!Te. 266 ♦ ZH. Iahrgakg
Seilage öes vorwärts
Vottnerstag, Sen S. Juni 1922
Durch Groß-Serlm. Das Wald- und Industriegebiet im Norden.— Der SO. Bezirk(Neinickendorf).
VI!.») Der In der Reihenfolge letzte und damit als 20. bezeichnete der Groß-Berlincr Verwaltungsbezirke ist der Bezirk R c i n i ck e n- darf, der ebenso ivie der 13.(Pankow ) sich aus einer großen An- zahl ehemals selbständiger Landgemeinden und Gutsbezirke zusam- mensetzt. Er umsaßt die ehemaligen Landgemeinden Rein ick en. darf(41 300 Einwohner), Tegel 20 300), Wittenau (10 200), R o s e n t h a l, westllch der Liebenwalder Bahn, und der Ortsteil Wilhelmsruh (4300), Dermsdorf(7700), Lübars(4390), H e i l i g e n s e e(2000) und die einstigen Gutsbezirke Frohnau , Tegel-Forst-Rord, Tegel-Schloß und Jungfern- Heide. Di« Hauptverwaltung hat ihren Sitz in Reinickendorf . Wo so viele mittlere und kleinere Gemeinwesen waren, konnte natürlich außer«twa in Reinickendorf und Tegel von einer ausge- sprochenen Entfaltung kommunalen Lebens und Betätigung keine Red« sein. Staöt unü Lanö. Die Haus» und Grundbesitzer bzw. die alteingesessenen Land- wirte gaben in diesen Gemeinden, die wie Wittenau , Heiligensee und Lübars auch heute noch äußerlich sollkommen den Charakter des märkischen Dorfes gewahrt hoben, den Ausschlag. Rur in Reinicken. darf und Tegel mit ihrer starken Arbeiterbcoölkerung machten sich die Ansichtn des modernen Kommunallebens stärker bemerkbar. Was dem Besucher Reinickendorfs sofort auffällt, ist die unzulängliche Straßen- bahnoerbiudunq mit dem Innern Berlins . Dabei stand Reinicken- dorf vor dem Krieg einmal in Beziehung zu dem großartig erdachten Plan, die Hoch- und Untergrundbahn über Reinickendorf bis nach dem städtischen Gebiet bei Lanke hinter Bernau zu erweitern. Etwas weiteres sehr Auffälliges ist die außerordenllich groß« Anzahl vor» züglich asphaltierter, baumumsäumter, aber unbebauter Straßen. Es wäre unverantwortlich, wenn man bei dem Ausbau Groß-Berlins die Bevölkerung in weiter gelegene Vororte ziehen wollte, ehe nicht diese prachtvollen, jetzt noch ganz freig«leg«nen Straßen bebaut sind. Die prochwolle breite Tellpromenade führt zu dem hübschen Rei- nickendorser See, dessen Ausgestalt ung nach Art des Weißensees bis- her der Umstand hinderlich war, daß er Berlin gehörte. Das soll jetzt anders werden. Gar nicht weit vom See liegt dann, auf Berliner Gebiet, der neue große Schillerpart. Schon vor dem Krieg hatte die Gemeinde auch ein ganz modern im Pavillonsystem oing�ichtetes Krankenhaus erbaut, das zu den schönsten und besten Groß-Berlins gehört Natürlich hat Reinickendorf auch seine Siedlung: sie schließt sich aber, im Gegensatz zu anderen mit hübschen Torhäusern als Eingang, unmittelbar an den alten Ortsteil an und wirkt deshalb organischer. Auch durch die schlichte saubere Bauart in geschlossener Rdhenhausform wird der Charakter des wohnlichen und gemeinschaftlichen erhöht. Wie im Süden Neukölln und Treptow bemüht sich im Norden der 20. Bezirk um den Ausbau des kommu- nalen Volksbildung»- und Unkerhalkungswesens. Der Bezirk ver- fügt über eine eigens Lichtbildbühne und ein Marionettentheater und veranstaltet in fast allen Zweiggemeinden Kammermusik-, Volks- lider- und Volksunterhaltungsabende. Verläßt man das alte Dorf an seinem westlichen Ausgang, so kommt man, vorüber an großen Fabriken, durch die mit prachtvollen alten Linden eingefaßte Graf- Rödern-Alle«, di« an einer weiträumigen, von der Reichsschuldenver. waltuna für ihre Beamten und Angestellten hier angelegten Siedlung vorbeiführt, nach Wittenau , dem einstigen Dalldorf . Das Ursprung- liche Dorf hat seine Form noch vollkommen gewahrt. Mitten im Darf liegt ein freundlicher jetzt äls Schmuckplatz gehaltener Dorfanger, in dem weder der Teich noch das olle Kirchlein fehlen. Daß das alle Dorf aber Anspruch erhoben hat, als ganz modern zu gelten, beweist das neue prächllge Rathaus mit seinem unter einem hohen Giebeldach liegenden Saal und seinem prunkvoll ausgestatte- ten Portal. Hier tagen jetzt auch die Zusammenkünfte der Bezirks- Versammlung. Zu Wittenau gehörte der nahe an Tegel gelegene ehemalige Orlsteil Borsigwalde . Die bekannte Irrenanstalt, 1877/1880 erbaut, liegt zwischen Dorf und Kremmener Bahn und bildet mit ihren 72 Hektar Ilmfang und ihren zahlreichen für 1400 Patienten Raum bietenden Bauten eine kleine Stadt für sich. An der Schorn. weberstraße, der Fortsetzung der Müllerstratze, wird auf dem Gebiet des allen Tegeler Schießplatzes der neue große Spiel, und llebungs- ») Siehe auch Nr. 133, 14S, 157, 169, 208 und 230 des„Vor- wärt»".
plah des Bezirks Reinickendorf entstehen, der nahezu 3 Hektar um- fassen soll. Der Bezirk braucht diesen Platz dringend, denn dieser Bezirk hat den größten Kinderreichtum in ganz Berlin aufzuweisen. Runs um Tegel . Tegel selbst ist wahrscheinlich von allen diesen im 20. Bezirk vereinigten Ortschaften den Berlinern am besten bekannt. Es ist aber nicht allein der prachtvolle 418 Hektar große See, mit der in ganz Berlin einzigartigen schönen Seeuserpromenade, die dem Ort an lener Stelle ein seebadähnliches Gepräge gibt und das beliebte Freibad, es ist auch nicht das reizvolle Schlößchen der Humboldts. das für Berlin und seine Kulturgeschichte das ist, was das Goethe-Haus für Weimar ist. Das moderne Tegel stellt sich uns viel- i mehr in dem gewaltigen Dorsig-Werk, der größten Gasanstalt Berlins , j der nicht minder durch Größe imponierenden bekannten Strafanstalt und' den ausgedehnten Anlagen der Berliner Wasierwerke dar. Nimmt mov noch hinzu, daß Tegel Endpunkt des Großschisfahrks-
weges Berlin — Steklln und der Industriebahn Tegel— Friedrichsfelde ist, so ergibt sich schon hieraus seine gewaltige wirtschaftliche Bc- deutung. Die am Mühlenfließ liegende und von ihm mit Kraft gespeiste humboldt-wühle liegt an derselben Stelle, an der sich schon vor Jahrhunderten eine bekannte Wassermühle befand, von der unser heutiges Bild eine Wiedergabe ist. Spricht man vom Tegeler See , so darf nicht die reizende Insel Scharfenberg vergessen werden, die als..Schulinsel Scharfenberg" bekanntgeworden ist, weil man dort ein beachtenswertes pädagogisches Experiment, eine Gemeinschaft von höheren und Volksschülern anstrebt, worüber im„Vorwärts" schon mehrfach berichtet wurde. Gegenüber liegt Tegelorl. in dessen herrlicher Waldumgebung die Axt so grausam"gewütet hat. daß sich die Bewohner von Tegelort und Hermsdorf jetzt mit Protesten an die Oeffentlichkeit wenden muhten. Weiter nördlich das reizende rein dörfliche Idyll Heiligensee , das endlich ebenso wie Tegelort durch die Errichtung Groß-Berlins die längst ersehnte direkte Straßenbahnoerbindung bekommen hat. Hier in Heiligensee , be- sonders aber in dem an der Havel gelegenen Teil ist gut fein. öer nördlichen Grenze. Mit kräftiger Schwenkung noch Osten gelangen wir über die Kremmener Bahn und die Schulzendorfcr Chaussee in die zu Herms- dorser Gebiet gehörige Tegsler Forst, die mit ihrer fast durchweg hügeligen Lage und ihren von reichem Unterholz durchsetzten Baum- beständen den überraschten Augen ohne Zweifel die prächtigsten Waldbilder in ganz Groh-Berlin darbietet. Nach Norden gelangt man bald wieder in eine Zone der Abholzunz, und von da in die wie eine Oase anmutend« Billcnkolonie Frohnau, einer ziemlich feudalen Gründung des Fürsten Henckel-Donnersmarck , die sich denn auch heute noch, entsprechend der Zusammensetzung ihrer Einwohner, auf das wütendste gegen Groh-Berlin wendet. Das soll nicht hin- dern anzuerkennen, daß dort oben im Landhausbau fast durchgehend eine Linie wohltuender Stileinheit und Reinheit gewahrt worden ist, dem Auge ein Wohlgefallen. Auf der Rückfahrt kommt man durch Hermsdorf , dessen Fließ als Naturdenkmal geschützt ist. Zwi-
chen Tegel und Hermsdorf am Fließ liegt die bekannte Kolonie Freie Scholle, eine der ersten Berliner Arbeitergenossenschaftssied- lungen, deren Haupt lange Gustav Landauer war. Auf der Rück- fahrt von Hermsdorf sieht man im Osten auf der Höhe einer Boden- welle die anmutig wirkenden Heimstättenhäuser von Lübars . » Schon dieser flüchtige Gang allein hat gezeigt, wie viele ver- schiedenartige wirtschaftliche Elemente in diesem Bezirk vereinigt sind, und die Männer und Frauen, die als«rwählle Vertreter der arbeitenden Bevölkerung dort draußen tätig sind, haben Arbeit in Hülle und Fülle. Das wichtigste aber scheint doch die beschleunigt zu erfolgende Bebauung der riesigen Freiflächen zwischen Tegel und Reinickendorf und die unbedingte Erhaltung der jetzt noch vorhan- denen Wälder zu sein. Zeitungsnot und Lesehallen. Man wird sich der Zeit erinnern, als man täglich für einen Sechser oder höchstens für einen Groschen fünfzig und mehr Zeitungen lesen konnte. Schon am frühen Morgen waren die zahlreichen privaten Berliner Lesehallen, meist in kleinen Läden oder Kellern belegen und mit Zeitungsvcrkäufen verbunden, von Stellungsuchendcn überfüllt. Sie hatten es nur auf die Inserate abgesehen, durchstöberten die Spalten in fliegender Hast und stürzten eilfertig davon, wenn etwas für sie Passendes, das Aussicht auf Brot bot, entdeckt war. Da kamen aber auch zahllose Geschäftsleute aller Art, denen die Durchsicht vieler Zeitungen gewerbsmäßig ein Lebenselixier war, ferner die an keinem Tage fehlenden Wohnungsuchenden, als es noch keine Wohnungsnot gab. auch die stillvergnügten Politiker, die sich ihr Urteil nicht nur einseitig aus einer einzigen Zeitung zu bilden bestrebt waren, endlich zahlreiche Leute von der Feder, die hier auf die billigste Art er- fuhren, was im„Bau" vorging. Jede Lesehalle hielt mindestens ein Dutzend der bekanntesten auswärtigen Zeitungen. Für Freunde von Belletristik, Sport, Spiel, Kunst, Wissenschaft war durch Aus- hang entsprechender Zeitschriften ebenfalls reichlich gesorgt Selbst. das damals noch heimlich betriebene Wetten und Buchmachen blühte an manchen dieser Stellen, um die einlaufenden Zeitungssechser zu vervielfachen. Und eine nicht gerade selten vorkommende Sensation war es immer, wenn— meist ein paar Stunden zu spät— die „Blauen " auf der Bildfläche erschienen, um im Auftrage der polstischen Polizeizensurstelle irgendein mißliebiges Blatt, das dann fast regel- mäßig ein sozialdemokratisches war, zu beschlagnahmen. Entschwundene Zeiten! Die Lesehallen sind bis auf ganz wenige, die noch unter Opfern von amtlichen oder gemeinnützigen Stellen unterhalten werden, dank dem Pa pierwucher sämtlich ein- gegangen. Es war nicht mehr möglich, den Lesebctrieb aufrecht- zuerhalten, selbst wenn man die Lcsegebühr auf das Zehnfache erhöht hätte. Wer heute aus Notwendigkeitsgründen viele Zeitungen lesen will, muß in ein größeres Cafe' gehen und statt des früheren Sechsers 4— 5 M. für die Zeche anlegen. Aber auch an diesen Stellen macht sich die Zeitungsnot durch immer stärkeres Beschneiden der Zahl der Zeitungsauslagen empfindlich bemerkbar. Hahen wir doch Cafes in Berlin , die jetzt jährlich 20—30 000 M. für das zum Leidwesen der Verleger unumgänglich gesteigerte Bezugsgeld aufwenden müssen, was die auf andere Geschäftsverhältnisse zurückwirkende Notlage im Zeitungsgewerbe grell beleuchtet.
Das Spiel mit üem Leben öes Nächsten. Wieder einmal die„ungeladene" Pistole. Das unvorsichtige Umgehen mit Sclbstladepistolen fordert trotz aller Warnungen und harter Bestrafungen immer weitere Opfer. Gestern hatte sich das Schöffengericht Bcrlin-Wedding wieder ein- mal mit einem derartigen traurigen Vorkommnis zu befassen. Wegen fahrlässiger Tötung war der Schankwirt Fritz F r a h m angeklagt. Der Verlauf der Verhandlung erhärtete wieder einmal die alte Forderung, daß man eine Schußwaffe unter keinen Umständen auf einen anderen Menschen anlegen soll. Am 21. Dezember 1920 kam in dem Lokal des Angeklagten in der Malplaquetftraße das Gespräch auf Schußwaffen, und als einer der Gäste den Wunsch äußerte, eine Schußwaffe zu besitzen, holte F. eine Selbstladepiswle hervor, welche ihm vor längerer Zeit ein Gast für die Zechschuld verpfändet halte. In angeheiterter Stim- m u n g machte er mit der Waffe allerlei Unfug, spannte sie, setzte sie an die Schläfe und drückte ab, um auf diese eigenartige Weise zu
Der Ruf durchs Fenster. 2o\ Roman von Paul Frank. Die Tür öffnete sich, ein schlanker, junger Mann stand. das Monokel ins Auge geklemmt, wartend da, so lange ver- harrend, bis der Präfekt das telephonische Gespräch be- endet hatte. „Lieber Herr Kommissär," wendete Tudolin sich an ihn, „ich wollte Ihnen nur mitteilen, daß Sie eingetretener Um- stände halber die Verfolgung der Falschmünzerbande Draga- nescu allein übernehmen müssen, da ich von einer anderen Affäre vollkommen in Anspruch genommen bin..." „Sehr wohl, Herr Präfett.. „Sie haben doch schon vom Fall Reuß gehört?" „Eben jetzt..."». „Ich danke Ihnen, verehrter Freund. Der Kommissär schlug die Hacken zusammen und verließ das Zimmer. Statt seiner erschien Ljubatschow. „Nehmen Sie gleich neben mir Platz." sagte der Präfekt zu ihm.„Wir müssen ein Protokoll aufnehmen." „Und nun zu Ihnen, meine Herren..." setzte er seine Rede fort, indem er zugleich hinter dem Schreibtisch hervorkam. „Sie dürfen nicht ungehalten sein, weil ich Ihre Geduld so lange in Anspruch nehme...".... �.... „Ich für meinen Tell bin Ihnen bei aller Matt'gkelt dafür dankbar, daß Sie mich hier behalten wollen, rief Direktor Weißwasser ,„da ich so aufgeregt bin, daß ich ohnehin kein Auge zutun könnte..." ..Ich auch nicht..." murmelte Regisseur Pater. eeÄch muß es einen glücklichen Zufnll nennen, naß ich im Hause anwesend war.. sagte der Präfett.„Sie wisse«. lieber Direktor, daß ich kein allzu häufiger Besucher Ihres Theaters bin. Einzig auf Veranlassung meiner Frau habe tch die Billetts genommen, da sie unbedingt darauf bestanden hat. daß ich mir Albert Reuß ansehe... Sie werden ferner wissen, daß meine Frau Deutsche und einmal deutsche Schau- spielerin gewesen ist." „Adele Sanders...!" rief der Tbeätcrdirektor.„Wie gut hab' ich sie gekannt, welche vortreffliche, temperamentvolle
Lokalaugenschein Sie waren doch Haben Sie keine
Darstellerin ist sie gewesen! Leider war sie nie bei mir en- gagiert, die verehrte gnädige Frau!" „Vor elf Iahren haben wir geheiratet, und da hat sie natürlich der Bühne Batet sagen müssen, was ihr wirklich nicht leicht gefallen ist... Aber einmal ist sie mit Albert Reuß zusammen engagiert gewesen... oft hat sie mir davon und von den besonderen Talenten dieses Mannes erzählt! Er soll, nach allem, was ich auch von anderer Seite gehört habe, ein sehr bedeutender Künstler gewesen sein!" „Ein Genie war er... ist er hoffentlich noch!" „Und darum wollte meine Frau durchaus, daß ich sie ins Theater begleitete... Den Willen habe ich ihr zwar getan— aber Reuß habe ich nun doch nicht zu sehen bekommen! Dabei hat meine Frau sich ganz fürchterlich aufgeregt, so daß sie bei- nahe ohnmächtig geworden ist, nachdem Sie, Herr Regisseur, dem Publikum Ihre Mitteilung gemacht haben... Ich habe große Mühe gehabt, um sie zu beruhigen... Dann mußte ich sie nach Hause schassen lassen, ehe ich den vornehmen konnte. Herr Juschkjewitsch... der diensthabende Kommissär im Theater... Vorsicht außer acht gelassen?" „Nicht die geringste, Herr Präfekt..." „Eines steht immerhin fest, meine Herren: ein interessanter, ein hochinteressanter Fall!" „Den wir vorläufig bloß noch nicht tragisch nehmen müssen," sagte Regisseur Pater. „Ich bin nämlich noch immer der Ansicht..." „Da bin ich aber neugierig..." rief der Präfekt, der die Arme vor der Brust gekreuzt hatte. „Ich bin nämlich der Ansicht, die ich schon einmal vor Herrn Direktor Weihwasser geäußert habe," wiederholte Pater eigensinnig,„daß Reuß über kurz oder lang wieder zum Vor- schein kommen wird, da er nur in einem krassen Anfall von Platzfurcht die Flucht ergriffen bat..." „Was berechtigt Sie zu solcher Annahme?" fragte der Präfekt lauernd. „Erstens gehören solche Fälle beim Theater nicht gerade zu den Seltenheiten, zweitens hat Neuss während der Probe heute vormittag auf mich keineswegs den Eindruck eines ge- funden Menschen gemacht..." ..Ich kann Ibnen leider nicht bdpfiichien. mein lieber Herr Regisseur," sagte der Pfälett in sehr bestimmtem Ton.„Ihre\ Erfahrung wie auch Ihre schätzenswerte persönliche Anschauung i
in Ehren— aber Sie befinden sich auf dem Holzweg, wenn Sie den Fall Reuß so harmlos nehmen wollen. Das ist er nämlich nach meiner Meinung ganz und gar nicht. Für mich sprechen so und so viele Anzeichen, die ich typisch nennen möchte, unzweifelhaft dafür, daß der Vermißte einem Ver- brechen zum Opfer gefallen ist!" „Entsetzlich.. murmelte der Theaterdirektor.„In meinem Hause..." „Und zwar scheint ein Raubmord vorzuliegen." „Ich bin ganz der Meinung des Herrn Präfekten," fügte der Kommissär hinzu. „Der Künstler ist allein in seiner Garderobe gewesen: nachdem er schon die Kleider gewechselt hat, ist der räuberische Ueberfall geschehen..." „Wenn der verdammte Bobrow ihn nur nicht allein gc- lassen hätte!" klagte der Theaterdirektor. „Wer ist Bobrow?" fragte der Präfekt. „Der Ankleider." „Kennen Sie den Mann?" „Ich denke." „Russe?" Direktor Weißwasser verneinte.„Lette!" rief er. „Wie lange im Hause?" „Zwei Jahre, wenn ich nicht irre." „Und dieser Bobrow hätte Herrn Reuß bedienen sollen?" „Ihn allein: er hat ihn jedoch verlassen, um einem anderen Mitglied meiner Bühne, dem Schauspieler Heltens, dessen An- kleider erkrankt ist, behilflich zu sein." „Ist es erwiesen, daß Bobrow wirklich diesen Schauspieler angezogen hat? Herr Kommissär Juschkjewitsch, notieren Sie, bitte, für morgen vormittag, zur Einvernahme den Schau- spieler Heltens, ferner ist der Ankleider Bobrow zu zitieren..." „Wenn der Herr Präfekt erlauben wollte..." röchelte Herr van Hülst, der, noch immer krebsrot im Gesicht, mühsam von seinem Sitz sich erhob. „Ich bitte.'sich noch einen Augenblick zu gedulden. Gleich werden wir so weit sein... und immer eines hübsch nach dem anderen..." „Ich möchte mir bloß noch die Frage erlauben..." rief der Regisseur Pater mit erhobener Stimme,„was rechtferttgt eigentlich die Annahme, daß ein räuberischer Ueberfall vor» liegt?" (Fortsetzung solgt-j