i Premiers aber nur bestätigt. Die Wirkung ist so nachhaltig ! gewesen, daß in französischen Kreisen jetzt sogar oersichert wird, da» von dieser Seite keinerlei Schwierigkeiten für die Konserenz mehr zu erwarten sind. Die übrigen Ausführungen Lloyd Georges fanden heute nachmittag eine Bekräftigung in einer Rede, die das konser- vative Mitglied des englischen Kabinetts Lord Birkenhead vor der englischen Presse in der Aula der Universität hielt. Er führte aus, daß es absolut notwendig sei. daß die Kon- ferenz erfolgreich zu Ende geführt werde. Ein Scheitern der Konferenz'würde eine außerordentlich ernste Lage herbei- führen. Man müsse bedenken, welche Tragödie es wäre, wenn ein Werk, in das die ganze Welt ihre Hoffnungen gesetzt habe, scheitern würde. Die jetzt überwundene Krise habe gezeigt, dah entstandene Risse heilbar sind. Diejenigen, die meinten, daß man mit den R u s s e n nicht verhandeln könne, hätten Unrecht behalten. Die Wirtschaft Europas verlange, daß die englisch -amerikanischen Waren auch in Rußland Absatz fänden. Allen anderen Staaten erscheine das russische Regierungssystem sicher unverständlich. Keine einzige Regiening wünsche im eigenen Lande ein iolches System zu haben, aber den Russen stünde es frei, ihre Regie- rung sich selbst zu wählen. Niemand habe das Recht, sich in diese Fragen einzumischen. Diese Ausführungen richten sich scharf im besonderen gegen den französischen nationalen Block. Mit den Ausführungen des Lord Birkenhead , so kann man wohl annehmen, ist der Beweis geführt, daß das eng- tische Kabinett mit Lloyd George solida- risch ist. Am heutigen Tage wurden in den Kommissionen die Be- ratungen fleißig sortgesetzt, aber nach dieser letzten Woche der Aufregungen interessiert sich außer den unmittelbar Beteiligten fast niemand mehr für die praktische Arbeit. Es ist dies die natürliche Wirkung der Spannung der letzten Tage. Es macht sich eine allgemeine Müdigkeit bemerkbar. Das Ende der Konferenz ist zum allgemeinen Thema geworden. Es wird davon gesprochen, daß die Alliierten in einer Sitzung bereits beschlossen haben, s p ä t e st e n s am 10. M a i die , Konferenz zu beenden. Die H a u p t d e l e g i e r t e n der Mächte wünschen zwischen dem 5. und 10. Mai abzu- . reisen. Es ist durchaus möglich, daß die Konferenz noch f rascher ihren Abschlug findet, als jetzt angenommen wird. * Man will nur noch die russische Frage und die zwei» »jährige Waffenruhe zur Erledigung bringen. Die ' übrigen Punkte will man dem Völkerbund überweisen. . Tschitscherin, Krassin , Litwinoff und Ioffö waren heute bei Rathenau eingeladen. Kampf gegen öie Arbeitslosigkeit. Deutscher Vorschlag in der Wirtschaftskommission. Genua , 24. April. (Sondorbericht des Sozialdemokratischen Parlamentsdicnstes.) Der heutige Tag verlief in aller Ruhe. Außer Kommissionsberatungen und Besprechungen der einzelnen Delega- tionen hinter den Kulissen sind keine Vorkommnisse zu melden. In der Wirtschaftskommission, die heute morgen zusammen- trat, brachte die deutsche Delegation unter Führung des Reichswirt- fchastsminifters Schmidt zu den Londoner Sachverständigenvor- schlügen II„Wirts chastiichez* neue Vorschläge ein. Diese Vorschläge empfehlen die Einführung eines einheitlichen Zollsystems für alle Staaten. Es soll dahin gestrebt werden, daß sie zum Nutzen des Handels für einen längeren Zeitraum festgelegt werden. Weiter wird gefordert die Herstellung eines Meistbcgünstigungs- rechts für all« LS oder in der Tarifbehandlung. Eine gleiche For- derung stellt die Delegation Rumäniens . Ein russtscher Vorschlag ver- langt die Beseitigung der Kampftarise. Ferner wurde von der deutschen Delegation folgende s iEntschließung eingebracht: Die auf der Wirtschostskonserenz in Genua ?»«�sammelten Nationen sind sich darüber einig, daß der Wirtschaft- � liche Mederaufbau der Welt nur unter Mitarbeit der H a n d- v n d i.— www— Anthroposophie unö Zahnweh. Don Dr. Otto Koester. Als ich kürzlich wieder einmal beim Zahnarzt meine Schmerzen, ! Änen nicht mehr reparablen Backzahn sowie etliche blaue Scheine c losgeworden war, sah ich auf dem Heimwege im. Schaufenster einer : Buchhandlung ein blaues Heft nusliegen, dessen Titel mich anzog. f»lieber die Zahnkaries oder Zahnfäule mit Beziehung auf die Ergebnisse der Geistcsforschung Dr. Ru» dolf Steiners." Verfaßt war die Schrift von Dr. med. et med. dem. b. c. Ookar R S m o r, Direktor nm zahnärztlichen Institut der Universttät Leipzig Für die.Geistesforschung" Steiners Interessiere ich mich— aus bestimmten Gründen— schon lange: und der unge- mein umfangreiche und verzwickte Titel des Autors imponierte mir mächtig. Also ich erstand da» Büchlein, in der Hoffnung, dadurch endlich zu erfahren, warum gerade ich vom Schicksal mit dieser ver- wünschten Anlage zur Karies geschlagen wurde. Erbliche Belastung � lag nicht vor, und in der Zahnpflege war ich mir keiner Schuld be» > wüßt. Dielleicht war es die Strafe für irgendwelche Sünden, die ! man in einem früheren Leben begangen hatte? Vielleicht war ich j in einer früheren Daseinsform ein Raufbold und habe mal jemandem, der mir zu nahe trat, ein paar Zähne eingeschlagen, statt ihm, wie sich das unter Kulturmenschen gehört, einen Sekundanten zu schicken und ein? Kugel in den Bauch zu schießen? Vielleicht galt auch nach Steiner und seiner Seelenwanderungslehre das alttefta- mentarische„Auge um Auge, Zahn um Zahn"? Ueber das alles hoffte Ich in der Schrift des Profestors Aufschluß zu finden. Ich fand ihn. Und seitdem beneide Ich niemanden mehr um sein gesundes Gebiß. Seitdem bin Ich mlt dem Schicksal vollkommen ausgesöhnt. Seitdem sehe ich geradezu mit froher Spannung dem i- Zeitpunkt entgegen, zu dem ich wieder einmal den Marterstuhl des Zahnarztes werde besteigen müssen. Und zugleich beginne ich zu verstehen, warum so viel« Menschen in der Anthroposophie Steiners ' ein trostspcndendcs Evangelium erblicken. Di»„Ehristian Science" der Mrs. Eddy hat ja gewiß auch manches für sich. Aber wenn ich ' vor Zahnweh auf die Akazien klettern möchte und es kommt jemand und sagt nur im Postorentcn, ich hätte ja in Wirklichkeit gar keine Schmerzen, das sei nur Selbsttäuschung und rühre von meinem Irrglauben an die„Materie" her: so würde das voraussichtlich keinen sehr tiefen Eindruck auf mich machen. Ganz anders die Steinerschc Methode. Sie lehrt nicht, dah ein hohler Zahn eigentlich gar nicht hohl sei. Sie behauptet auch nicht, daß er»ine Vergeltungsmaßnahme für früher« Sünden bedeute. Sie ist durchaus originell und zugleich ungemein trostreich. Zu Nutz j und Erbauung aller Zahnleidsnsgenosten will ich sie an Hand der Schrift des Professors hier kurz wiedergeben: Also: die Zähne sind nach Steiner nicht nur ordinäre Kauwerk- , zeug«, sondern üben zugleich»in«»sehr seine vergeistigt» Saug-
Kopfarbeiter aller Völker erfolgen kann. Ihre Mitarbeit ist heut« gefährdet, weil ihr« Lebenshaltung in vielen, besonders in den vaiutaschwachen Ländern, außerordentlich herabgedrückt ist, vor allem aber, weil große Teile der Welt von langandauernder Arbeitslosigkeit betroffen, andere von ihr bedroht sind. Diese Folge der Weltkrise vermindert Produktion und Konsum- kraft und verschärft und verlängert dadurch die Krise selbst. Wenn hier auch endgültig erst die Wiederherstellung des finanziellen und wirtschaftlichen Gleichgewichts zwischen den Böstern Abhilfe bringen kann, so sollen doch in der Zwischenzeit d>« Nationen alle ge- eigneten Mittel anwenden, um den sazialeu Lebenistand, die LeistungssShigteit und Arbeitsfreudigkeit zu erhalten. Zu diesem Zweck empfiehlt die Konserenz allen Nationen: »1. Beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit muh der Gedanke der wirtschaftlichen Auswertung aller vorhandenen Arbeitskräfte voranstehen. ») Die vorhandene Arbeitsgelegenheit ist im Wege einer ratio» pellen Arbeitsvermittlung bis zum irgendmög- iichen Maße auszunutzen. Beim Ausglesch von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt werden die Länder km Rah- men des Möglichen«inander entgegenkommen. h) Die öffentlichen Arbeiten sind, wo es mözilch ist, für die Zwecke derArbestslosenfürsorge auszunutzen und den zeitlichen und örtlichen Bedürsmjsen des Ardeitsmarktes anzupassen. c) Die Mittel der Erwerbslosensürsorgc sind in wachsendem Maße für die Bereitstellung neuer wirtschaftlich wertvoller Arbeiten zu verwenden(produktive Erwerbslosensür- sorge) und dadurch Produktion und Konsumkraft zu steigern. 2. Durch Vermittlung des Internationalen Arbeits- a m t e s sollen die Erfahrungen, die in den einzelnen Ländern gemacht werden, ausgetauscht und nach Möglichkeit wechselseitig nutzbar ge- macht werden. Bei dieser Gelegenheit sollen in internatio- naler Zusammenarbeit die tieferen Gründe der Arbeits- losigkeit erforscht und soll insbesondere den Rückwirkungen des Währungsproblems auf die Entwicklung des Arbeits- Marktes besondere Aufmerksamkeit zugewendet werden." Die deutsche Delegation ist die einzige, die derartig weitgehende sozialpolitische Borschläge in der Wirtschaftskommlssion eingebracht hat. vke �in- unö Ausfuhrverbote. Genna. 24. April. (EP) Die vom Unterausschuß der Wirt- schaftskoinnüssion gegen die Ein- und Ausfuhroerbote angenommene Formel als Ersatz für Artikel 4S und 49 des Memorandums von London hat folgenden Wortlaut: 1. Welches auch die Trogweite der Gründe wirtschaftlicher und finanzieller Natur sind, die einige Staaten unter außergewöhnlichen Umständen geltend niachen, um»in Ein- und Ausfuhrverbat ein- zuführen, wird auf der Konferenz anerkannt, daß diese Maßnahme zu den ernstesten Hindernissen gehöre. Es sollte folglich nicht unterlassen werden, sie möglichst rasch aus das nötige Mindest- maß herabzusetzen. 2. Es sind Ausnahmen für diese Grundsätze vorgesehen,' besonders für Monopolwaren oder wenn dle Landesinteressen einer Nation zu wahren sind, wenn der Gesundheitszustand, die Sittlichkeit oder die ösfentliche Sicherheit es verlangen oder wenn es sich darum handelt, Tiere und Pflanzen vor Seuchen zu schützen. Welches auch immer die Gründe seien, so hindern die Ein- und Ausfuhroerbote des prohibitioen Systems derart den internationalen Handel, dah es ratsam wäre, ans die Schwierigkeiten für die Erbringung von Aus- nahmebewilligungen möglichst durch Verfügung hinzuweisen, damit die Handelsleute gleich im voraus die Bedingungen kennen, unter denen die Bewilligungen erreicht werden können. 3. Folglich wird beschlossen, anzuerkennen, daß im Falle der Gewährung von Auenahmebewilligungen die Bedingungen, die zu ihrer Erlangung führen, in klarer Weise verösfentltcht werden wüsten. Das Regime der Bewilligungen sollte möglichst ein» fach und ständig sein, damit die Gesuche auf Bewilligung von den zuständigen Organen und Behörden so rasch wie möglich er, ledigt werden.
Wirkung" aus,„die nicht ins Bewußtsein des Menschen hinaufdringt". Sie saugen nämlich, solange sie können, Fluor ein, ein chemisches Clement, das die menschliche Natur für verschiedene Zwecke braucht. Einen ganz besonderen Zweck dieses Saugens hat nun Stelner „intuitiv" entdeckt: ohne Zufuhr von Fluor würde nämlich der Mensch nach Steiner— zu gescheit werden. Er bekommt dann eine Gescheitheit, die ihn fast vernichtet. Der Mensch wird durch die Fluorwirkung gewissermaßen auf das richtige Maß von Dummheit, oder wir können auch sagen: aus das richtige Maß von Intelligenz, wie wir sie im Leben schon einmal brauchen, damit wir Menschen sind, herabgestimmt." Und die Karies? Das ist nun ein ganz oberschlaner Trick der Natur. Die Karies , lieber Leser, verhindert wiederum, dah deine Zähne zuviel Fluor ein- saugen und daß du z u dumm wirst.„Frühes Schadhqftwerden der Zähne, wie es durch die Karies hervorgerufen wird, deutet darauf hin, daß sich der Mensch gegen eine zu starke Beeinträchtigung seiner Intelligenz, gegen ein zu starkes Dummwerden gewistermahcn unbe» wüßt mehrt." So zu lesen auf Seite 8 der genannten Schrift. Und wer das Ganze etwa für einen verspäteten Aprilscherz meinerseits halten sollte, für den setze ich auch noch Verlag, Ort und Jahr des Erschoi- nnes dieses außerordentlich lehrreichen Dokuments heutiger Geistes. tultur hierher: Der Kommende Tag A.-G. Verlag, Stuttgart 1921. Zum Schluß noch eine Frage, auf die vielleicht jemand aus dem Leserkreis des„Vorwärts" Antwort weiß, Giuseppe Balsama, be- rühmt unter dem Namen Graf Eagliostro als einer der größten Schwindelprophcten aller Zeiten, der die sogenannte gute Gesellschaft des damaligen, vor der französischen Revolution stehenden Europa jahrzehntelang an der Nase führte, ließ auf einer Anhöhe bei Basel ein Gebäude errichten, in dem, wie 5)enne am Rhyn in seiner Kultur- geschieht« des deutschen Volkes erwähnt,„verdiente Männer unter Gebet und allerlei Experimenten die Unsterblichkeit sollten erlangen können". Herr Dr. Rudolf Steiner hat bekanntlich ron den Millio« nenspenden seiner Gläubigen in Dornach bei Basel gleichfalls einen Bau aufführen lasten, der für seine Gemeinde eine ähnlich« Beben- tung hat wie der Tempel zu Jerusalem für die alten Juden: das „Goetheanum ". Schon der Umstand entbehrt nicht eines gewissen Reizes, daß der Dichter der— freilich etwas verunglückten— Cagliostro-Kvmödie„Der Großkophta"(der 1781 an Lavatcr schrieb: «Glaube mir, unsere moralische und politische Welt ist mit unter- irdischen Gängen, Kellern und Kloaken unterminiert") seinen Namen für den anthroposophischen Tempel des Herrn Steiner hergeben mußte. Noch reizvoller fände ich es festzustellen, ob vielleicht dieses „Goetheanum " an derselben Stelle errichtet ist. auf der einstmals der Bau des Grafen Eagliostro stand. Weiß jemand näheres darüber?
Da,„schäbige Berlin ". Während die„Daily Mai!" in ihren Schilderungen aus Berlin dem englischen Publikum so oft zeigen
Kenworthp über Genua . Weiterverhandeln auch ohne Frankreich . Eines der bekanntesten Mitglieder der Oppositionsliberaken Partei im englischen Unterhause, Kenworth y, weilt auf der Durchreise von Genua gegenwärtig in Berlin . Er nahm gestern Beranlassung, einigen Pressevertretern seine E i n- drücke aus Genua und sein Urteil über die gegen- wärtige Lage mitzuteilen. Er hat in Genua mit Bertrerern aller Rationen gesprochen und glaubt deshalb besonders in der glücklichen Lage zu sein, die Stimmung richtig zu be- urteilen. Zunächst erklärt Kenworthy, daß in England, außer der engeren Gefolgschaft von Lloyd George , niemand vorhanden sei, der etwas Großes von Genua erwarte. Zwei Dinge sind nach seiner Meinung notwendig, um Eni europäischen Handel wieder aufzu- richten. Zunächst sei es notwendig, den Frieden von Der- sallles namentlich hinsichtlich der Reparationen neuzugestalten, damit Deutschland leben kann. Sodann muß Rußland im europäischen Konzert eine Stimme haben und' als gleichbsrcchtiges Mitglied in der europäischen Gemeinschaft gelten. Lloyd George ging nach Genua von zwei Seiten ge- fesselt: einmal durch die Franzosen in bezug auf Deutsch- land, zum anderen durch die englischen Konservativen in bezug aus die russische Frage. Kenworthy hat in Genua ge- funden, daß ein gemeinsamer Boden für die Beratungen der Völker nicht vorhanden ist. Das gilt nicht nur für die Verhaiidluiigsgegen- stände, sondern auch für den Vcrhandlungsort. Im Gegensatz zu Genf sei Genua kein Platz für derartige Konferenzen. Die Delegationen sind räumlich weit von einander getrennt, so daß die Russen gar 39 Kilometer außerhalb wohnen müssen. Das schlimmste aber sei, daß sich sofort Cliquen gebildet haben, und zwar sei der Anfang von Ententescite gemacht worden mit ihrer Sachverständigenkonserenz in London . Auch die Neutralen haben unter Führung von Spanien eine Sonderzrupxe gebildet. Es gibt wohl ein Plenum der Konserenz, in dem die Delegierten aller Nationen zusammenkommen können. Aber das sei nur Theater! Die wirklichen Verhandlungen gehen in Kam- mlsstonen und noch mehr in Sonderbesprechungen vor sich. Hauptsääilich geschieht diese Arbeit in der Dills von Lloyd George in Privatunterhaltungen, wobei alle Staaten außer Deutschland und Rußland vertreten sind. Unter solchen UmstfiiMen konnte man nicht überrascht sein, daß Deutschland und Rußland zu» sammengckommen sind und sich geeinigt haben. Die deutsche JMe- gation hat wegen des Abschlusses dieses Vertrages nicht nur in Genua , sondern auch daheim Kritik erfahren. Kenworthy hält dies« Kritik für unberechtigt. Nach seiner Ansicht hoben die Deutschen und Russen nur ehrlich gehandelt, als sie den Vertrag nach Ab- fchluh auch sofort veröffentlichten. Des fei ganz nach dem Rezept der Politik Woodrow Wilsons gcandelt, dl»'n England seinerzeit so freudig begrüßt wurde, und die auch heute noch die Politik der englischen Oppositionsliberalen und der sehr starken Arbeiterpartei sei.„In England hassen wir die Geheim- d i p l o m a t i e, und wenn die Aufregung sich gelegt haben wird, wird diese Politik allseitig gutgeheißen werden." Ein paar Wochen vor Genua haben Polen und die baltischen Staaten Sowjetrußland anerkannt, und niemand hat sich darum ge- kümmert. Den deutsch -russischen Vertrag selbst hält Kenworthy für eine sehr rernünflige Abmachung. Für England würde sie allerdings nicht pasten, schon weil Rußland an England viel mehr Geld schulde. Kenworthy hält auch ein Abkommen zwischen Ruß, land und England für durchaus nötig und möglich. Vorbe» dingnng fei dazu allerdings die Anerkennung der Vorkriegsschulden, die etwas ganz anderes darstellen, als die während des Kriege» aufgenommenen Schulden. Nach seiner Meinung ist die Re- volutionsperiode vorüber und das kapitalistische System bestehe noch. Man müsse also damit rechnen. Um Rußland aufzubauen, sei ein erheblicher internationaler Kredit notwendig, der ohne Aneriennung der Borkriegsschulden nicht gewährt werden würde.
will, daß wir Deutschen in Hülle und Fülle leben und unsere Ar- mut nur„gemacht" ist, kommt koch ab und zu auch einmal die Wahrheit zum Vorsdzcin, So erzählt den Engländern, die sonst nur von dem Luxusleben in den großen Hotels nind der Belebtheit der � öffentlichen Lokal« unterhalten werden, plötzlich eine Dame Louis« Arnold, daß Berlin „schäbig" geworden ist und hungrig aus- sieht.„Die Leute sind ärmlich, wenn auch sauber gekleidet, schrelbt sie.„Selbst die am besten gekleideten deutschen Frauen tragen Kleider aus schlechten Stoffen, die nur prunkvoll aussehen. Schöne Pelze sind selten, mit Ausnahme der von den Fremden getragenen. Einst war der Stolz von Berlin , daß es keine Bettler in den Straßen gab. Heute zeigen Unter den Linden , in der Friedrich» straße und den anderen Hauptstraßen viele Kriegevcrletzte ihre ver- stümmelten Glieder und Wunden. Die Sauberkeit der Straßen wurde einst von den Berlinern hoch gerühmt-, heute liegt der Schmutz dick auf den Straßen. Die meisten der modernen Gebäude kieser häßlichen Stadt befinden sich in einem fortgeschrittenen Zu- stände des Verfalls. Alle die Hotels, Läden, ösfentlichen Gebäude und Privathäuser, die ich gesehen habe, hätten die Reparatur drin- gcnd notwendig. Selbst das Luxushotel, in dem ich schreibe und das vor dem Krieg zu den elegantesten Europas gehörte, ist schäbig, schmutzig und verfallen." Die scheinbar glänzende Außenseite in manchen Gegenden Berlins , meint die Beobachterin, rühre nur von den vielen Fremden her, die sich mit ihrem Gelde alle, leisten können: wie der Deutsch « mit setner entwerteten Mark lebt, sei ein Geheimnis. Alle erstklassigen Erzeugnisse würden von Deutschland für die Ausfuhr aufbewahrt, und der Deutsche felbst bekomme nur den Abfall.... B. Der dculsch-rnssifchs Lultverkehr. Die„Iswestija" beschäftigt sich mit der im Mai bevorstehenden Eröffnung des Luftverkehrs zwischen Deutschland und Rußland . In der deutsch -rufsischen Ge- sellschaft für Luftverbindnng tritt russilcherseits als Teilnehmer die Regierung auf, deutscherseits die(Gesellschaft Aero-Union, an der be- deutende Firmen, wie AEG., Hooag, Zepvelin-Flugzeugbau- und Metallwerke beteiligt sind. Ihr Grundkapital ist auf rund fünf Millionen Mark festgesetzt. Die Flugzeuge bilden das Eigentum der Sowjetreaieruua, dagegen übernimmt die Gesellschaft die Fracht- Unkosten. Für das Ueberflieaen der Territorien Lettlands und Litauens Ist noch das Einverständnis dieser Regierungen erforder- sich. Zum Zwecke der Vostzustellung von Berlin noch Moskau im Laufe eines Tages(an Stelle von jetzt vier bis fünf Tagend ist ein« gemisckite Beförderuna vorgesehen. Aus Berlin wird die Post mit dem Nachtzuge nach Königsberg befördert, wo sie früh morgen» auf das Flugzeug verladen wird. Das Flugzeug bringt, obne zu landen, beispielsweise über Kowno und Dwinlk die Post nacb Wstebsk, wo ein Wechsel der Moschinen erfolot. Am Abend trisit die Vost In Moskau ein. In umgekehrter Richtung gebt die Post aus Moskau nach Königsberg morgens früh mit dem Flugzeug ab und wird dann von Königsberg aus mit dem Abendschnellzug nach Berlin befördert. Ein rheinisches Dolkklbeaier. Nach lanqen Vorber-ütiingsn ist in Köln unter dem Namen„Rheinisches VolkstKeoter" die Gründung einer G. m. b. H. zustande gekommen, die im Theaterleben Kölns eine Rolle zu spielen berufen ist. Der B'ihnenvolksbund und eine neu gegründete Freie Bolksbühne, deren Mitglieder sich wohl
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