urteilt, llnd dabei ist asses, was dieses Menschen nötig haben, in ein paar hundert Kilometer Entfernung zu finden.' Im Schoß« der Kommission hat man gegen die Ab- machungen Nansens mit der Sowjetregisrung nicht einen einzigen ernsthaften Einwand erhoben. Mit fünf Millionen Pfund Sterling wäre die schlimmste Gefahr behoben, philan- tropische Privatorganisationen können das nicht leisten. Eine geheime Zentrale mit politischen Hinter- gedanken schien gegen Nansen zu arbeiten. Es sind Gegner der Sowjetregierung in allen möglichen Ländern. Lord Robert Cecil bestätigte das später in der Diskussion. Diele niederträchtige Propagandazentrale wir kennen ja die Macht der Presfepropaganda aus dem Weltkriege! scheute selbst davor nicht zurück, Nansen polttisch-nationalistische und persönljch-egoistifche Motive anzudichten. Demgegenüber steht gewissermaßen im Lapidarstil verfaßt di« Frag? Nansens an die Vollversammlung:„Ist irgendein Mitglied dieser Per- sammlung bereit, zu sagen, er wolle lieber 20 Missionen Menschen verhungern lassen als der Sowjetregieruna zu helfen?" Die Antwort gab später in der Diskussion der Serbe Spalaikooitch. Er war tatsächlich bereit dazu. Nansen ober stellte in einer Rede fest, was für jeden denkenden Maischen selbstverständlich ist:„Man kann keinem fremden Volke Hilfe bringen, ohne irgendein Uebereinkommen mit der bei ihm tatsächlich bestehenden Regierung." Vertröstung auf eine neue Konferenz? Die Hilfe wird zu spät kommen! „Kanada hat dieses Jahr eine so gute Ernte produziert, daß es dreimal die nötige Quantität ausführen könnte, um der Hungersnot vorzubeugen. In den Vereinigten Staaten verfault der Ueberfluß der Getreidevorräte aus Mangel an Käufern. In Argentinien dient der Ueber- fluß des Malsporrats zurHeizungderLokomotiven." Diese Bilder stellt Nansen dem russischen Elend gegenüber: „Die Regierungen sagen, sie könnten keine fünf Millionen Pfund Sterling aufbringen? Nicht die Hälfte des Preises, eines ihrer großen Kriegsschiffe? Nun gut, so mögen sie das offen eingestehen, aber nicht Kommissionen und Konserenzen zusammenrufen und Tag für Tag diskutieren, während ein ganzes Volk Hunger? stirbt!" Nansen schloß mit folgenden Worten:„Bald werden die Flüsse Rußlands gefroren sein, bald werden alle Transporte durch den gefrorenen Schnee aufgeholten fein. Wollen wir wirklich dem Winter gestatten, diese Millionen Stimmen für immer zum Schweigen zu bringen, die uns um Hille anrufen? Noch ist es Zeit, aber es bleibt ruckt viel Zeit mehr. Stellen Sie sich doch vor, was geschehen wird, wenn der russische Winter sein Regiment etabliert und überlegen Sie, was der Nahrungs- mangel bedeutet, wenn eine ganze Bevölkerung in trostlosen Gebieten auf der Suche nach Nahrungsmitteln umherirrt: Männer, Frauen, Kinder werden zu Tausenden auf den weiten gefrorenen Gefilden Rußlands tot hinsinken. Stellen Sie sich das Entsetzliche dieses Ereignisses vor! Wenn Sie jemals aewußl haben, was es heißt, den Hunger und die schreckliche Macht des Winters zu bekämpfen, dann werden Sie begreifen, was bald geschehen wird. Ich bin überzeugt. Sie können dann nicht gleichgültig bleiben, Sie können dann nicht kalt antworten, daß Sie bedauerten, nichts tun zu können. Im Namen der Menschheit, im Namen von allem, was es Edles und Helliges in uns gibt, beschwöre ich Sie, die Sie doch auch Frauen und Kinder zu Hause haben, sich Frauen und Kinder verhungernd vorzustelleinl So appelliere ich von dieser Tribüne aus an die Völker Europas , an die ganze Welt, daß sie Hilf« bewilligen. Beeilen Sie sich zu handeln, bevor es zu spät ist, um zu be- reuen!" Was nutzte der gewaltige eruptive Beifall, der dieser Rede folgte, da doch die Tat ausblieb? Ein Perser trat auf. ein Mohammedaner, und erklärte für sein Volk die Bereit- schaft, der christlichen Welt zu helfen! Aber die.christlichen Völker blieben bei ihren papiernen Resolutionen und Dekla- rationen. Ein Dank an Nansen, ein Dank an den Papst, gute Wünsche für das Gelingen des Wertes— wozu sollte das alles
potsöamer Klno-Gffenflve. Di« deutschen Monarchisten haben endlich ihren Film. In den Achtspieltheatern des Berliner Westens toben fette Schieber b«lm Anblick des gefilmten Gamoschendrjlls vor Wonne, lassen den Doorner Deserteur hochleben, brüllen die Wonnegan» und klatschen bei jeder Bclegenheit, die das Machwerk bietet, so lange ihre von keiner Arbeit aeschwielten Handflächen, bis ihnen der Schweiß über das Gehirn tauft, auf dem sie sitzen. Diese Pöbelexzesse wiederholen sich so regel- mkßig, daß die Aosicht des ganzen von einem Ungarn aufgezogenen Hohenzollernrummels felbst den Lefern de»„Lokal-Anzeigers" nicht mehr verborgen fein kann: der Film„Fridericus Rex" ist ein unverkennbarer Bor stoß gegen dt» Republik . eine drei st e Provokation der republikanischen Bevölkerung! Die Person des einzigen Hohenzollern , der etwa» getaugt hat, kann bei der Würdigung des monarchistischen Propagandasilm» au» dem Spiel» gelassen werden, er ist bei der politischen Lelchenver- wertung, dle mit ihm getrieben wird, so schlecht weggekommen, daß«r unser Mitleid verdient: er war schon mehr al» dieser Frtdericu» Fex von Gebühr u. Cseröpy. Ebensowenig interessiert e» in diesem Zusariimenhange, daß die Handlung geschickt gefügt, die Photographie teilweise ausgezeichnet ist. Wichtig ist, was der Film b e a v s i ch- t i g t und wer dahintersteckt. Den Zeugen einer der Vorführungen im Kursürstendammoiert«! Ist das ganz klar, wenn ihnen von der Leinwand die Wort entgegenlcuchten:„Fridericus Rex, dein Deutsch . land ruft dich!", auch felbst dann, wenn der Hurramob, der ziemlich vollzählig den Krieg überlebt», nicht so laut übersetzen würde:„Wir wollen Kaiser Wilhelm wiederhaben!" Ein Blick hinter die Kulissen dieser Spekulation auf die Dummheit de» deutschen Lölkes läßt noch andere Zusammenhänge erkennen. Di« gleichen Potsdamer Offi- ziere, die sonst das Filmen von Schlössern und historischen Gebäuden unerhört finden, stellen sich der„jüdischen" Filmindustrie ol» Sta» tisten zur Verfügung, und die Frage an Herrn Cfer�py-Ungarn, wer mi Geldgebern hinter seinem Coup steht, dürfte diesem Urpreußen hoffentlich nicht peinlich sein. Wir zweifeln auch nicht an der Fähig. lieit von Geschäftsleuten,«inen ebenlo zugkräftigen„linken" Film zu schreiben, wenn die Zahlkräftigkeit der Linken, was vorläufig ausgeschlossen ist, dl« Oberhand gewänne wa, wir verhindern wollen, ist die Gefahr, daß die breit«» republikanischen Massen di« Taschen Cserepys und seiner Hinter» Männer füllen helfen. Dies» Massen besuchen zu einem großen Teil die Unzahl her Lichtspieltheater in den Vorstädten und der Provinz, Ihnen muß gesagt werden, daß ihr Geld zu gut und das Fndcricus-Fex, Unter, nehmen zu dumm ist, als daß sie sich diese Verhöhung ihrer An» fchauungen, diese Provokation Potsdam-Ungarn» ruhig gefallen lnsi'en dürften. Hier hilft nur, nachdem die sonst überempfindlich« Zensur versagt hat. der Boykott! Wir fordern di« Arbeiter und Arbeiterblätter auf, nicht nur da» für zu sorgen, daß di« Borführungen dlese» monarchistischen Film» öemUden werden, wir ermahnen sie, auf die von ihnen abhängigen Theaterbesitzer den stärksten Druck ouezuüben. ihre proletarisch« Kundschaft nickt durch die Zumutung zu reizen, auf die Kugelauaen Fridericus Gebühr» und den zum... Ueberdruß bekannten Parade» marsch blaublütiger Statisten hereinzusallea.
helfen? Eins Resolution kag vor, dle lautet:„Die Derfarnm- lung ist zwar ungenügend informiert über di« Motive der Sowjetregierung, und über die Bedingungen, unter denen sie funktioniert, sie ist aber trotzdem der Meinung, daß Dr. Nan- sens Erfolg bei der Heimführung der Kriegsgefangenen ein gutes Vorzeichen für das Hilfswerk bedeutet." Aber aus der Tatsache derheimgeführten400000 Kriegsgefangenen ein« praktische Folgerung im Sinne Nansens zu ziehen, dazu rafft man sich nicht auf. Senator Lafontaine, der Belgier , nennt den Völkerbund„den Repräsentanten der Menschheit" und schlägt eine Resolution vor, die den dringenden Wunsch nach offizieller Hilfe ausspricht. Er zieht sie wieder zurück, da ihm gesagt wird, sie habe nicht „den diskreten Ton(\), der dem Bälkerbunde«nt- spricht!" Warum nicht? Weil man mit Mühe aus den Bor - schlügen der Kommission die serbische Forderung nach einer Verurteilung des Sowjetregiments gestrichen hotte. Man fürchtete das Gleichgewicht sofort wieder zu verlieren und die serbische Forderung neu zu beleben, wenn man das Berlangen nach Hilfe stärker unterstrich. Lord Robert Cecll, der Vertreter Afrikas , sprach, als ob feine Worte in Fesseln geschlagen wären. Er stellt fest, daß der Völkerbund an sich durchaus kompetent wäre, um die Hilfsaktion in die Hand zu nehmen. Di« Kommission habe sich nur deshalb aus den ablehnenden Standpunkt stellen müssen, well gewisse Regierungen von Kreditbewilligung nichts wissen wollten. Welche Regierungen sind denn aber eigentlich„der" Völkerbund ? Und wie würde wohl die Entscheidung ausgefallen sein, wenn man statt der Regierungen die Völker selbst gefragt hätte?„Ich tadele die Regierungen nicht," sagt Lord E e c i l,„aber jeder muß ihre Entscheidung bedauern. Das öffentliche Interesse jedes Landes ist bei dieser Sache ein vitales. Es ist nickt nur«ine Frag« der Humanität, es ist auch eine wirtschaftliche Frag«, die nach sich zieht den Verlust des russischen Marktes und die Aus- Wanderung großer Massen aus Rußland . Es ist auch eine politische Frage. Die Arbeiter der ganzen Welt werden glauben, daß der Völkerbund nur deshalb nicht, hilft, weil er die russisch « Arbeiterregierung nicht unterstützen will." Das waren scharfe Argumente, aber nachdem ihnen der Redner selbst die Spitze abgebrochen hatte, weil er die Regierungen „nicht tadeln wollte", konnten sie nicht wirkem Von dem Fran- zosen H a n o t a u x wurden noch ein paar nichtssagende Phrasen über den Segen der choritativen Organisationen und über die Würde des Völkerbundes gemacht. Er„beglück- wünscht den Völkerbund, zusammenarbeiten zu können mit einem Manne wie Dr. Nansen und der Völkerbundrat wird nach seiner Meinung so aufmerksam und tätig sein, als ihm das möglich sein wird". Wie oft habe ich dieses Beglück- wünschen in Genf mit anhören müssen, wenn es sich z. B. um so„glückliche" Lösungen handelte wie die der vanztyer Frage oder die des Saargebiets, oder die der Abstimmung rn Eupen- Malmedy usw. Abschließend sagte Motta:„Was Nansen betrifft, kann er sich sagen, daß seine bewundernswerten Worte von der höchsten aller Tribünen aus nicht auf unfruchtbaren Boden fallen werden. Wenn er in Rußland am Werke sein wird, wird er sich sagen können, daß er begleitet ist vom tätigen Mitleid der ganzen Welt." Wir glauben, daß Nansen ebenso wie wir selbst sich eher das Gegenteil hiervon sagen wird, mindestens in bezug auf das Stück Welt, das der Völkerbund repräsenti«rt.
Da, lleberallerungsgeseh auch fürs Reich. VI« Genossen Stein- topf und Bender haben im Reichstage eine Anfrage eingebrocht, die von der Regierung Auskunft oerlangt, ob sie bereit ist, das preußisch« Ueberalterungsgesetz tZwangspensionierung der über SS Jahr« alten Beamten) auch auf die Reichsbeamten auszudehnen, nachdem das Reichsgericht das preußische Gesetz als Zu Recht bestehend anerkannt hat. Bei einer verneinenden Antwort der Regierung ist zu erwarten, daß die sozialdemokratische Reichstagsfraktion einen entsprechenden Gesetzentwurf als Initiativantrag einbringen wird.
Konzert der„Harmonie". Mit einem MSnnerchor ist es wie mit einem Einzelmenschen. Manchmal geht es überraschend vorwärts, manchmal langsam, manchmal gar nicht. Di« Fortschritte wollen erst „verdaut" werden. In diesem letzten Stadium scheint sich di« Charlottenburger.Harmonie" zu befinden. Der richtig« Zug, den ich noch der vorjährigen sehr guten Einführung erwartet hatte, ist noch nicht ganz da. Alle» korrekt und gut vorbereitet, aber der freier« Rhythmus, die schöne quellende Melodieführung fehlt. Von den wuchtigeren Liedern entsprach nur di« gewaltige„Waldes- nacht" von Uthmann höheren Ansprüchen. Dos war wirklich Schwer. terweih». Je mehr es dem lustigen, allbegehrten Programm zuging. desto mehr kam endlich der freie Schwung, da» Mitreißende. Der Dirigent Max Schaarschmidt scheint ein vorsichtiger zu sein. Jedenfalls besser, als schon nach so kurzer Zeit gleißen und glänzen zu wollen. Das Lambinon-Ouartett bereitete dazwischen einem sehr andächtigen Publikum hell« Sonntagssreude. tt. Xl. In der hauvlversammlung de, Schutzverbandes Deutscher Schrlstslever vom IS. März, die au» allen Teilen Deutschland » de- schickt war, wurde Dr. Karl B u l ck e zum 1., Dr. Theodor h« u ß zum 2. Vorsitzenden gewählt. Unter mehreren Anträgen dürfte der des Gaues Layern auf die Einsetzung besonderer Spruchkammern für Literoturprozesse al» der de» deutendst« zu bezeichnen sein. Allgemeine Zustimmung erwarb sich die Anregung des Vertreter» von Königsberg , dem durch Isolierung und Abwanderung bedrohtes deutsche» Geistesleben in Ostpreußen wie auch in M e m e l durch ein» vorbeugende Aktion zu Hilfe zu kommen. Schon während der Versammlung hat Dr. Heinrich Braun aus den Erträgen der Schriften feine» im Kriege gefallenen Sohnes Otto Braun einen ansehnlichen Beitrog zur Verfügung gestellt, der gewiß auch weitere Kreise, nicht zuletzt di« Regierungen an eine hohe kulturelle und nationale Verpflichtung erinnern wird. „Die abgelehnte MMonenspende". Bon Herrn v. Bode geht un» folgende Berichtigung zu, deren Aufnahme aus Grund des Pressegesetzes verlangt wird: In Nr. IIS vom 11. März 1922 haben Sie unter der Ueber» schrifl„Die abgelehnte Millionenspende" eine Notiz gebracht, in welcher behauptet wird, das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und DoUsbildung habe die Annahme der Schenkung abgelehnt, weil ich u. a. die Bedingung daran geknüpft HSU«, daß mir»in Einfluß auf die Berliner M u s e u m s v er w al tu n g eingeräumt würde. Das ist unrichtig. Die von mir qe. stellten Bedingungen beziehen sich ausschließlich auf die Ausfüh, rung und Verwendung des Dahlemer Museumsbaue». In ihnen wird von mir mit keinem Wort— auch nicht andeutungsweise— Einräumung eines Einflüsse, auf di» Berliner Museum», Verwaltung gefordert. Wir beholten uns vor, auf dl« Angelegenheit noch einmal zurückzukommen. Inzwischen geht die Nachricht durch die Presse, daß der Kultusminister die Leitung der Museums- bautommission übernommen hob«. Borsitzender dieser Kommission war bishe? Herr v. Bode. Es wäre interessant zu erfahren, welche Gründe den Minister zu dieser gerade im geqen- wärtigen Moment Aussehen erregenden Maßnahm« veranlaßt haben.
Schlesien unü Preußen. Auf der Breslauer Messe hat der preußisch« Minister- Präsident Genosse Otto Braun eine Rede gehalten, deren entscheidenden Teil über das Berfjältnis Schlesiens zu Preußen wir im gestrigen Abendblatt wiedergegeben haben. Die „Voss. Ztg." tadelt nun heftig das scharfe Eintreten des preu- ßischcn Ministerpräsidenten für die Einheit Preußens und meint, daß dies eine sehr heftige Gegenströmung zugunsten der oberschlesischen Autonomiebestrebungen hervorrufen werde. Tatsächlich stehen die Dinge so: Oberschlesien ist vor der Abstimmung dos Recht, einen eigenen Bundesstaat im Rahmen des Reiches zu bilden, zugestanden worden. Dieses Recht gilt unbestreitbar auch für den Teil Obcrschlesiens. der nach dem Genfer Spruch bei Deutschland verbleibt, es kann aber nur durch den freien Willen der deutsch bleibenden oberschlesischen Bevölkerung selbst geltend gemacht werden. Da nun in der Bevölkerung Oberschlesiens sehr lebhafte und verständliche Be- denken dagegen geltend gemacht werden, das verkleinerte Land als besonderen Bundesstaat zu konstituieren, ist in manchen Kreisen der Gedanke erörtert worden, ganz Schlesien von Preußen zu trennen. Gegen di«s« Idee hat Genosse Otto Braun , wenn wir ihn recht verstanden haben, polemisiert, und dies zu tun war zweifellos sein als des preußischen Minister- Präsidenten Recht. Ob das Werden des von uns geforderten Einheitsstaats durch ein« mehr mechanische Zerschlagung der Verwaltungs- einheit Preußen oder durch einen organischen Ausbau der vrovinzialen Selbstverwaltung und entsprechenden Abbau der preußischen Zentralgewalt gefördert wird, ist zum mindesten ein« offene Frage, die ohne Leidenschaft mit ruhiger lieber» legung entschieden werden muß. Wie immer man diese Frage entscheidet, so wird man den Standpunkt, den die preußische Regierung zu ihm einnimmt, zum mindesten begreiflich finden. Dadurch wird da» Recht der Bevölkerung Oberschlesiens nicht angetastet und ebenso wenig werden es d'.e sonstigen Rechte des Volkes, die sich aus dem Artikel der Verfassung über die Neu- gliederung des Reiches ergeben. Die„Voss. Ztg." hätte der Sache, der sie dienen will, besser gedient, wenn sie die Rede des preußischen Ministerpräsidenten in Ruh« gelesen hätte, statt sie ausgeregt zu kommentieren. Gegen den �bbau üer Getreidewirtschaft. Vernünftig« Anschauungen in Oldenburg . Auf Veranlassung des oldenburg '.schen Ministerpräsidenten Tantzen hatten sich in den letzten Tagen Vertreter der oldenbur- c> i s ch e n Landvirtschaft und der Konsumenten zu einer gemeinsamen Beratung über die künftige Ernährungswirtschaft zusammengefunden. Die Aussprache, di« unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten statt- fand, ergab als Resultat die einstimmige Ansicht, daß ein weiterer Abbau de» Getreideumlageverfahrens zurzeit nicht angebracht sei. Auch die gegenwärtig« Lage in der Kartosfelversorgung erfuhr all- seitig schärsste Verurteilung. Die Vertreter der Städte, darunter der Oberbürgermeister von Oldenburg , Dr. Görlitz, forderten auch für die Kartoffeln in Zukunft da, Umlageoerfahren. Die Vertreter der Landwirsschaft sprachen sich dagegen aus, erkannten aber an, daß es wie bisher nicht weitergehen könne, und empfahlen direkte Be- lieferung durch die Erzeugeryerbände an die Verbraucherorganisa- tionen eine» gewissen Quantums zu einem gemeinsam festzusetzenden Preis«. Im letzteren Sinne äußert« sich auch der Ministerpräsident. Ministerpräsident Tantzen hatte die Aussprache besonders zu dem Zweck veranstaltet, um auf der in Berlin stattfindenden Konferenz der Ernöhrungsminister da- notwendige Material in der Hand zu haben._ DI« Unruhen In Engsisch-Ostafrika sind niedergeschlagen. In der Stadt Nairobi herrscht Ruhe. Patrouillen durchziehen die Straßen. Di» Gesamtzahl der Opfer beträqt 2 3 Tot« uno 27 ver- mundete. Es handelte sich um ein« Unabhängigteitsbewegung. In K a i r o gab es wieder Unruhen, mehrer« Menschen sind den Schüssen der Polizei erlegen.
Fräulein DoNor ohne Ablturiom. Der seltene Fall, daß ohne Ablegung der Abiturientenprüfung der Doklortitel, nicht etwa„ehren- halber", verliehen wird, hat sich an der Universität Greifswald er- eignet. Das jetzt 23 jährige Fräulein Hertzbcra aus Gelsenkirchen besuchte ein« höhere Mädchenschule, hierauf die Handelshochschule und belegte dann als Hvspitantin Vorlesungen in Greifswald . Ueber- all waren die geistigen Leistungen der jungen Dame so hervor- ragend«, daß sie auf Antrag früherer Lehrer zur Doktorpromotion bei der philosophischen Fakultät zugelassen wurde und in aller Form ihren„Doktor baute". Bei weiblichen Studierenden dürste es der erste Fall dieser Art sein. Eine neuentdeckte Eigenschaft de» Blutes. In der alten „Humoral-Pathologie", der Lehre von den Säften, die in den neuesten wissenfchastttchen Entdeckungen ein« Art Auferstehung erfahren Hot, spielte di«„Crvsu canguinie" ein« groß« Roll». Es ist da» die weißliche Haut, die sich bei krankhaften Zuständen bildet, wenn Blut in einem Gefäß gerinnt. Diese in Deutschland auch Foserhaut oder „weißer Kuchen' genannte Erscheinung, die schon von Hippokrates erwähnt wird, besaß durch das ganz« Mittelalter bis in die Mitte des vorigen Jahrhundert» eine außerordentliche Wichtigkeit bei der Deutung der Ärankhelten. Nunmehr gewinnt di» alte„Cruuu sanguinis* eine neue Bedeutung durch ein« Entdeckung, di» der Schwede Robin Fahroeu, gemacht hat und über die Prof. Bech- hold in der von ihm Herauegegebenen„Umschau" Näheres derichtet. Bereit, der deutsche Arzt Nasse hatte 183S festgestellt, daß di« lang- samere oder raschere Senkung der Blutkörperchen, die beim Gerinnen de» Blutes vor sich geht, in einer Zusammenballung oder wie wir heute sagen Aggtutinotion ihr» Ursache hat. Au» seiner Darstellung geht auch schon hervor, daß die weiße Haut im wesent- lichen aus Fibrin und weißen Blutkörperchen gebildet wird und daß sie dadurch zustande kommt, daß die rot«n Blutkörperchen sich in krankhaft verändertem Blut rascher senken als im normalen. Diese Erscheinung hat nun Fahracus durch sehr zahlreiche-Untersuchungen näher beobachtet und festgestellt, daß die Blutkörperchen von Neugeborenen sich longiemer senken als die von Erwachsenen, daß sie von Frauen sich rascher senken al» dle von Männern. Bei schwangeren grauen zeigte sich, daß«in« erhöhte Blutsenkungsgeschwind igteu schon in den ersten Monaten eintritt, während der ganzen Schwangerschaft anhält, ihr Maximum geaen Ende derselben erreicht und minveilens noch zwei Monate nach der Geburt festzustellen ist. Durch die Blutuntcrsuchungen von Kranken ergab sich, daß bei gewissen Krankheiten eine bcfondcrs Hobe Sen- kunasgeschwindigteit vorhanden ist so bei D i p h t h« r i t i e. S ch a r- lach, Typhus , Tuberkn'ofe usw., kurz bei zahlreichen In- fcktionstronkheiten, am höchsten bei Blutvergiftung. Luch bei einigen ankeren organischen Kranthenen, wie Herzkrank» h«! t« n, Gicht und verschiedenen Geschwülsten, ja sogar bei gewissen Geisteskrankheiten und Knochenbrüchen tonnt««ine Erhöhung der Blussenkungsaeschwindigkelt beobachtet werden. Sie fand stch auch bei einige» Männern und Frauen, die sich für gesund hielten und be» denen aus dieser Beobachtung irgendwelche ihnen selbst nicht bekannte Krankheiten diagnostiziert wciden konnten. Fahraeus stellte nun fest, daß diese beson' ere große Sen- kungezeschwindigtest der Blutkörperchen mit der Agglutination zu. sammenhängt, und untersuchte nun, welche Faktoren im Blut« di« Agglutination bedingen. Durch Krankheit und Schwangerschaft wer»