legte. Er stellte sich schlafend, er zwang sich zu steiner- ner Unbeweglichkeit dabei horchte er mit tausend Ohren auf das junge Mädchen über ihm.-- Eine Stunde verging. Oft dachte er, jetzt ist der Schlaf über sie gekommen, und hielt den Atem an, aber gleich hörte er, wie sie sich anders setzte. Da! da, da! Was war das? Ihm stand der Atem, er hob den Kopf ein Wimmern und Winseln drang durch die Blätterwand zu ihm. Es schien nicht nahe zu sein, und doch hörte er es deutlich über das weite, schwarze Wasser herkommen. Ein Mensch trieb da einsam und ohne Hilfe auf der Flirt und da! ein Schreien, wie wenn einer aus dem Schlaf erwacht und den Mörder vor seinem Bett sieht, entsetzt und flehend, ein Heulen voll Wut und Verzweiflung, voll haarsträubender Todesangst, die Stimme eines Mannes, die aber hoch wie eine Frauenstimme gellte. Hein fühlle, wie sein Herz zu schlagen aufhörte. Er fühlte Gretes Füße auf seinen Leib treten, sie ließ sich entsetzt und zitternd zu ibm herabfallen. Er tat feine Arme auf und zog sie hinein. Eins kroch in das andere, um sicki zu bergen. Eine Minute dauerte das gellende Schreien, das ihnen das Blut erstarren machte und Arme und Deine lähmte. Er hatte die Lippen geöffnet und wollte rufen, aber kein Ton kam darüber. Jetzt hörten sie einen Strudel schlucken und schlingen. auszischen und brausen, und mit einem Male war es still. �Fortsetzung folgt.)