Einzelbild herunterladen
 

der Wiedereröffnung der Bczirkskommandos erblickt. Wir können uns keine schönere Aufgabe für ein Volk denken als die, durch die Kraft seiner Arbeit und seines Geistes mehr zu gewinnen, als es durch blutigen Aberglauben an die Gewalt verlieren könnte. Was Deutschland verloren hat, hat es durch die M i l i t ä r- Monarchie verloren. Was es in der Welt an Freundschaft und Achtung wiedergewonnen hat, ohne die kein Volk leben kann, hat es durch die demokratische Republik ge- wonnen. Jeder soziale Fortschritt wird uns neue Sympathien zuführen aus den breiten Massen derer, die trotz alledem die Macht der Zukunft sind. Jeder Beweis unseres ehrlichen Strebens, dem Weltfrieden zu dienen, lockert unsere Ketten und läßt den Augenblick näher kommen, in dem sie fallen werden. Was haben unsere Gegner solchen Erfolgen und Aus- lichten entgegenzusetzen? Höchstens das Bild einer Zeit, in der wir noch einmal in Waffen klirrend über die Erde schreiten werden, um schließlich auf den Trümmern in Elend und Bar- barei zugrunde zu gehen! Männer, die uns von den Kanzeln solche Ideale predigen, haben vom Pfingstgeist des Christen- tums keinen Hauch verspürt. Desto lebendiger ist er in vielen, denen Glocken und Orgelklang fremd geworden sind und die heute unter blauem Himmel und grünen Bäumen ihre An- dacht feiern. So klar wie der Weg ihrer Wanderung liegt das Bild der Welt und das Ziel ihres geistigen Strebens vor ihnen, und in ihnen lebt die Kraft des lungen Werdens, des neuen Pfingstens.

deutschnationale verschwenöungssucht. Ter I3-Milliardcn-Prozcsi gegen den NcichöbahnsiskuS. Der teutsche Graf R e v e n t l o w hat im Wulle- Abendblatt die Nachricht verbreitet, daß gegen den Reichs- bahnfiskus in einem Haftpflichtfall ein Prozeß eines schwedi- fchen Kaufmanns Dr. von Kauffmann wegen einer Forde- rung von 12 Milliarden Mark in Aussicht stehe, weil der Reichsbahnftskus auf einen Vergleichsvorschlag in Höhe von 3 Millionen schwedischer Kronen(jetzt gleich 120 Millionen Mark!) nicht eingegangen sei, obwohl sein« Zahlungsverpflichtung bereits gerichtlich anerkannt sei. Reventlow verlangt, daß das Reich die 1�0 Millionen schleu­nigst auszahle, da sonst französische Interessenten, denen der Schwede seine weitergehenden Ansprüche abgetreten habe, die ganzen 12 Milliarden einklagen würden.. Diese Aufforderung zur Vergeudung deut» scher Reichsgelder muß man ausgerechnet in einem Blatte lesen, dessen Herausgeber Mitglied verdeutsch- nationalen Reichstagsfraktion ist! Dabei ist die ganze Sachdarstellung durchaus unrichtig. Dr. v. Kauffmann hat allerdings ein gerichtliches Urteil erstritten, wonach der Reichsbahnfiskus ihm allen Schaden ersetzen muß, der ihm infolge eines Eisenbahn unfallsimJahre1906(!) entstanden ist. Dieser Schaden muß aber bezüglich seiner . Höhe und seines ursächlichen Zusammenhanges mit dem Unfall im einzelnen nachgewiesen werden. Der von Dr. v. Kauffmann jetzt geltend gemachte Anspruch gründet sich auf die Behauptung, daß ihm durch den Unfall die Ber- wirklichung eines Börsenspekulationsgeschäftes in Minenaktien unmöglich geworden und ihm dadurch ein be- deutender Gewinn entgangen sei. Er beziffert seinen Schaden insgesamt auf etwa 8 Millionen Pfund Sterling. Durch die von ihm vorgelegten Schriftstücke kann aber der Beweis, daß er diesen Gewinn tatsächlich erzielt haben w ü r d e und ledig- lich infolge des Unfalles nicht verwirklichen konnte, in keiner Weife als geführt angesehen werden. Die Reichsbahnverwal- tung würde sich einer unverantwortlichen Pflichtwidrigkeit schuldig machen, wenn sie lediglich aus Angst vor dem ange- drohten Milliardenprozeß auch nur 120 000 Millionen ver- gleichsweise auf eine Forderung zahlen würde, die sie nach pflichtmäßiger Prüfung für völlig unbegründet hält. Sie hat deshalb, obwohl, wie die TU. zu melden weiß, auf»

pfingstflammen. Don Carl D a n tz. Jene wunderlichen Heiligen, die unter dem Brausen dos über sie ergossenen Geistes mit feurigen Zungen redeten, als ob sievoll süßen Weines" feien sie erfreuen sich seit unseren Kindertagen unserer halb zweifelnden, halb geringschätzigen Beurteilung. Be- wegen sie sich doch im Zusammenhang mit der schier, unabsehbaren Schar nicht weniger seltsamer Gestalten, die predigend, weissagend und Wunder wirkend über alle Seiten der Bibel ziehen. Und so, wie wir kein Derhältnis zu ihnen fanden, als wir Kinder waren und sie anbeten mußten, so stießen sie uns ab. als wir, als Erwachsene, sie in der Gesellschaft und im Munde derer wiederfanden, die uns und unserer Klasse feindlich gesonnen waren. Erzieher, Richter, Gesetz. gebcr und Herrscher waren gleich eifrig bemüht, diese biblischen Ge- stalten als Nothclfer aufzubieten, wenn es sich darum handelte, ihr« Klalsenansprüche zu begründen und die unseren zu entkräften. Wir hatten gar keinen Grund, diesen biblischen Kronzeugen gut zu sein. Seither ist manches anders geworden. Wir haben zum Haffen dos Lieben gelernt, das unerläßlich ist, um Menschen einer neuen Gemeinschaft zusammenzuschmieden. Wir haben zwischen den Zeilen jenes ehrwürdigen Buches und im Lichte unserer eigenen Geschichte- betrachtung in den verzückten Zungenrednern gequälte, ringende, hoflondc Itlassenkämpfer erkannt. Und es ist uns wie Schuppen von den Augen gefallen, als sie mit einem Male nicht mehr unsere strafenden Richter, sondern leidend« Brüder und Schwestern waren, Fleisch von unserem Fleisch und Geist von unserem Geist. Wir sahen die Quellen der Lehre, die das Christentum genannt wird, aus der Verzweiflung der wirtschaftlich und politisch Geknechteten hervor- sprudeln, crmaßen ihren Aufschrei, ihre Sehnsucht, ihre revolutio- näre Kraft. Wir fühlten, daß sie mit einem Schlage das Weltreich ergreifen mußte, das unter dem Ausbeutertum der römischen Cäsarenherrschaft alle Vorbedingungen dazu geschaffen hatte. Ja, wir standen in Erschütterung, als wir erkannten, daß die große, die einzige Antwort auf die Vergewaltigung aller Menschlichkeit im römischen Weltreich die Religion der Liebe war. Diese Frage drängt sich auf:» Wo ist die Kraft geblieben, die über Bande des Blutes, des Be- sitzes, des Voltes hinaus Menschen zu Menschen trieb und zusammen- schweißte? Wo die Begeisterung, die mit feurigen Zungen sprach und Todesmarter freudig ertrug? Rein, es war nicht mehr die alte Lehre, die von Katheder und Kanzel verkündigt wurde, und die als Staatsreligion ein Heer von Kirchenfürsten und-beamten in Saue und Braus leben ließ. Sonst hätte sie ja immer aufs neue die Massen ergreifen müssen, wie Flamme dürres Holz ergreift. Statt dessen ließ man das Schwert und Ströme vergosiencn Blutes gewaltsam Bahn schaffen, aber nicht mehr, um Arme und Geknechtete mit der Hcilslehre frei und reich zu

fallcnderweise zahlreiche prominente Persön­lichkeiten für Dr. v. Kauffmann eingetreten sind und den von ihm angebotenen Vergleich ohne ausreichende Kenntnis des Sachverhalts befürwortet haben, eine E n t s ch ä d i- gungfürentgangenenGewinnabgelehnt.fich aber wegen Ersatzes des wirklichen Schadens zu weiteren Bergleichsverhandlungen bereit erklärt. Daß die deutschnatio- nalenProminenten" ihr dabei in den Rücken fallen, ist auch nur ein Zeichen der Zeit. Man hätte nur mal das Geschrei hören mögen, das dieselben Deutschnationalen angestimmt hätten, wenn wirklich die 120 Millionen für entgangenen Börsengewinn anstandslos bezahlt worden wären! Jetzt find die Herrschaften freigebig auf Kosten des Reichs, das ohnehin schon infolge ihrer Kriegspolitit jetzt bis zum Weißbluten aus- gesogen wird._

Neichsrat und Staatsrat. Beide erschweren notwendige Gesetze. In seiner letzten Sitzung hat sich der Reichsrat, wie be- reits gemeldet, nochmals mit dem Gesetz über die Verwendung der Bsartegcldempfänger und dem Pensionskürzungs- g e s e tz befaßt. Die Mehrheit war der Ansicht, daß eine Möglichkeit zur Stellungnahme für den'Reichsrat gar nicht gegeben ist, wenn die Gesetze im Reichstag alsverfaffungs- ändernd" nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit gefunden haben. Die Gesetze sind somit vorläufig als gescheitert zu be­trachten. Wie wir erfahren, hat das Reichskabinett auf Grund dessen beschlossen, die Gesetze in ihrer jetzigen Fassung erneut als Vorlage im Reichstag einzubringen. Voraussichtlich wer- den sie vom Reichsrat wieder abgelehnt werden, im Reichstag aber diesmal die Zweidrittelmehrheit erhalten. Der Hauptmisfchuß des Preußischen Staatsrats trat am Sonnabend zu einer Sitzung zusammen, um sich aus» schließlich mit dem Gesetzentwurf der Errichtung eines Groß- kraftwerkes für die Provinz Hannover zu beschäftigen. Nach längerer Debatte kam er zu dem Ergebnis, dem Plenum die Erhebung des Einspruches vorzuschlagen. Das Plenum des Staatsrates wird nun in dieser Angelegenheit am kommenden Donnerstag zusammentreten. Sollte es dem Vorschlag des Ausschusses zustimmen und gleichfalls Einspruch erheben, so könnte das vom Landtag angenommene Gesetz nicht rechtskräftig werden, sondern müßte diesen noch einmal beschäftigen und dann eine Zweidrittelmehrheit finden, um Rechtskrast zu erlangen, andernfalls gilt es als ab­gelehnt._

Grenzmark und nciic£ondgemcmdmdnuna Aus der Grenzmark wird uns geschrieben: Mit der Vcröffent- lichung des Entwurf- für eine neue Stadt- und Gemoindeverfasiung tritt die Abnelgung der Landräte für eine Umgestaltung der länd- lichen Kornmunoloerwaltvng immer deutlicher in die Erscheinung. Diese meist nach unbeschränkter als im übrigen Preußenregie- renden" Beamten fürchten die Demokratisierung der Verwaltung deswegen, weil ein- Einbuße, ihrer bisherigen Machtstellung die unabwendbare Folge fein wird. Insbesondere der Z 13S, der die Auflösung der Gutsbezirke vorsieht, ist ihnen ein Dorn im Auge. Der geschlossene Besitz, im östlichen Deutschland bedeutend stärker vertreten wie im Westen, setzt heute schon alles daran, um unter den fadenscheinigsten Gründen die ländliche Bevölkerung für seine Zwecke dienstbar oder gefügig zu machen. Da nach dem Cnt- wurf für die Auflösung der Gutsbezirke die Initiative der Kreistage vorgesehen ist, wird es auch hier schwerer Kämpfe bedürfen, um diese Dunkelmänner in die Schranken zu weisen. Die Frage der L a n d b ü r g e r m e i st e r e i« n ist für die Grenzmark, besonders für den angehörenden Teil der früheren Pro- vinz Posen, tatsächlich sehr schwierig. Eine ländliche Selbstverwal- tung hat es dort bisher kaum dem Namen nach gegeben. Die De- meinden, im allgemeinen zu leistungsschwach, sind mit ihrem Wohl und Wehe auf den Kreis angewiesen und geraten dadurch in ein dem Landrat durchaus erwünschtes Abhängigkeitsverhältnis. Pa- riert die Gemeinde nicht, dann setzt die Hilfe des

machen, sondern um Freie und Reiche mit ihr in Fesseln zu schlagen und auszubeuten. So mancher suchende Anfang und Neuaufbau unserer Tage geht auf die Wcrdezeit des Christentums zurück und sucht noch Richtlinien im Gemeinschaftsleben der Urkommunisten. Wer mit geschichtlichem Klarblick in diese primitiven Zustände hineinsieht, wer vor allen Dingen nicht die Verwirklichung seiner gesellschaftlichen Ideale in der Vergangenheit sucht, der wird aus der Betrachtung der legenden- überwucherten Werdezeit zur Klärung und Erhebung schöpfen können. Mag das Christentum nur allzu bald zum Deckmantel für den römischen und frönkisch-germanischen Imperialismus geworden fein, seine ersten Verkünder stehen in ungetrübtem Glänze da. Eni- flammte Menschen waren sie, die alles für ihre Sache dahin- gaben, vor FreunL und Feind ihre Ueberzeugung vertraten, und deren überströmende Begeisterung die Legende in den feurigen Zungen ihrer Pfingstreden verewigt hat. Draußen flammt der heilige Geist der Pfingstsonne auf den ersten maigrllnen Blättern des Jahres in unzähligen feurigen Zungen. Ueber den Mauern und Höfen lastet der unaufhörlich wachsende Druck der Not, der Verarmung, der Berelendung. Möchten alle, die heute in Scharen hinausziehen, der Pfingstsonne entgegen, sich aufs neue für das herrliche Ziel der weltumspannenden Einheit entflammt fühlen, froh und gewiß in der Ueberzeugung, daß wir ihrem Kommen zuversichtlicher entgegensehen dürfen als die vcrzück- ten Schwärmer vor zweitausend Jahren!

Schwarz-Not-Gslö. Auf dem Dach des Bovaria-Hotels flatterte, weithin sichtbar, eine schwarzrotgoldene Fahne. Eines Tages erschienen beim Wirt einige Herren, die sich als die Delegation einer mächtigen Partei vorstellten und die sofortige Entfernung jener Flagge verlangten, die ihre heiligsten Empfindungen auf das tiefste verletze. Sollte ihrem Wunsch nicht Folge gegeben werden, dünn würden sie zur Selbst- Hilfe greifen. Der Hotelier forderte die Herren höflich, aber bestimmt auf, das Lokal sofort zu verlassen. Die Fahne der deutschen Revublit, fügte er hinzu, würde weiterhin auf seinem Hotel wehen, er bedauere nur, daß sie nicht größer sei. und im übrigen, sollte diemächtige Partei" ihre Drohungen wahrzumachen versuchen, dann würde so» fort genügend Polizei und Militär zur Stelle sein, um die Herr- schaften gebührend zu empfangen. Gewiß, ein tapferer Hotelier, wird sich der Leser denken: nur etwas zu vertrauensselig: rechnet auf deutsche Reichswehr , um die Reichsfarben zu schützen. Tapfer, aber wohl nicht recht gescheit.... Im übrigen, was soll uns diese Münchener Hakenkreuzgeschichte? Berzeihnng! Die Sache hat sich ja nicht in München abgespielt, sondern in Genua . Im Hoiel Bavaria war ein Teil der deutschen Delegation einquartiert. Die Ueberbringer des Ultimatums waren

Kreises aus. Diese ungünstigen Derhällnisse machen die Zu» sammenfassung mehrerer Gemeinden zu leistungsfähigen Verbänden besonders erwünscht. Wirkliche Selbstverwaltung ist nicht möglich, solange die Gemeinden durch ihr Abhängigkeitsverhältnis zum Kreise gebunden sind. Gewiß ist die Lösung der Kostensrage der Land- �bürgermeistereicn nicht leicht, und dieser Punkt wird auch immer wieder gegen dieselben ins Treffen geführt. Oft mit größerer Be- tonung, als es die Sachlage gerechtfertigt. Eine weitere Schwierigkeit, die Berwaltungsreform im Restteil der Provinz Posen durchzuführen, sind die heute noch amtierenden Distriktskommissare. Als Staatsbeamte, die früher aus politischen Gründen eingesetzt wurden, sind sie einmal Orts« Polizeibehörde innerhalb ihres Bereichs, dann aber auch sind sie Organe des Landrats, die Aufsichtsbefugnisie über die Landgemeinden ausüben. Außer ihrem Gehalt als Staatsbeamte beziehen sie Em- schädigungen aus Mitteln des Kreises. Diese vorsintflutlichen Ein- richtungen haben alsVerwaltungsorgaire" in der heutigen Zeit keine Existenzberechtigung mehr und müssen Im Interesse eines ein- heitlichen Aufbaues der gesamten Verwaltung durch die Landbürgcr- meistereien abgelöst werden. Nach fj 140 Abs. 1 kann durch Pro- vinzialgesetz die Zustäkidigkeit der Landbürgermeistereien für die Dauer eines zehn Jahre nicht übersteigenden Zeitraumes auf die VerOaltung der Ortspolizei und Ortsarmenpslege beschränkt bleiben. Hiernach muß die LaUdbürgermeisterei die Ortspolizeioerwaltuug für dauernd übernehmen. Die Distrikiskommisiare verlieren dann jede Berechtigung für ihre Betätigung. Diese wenigen Zeilen zeigen deutlich, wie außerordentlich wichtig die vorliegenden Entwürfe für die weitere Entwicklung zur Demo- kratie sind. Sie restlos durchzuführen, muß Aufgabe der Sozialde- mokratischen Partei sein, damit auch die Grenzmark Anteil an der Festigung der Republik nimmt und von innen heraus die Trüger der deutschen Kultur erwachsen. Die Steuern der �ohenzollern. Unsere Parteigenossen, die Abgeordneten Krüger- Merseburg und B r u n n e r, richten an die Rcichsregierung folgende Anfrage: Nach uns gewordenen Mitteilungen haben die Angehörigen des Hauses H o h e n z o l le r n bis zum heutigen Tage keineSteuern gezahlt. Die Steuerbehörden sollen unserem Vernehmen nach die Stundung der fälligen Steuern bewilligt haben, und zwar mit der Begründung, daß das Vermögen der Familie Hohen.zollern bejchlaz- nahmt worden ist. Nach detn geltenden Recht haben alle Steuer- Pflichtigen, unbekümmert der etwa eingelegten Berufung, ihre Steuern nach der erfolgten Einschätzung zu entrichten, so daß mit Recht davon gesprochen werden kann, daß den Angehörigen des Hauses Hohcnzollern ein Vorrecht eingeräumt ist. Durch die in den letzten Jahren eingetretene Geldentwertung muß sich ein ganz erheblicher materieller Vorteil für die Hohenzollern ergeben, wenn die rückständigen Steuern in der mittlerweile stark entwerteten Papiermark entrichtet werden. Wir fragen die Reichsregierung, ob sie erstens bereit ist, darauf hinzuwirken, daß die rückständigen Steuern von den Hoben- zollern schnellstens eingezogen werden und ob sie zweitens Maß- nahmen zu treffen gewillt ist, die den durch die Geldentwertung ein- getretenen Dorteil für die Hohenzollern wieder ausgleichen. Neues nationalistisches Dpnamktattentat. Zu den beiden bereit? gemeldeten Dynamitanschlägen der Ham­burger Nationalisten ist jetzt ein dritter gekommen. In der Nacht zum Sonnabend enldcckte, wie dieVosi. Ztg." meldet, zufällig ein Ordnungepolizist in der AdmiraliiätSstroße auf dem Fenster­rohmen der kommunisiilchen Buchhandlung von Heym einen Sprengkörper mit glimmender Zündschnur, die fast völlig ab* gebrannt war. Ter Beamte besaß die Geistesgegenwart, den Sprengkörper auf die Straße zu werfen, wo er auch unmittelbar darauf explodierte, ohne jedoch größeren Schaden anzurichwn. Tie sofort eingeleitete Untersuchung ergab, daß der Sprcnglörper mit Schwarzpulver gefüllt und anscheinend von dem Täler selbst an- gefertigt war. Die Ausrechterhaltung derRuhe, Ordnung und Sicherheit' durch die Herren RechlSradikalcn nimmt immer groteskere Formen an-

zwar auch Nationallsten, aber keine Deutschnationalcn, nicht einmal Auslandsdeutsche, sondern F a s c i st e n. Und das Militär, das für den Schutz der deutschen Farben gesorgt hätte, trug italienische Uniform. Ach so! Wann werden die Farben der deutschen Republik auf b a y e- rischem Boden unter der Obhut der deutschen Reichswehr ebenso sicher sein, wie sie es in Genua unter dem Schutz der italienischen Armee waren? Wann werden in Deutschland di« schwarz- rotgoldenen Farben die gleiche Achtung genießen wie im Auslände? D. Sch.

Mensch und Mode im 18. Jahrhundert. Aus Mannheim wird uns geschrieben: Es ist kein Zufall, daß nach dem Zusammen­bruch unserer Wirtschast, die uns zur Beschränkung jeglicher Art zwingt, wir uns umschauen in der Geschichte der Zeiten nach Erinne- rungen, die aus dem Grau des Alltags zu einer bunteren, farbigeren Erscheinung des Daseins erheben. Es Ist kein Zufall, daß wir nach der Vernicistung der sogenannten Kultur des 13. Jahrhunderts uns sehnen, diejenige Epoche wachzurufen, die zuletzt den schönheits- durstigen Menschen in seiner höchsten letzten Entwicklung zeigte. Dos Hutalter des Rokoko gibt uns diese Bilder, enthüllt noch einmal rmen Zeitgeist, der innerhalb einer, wenn auch eng beschränkten Ge- sellschastsschicht sich fast ein Paradies schuf, in weichem die Sinnes- freude zur höchsten Herrschaft gelangte. Die Städtische Kunst Halle Mannheim, oder besser gesagt ihr rühriger, stet» originell und zielbewußt arbeitender Leiter, Galeriedirektor Dr. Fritz W t ch e r t, hat uns aus diesem Gefühl heraus die AusstellungMensch und Made im 18. Jahrhundert" ge- schaffen, die verdient, in dem tollen Wirbel unserer von Wirtschasts- nöten und politischen Kämpfen geplagten Zeit, besonders beachtet zu werden. Wohl hat man in Museen schon Origiaalkostume jener Zeit gesehen, wohl hat man auch schon Kupferstich» dieser Epoche be- trachtet, aber selten ist der geistige Zusammenhang zwischen dem wirklichen Leben, das sich in Kostümen ausdrückt, so klar in die Er- scheinung getreten wie bei dieser Rtodeschau des 18. Jahrhunderts. Nicht nur dadurch, daß man die Entwicklung dxs Kostüms verfolgen konnte, sondern man bekommt durch vergleichende Betrachtung auch einen Begriff von der Körperlichkeit, von der Struktur der Menschen damaliger Zeit und staunt und erschrchickt fast über die Dekadenz der menschlichen Gestalt. Man fühlt, daß diese Meuschenert keine Fortsetzung mehr haben kannte, haben durste, daß neue Menschen, ein neuer Stand an ihre Stelle treten mußte Man empfindet, daß diese Welt fast im Bewußtsein des sicheren Unterganges noch einmal den ganzen Rausch eines auf höchst- innere und än�-re Vollendung gestellten Lebens genießen wollte. Darin liegt der Wert dieser eigen- artigen Atisstellung. Man verfolgt bei der geschickten Unterbrechung und Füllung der Ausstellungsräume durch alte Orizinalkupferstiche erster Meister eine Kultur, die nur den: Genuß in jeder Form hul- digt, ohne sich darüber Skrupel zu machen, daß er mit dem Hunger von Tausenden bezahlt sei. Es liegt in dieser Betrachtung und ihrer logischen Folgerung etwas vom Gefühl der Vergeltung, die uns Parallelen ziehen läßt zu den Ereignissen unserer Zeit. A. Lehmann.