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Nr. 135 ZH.Iahrgaag

Beilage öes Vorwärts

vlenstag, 21. März 1922

vom Umbau öes Krolltheaters. Das Haus der Volksbühne Ein schwieriger Umbau.

Wohl I?der Berliner kennt tos alte Krollsche Etablissement am' König-platz. Im Jahre 18SZ erbaut, diente es zunächst reinen Ver- gnügungszwecken und erst in den 70cr Iahren entschloß man sich, es in ein Theater umzuwandeln. Massive, fast einen Meter starke Aementmauern wuchsen zu einem Bühnenhause empor, das an der> Breitseite des großen Saales lag, der als Zuschauerraum hergerichtet wurde und der so ungünstig war, daß man von den meisten Plätzen aus weder gut sehen noch hören konnte. Während des Krieges diente das Gebäude als Lazarett und wurde dann noch für viele andere militärische Zwecke beansprucht. Die Folge war eine starke Vernachlässigung der Anlage, die schließlich aus Abbruch verkauft wurde. Die gesamte Bühneneinrichtung wurde nun herausgerissen und vieles, was nicht niet» und nagelfest war, wurde von Unbe- rufenen der Mitnahme wert befunden. In diesem Zustande über- nahm die Volksbühne nach langwierigen, sich immer wieder verzögernden Verhandlungen das Gebäude, um daraus ein Volts. khcater für die Berliner zu schaffen, da sich herausgestellt hatte, daß die Bolksbühne am Bülowplotz Berlins schönstes Theater dem Slndrang der Kunsthungrigen bei weitem nicht genügte. der Saustelle. Nun recken sich am Kärngsplatz Baugerüste empor und neue- Mauerwerk klettert zwischen dem alten hoch. Die verfallene Terrasse ist verschwunden und bereits durch einen Umbau tellweile ersetzt, dessen Umfassungsmauern um 3 Meter noch außen gewandert find. Don hier aus wird man später das fertige Theater betreten können. Unterhalb der halbringförmigen Terrassen werden die großen kasicuräume liegen. Die Raumeinteilung ist bereits im Rohbau zu erkennen, wenn auch noch Erde den Boden deckt und die Reste von zwei Moschinenfundamenten nicht beseitigt sind. Dann wird man eine große zentrale Kleiderablage betreten, die unterhalb des Zu- fchauerraums zu ielgen kommt, zu dem man durch zwei gut er- dachte Ireppenhallen gelangt. Der alte Königssaal, der früher den Zuschauerraum bildete, ist verschwunden und der neue Raum wird wesentlich anders gestaltet sein: bei ihm wird die Buhne an der Schmalseite liegen, der Zu- schauerraum, d«r 2300 Personen aufnehmen soll, ist also gegen seine frühere Lage gleichsam um 30 Grad gedreht. Um dieses Kunststück auf verhältnismäßig beschränktem Raum erreichen zu können, hat der Architekt Oskar Kaufmann den geistreichen Gedanken gehobt, den Zuschauerraum in den jetzigen Bühnenraum hineinzubauen und ihn gleichzeitig schmaler zu gestalten. Dadurch wird auch Platz für Wandelhallen geschaffen, die den Raum umgeben sollen. An diesem Teil des Baues wird eifrig gearbeitet, und gerade hier sind die technischen Schwierigkeiten verhältnismäßig gering, weil«s sich noch Abbruch des alten Teils um einen reinen Neubau handelt, der mit dem alten Mauerwert verbunden wird. Die Gestaltung öer Sühne. Biel schwieriger gestaltet sich dagegen der Ausbau der Bühne. Die fast meterstarten Wände des alten Bühnenhauses müsien fast zu. drei Viertel ihrer Höhe weggekrochen und der darüber liegende Teil muß abgefangen werden, eine Arbeit, die unendlich viel Auf- merkfamkeit und Sachkenntnis erfordert. An der dem Königsplatz zugekehrten Giebelwand wird ein schwerer eiserner Träger einge- zogen werden, zu dcsien Aufnahme bereits neues Mauerwerk zwischen dem alten hochgetrieben ist. Dann wird die während des Krieges errichtete Wand die den großen Saal vom Bühnenhaus trennt, fallen. Die Bühne wird selbstverständlich nach den modernsten Mustern erbaut. Sie wird als Schiebebühne mit zwei Seitenbühnen und einer hinierbühne ausgebildet, so daß schnellster Szenenwechsel durch einfaches Vorziehen der aus einer Seitcnbühne oder der Hinterbühne vorbereiteten Aufbauten ermögjcht wird. Während das lichte Maß der alten Krollbühne 25 Meter betrug, wird die neue Bühne einschließlich der beiden für die Zuschauer nicht sichtbaren Seitenbühnen 55 Meter mesten und die Hinterbühne 29 Meter tief lein. Die Mittelbühne wird in mehreren Abteilungen versenkbar sein. Die ncueslen Errungenschaften der Beleuchlungslechnik werden: zur Anwendung kommen. Der Wolkenapparat wird seine luftigen! Gebilde auf einen Rundhorizont werfen, der sich wesentlich billiger!

stellt als der bisher üblich« Kuppelhorizont und auch in technischer Hinsicht allen Anforderungen genügt. Hinter dem Bühnenhause sind die Mauern für di« Dekorations- und anderen Magazine im Rohbau fertiggestellt. Dort werden auch die Räume zur Aufnahme der Künstlergarderoben, die Statisten- und Chorsäle, Abstellräume usw. sein. Schließlich bleibt noch zu erwähnen, daß die ersten Reihen des Parketts ebenfalls versenkt werden können, um so bei den Opernaufführungen es sind in jeder Woche 3 Opern und 4 Schau- spiele vorgesehen d«n Platz für ein Orchester abzugeben, dos 169 Musiker aufzunehmen vermag. Rechts und links vom Zuschauerraum, der aus Parkett und zwei terrassenförmig hinlercinander aussteigenden Rängen bestehen wird, liegen zwei kleinere Säle, die verhältnismäßig geringe Auf- frischung-arbeiten erfordern, die für Konzerte, Leseobende. Vorträge usw. Verwendung finden können. Trotz dieser umfangreichen Bau- arbeiten wird dos Gebäude nach seiner Fertigstellung in seiner äußeren Erscheinung nur wenig von dem alten Krollschen Etabisse- ment abweichen. Der große alle Garten soll wieder für Restaurationszwecke Ver- wendung finden. Allerlei Schwierigkeiten. Dem großen Werk« haben sich mancherlei Schwierigkeiten ent» gegengestellt. Der Dalulaskurz brachte eine ungeheure Berleuerung des Umbaus mit sich. Man wird sich infolgedessen hei der Innen- ausstattung auf das ollernotwendigste beschränken. Während das i aus edelstem Material hergestellte Haus am Bülowplotz für i 2� Millionen Mark erbaut wurde, wird der Umbau am Königs- platz etwa 20 Millionen erfordern. Das Theater sollte bereits im, März d. I. eröffnet werden, aber infolge der starken Verzögerung der Eisenlicferungen konnte der Bau nicht bestimmungsgemäß ge-' fördert werden. Dazu kam noch der fünfwöchige Bauarbeiterstreik und vor allem ein überaus harter und langer Winter. Hoffentlich gelingt es nunmehr, im kommenden Herbst den Umbau zum Ab- schluß zu bringen, auf besten Fertigstellung Tausende warten.

Los von Serlin? WaS die Rechte sicher totschweige« wird. In der gestrigen Sitzung des ständigen E t a t s a u s sch u.ss e S der Berliner Stadtverordnetenversammlung wurde der Gebühren- ordnung für die Entwässerung von allen Parteien zugestimmt und die Höhe der Gebühr nach dem Vorschlage des Magistrats auf 29 Proz. vom Eebäudesteuernutzungswert für das Rechnungsjahr 1922 festgesetzt. Von allgemeinem I'ntereste waren hierbei die Aus- führungen des Stadtbaurats Hahn, der darauf hinwies, daß eine ganze Reihe ehemaliger Vororte ohne ihre Eingemeindung in Groß- Berlin jetzt gezwungen gewesen wären, ihre gesamten Kana- lisationsanlagen stillzulegen, wenn sie nicht geradezu sinnlose Gebühren dafür hätten erheben wollen. So müßte beispiels- weise Zehlendorf jetzt 59 Proz. vom Nutzpngswert, H e r m s- darf gar 149 Proz. erheben, um ihren Etat zu bilanziere«. Nur durch die Schaffung der Einheitsgemeinde ist in diesen Bezirken und i» vielen anderen die Kanalisation überhaupt weiter zu betreiben gewesen. Und man kann gespannt sein, ob Zehlendorf seinen Schlacht» rufLos von Berlin !" auch aus die Fortspülung seiner Fäkalien ausdehnen wird! Bei dieser Gelegenheit kam auch zur Sprache, daß durch die Schaffung der Einheit�jemeinde ein oo l l e s Drittel der Riesel- anlagen überflüssig geworden ist und daß namentlich ein Teil der weit entfernt liegenden Anlagen stillgelegt werden kann. Welchen wirtschaftlichen Borteil dies für die Stadt bedeutet, kann man am leichtesten aus folgender Tatsache erkennen. Im neuen Etat der Stadtgemeinde steht als rentabelstes Gut Groß-Berlins das Gut Werben mit rund einer halben Million Ucberschuß zu Buch. In Wirklichkeit können aber allein an K o h l e n'k o st e n drei- viertel Millionen gespart werden, wenn di« betreffenden Abwässer statt nach Werben nach einem der näher liegenden Rieselgüter gc- pumpt werden. Auch hier also wird die Einheitsgemeinde sehr wesentlich zur D e r b i l l i g u n g des Gesamtbetriebes beitragen. Solche Tatsachen dürften die Schreier im KampfeLos von Berlin " doch wohl etwas nachdenklich stimmen.

Ms üunklen Tagen. Die Erschießung zweier Gefangenen im März lSIS. Eine trübe Szene aus den blutigen Tagen des März 1919 wurte gestern in einer Verhandlung beleuchtet, die vor den. Schwurgericht des Landgerichts I unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dr. W e i- g e r t begann. Die Anklage richtete sich gegen den ehemaligen Schloster Albert Arndt und den ehemaligen Unterofsizier Sind.- Ing. Artur Schneider und lautet« aus Mißhandlung ran Unter- gebcnen(Gefangenen) und Totschlag. Eines Sonntags im März 1919 wurden zwei Galizier, die wegen Plündcrns festgenommen waren, durch ein Kommando in dem zur Kaserne und Gefängnis benutzten Gebäude der Straf- anstatt in der Lehrter Straße cingetiefert. An jenem Tage wer dort eine Abteilung Pioniere als Wachtkommando im Dienst. Die Mann- schaften umringten die beiden Eingelieferten, auf die von allen Seiten losgeprügelt wurde. Es entstand eine wüste Szene: dem einen der Galizier soll dabei ein Auge ausgeschlagen worden sein und er ebenso mi» der zweite unter Püffen und Stößen mit Gewehrkolben auf den swf geführt und dort an die Wand gestellt worden sein. Es ist dann zehn- bis fünfzehnmal auf die beiden geschosten worden mit dem Ergebnis, daß beide getötet wurden. Die beiden Angeklagten, welche von dem Rechtsanwalt Dr. Siegfried A r o n verteidigt wurden, bestritten, die Schüste obqe- aeben zu haben, gaben aber zu, daß die Heiden Galizier von der Mmmschaft stark mißhandelt worden seien. Sie selbst wollen nur mit den Händen geschlagen haben. Es fei, wenn Spartakisten eingeliefert wurden, gewöhnlich gerufen wurden:Pioniere heraus!" und dann seien die Eingelieferten verprügelt worden. In dem heutigen Straffalle wollen die beiden Angeklagten nur dabeigestanden haben, als die beiden Galizier auf den Hof gebracht worden waren imd die Schütze aus dem angesammelten Haufen fielen. Während etwa zehn Zeugen, die damals zu dem Wachtkommando ae- hörten, das Schießen und die Mißhandlungen bestätigten, aber für die Täterschaft der beiden keine Anaaben machen konnten, wurden die Angeklagten von dem Zeugen Arbeiter Diemann schwer belastet. Dieser war damals Vertrauensmann der Pioniere bei der Brigade Reinhardt und bekundete mit großer Bestimmtheit folgendes: Die beiden Galizi-r feien nach ihrer Einlieferung um- ringt und hin- und bergestoßen worden. Beide Angeklagten hätten auf die beiden Galizier eingeschlagen: Sckneidcr in blinder Wut mit dem umgekehrten Karabiner auf den einen, Arndt mit einem H o lz h a m m e r auf den anderen: sie seien auch die- jenigen gewesen, die die beiden Eingelieferten auf den Hof qe- drängt haben, wo sie an die Wand gestellt worden seien. Die Leichen seien dann auf eine Art M ü l l h a u f e n geworfen und von da in einen Schuppen gebracht worden. Von dort seien sie mit einer dritten, dort schon liegenden Leiche eines Erschossenen auf ein Lastauto gelegt worden das mit einigen Mannschaften besetzt und von dem Anacklagten Schneider gelenkt worden sei. Unterwegs seien. zwei Leichen im Tiergarten und die dritte am Salrufer abie- worsen worden. Diese Aussage wurde wesentlich bestätigt durch einen anderen Zeugen, der bekundete, daß die beiden Angeklagten sich bei den Mißhandlungen besonders hervorgetan und auch geschossen haben. Rechtsanwalt Dr. A r o n verwies darauf, daß, wenn diesem Zeugen entscheidender Wert beigelegt werden lallte, mnn berücksichtigen müsie, daß damals ein allgemeiner Be- fehl bestanden haben soll, in den Kämpfen mit Svartakiltenkeinen Gefangenen zu machen", und von den Mannscharten dieser Befehl, der sich auf die Spartakisten, die mit einer Waffe auf der Straße beirofsen wurden, bezog, mißverständlich vielleicht auch onf die' ins Gefängnis Eingelieferten bezogen worden fei. Am Schluß der Sitzung begab sich der gesamte Gerichtshof zur Augenschein- nähme nach dem Gefängnis Lehrter Str . 3. Die VerHand» lung wird Dienstag fortgesetzt.

Gegen die Fefkhaltung der polttischen Gefangenen wandte sich eine von der KPD.(Bezirk Brandenburg ! veranstaltete, spärlich be- suchte DemonstrationSversammlung aus dem Schloß­platz. Der Redner liibrte u. a. au?. Es ist noch nicht so lange her, als die Führer aus der Breiten Straße sagten, daß die KPD. zusammengebrochen sei. Jene Renegaten des Kommunismus müßten» wenn sie dieversammelten Mosien"(?) sehen würden, zugeben, daß die Partei voran schreitet. Kein Hilierding werde imstande sein, dem Proletariat zu helfen. Redner iübrte weiter aus, daß jetzt der Frühling nahe, und mit ihm werde der Sturm zur Frei- heit, zur Revolution kommen. Nach 15 Minuten war die Demonstration beendet und unter dem Gelang derInternationale" zogen die Teilnehmer ab. Zu Zwiicheniällen ist es nicht aekommen.

.oi Die Alachk der Lüge. Roman von Johann Bojer. Willst du dich nicht legen?" fragte sie. Oh, warte noch etwas! Er verharrte in seiner Stellung. Ja, aber mir wird kalt, Henrik!" Er hatte richtig Angst, sie loszulasien, als sei sie das bessere Gewissen, das er sich nun konstruiert hatte und das ihn vor etwas Entsetzlichem retten tonnte. Ich glaube, ich geh noch etwas spazieren!" sagte er end- lich.Ich kann doch noch nicht schlafen." Aber bleib nicht so lange!" bat sie.Du weißt, ich bin ganz alleine im Haus." Nein, nein! Aber sie war voller Unruhe. Denn jedes- mal wollte er nur einen kleinen Spaziergang machen, wenn er beim Konsul endete und aus unsicheren Füßen nach Hause kam. Wangen ging, die Hände tief in die Taschen vergrabeir. Der hartgefrorene Schnee knirschte unter seinen Tritten, und ein großer, strahlender Sternenhimmel wölbte sich über die beschneiten Hügel und dunklen Täler. Gott sei Dank." dachte Wangen der Achtstundentag hat doch anscheinend keine Schuld an dem Zusammenbruch!" Und ihm war. als hätte er ein verlorengegangenes Ideal wiedergefunden, so daß er wieder an eine liebe, helle Zukunfts- idee glauben konnte. Und dann wanderten seine Gedanken unwillkürlich zu Norby und die anderen Protzbauern, die brü- tend auf ihren Geldsäcken saßen, voller Mißtrauen gegen olles Neue, voller Furcht und Haß gegen jede Verbesserung des Lebens der unteren Klasse. Diesmal haben sie den Versuch zunichte gemacht, dachte er.Aber es kommt schon noch ein andermal." So ging er. bis er sich vor der Wohnung des Konsuls wiederfand. Es brannte noch Licht in dessen Zimmer. Eine gute Macht zog ihn am Aermel und rief:Denk an dein Ge- lübde in der Eisenbahn!" Aber zu Zeiten, da fühlen wir uns moralisch so widerstandsfähig, daß uns kein Teufel etwas an- haben kann. Wangen mußte jetzt jemanden haben, mit dem er sprechen konnte, und er wollte nur eine Viertelstunde drinnen bleiben. Nein sieh da! Bist du noch nicht oerhaftet!' rief der Konsul, der in seinem Schlafrock dasaß und in einem frischen Toddy rührte

Und die Flasche zwischen sich, blieben sie sitzen und be- sprachen diese Angelegenheit recht eingehend. Wangen kam immer mehr ins Rätselraten, ahnte von mehr und mehr dieser Protzbauern, daß sie mit in der Verschwörung seien, und sparte keine Kraftausdrücke für sie. Der Konsul munterte ihn mit kleinen, giftigen Bemerkungen auf und schrieb sich so manches hinters Ohr. Morgen wollte er dann einen kleinen Rundgang machen. Die Flasche zwischen ihnen wurde leer. Und als Wangen kurz nach Mitternacht noch Hause ging, stolperte er hin und wieder über seine eigenen Stiefel. Der arme Konsul," dachte er und graute sich etwas davor, nach Hause zu kommendas Leben muß ihm hart mitgespielt haben, und er braucht jemand, der ihn versteht und gern hat." Als er ins Schlafzimmer schwankte, wachte seine Frau mit einem erschreckten Schrei auf. Am nächsten Tage hatte er einen kleinen Brummschädel und schämte sich vor seiner Frau. Und wieder begann er sich zu fürchten vor der Begegnung mit allen denen, die heute kommen wollten. Aber er klammerte sich an seine Unschuld in der einen Sache, und so glückte es ihm schnell, seine Zuversicht wieder- zufinden. Als er später wegen einer Besorgung zur Station mußte, hatte er auch keine Angst mehr davor, Menschen zu j treffen. Ihm schwebte so allmählich der Gedanke an einen Vortrag vor, den er den Arbeitern halten wollte, um ihnen die wahre Ursache ihres gemsinfamen Ruins zu erklären. Als er wieder nach Hause ging, strahlle die Sonne auf die weißen Schneestächen und blendete ihn. Die ausgestorbenen Werkstätten lagen mit ihren hohen Schornsteinen da, als schrien sie zum Himmel. Aber ihm galt das nicht. Gestern in der Eisenbahn hatte er herausgefunden, seine eigene Villa sei zu flott uub die Fabrikgebäude zu groß und teuer. Aber jetzt sah er das olles mit anderen Augen an. Er wußte es ja, daß er diese Anlagen erbaut hotte im festen Vertrauen auf die Zukunft dieser Industrie hier in dieser Gegend, und über Villa und Fabrik wehte eine Fahne der Unschuld. ö. Ein Tag nach dem anderen verging, und Norby hatte di« Anzeige noch nicht widerrufen. Schon hatte in der Zei- tung eine Notiz über die Fälschung gestanden und je weiter sich die Geschichte ausdehnte und wuchs, desto schwerer erschien

es Norby, alles auf sich zurücknehmen zu sollen. Und je mehr er es hinausschob, um so mehr wuchs es, und um so weniger fühlte er sich imstande, sich zu demütigen und die Folgen auf sich zu nehmen. Das wäre ja ein freiwilliges Sich-ehrlos-machen. Sollte er denn auch das noch als Dank dafür haben, daß er in feiner Gutmütigkeit Wangen geholfen hatte. Und seine Feinde? Lachen würden sie ihr Leben lang. Und die Gemeinde? Ein Lachsturm würde über ihn herein- brechen, und er würde sich immer wie am Pranger vorkommen» jedermann zum Spott. Die Gemeinde das war in Norbys Augen etwas un- bestimmbar Großes, das nur darauf aufpaßte, was er tat. Es war seine Gemeinde, und er sah sie namentlich, wenn er mit geschlossenen Augen dalag. Da waren die gleichen Wäl- der und Höfe. Hügel und Bäche. Aber die Menschen, da gab's zwei Arten die ihn lobten und die schlecht von ihm sprachen� Andere Menschen wohnten nicht in der Gemeinde. Die erste- ren waren für ihn ehrliche und tüchtige Leute, die andern seine Feinde, die er schon nicht vergessen wollte. Und jetzt? All die Tage taten die Leute nichts anderes, als von dieser Sache zu reden, das wußte er. Die steckten den Kopf zu Nachbars Tür herein, schrien quer über den Hof:Hast du's schon gehört"? Er sah die Leute die Berge hinaufklettern, auf Schneeschuhen hinabsausen, sitzen und Briese schreiben an Dorf und Stadt: Hast du's schon gehört?" Und wenn er seine Frau jetzt dieser selben Gemeinde aus- lieferte, sah er sie schon wieder reden und lachen, und jedesmal packte ihn die Wut. Aber nun fingen di« Leute an, zu dem alten Bauern zu kommen und von der Angelegenheit zu sprechen. Was sollte er tun? Etwas mußte er sagen. Erst versuchte er, diesem Thema aus dem Wege zu gehen, aber hinterher bekam er es mit der Angst, er könne sich verraten.Ein Dummkopf bist du," dachte er,schlimmer, als es schon ist, wird es auch nicht, wenn du es selber vorläufig sagst, bis sich ein Ausweg findet." Und eines schönen Tages hatte er es mit nackten Worten ge- sagt, halb aus Ungeduld, endlich in Frieden gelassen zu werden. Aber als der Gast gegangen war, stand der Alte am Fenster und sah ihm nach mit einem ähnlichen Gefühl wie damals dem Skiläufer. Der Mann würde s-s nun sielen anderen erzählen. Was er da gesagt hatte, konnte er niemal» wieder einholen (Fortsetzung folgt.)