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Prsteft üer Kasseler Arbeiter. Tcheidcmann wird sprechen. Lössel. 6. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Die Kasseler Presse verurteilt einmütig das Attentat auf Scheidemann . Auch das dcutschnationale Blatt, das bisher tagtäglich in der übelsten Art gegen Scheidemann hetzte, verurteist wie die Mehrheit der deutschnationalen Presse nach außen hin zu gegebener Zeit Katzenjammer zum Ausdruck bringt, wenn es zu spät ist den Uebersall und spricht die Hoffnung aus, daß man des Täters bald habhaft wird. Zum Protest ruht am Mittwoch nachmsttag von 12 bis 1 Uhr die Arbeit in sämtlichen Betrieben Kassels. Die Arbeiter verbleiben auf der Arbeitsstätte. Für 4 Uhr ist eine große Protestkundgebung angesagt, in der Landtags- abgeordneter Hausschildt sprechen wird. Danach werden die Arbeiter vor das Rathaus ziehen. Dort wird Scheide- mann sprechen. Ter Täter noch unentdcckt. Die Meldungen über die Nachforschung nach dem Täter lassen bisher leider nur erkennen, daß es noch nicht geglückt ist, seiner habhaft zu werden oder auch nur seine Person festzustellen. Die amtliche Untersuchung der gegen Scheidemann gespritzten Flüssig- teit hat ergeben, daß sie aus einer aufgelösten Blausäure bestand, deren Wirkung tödlich ist, wenn sie auch nur in ganz geringen Mengen eingeatmet wird. Genosse Scheidemann , der glück. lichcrweise das Gas nicht eingeatmet hat, ist wieder vollständig her- gestellt. Es ist auch nicht zu befürchten, daß gesundheitsschädliche Folgen zurückbleiben. Das rätselhafte Verschwinden des Täters zwingt unbedingt zu dem Schluß, daß auch dieses Attentat sehr sorgfältig vorbereitet und die Flucht des Täters von anderen PersLnen unterstützt wurde. Sckeiöemann als �ohenzollernretter. Während die Rechtspresse in Genossen Scheidemann den Mann sieht, der die Republik ausgerufen hat, fetzt die Freiheit" ihren Lesern auseinander, daß er nie an etwas anderes gedacht habe, als daran, die Monarchie zu retten. Und das hängt so zusammen: ImDemokratischen Wochenblatt" hat Graf B e r n st o r f f erzählt, Prinz Max, der ihn Ende Oktober 1918 nach Berlin berufen hatte, sei von der guten Absicht geleitet gewesen, den Hohenzollern den Thron zu retten: er habe die Abdankung des Kaisers und den Verzicht des Kronprinzen verlangt, damit der älteste Sohn des Krön- Prinzen zum Kaiser und er selbst zum Reichsverweser aus- gerufen werden könnte. Aber durch das Zögern Wilhelms II. fei dieser Plan vereitelt worden. Daraus nun, daß Scheidemann Staatssekretär im Kabi- nett des Prinzen war, schlußfolgert dieFreiheit" scharfsinnig, daß er gleichfalls nichts anderes wollte, als die Dynastie retten. Nun wird er sicher nicht ohne Mitwissen der Parteileitung gehandelt haben, also ist bewiesen, daß die SPD. nichts anderes als eine Leibgarde der Hohenzollern ge- wesen ist(und wahrscheinlich ist sie es noch!)Es bleibt", sagt dieFreiheit" wir zitieren wörtlich, damit niemand glaubt, es handle sich nur um einen Ulknur der Schluß übrig, daß die Sozialdemokratische Partei vor der Novemberrcvolu- tion mit dem Prinzen Max die Monarchie retten wollte. Da- her erklärt sich auch ihre Stellung gegen den 9. November und alle revolutionären Regungen des Proletariats während der Kriegszeit." Auf die Gefahr hin, daß dieFreiheit" daraus einGe- ständnis" macht, müssen wir erklären: Die Partei, und mit ihr Scheidemann , hat während des Kriegs und nach der Waffenstillstandsbitte der OHL. tatsächlich an nichts anderes als an die Rettung des deutschen Volkes gedacht. Ob dabei die Hohenzollern auf dem Thron sitzen blieben oder ob sie herunterfielen, war ihr zunächst ziemlich gleich-

gültig. Politische Einstellung auf die Verteidigung, Ver-l zicht auf alles blöde Annexionsgeschwätz, parlamentarische Demokratie im Innern, das hielt sie zur Rettung für notwendig, und das hat sie auch angestrebt. Sie hat zugleich dafür gesorgt, daß die Dolchstoß-Lüge eine Lüge blieb, was derFreiheit" heute auch ganz an- genehm ist. Die FrageRepublik oder Monarchie" blieb offen, solange nicht die Entscheidung im Süden gefallen war. Wurde der Norden Republik und blieb der Süden Man- archie, so drohte der Z e r s a l l des Reiches vor Abschluß des Friedens! 2lls der Süden republikanisch geworden, war die Bahn klar; jetzt war die Ausrufung der Reichsrepublik die gegebene Lösung, die dann auch prompt am 9. November durch Genossen Scheidemann erfolgte. Vielleicht begreift jetzt sogar dieFreiheit", daß die neue! Version, die Sozialdemokratische Partei habedie Monarchie retten wollen", eine ebenso große Albernheit ist wie die um- gekehrte: nämlich die Legende vomDolchstoß". Glückwünsche an Schelöemann. Kassel , 6. Juni. (WTB.) Im Laufe des gestrigen und heutigen Tages erhielt Oberbürgermeister Scheidemann zahlreiche Glück- wunschtelcgramme zum Mißlingen des Anschlags aus allen Teilen des Reiches und auch aus dem Ausland. Sie stammen zu einem erheblichen Teil von Privatpersonen, vielfach aber auch von Organisationen, Zeitu�sredaktionen und Behörden. Weiter gingen dem Oberbürgermeister aus der Stadt Blumenspenden in großer Zahl zu. Die Gpfer üer Arbeit. 9338 Tote, 591922 Verwundete, das ist die Jahresbilanz der reichsgesetzlichen Unfalloersicherung für das Jahr 1920, deren Rechnungscrgebnisfe jetzt in denAmtlichen Nachrichten des Reichsvcrsicherungsamtes" veröffentlicht werden. Da- bei muß das Jahr 1929 noch als verhältnismäßig günstig bezeichnet werden. Die Zahl der Versicherten, also der in vcrsicherungspflich- tigen Betrieben Beschäftigten, hat sich wieder erheblich erhöht und gleichzeitig hat sich die Unfallhäusigkcit vermindert, aber gleichwohl enthüllen die trockenen Zahlen des Berichtes dem, der sie mit Der- ständnis liest, ein Meer von Jammer und Elend. Als Träger der reichsgesetzlichen Unfalloersicherung kamen im Jahre 1929 in Betracht 57(im Jahre 1919: 68) gewerbliche Berufsgen ossenschoften mit 891711(891796) Betrieben und durchschnittlich 9 537 359(8529 995) versicherten Personen, 45(49) landwirtschaftliche Genossenschaften mit schätzungsweise ermittelten 5 979 777 Betrieben und 16 915 999 ver- sicherten Personen und 185(191) staatliche und 343(389) gemeind- liche A u s f ü h r u n g s b e h ö r d e n mit 1 393 191(1 427 235) ver- sicherten Personen. Insgesamt dürften etwa 23,5 Millionen Men- schen der reichsgesetzlichen Unfallversicherung unterstehen. Genaue Zahlen lassen sich nicht gewinnen, da die Angaben der landwirtschaft- lichep Berufsgenossenschaften auf Schätzung beruhen und außerdem etwa 3,3 Millionen Personen gleichzeitig in gewerblichen und land- wirtschaftlichen Betrieben beschäftigt sind und doppelt erscheinen Im Gesamtbereich aller Versicherungsträger wurden im Jahre 1929 5 9 1 9 2 2(1919: 575 474) Unfälle gemeldet. Don diesen wurden 93 7 9 8(96 973) als entschädigungspflich- t i g anerkannt. Das sind die schweren Unfälle, deren Folgen nach 13 Wochen noch nicht beseitigt waren. Tödliche Unfälle wurden 9338(19189) gezählt und in 6 4 9(699) Fällen mußten die in der Beurteilung der Unfallfolgen sehr zurückhaltenden Der- sicherungsträger anerkennen, daß der Verletzte dauernd völlig erwerbsunfähig ist. Die Getöteten hatten 15139(17 677) versorgungsbcrechtigte Hinterbliebene(Witwen, Kinder, Enkel und Verwandte aufsteigender Linie). So grauenhaft diese Zahlen sind, so muß doch anerkannt werden, daß sie wesentlich günstiger sind als die für die voraufgegangenen Jahre. Während der Kriegsjahre hatte die Unfallhäufigteit eine starke Steigerung erfahren. Das war erklärlich. An die Stelle der

Pfingstepilog. Mit zerknitterten Kleidern, mit bestaubten Schuhen sind die Pfingstausflüger am Montag abend von ihrer Wallfahrt ins Grüne heimgekehrt. Dienstag hatten die meisten schon wieder einen vollen Alltag der Arbeit hinter sich. Aber auf Wangen und Stirn liegt noch die warme Röte, die Sonne und Luft in die Haut gebeizt haben, und in den Augen glänzt es wie der Widerschein durchfonn- ter Wälder und blitzender Seen. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, aber auch ein Fest nicht tadeln und verfluchen, ehe es wirklich zu Ende ist. Ge- wiß, dieses Pfingsten hob übel an. Dem Erwachenden klang am ersten Fciertagmorgen das harte Prasseln der Regentropfen auf dem Fensterblech in das Ohr wie ein trauriger Trommelwirbel, bei dem alle Festesfreude schon bei der Geburt zu Grabe getragen wurde. Und das Auge, das durch den Vorhangschlitz lugte, mußte mit Betrübnis feststellen: Es handelte sich nicht bloß um einen vorübergehenden erfrischenden Husch, sondern es schien das Vor- spiel zu einem regelrechten dauerhaften Landregen zu sein. Der Himmel war grau von einem Ende bis zum anderen, auch nicht so viel Blau, um eine Kinderschürze daraus zu schneidern, leuchtete tröstend über den nassen Dächern. Schlimme Aussichten! Denn kein Fest kann schlechtes Wetter so wenig vertragen wie gerade Pfingsten. Pfingsten ist das Fest der neuen Kleider, bei uns wie anderwärts. In den frifchgewafche- nen. frischgebügelten dustigen Mädchenkleidern, die von strammen Wäscherinnen auf hoher Stange getragen, sich lustig im Frühlings- winde blähten, sah der junge Schweizer Dichter Gottfried Keller in Berlin mit Recht die schönsten Pfingststandarten. Früher ge- hörten, wenigstens hierzulande, auch noch Maien und Kalmus zum Fest. Aber ohne das Grünzeug können es(ich heute schon viele vorstellen, ohne eine..neue Kluft", und wäre sie auch nur snmbolisch angedeutet durch ein frisches Band auf dem f)ut, durch eine sorg­sam gebügelte Krawatte, keiner. Niemals haben die Schneider und alle die Gewerbe, deren Aufgabe es ist, den äußeren Menschen her- auszuputzen, so viel zu schaffen wie vor Pfingsten. Sogar dem kirchlich Gesinnten ist der neue Anzug, das Kleid nach der Mode viel wichtiger als der Heilige Geist, dem zu Ehren das Fest nach der Lehre der Priester ja wohl eigentlich begangen wird. Aber der Besitz der Festtracht allein macht es nicht, man muß sie auch zeigen können. Man schmückt sich ja nicht bloß für den eigenen Spiegel, man will sich von recht viel anderen gesehen und bewundert wissen. Das erst gibt das erhöhte Selbstgefühl, schafft die rechte Psingstfreude. Und darum ist Pfingsten ohne schönes Wetter ein Unding, ein Widerspruch in sich selbst, eine Niedertracht 'der Natur. Traurig saßen die geschmückten Schönen am Sonntag in den engen Wohnungen, und höhnisch verzogen sich ihre Lippen, wenn das Auge in der Maraenzeituna auf die üblichen Redensarten von demlieblichen Fest" stießen. Manche wagten sich trotz Wind und Regen hinaus, aber sie machten jeden anderen, nur keinen festlichen Eindruck. Die Männer suchten oft eiligen Schutz für ihre Stroh- hüte in den Lokalen, und mehr als einen sah ich daraus wieder-

kehren, mit Zungen redend und voll des heiligen Geistes, ähnlich den Aposteln vor zweitausend Jahren.--- Aber dann kam der zweite Feiertag, mit einem ticsteuchtenden blauen Himmel, auf dem nur hier und da noch silberweiße Wolken schwammen: mit hellem Sonnenschein und einer frischen Brise: mit staubfreien Straßen und frischem satten Grün auf den Plätzen und Alleen der Stadt und draußen in Wald und Wiese. Das war der rechte Hintergrund für die neuen Kleider und Hüte, und wer noch ayr Tage vorher das ganze Pfingstfest zum Teufel gewünscht hatte, der zog nun mit glücklichem Gesichte hinaus ins Freie und hatte alle Unbill vergessen. Und irre ich nicht, so kamen sie alle auf ihre Rechnung die Feiernden sowohl wie die, denen gerade solche Tage die meiste Arbeit bringen: die Gastwirte, die Kellner, die fliegen- den Händler, die Kutscher und Booteverleiher in der Umgebung. der Stadt. Ende gut, alles gut. Und so wird der Frühling dieses Jahres uns allen in freundlichstem Gedenken bleiben um des schönen Ab- schieds willen, den er uns gab. Denn den Abschied des Frühlings bedeutet Pfingsten. Die drei Pfingstrosen auf meinem Tisch neigen sich im Glase und streuen mir purpurne Blätter über das Papier. Nun fällen die Blüten, die Früchte fangen schwellend zu werden an, der Sommer beginnt.___ Peter Michel. Der Berliner Bolkschor im Zahre 1921/22. In der Geschichte des Berliner Volks-Chors ist das abgelaufene 18. Jahr von ent- scheidender Bedeutung. Da es sehr schwierig, wenn nicht unmöglich erschien, einen großen gemischten Arbeiterchor nur aus Mitgliedern mit guten, ausgebildeten Stimmen und Notenkenntnissen zusammen- zustellen, so ging das Bestreben der Chorleitung bisher dahin, die Mängel der einzelnen durch die Gesamtzahl der Mitwirkenden einigermaßen auszugleichen und die Qualität durch die Quantität zu ersetzen. Insbesondere geschah dies nach dem Weltkriege, während dessen die Zahl der singenden Mitglieder unter 299 gesunken war. Aber je mehr der Chor wuchs, desto weniger entsprach die Leistungs- fähigkeit seiner Größe. Als daher der künstlerische Leiter des Chors, Dr. Zander, nach mehrjähriger Abwesenheit im Kriege wieder an die Spitze des Chors trat, mußte es die wichtigste Aufgabe sein, den Chor zu einer Körperschaft von künstlerischer Bedeutung umzubilden. Es wurden deshalb, nachdem der Chor eine genügende Stärke erreicht hatte, nur noch gute Stimmen in beschränkter Zahl aufgenommen. So ergab sich von selbst eine gewollte Verkleinerung des Chors auf zirka 359 singende Mitglieder, von denen indes fast nur die im X-csppells-Chor vereinigten Mitglieder(zirka 59) über genügende Notenkenntnisse verfügten. Nun beschloß der Borstand(und dieser Beschluß wurde von den Mitgliedern einstimmig gebilligt), für alle singenden Mitglieder obligatorische Elementarkurse in der Notenlehre und Stimmbildung einzurichten und für diese die hervorragend- sten Musikpädagogen in Berlin zu verpslichten. Der Kursus begann im Herbst und dauert zurzeit noch fort. Vom Herbst d. I. an wird in Fortführung dieser Kurse eine C h o r s ch u l e eingerichtet, in der jeden Montag von 8 bis 19 Uhr unter Leitung von Herrn Rohrbach alle neu eintretenden Mitglieder und alle älteren Mitglieder, die an den Kursen nicht teilnehmen konnten, sich alle erforderlichen

geübten, mit den Betriebsgefahren vertrauten Arbeiter traten in steigendem Maße weibliche, jugendliche und sonst ungeeignete Ar- beitskräfte. Die Folge war ein Anwachsen der Unfallhäufigkeit im allgemeinen und eine rapide Zunahme der schwerverletzten Frauen und jugendlichen Arbeiter. Der Höhepunkt dieser Entwicklung war im Jahre 1918 erreicht. Bei den gewerblichen Berufs» genossenschaften, bei denen sie sich am besten verfolgen läßt, war die Zahl der Vollorbeiter(für je 399 Arbeitsschichten wird ein Vollarbiter gerechnet) von 9 476 233 im Jahre 1913 auf 6 943 688 im Jahre 1918 zurückgegangen. In der gleichen Zeit war die auf 1999 Vollarbeiter bezogene Zahl der entschädigungspflichtigen Un- fälle von 7,91 auf 9,19 gestiegen. Alter und Geschlecht wird für die Beschäftigten nicht nachgewiesen, wohl aber für die erstmalig Ent- schädigten. Von 1913 bis 1918 ist gestiegen die Zahl der f ck w c r- verletzten Arbeiterinnen über 16 Jahre von 2947 auf 19 351; die der männlichen Jugendlichen von 2559 auf 4938, der weiblichen Jugendlichen von 391 auf 758. Diese Zahlen lassen einen Schluß zu auf den Umfang, in dem weibliche und jugendliche Ar- bester während der Kriegszeit zu gefährlichen Verrichtungen heran- gezogen wurden. Nach dem Kriege ist eine fortschreitende Besserung eingetreten. Die Zahl der Vollarbeiter ist auf 7 436 462 im Jahre 1919 und auf 8 447 565 im Jahre 1929 gestiegen. Im Jahre 1919 kamen noch 8,92, im Jahre 1929 nur 6,33 entschädigungspflichtige Unfälle auf 1999 Vollarbeiter. Unter den Verletzten waren 2692 männliche und 239 weibliche Jugendliche und 4938 erwachsene Arbeiterinnen. Im Jahre 1929 dürften die geübten Arbeitskräfte wieder auf ihre Ar- beitsplätze zurückgekehrt gewesen sein, aber ein gut Teil der Plätze bei gefährlichen Verrichtungen, die früher von Männern besetzt waren, haben sich die Frauen dauernd erobert mit dem Erfolg, daß die Zahl der schwerverletzten Frauen von 2947 im Jahre 1913 auf 4938 im Jahre 1929 gestiegen ist. Die Träger der Unfallversicherung rühmen sich gern der großen Summen, die sie alljährlich an Entschädigungen zahlen. Im Jahre 1929 wurden wiederum 279 169 379 M. an Entschädigungs - betrögen gezahli. Der wichtigste Ausgabeposten sind die Renten an Verletzte, die bei allen Versicherungslrägern zusammen 179939 339 Mk. ausmachen. Diese Summe verteilt sich jedoch auf 774 993 Personen. Im Durchschnitt beträgt also eine Unfallrente jährlich 219,43 M. Bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften ist der durchschnittliche Jahresbetrag einet Rente 294,56 M., bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften gar nur 194,49 M. Die geldliche Entschädigung, welche die Der- letzten als Erfaß für die eingebüßte Erwerbsfähigkeit erhalten, ist also lächerlich gering. Um so notwendiger ist es, daß alles getan wird, um die Zahl der Opfer, die alljährlich auf dem Schlachtfeld der Arbeit gebracht werden, einzudämmen. Auf diesem Gebiete gibt es noch sehr viel zu tun. Demokratischer Reichsjugenütag. Kassel , 6. Juni(MTB.). Der Reichsbund der Deutfch-Demo- kratifchen Jugendvereine veranstaltete zu Pfingsten in Kassel einen Reichsjugendtag. Am Sonntag vormittag fanden in zwei großen Sälen der Stadt vaterländische Feiern für die besetzten und abgetrennten Gebiete im Osten und Westen statt. Im Anschluß daran tagten die verschiedenen Gau- und Landesverbände. Am Sonntag abend fand im großen Saal der Stadthalle ein Festabend statt. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Oberpräsident Schwander begrüßte die jungen Gäste. U. a. sprach Frau Dr. Ger- trud Bäumer unter stürmischen Beifall. Sie gab ihren Zuhörern ein eindringliches Bild der deutschen Demokratie. Von der Stadt- Halle begab sich sodann ein langer Fackelzug nach dem Friedrichs- platz, wo die Fackeln unter Absingen vaterländischer Lieder zuiam- mengeworfen wurden. Am Montag führte ein Sonderzug die Teil- nehmer zum Dornberg, wo junne Führer der Bewegung sprachen. Die Tagung fand am Montag abend ihren Abschluß mit einer feierlichen Wimpelweihe. Sie war überaus stark aus allen Teilen des Reiches und auch von jungen Demokraten aus Oester- reich und der Tschechoslowakei besucht.

Ein russisch-lschechischer handelsverkrag. Am 5. Juni ist in Prag der russifch-tfchechische Handelsvertrag unterzeichnet worden..

Elementarkenntnisse erwerben müssen, wenn sie im Chor weiter mitsingen wollen. Der Volks-Chor hofft mit dieser Einrichtung einerSingschule" einen Weg gefunden zu haben, auf dem der Arbeitergesang eine wirtliche künstlerische und kulturelle Bedeutung erreichen kann. Daß neben der theoretischen Ausbildung der Mitglieder die Konzerttätigkeit des Chors nicht vernachlässigt wurde, zeigt schon die Tatsache, daß außer einer zweimaligen Wiederholung von Berlio; Fausts Verdammung noch Handels Jephtha zur ersten öffentlichen Aufführung in Berlin gelangte und im Frühiahr endlich noch zwei Aufführungen von Bachs Matthäus-Passion stattfanden. Letzteres Werk wurde noch einmal� für die Dolks-Hoch- schule Groß-Berlin und einmal für die Volksbühne wiederholt. Es wird bei der fortschreitenden Geldentwertung nicht möglich sein, die niedrigen Eintrittspreise zwischen 6 und 8 M. in Zukunft aufrechtzuerhalten, da Saalpreise und Orchesterhonorare wieder eine wesentliche Steigerung erfuhren. Die Not der Zeit wird den Chor vielleicht zwingen, in Zukunft mit großen Arbeiter- bildungsorganisationen gemeinsame Sache zu machen, um das Risiko, das jetzt große Chorkonzerte bedeuten, zu verringern. Die Reugestalkung der Akademie für Sirchenmusik. Bei der Feier des 199jährigen Bestehens des Akademischen Instituts für Kirchenmusik in Charlottenburg , die am 6. Juni stattfand, hielt der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung eine Ansprache, in der er ein festumrissenes Programm für den weiteren Ausbau und die Organisatton des Instituts entwickelte. Der Minister führte aus, daß die Musik ferner keine abseitige Stellung im Lehrplan der Schulen mehr einnehmen, sondern den übrigen Fächern der inneren Bildung und Charakterfestigung g l e Ich- berechtigt sein solle. Die Durchdringung des gesamten Unter- richts mit Aufgaben aus dem Gebiete der Musik, die Heranziehung von Instrument und Gesang im Deutschunterricht, in der Religion usw., die Vertiefung des Wissens und die Einwirkung auf das Ge- fühlsleben der Kinder alle diese Aufgaben erfordern Lehrkräfte mit umfassender künstlerischer und pädagogischer Bildung. Diese ist jedoch in der knappen Zeit von 3 Semestern nicht zu erreichen. De»- halb wird die Studienzeit von 3 auf 6 Semester ausgedehnt, 2 wei- tere Lehrkräfte werden berufen und die Stundenzahl in allen Fächern vermehrt. Diese Umordnung soll nach außen hin zur Geltung kommen und das Institut von jetzt ob den Namen Akademie für Kirchen- und Schulmusik führen. Der Akademie werden neuellnterrichts-undUebungs- räume im Schloß Charlottenburg zugewiesen. Frauen werden zum Studium zugelassen. Auch ein Revolutionär. DerBerliner Lokal-Anzciger' hat zu Pfingsten wieder einmal«ine jener berühmten Rundsragen ange- richtet, bei denen man nie weiß, ob der Humbug der Antworten größer ist als der Unfug der Fragen. Gefragt wurde nach den Ein- drücken des letzten Musikwinters undwas hat er Ihnen selbst ge- bracht". Man kann sich vorstellen, wie die liebe Eitelkeit sich dabei selbst bedenkt und was für Selbstgefälligkeiten dabei zutage kommen. Aver ein Pronunciamento Ihnen auch darunter von einem Heldensänger. Karl Ärmster,der stimmgewaltige Hedenbariton