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Nr. 214 39.Jahrgang Ausgabe A nr. 107

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Sonntag, den 7. Mai 1922

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Besprechung Barthou- Lloyd George. Lloyd George   am Scheidewege.

Von der ersten Stunde der Genua  - Ronferenz an und seit­dem in immer stärkerem Maße hat man den Eindruck ge­Genua, 6. Mai.  ( Spezialbericht des WTB.) Barthou Lloyd George  , der schon mehrfach telephonisch um balbiges Er wonnen, daß dieses historische Ereignis zum guten Teil eine hatte heute nachmittag eine Unterredung mit Schanzer. Hierauf scheinen Barthous bei dem französischen   Delegations  - Sekretariat persönliche Angelegenheit des britischen Premierministers begab er sich nach der Villa Alberti, wo er von 5 bis 7 Uhr hatte bitten laffen. Nach französischen   Bersionen soll auch die Aus. Lloyd George   ist. Wie er schon in der Eröffnungsfizung jene mit Lloyd George   fonferierte. Barthou   führte, wie von sprache mit Lloyd George   in aller Freundschaft verlaufen fein. Das Versammlung der führenden Staatsmänner von 36 euro­englischer Seite mitgeteilt wird, aus, er habe bei seiner ändert jedoch nichts daran, daß der englische   Ministerpräsident von päischen Staaten sichtlich beherrschte, so hängt noch heute und Ankunft in Paris   die öffentliche Meinung sehr besorgt gefunden Wandlungen Barthous gesprochen hat und das den Russen mehr denn je das weitere Schicksal der Konferenz von seinem den durch den russisch- deutschen Vertrag und durch die Schwie überreichte Memorandum für una bänderlich erflärte. Willen ab. Und dieser Wille hat sich während dieser ersten sigteiten, die sich infolge der Nichtunterzeichnung des Memo- Barthou, der u. a. Frankreichs   Erregung über den deutsch  - vier Wochen deutlich dahin kundgetan, daß er einen Erfolg randums an Rußland   durch Belgien   ergeben hätten. Die russischen Vertrag in die Debatte warf, gab zu, daß die Zurüd der Konferenz fast um jeden Preis zu erzielen sucht. Wenn Stellungnahme der französischen   Regierung werde durch die ziehung des Memorandums nach der erfolgten Uebergabe unmög er bei jeder Gelegenheit betont, daß von dem Gelingen der Haltung der Belgier und durch die Auffassung der franzöfi- lich ist und legte andererseits Gewicht auf die Feststellung, daß Konferenz die Geschide Europas   abhängen, so werden schen öffentlichen Meinung beeinflußt. Er sei mit den In Frankreich   Belgien   in seiner Auffaffung nicht verlassen werde. Da Skeptiker vielleicht erwidern, daß vor allem das Schicksal struktionen seiner Regierung zurückgekommen, wonach Frank- fein Ausweg gefunden wurde, der zu einer Lösung der Angelegenheit Lloyd Georges selber als des gegenwärtig führenden, aber reich dem russischen Memorandum nicht zustimmen fönne, führte, einigten sich. Lloyd George   und Barthou   dahin, vorläufig von rechts und lints arg bebrohten englischen Staatsmannes wenn die Belgier nicht unterschreiben. Er glaube indeffen, abzuwarten und zunächst den Ruffen das Wort zu lassen. Mit von dem Ausgang der Genueser Tagung abhängt. In diesem daß es möglich sei, eine Formel zu finden, um die verschiedenen anderen Worten: England wird im Einverständnis mit Frankreich   bestimmten Falle aber ist die weitere Entwicklung Europas  Ansichten miteinander zu vereinigen. Abgesehen von der die bisher mit den Russen geführten Berhandlungen fortseßen eng mit der politischen Stellung dieses überragenden Mannes Frage des Artikels 7 des Memorandums feien Frankreichs   und eine Basis suchen, die sämtliche Alliierten sowie die russische verknüpft. Regierung und öffentliche Meinung der Konferenz durchaus Delegation an den Verhandlungstisch bringt. Die Erkenntnis, daß ein erfolgreicher Ausgang der günstig gesinnt. Man müsse die öffentliche Meinung Frant- Ob das gelingen wird, scheint sehr fragwürdig. Die Ruffen Genua  - Konferenz für Llond George eine Lebensfrage ist, hat reichs nicht nach den Artikeln beurteilen, die in gewissen entfalten gerade in der gegenwärtigen Situation eine eifrige Propa. allerdings dazu geführt, daß so ziemlich alle Konferenzteil­Beitungen veröffentlicht würden. Wenn er nicht persönlich ganda gegen das ganze Memorandum. Sie weisen u. a. nehmer die Geduld des englischen Staatsmannes auf überzeugt wäre, daß die öffentliche Meinung Frankreichs   der auf unzählige Telegramme" hin, die aus Rußland   eintreffen und immer härtere Proben stellen. Den Mut zur Unter­Konferenz günstig gesinnt sei, würde er nicht zurückgefom- die eine Richtunterzeichnung verlangen. Weiter suchen zeichnung des Rapallo  - Bertrages haben die deutschen  men sein. Er werde alles tun, um der Konferenz zu einem sie durch eine Zusammenstellung von Gutachten maßgebender Ber. Delegierten vielleicht nur aus der Ueberzeugung geschöpft, daß Erfolg zu verhelfen. Lloyd George   nahm diese Er- sönlichkeiten auf dem Gebiete des internationalen Rechts zu be- Lloyd George   es doch nicht deshalb auf eine Sprengung der Plärung zur Kenntnis und sagte, gegenwärtig sei die Lage weisen, daß eine Regierung, die durch eine Revolution zur Macht Konferenz ankommen lassen würde. Und nachdem sich diese folgende: Das Memorandum sei an die Russen abgeschicht gelangte, nicht verpflichtet ist, die Schulden ihrer Vorgängerin zu Annahme als richtig erwiesen hatte, haben sich verschiedene worden und jetzt müsse man die russische Antwort erst ab zahlen. Den Franzosen scheint ein Ausweg durch eine Aussprache Delegationen viel mehr herausgenommen, als sie es täten, warten. Vorher sei nichts weiter zu tun. Er erwähnte noch mit den Russen angenehm zu sein. Sie wehren sich jetzt auch nicht wenn nicht der Glaube so fest und allgemein wäre, daß Lloyd die Kommentare französischer Blätter über die Frage der gegen die deutsche Einmischung, die auf Wunsch Lloyd George   es doch nicht zum Bruch kommen lassen würde. Das Einberufung des Obersten Rates nach Genua  . Er habe Georges insofern erfolgte, als der englische   Ministerpräsident die gilt besonders für die Russen. Sie haben die Taktik des nichts derartiges angeregt, sondern lediglich gesagt, daß es deutsche Delegation bat, die Ruffen zu einer vernünftigen Haltung langsamen Gebens und schnellen zurücknehmens, die Sir sehr zweckmäßig sein würde, eine Unterredung zwischen den zu veranlassen. Edward Grigg   einmal ärgerlich mit dem Feilschen eines Unterzeichnern des Versailler Vertrages   in Genua   zu veran= Teppichhändlers aus Kleinasien   verglich, so weit getrieben, daß stalten. Barthou   erwiderte, die französische   Regierung man bereits wiederholt das Auseinandergehen der Konferenz habe diese Anregung vollkommen verstanden. In der fran­für unvermeidbar hielt. Es stellte sich aber heraus, daß Lloyd zösischen Presse sei der Ausdruck Oberster Rat" nur irrtümlich George sich durch feinen dieser Zwischenfälle aus seiner Ruhe gebraucht worden. Hierauf fragte Lloyd George  , wel bringen ließ und stets mit spielender Leichtigkeit einen raschen ches die Ansichten der französischen   Regierung in dieser Frage und sicheren Ausweg aus den kritischesten Situationen ersann. seien. Barthou   erwiderte, er habe bereits Schanzer mit­Deshalb ist heute feine noch so drohende neue Krise", wenn geteilt, daß die französische   Regierung fich einer Besprechung fie russischerseits heraufbeschworen wird, allzu tragisch zu der Frage vor dem 31. Mai widersete. Außer Schanzer nehmen: man weiß, daß Lloyd George   alles doch wieder gut­und Barthou hat Lloyd George   heute feinen fremden Staats­zumachen verstehen wird. mann empfangen.

Alles in allem: Man ist heute bezüglich des russischen Problems genau so weit wie vor drei Wochen uns tann nur er wünscht sein, daß man sich bald zusammenfindet und zu einer Eini­gung tommt, denn ohne Einigung wird es schwer halten, die für Deutschland   wichtigen Probleme, wenn auch nicht zu entscheiden, so doch noch in Genua   zu erörtern.

Die neutralen Mächte machen Vermittlungsvorschläge. Polen   hat ein Schreiben an de Facta gerichtet, worin gebeten wird, falls nur noch die Frage der Anleihe Schwierigkeiten mache, eine besondere Kommission einzusehen, der auch ruffische Sachverständige angehören sollen.

Am meisten spekulieren jedoch die Franzosen auf die Geduld des englischen Premierministers und auf seinen festen Entschluß, die Konferenz zum guten Ende zu führen. Damit haben sie bereits vor den Deutschen  , vor dem Rapallo- Vertrag begonnen: schon in der ersten Sizung war es der von Barthou Dom Zaun gebrochene Zwischenfall mit Tschitscherin, der dieser Eindrud erweckte, gleich darauf war es der Borstoß des Finanz­belegierten Bicarbs, der die Ausschaltung Rußlands   und Deutschlands   aus der Reihe der Hauptdelegationen bezweckte; später der Barthou  - Brief an de Facta, durch den auf Befehl Poincarés der bereits beigelegte Rapallo  - Zwischenfall ge­

Aus dieser Meldung geht hervor, daß die, Weigerung Krise in der Reparationskommission? Poincarés, vor dem Ablauf der Deutschland   gesetzten Frist für seine Reparationsvorschläge mit den Alliierten zu reden, un Paris  , 6. Mai.  ( D2.) Die beiden englischen Mitglieder der bedingt ist und nicht mehr auf die Abwesenheit Mille Reparationskommiffion haben in London   um ihre Abberufung nach rands von Frankreich   gestützt wird. Der Präsident der Re- gesucht. Sie begründen ihr Gesuch mit formalen Beschwerden gegen publit ist inzwischen auch von seiner Afrifareise zurückgekehrt die Redigierung der letzten Beschlüsse der Reparationsfommiffion. und hat in Toulon   den Boden Frankreichs   wieder betreten. Mailand  , 6. Mai.  ( TU.) Ueber die Zusammenkunft Lloyd Ge­Einstweilen scheint in Genua   die Frage der Ausbeutung orges   mit Dr. Wirth und Dr. Rathenau verlautet in Genua   nach der faukasischen Betroleumfelder in den Vordergrund einer Meldung des Secolo", Lloyd George   habe Dr. Wirth gegenwaltsam wieder aufgerollt werden sollte; sodann die plötzliche zu treten. Besonders französische Vertreter find in Genua   zur über auf eine er absetzung der Reparationen angespielt und zurückziehung der Unterschrift Frankreichs   von dem inter­Wahrnehmung der Interessen der französischen   Besitzer fau- eine allgemeine Zusicherung auf weitherzige Auslegung des alliierten Memorandum an Rußland   durch Barrère, eben­kasischer Petroleum lager eingetroffen, auch von einem Bersailler Vertrages gegeben. Rathenau   habe mit Lloyd George   falls auf Befehl Boincarés, und zuletzt die feierliche Bestäti amerikanischen   Protest gegen Bauschalübergabe dieser Schäße über die Aufnahme einer Beltanleihe gesprochen, die zur Abtragung gung dieser Zurückziehung durch den französischen   Minister­an bestimmte( englisch  - italienische) Gruppen und von einer der Reparationen beitragen müßte. Genueser Konferenz für die Petroleumfrage wird ge= sprochen.

rat, die neuen Instruktionen an Barthou  , sich unbedingt mit Belgien   solidarisch zu erklären.

Reichspräsident und Saargebiet. Noch keine Lösung. Der Reichspräsident hat an den Bundestag des Saarvereins" Genua  , 6. Mai, 11 1hr nachts.( Sozialdemokratischer Barla- folgendes Begrüßungstelegramm gerichtet:" Der zweiten Tagung mentsdienst.) Der Ronflitt besteht fort, ohne auch nur die des Bundes Saarverein serde ich herzliche Grüße. Mit inniger geringsten Aenderungen erfahren zu haben. Man hat den ganzen Anteilnahme verfolge ich die Nöte und Leiden der Saargebiets­Tag über zwar eifrig verhandelt und beraten, aber alles 3 wed- bevölkerung, mit aufrichtiger Freude ihre Beweise unerschütterlichen rend sich Poincaré   nach wie vor anmaßt, die Haltung der Ios, denn Barthou   hat nach seiner Rückkehr eine neue Meinung Festhaltens am angestammten Vaterlande. Dem Bunde Saar­mitgebracht, die der fonfequenten Haltung der Engländer und verein und seinen Bestrebungen, die geistigen und fulturellen Be­Italiener entgegensteht. Bereits furz nach seinem Eintreffen ziehungen zu den Volksgenossen an der Saar   auch während der suchte er den belgischen Minister Jaspar auf, um nochmals das Zeit der Verwaltungstrennung zu pflegen, gelten meine völlige Einverständnis der beiden Regierungen zu konstatieren und besten Wünsche." dies darauf der Deffentlichkeit mitzuteilen. Ausgerechnet derselbe

Barthou, der vor seiner Abreise mit Lloyd George   und Schanzer Die Rheinlandkommission, die alle Vorträge über die Frage der ,, einig" war, hatte dieses Bedürfnis! Später machte der franzö- Schuld am Kriege verbietet, hat am 2. April die Presse des besetzten fische Delegationsführer einen Besuch bei Schanzer, der aus Gebietes, insbesondere die Kölnische Zeitung  " megen Er­seiner Auffassung über den Barthou von vorgestern und heute fein örterung der Schuldfrage verwarnt. Hehl gemacht hat, dennoch aber betonte, daß im Falle eines Scheie Wegen des Angriffs auf den belgischen Leutnant Bronne in terns der Einigungsbestrebungen doch gute Beziehungen zwischen Homberg ist als erste Maßnahme der Verkehr in Homberg nach Frankreich   und Italien   fortbestehen sollen. Ferner wies Schanzer 10 Uhr abends auf zehn Tage verboten worden. Auch in Krefeld  darauf hin, daß das Verlangen der Belgier und der nachträgliche und Neuß   müssen die Cafés und Unterhaltungsstätten um 10 Uhr Wunsch Frankreichs   der Canner Resolution zuwiderlaufe und abends schließen. daß man den Ruffen schon gestatten müsse, das Eigentumsrecht nach Der französische   Botschafter in Berlin   ist nach der Dena beauf freiem Ermessen einzurichten. Zum Schluß versicherte Schanzer, tragt worden, sich gegen die Beleidigung zu wenden, die man in den daß Italien   alles tun werde, um einen Ausweg zu finden, betonte offiziellen Anfündigungen einiger deutscher   Badeverwaltungen er aber auch ausdrücklich, daß dem unendliche Schwierigkeiten blidt, franzöfifche Kurgäste seien nicht erwünscht. Die franzö entgegenstehen. Erst nachdem Barthou   bei Jaspar und Schanzer fische Regierung behalte sich bei fernerer Duldung der Schmähungen sowie bei anderen Delegationen vorgesprochen hatte, fuhr er zu Gegenmaßnahmen vor.

Während aber die Sowjetdelegierten wenigstens bisher mit außerordentlicher Geschicklichkeit stets richtig erkannten, wie weit man den Bogen spannen darf, scheinen die Fran­zosen dafür das Gefühl längst verloren zu haben. Das liegt baran, daß den Russen in Genua   von ihren Moskauer   Auf­traggebern weiteste Bewegungsfreiheit gelassen wurde, wäh­französischen Vertreter von Paris   aus zu jeder Stunde zu diftieren. Die Atmosphäre aber, die in Baris herrscht, ist eine ganz andere als die in Genua  . Daher kommt es, daß der seit jeher übernationalistische Barthou  , der die Fortschritte der Selbstisolierung Frankreichs   gleich in den ersten Tagen in Genua   aus eigener Erfahrung zu spüren bekam und eine Alenderung des französischen   Kurses durchzusehen versuchte, in den für ihn ganz eigentümlichen Berruf der Schwäche und Mäßigung geriet, während Poincaré  , der überdies von der Tardieu- Gruppe immerfort aufgepeitscht wird, sich noch immer einbildet, daß Europa   nach den Wünschen des nationalen Blocks" regiert werden kann.

Der französische   Ministerpräsident übersieht nur die eine Tatsache, daß die öffentliche Meinung in den übrigen alliierten  Ländern wenn nicht sogar in Frankreich   selbst die Politik des nationalen Blodes" satt hat. Dies gilt be­sonders für Italien   und England. Und jeder dritte Satz aus dem Munde Lloyd Georges ist ein Hinweis auf die britische öffentliche Meinung. Es ist daher ein sehr gefährliches Spiel, das Poincaré   treibt, wenn er glaubt, daß auch er die Geduld seines englischen Kollegen auf jede Probe stellen kann.