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der schlimme Jcind. Von 21. G e r i s ch. Seit Jahrzehnten singen wir, ähnlich wie im Luther-Liede, von einem bösen Feind, dem unser tiefster Haß gilt.(Es ist nicht der Kapitalismus, nicht der Militarismus, nicht der Imperialismus, sondern eine bestimmte Beschaffenheit des menschlichen Geistes. Der U n v e r st a n d ist es, der sich in seinen Wirkungen als der schlimmste Feind der Menschheit erweist bei ihrem Bestreben, aus niederen Kulturstufen zu höheren aufzusteigen. Das Unvermögen, die Bor- gänge in der Welt richtig zu verstehen und aus ihnen die richtigen Schlüsse für das eigene Verhalten zu ziehen. Die Fähigkeit, die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind, und die von ihnen ausgehenden Wirkungen sicher festzustellen, hat sich die Menschheit aus ihrem Entwicklungsgange erst mühsam erwerben müssen, und sie ist heute noch in den Köpfen ungezählter Millionen erst in ihren 2lnfängen vorhanden. Und nicht nur das. Selbst geistig weit vorgeschrittene, gescheite Menschen besitzen auf einzelnen Gebieten keine Spur von ihr und phantasieren das Blaue vom Himmel herunter. Anderen wieder spielt bei ihrem ehAichen Bestreben, eine Sache objektiv zu erfassen, subjektive Voreingenommenheit, per- sönliches Empfinden oder Begehren böse Streiche. Das alles voll- zieht sich schon bei Vorgängen, die in ihren Ursachen und Aus- Wirkungen ziemlich einfach liegen. Handelt es sich gar, wie das bei unserem heutigen Kulturleben ununterbrochen der Fall ist, um komplizierte Vorgänge, bei denen die verschiedensten Ursachen und Wirkungen durcheinanderlaufen, dann hört bei vielen jedes Ver- ständnis auf, und sie laufen zu Kartenlegerinnen, Wahrsagern, in spiritistische und okkullistische Zirkel, um sich dort Aufschluß über die ihr unbegreiflichen Geschehnisse zu holen. An diesem betrüblich niederen Stand des Erkenntnisverfnögens bei den Volksmasien trägt unsere bisherige Schule die Haupt- schuld. In ihr wurde nicht nur die Verkrüppelung der Verstandes- kräfte planmäßig betrieben, sondern auch durch Einfügung des .Wunders" in den Gang der Dinge jede Erziehung zu der auf dem ursächlichen Zusammenhang aller Erscheinungen beruhenden Denk- Methode unmöglich gemocht. Noch recht gut erinnere ich mich der überlegenen Spöttereien der Berliner   über die einfältige bäuerliche Bevölkerung, die seinerzeit ihr Geld in die Dachauer Schwindelbank der Adele Spitzeder   trug. Aber es brauchen nur einige gerissene Burschen eine Dachauer Bank in moderner Aufmachung als Wettkonzern zu eröffnen, dann tragen auch von den klugen Berlinern Tausende im Laufschritt einem solchen Institut die Millionen zu. Doch wiegen solche Schäden federleicht gegen das unermeßliche Unheil, das entsteht, wenn in ihrer Art geniale Männer ganze Volksteile in trügerische Illusionen verstricken. Soweit in dem großen Trauerspiel, das wir gegenwärtig durch- leben, der Zerstückelung des sozialistisch gesinnten Proletariats in drei sich gegenseitig zerfleischende Parteien, nicht verächtliche Klopf- fechter und gewissenlose Demagogen chr Wesen treiben, dreht sich der ganze Streit einzig und allein um die Frage, ob man sich auf den Boden harter realer Tatsachen stellen und von ihnen aus ope- rieren, oder ob man sich in kühnem Schwünge in das Reich der Illusionen begeben soll. Wir von der alten Sozialdemokratischen Partei und der Zweiten Internationale waren und sind der Ueber- Zeugung, daß die neue kommende sozialistische Gesellschaft wachsen und sich entwickeln muß wie jeder andere Organismus. Lenin pnd feine Leute glaubten und glauben es allen gegenteiligen Er- fahrungen zum Trotze teilweise heute noch, sie dekretieren zu können, selbst auch nur von einer Minderheit des Volkes. Zu den vielen Sozialdemokraten, die sich von dem kommunistisch- bolschewistischen Jllustonstaumel mit fortreißen ließen, gehörte auch der frühere ungarische Unioersitätsprofesior Eugen V a r g a. Er wurde Volkskommissar und Präsident des Obersten Wirtschaftsrates der ungarischen Räterepublik. Jetzt schildert er in einem Buche die Erfahrungen, die er dabei machte. Sie sind erschütternd. Zu meiner oben gemachten Bemerkung, daß selbst Vorgänge, die in ihren Ursachen und Auswirkungen ziemlich einfach Negen, von großen Volksmassen vielfach nicht verstanden werden, liefert er einen er- greifenden Beleg. Die ungarischen Arbeiter waren in Masse dem Kommunismus zugeströmt in der bestimmten Erwartung einer so- fortigen umfassenden Verbesserung ihrer Lebenslage. Sie faulenzten
Iund sperrten den Mund auf, der gebratenen Tauben harrend, die ihnen nun zufliegen würden. Die allereinfachste Wahrheit,, daß ein Staat nicht mehr ausgeben kann als er hat, und daß auch eine sozialistisch organisierte Gesellschaft nicht mehr Güter verteilen kann, als produziert werden, vermochten sie schlechterdings nicht zu be- greifen. Wie Varga berichtet, bedurfte es erst unzähliger Reden und Artikel, um nur einer kleinen Oberschicht der Arbeiter diese Er- kenntnis teilweise beizubringen. Die große Masse der ungarischen Arbeiterschaft schwenkte sofort wieder von der Proletarierherrschaft ab, als sie sich in ihrer Erwartung gut leben bei wenig Arbeit getäuscht sah. Damit war auch das Schicksal der ungarischen Räte- republik besiegell. Auch aus Rußland  , wohin sich Varga ein halbes Jahr nach seiner Flucht aus Ungarn   begab, bringt er zahlreiche Beispiele dafür, wie es trotz größter 2lnstrengungen nicht gelang, mit den Arbeitern in ihrer gegenwärtigen geistigen Verfassung eine sozialistisch organisierte Produktion in Gang zu bringen und zu erhalten. Wenn man es nicht ohnehin schon wüßte, machten sie es begreiflich, daß die Bolschewisten ihre Wirtschaftsweise auf eine primitiv kapita- listische Form zurückrevidieren müssen. Durch die Ausführungen Barg« werden alle Bedenken, alle die guten Gründe, die wir im vornherein gegen die bolschewistische Methode geltend machten, restlos bestätigt. Sie enthalten freilich auch eine herbe Lehre für die Arbeiter aller Länder, die Soziali- sierungsfrage mehr noch als bisher schon unter dem Gesichtswinkel einer Erziehungs frage zu betrachten. Erziehung an sich selbst sowie des nachwachsenden Geschlechtes zu einem hochgsmuteten Gemeinschaftsgeist, ohne den eine sozialistische Gesellschaft glattweg unmöglich ist.-_. Weiter sollte kein sozialistisch gesinnter Arbeiter als Vater es dulden, daß in die Köpfe seinek Kinder ein Wust blöder Wunder- geschichten gestopft und ihnen damit die Fähigkeit zu scharfsinnigem Erkennen und folgerichtigem Denken getrübt, wenn nicht gar ganz geraubt wird. Heilige Pflicht der aufgeklärten Arbeiterschaft ist es, dafür zu sorgen, daß die von ihr errungenen Erkenntnisse nicht ver- loren, sondern als Vermächtnis und geistiges Rüstzeug auf den Nach- wuchs übergehen, um ihn geschickt zu den Kämpfen und Aufgaben zu machen, die seiner harren.
Zeitbetrachtun�. Zum Teufel gehl die alle Well, Alles wird aus den Kopf gestelll; . Bankkonto und Kredit erzittert, Der Stuhl unter unserem hintern gewittert. Indessen, wenn ich's recht befeh' Und das betrachte, was mir blieb Bon allem, was mir ehmals lieb: Mond in der Nacht, Wind aus dem See, Sommerwolken und Bäume, Und nachts die vortrefflichen Träum«, Regentage und Herbstmorgenfrost, Alte Städtchen in ihrem rotbraunen Rost, Trinkende Pferde, spielende Kinder, Bogel   im Baum und grasende Rinder Es ist noch alles da, Und das Fürchterliche, was in der Welt geschah. Gehl uns, offen gestanden, nicht so nah Wie die Sonne und der liebe Wind, Die zum Glück noch vorhanden sind. Wie gut, daß die alte Sonne noch scheint, Die Wolken schatten, der Regen weint, Und daß ich alter Kerl in meinem Sinn Roch immer ein Kind und voll Reugier auss Leben bin! _ Hermann Hesse.  vom pfingstausflug. Lekrachiungen eines Pessimisten. Der Pfingstausflügler fasse seine Pfingstausflüge, für die er natürlich seit langem sein Programm fertig hat(was ganz falsch ist), philosophisch" an. Wenn er sich als obersten Grundsatz, als Motto also für das liebliche Fest jenen alten Spruch fetzt:Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt", hat er schon viel gewonnen. Er hat es dann mit der größten Ruhe aufgenommen, wenn er z. B.
am Freitag vor Pfingsten eine zunehmende Bewölkung bemerkte und in der Zeitung unter den Wetternachrichten las: ein Tiefdruckgebiet zieht von Schottland   über Holland   heran. Er wird sich dann als Ersatz für die Freude des Ausfluges die Genugtuung verschaffen, daß das schlechte Wetter, das er vorausgeahnt hat, am Psingftsonntag prompt eingetroffen ist. Gesetzt den Fall, der Sieg über den Wettergott wäre gewonnen. Die Sonne brennt, daß sich die neuen Strohhüte für hundertzwanzig Mark verbiegen. Der Ausflügler verlange nun nicht getreue Ab- wicklung des Programms. Die Straßenbahner sind halt auch nur Menschen. Sie lassen dich einfach nicht hinein, wenn der Wagen überfüllt ist. Und er ist überfüllt. Damit kannst du bestimmt rech- nen trotz der neuen Fahrpreiserhöhung. Ergebe dich also von vorn- herein, daß du an der Haitestelle entweder eine Stunde wartest oder aber daß du am besten früh um fünf ins Straßenbahndepot wanderst und dort gleich einsteigst. Aber da klingt dir das liebliche Wort zum lieblichen Fest:Ausflugszüge der Staatsbahn". Natürlich. Du siehst im Vorpfingsttraum jene wundervoll gemütlichen breit aus- ladenden Wagen, vom Pfingstlüfterl durchweht: kühl, angenehm, mit weiten Aussichtsfenstern. Ich würde gleich raten, am ersten Feiertag sich den Betrieb erst in solchengemütlichen Ausflugszügen" anzusehen. Wer dann am zweiten Feiertag noch Lust hat, das Kühle und Angenehme" dieser Züge zu genießen(seinen besten Anzug wird er sich bestimmt nicht anziehen und ganz bestimmt keine Butterstullen in die Tasche des hellen Sommcranzugs stecken), wer dann noch wirklich Lust hat und sich nicht nur vor sich selber schämt, daß er seine lang gehegten Pfingstausflugsbeschlüsse nicht ausführt, der fahre getrost. Es kommt nicht mehr darauf an, daß ihm noch heißer wird. Er hat bestimmt unter der Hitze schon gelitten. Selbst aber wenn es weder regnet noch überheiß ist, nein, es sei ausgerechnet zu Pfingsten der idealste Frühlingstag seit Jahr- zehnten. Die Ueberfülle der Züge, überhaupt sämtlicher Fahrgeräte, steigert' sich natürlich proportional dem ideal schönen Wetter. Bis zu einer seit Jahrzehnten unerreichten Höhe und Stoßkraft. Nimm keinen Stock noch Schirm mit. Sie werden zerbrochen. Keinen Hut. Er fliegt vom Kopfe, wie es in dem Lindenbaumlied lautenrasender Wandervögelrudel heißt. Fahre allein. Du wirst bestimmt von deinen Reisekameraden, mit denen du dich seit langem natürlich auf das Vergnügen freust, getrennt. Ihr werdet nicht ein- mal in demselben Zug fahren. Der eine steigt in den fahrplan- mäßigen, der andere in einen Nachzug du lachst über ihn, denn dir sagte der Schaffner, du hättest den Vorzug, in einem Vorzug zu sitzen. Plötzlich siehst du, daß der Nachzug eher fährt als der Vorzug. Ja, das wäre hier der Borzug zum fahrplanmäßigen Zug, der in zwei Stunden abgeht. D. h. dieser Vorzug ginge schon zehn Minuten früher ab." Es wäre nun, wenn schon dieses Unglück geschehen ist, das Falscheste, sich über die Wartezeit zu ärgern. Ueber pfingstliche Geduld! Das zuletzt Geschilderte ist bestimmt der relativ günstigste Fall eines Pfingftausflüglers. Daß Strand und Wald und Cafe und letzte Kutscherkneipe bis auf den letzten Platz besetzt sind, ist klar. Doch dann ist der Ausflügler schon so ergeben, daß er sich freut, überhaupt atmen zu können. Dies wäre zu Haus zwar vom Fenster aus oder bei einem stillen Gang zu jener Seite der Stadt hinaus, die keineidyllischen Plätzchen" verspricht, auch möglich aber ist das ein regelrechter Pfingstausflug? Wohin mit der Vorfreude, wenn ich erst am Tage selber vielleicht auf eine zufällig leere Straßenbahn springe und unversehens in eine wirklich angenehme Gegend gelange, die die seligste Pfingststimmung atmet. Der Pfingstausflügler aus Prinzip wird unbedingt sagen: Das mag ja recht poetisch sein, aber ein richtiger Pfingstausflug ist das nicht. Dazu gehören zerquetschte Butterstullen, stundenlanges Warten auf Abgang des Zuges, Sonnenstich, Kein-Plätzchen-finden usw. Und dann muß man doch am nächsten Tag seinen Kollegen fragen können:Sie sind doch bestimmt gestern in C... gewesen? Nein!!? Es war herrlich. Nirgends kann es erquickender ge- wefen fein." Dies ist die Nachfreude, mindestens ebenso schön wie die Vorfreude. Aber was dazwischen liegt-- o liebliches Fest! Alfred Hein.  
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