Nr.267 39.Jahrgang Ausgabe B Nr. 131
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Donnerstag, den 8. Juni 1922
Abwehrbereitschaft in München .
Die Münchener Parteigenossen für den Reichspräsidenten.
Der Parteiausschuß der Sozialdemokratischen Partei Münchens hat gestern eine Entschließung gefaßt, die die tiefe Empörung über das an dem Genossen Scheidemann verübte Attentat ausspricht.
Zentrumskundgebung zum Attentat. Die Zentrumsfrattion des Reichstages hat an den Borstand der Sozialdemokratischen Partei folgendes Schreiben gerichtet: Anläßlich des ruchlofen Attentats auf Herrn Scheidemann überAn die Parteigenoffen Münchens richtet der Parteiaus schuß die Bitte, in den nächsten Tagen auch in München mittle ich, zugleich namens der Zentrumsfraktion des Reichstages, überall auf der Wacht zu sein. 3war hätten Regie- ber fozialdemokratischen Fraktion ergebenst den Ausdruck herzlicher rung und Polizei erflärt, für den Schuß des Reichs- Anteilnahme und verbinde damit den Ausdruck der Freude, daß das präsidenten eine Garantie übernehmen zu können. Das abscheuliche Unternehmen glücklicherweise nicht zur Bollendung gefönnte aber die Parteigenoffen nicht hindern, auch ihrerseits fommen ist. In vollkommener Hochachtung ganz ergebenst für unseren Führer und Genoffen Ebert besorgt zu sein. Marg, M. d. R., Borfizender der Zentrumsfraktion. Die Parteileitung habe ihre vorläufigen Maßnahmen getroffen. Um aber im Bedarfsfalle etra geplanten ver brecherischen Bubenstreichen fofort mit der nötigen Energie und Durchschlagskraft entgegentreten zu fönnen, fei am Montagabend erhöhte Abwehrbereitschaft nötig.
Der Aufruf schließt mit den Worten: Deshalb die Reihen geschlossen und nur nach den Anweisungen der Barteileitung gehandelt, die ihre Maßnahmen trifft zum Schuße der Republik und ihrer Repräsentanten!"
Der Erzberger- Prozeß.
Offenbach , 8. Juni. ( BDS.) Der zwelte Sigungstag beginnt mit der ausführlichen gutacht lichen Aeußerung des Gerichtschemikers Dr. Popp aus Frankfurt sucht hat und in feinen Ausführungen fich wesentlich an bas an am Main , der vor allem das am Tatort aufgefundene Blutunter. fchließt, was am ersten Berhandlungstage der Bezirksarzt von Ober. tirch festgestellt hat.
Dann beginnt die Bernehmung einer ganzen Gruppe von Zeugen, die am 26. Auguft im Gebiete des Kniebis sich aufgehalten Der Republikanische Reichsbund Bayern hat gegen die mit einem leeren Wagen über den Kniebis gekommen sei und auf hat Einer dieser Zeugen erzählt, daß er am 26. Auguft morgens Nationalsozialistische Arbeiterpartei", welche neuerdings zur ber Straße etwa gegen 11 Uhr zwei gutgekleideten Herren be Bernichtung der Reichsflagge und zur Störung gegnete, von denen einer eine Landkarte trug. Er hat auch zwei des Reichspräsidentenbefuchs auffordert, Strafantrag an ältere Herren getroffen, von denen er später einen als den Abg. die Staatsanwaltschaft wegen Bebrohung eines Be- Diez temnenlernte. Auf dem ganzen Wege von der Alexanderschanze amten zur Berhinderung seiner Amtstätigkeit geftellt. bis Griesbach ift er niemandem begegnet außer diesen beiden Baaren Da wird der bayerische Staatsanwalt ja einige Kopf Don Herren. Ein anderer Zeuge, der als Straßenwart auf der Kniebisstraße schmerzen haben, bevor er feine Antwort auf diesen Straf arbeitete und genau einen Rilometer vom Tatort sich aufhielt, fah antrag formuliert. zwei junge Leute bie Straße heraufkommen. Da, wo er arbeitete, macht die Straße eine scharfe Kurve. Die beiden Leute riefen den Straßenwart von unten an und fragten, wohin die Straße führe. Auf die Antwort, daß es die Kniebisstraße sei, fragten sie, wie weit es bis dorthin wäre. Sie befamen zur Antwort, daß es noch eine Stunde Weges fei. Darauf fehrten sie wieder um und gingen die Straße hinunter.
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Der Reichspräsident dürfte Montag, den 12. Jumi, von Freudenstadt tommend, in München eintreffen, wo er zwei Tage bleiben und die Gewerbeschau besichtigen will.
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Die Krise der USP.
Man beginnt zu sprechen...!
Die Presse der USP. bricht endlich notgedrungen das rätselvolle Schweigen, in das sie sich bisher über Kautstys hier mehrfach besprochenen Artikel gehüllt hat. Die„ Freiheit" veröffentlicht heute an ihrer Spize einen Artikel Kautskys noch mals die Einigungsfrage" mit einer Erwiderung der Redaktion. Und in der Beilage derfelben Nummer bringt fie einen Auffah Kautsky und die Einigungsfrage" von Professor Dr. C. Ballod, ben sie als theoretischen Sulfurs herangezogen hat. Bugleich beginnt die Leipziger Bolkszeitung" mit einer ausführlichen Inhaltsangabe von Kautstys Artikel.
Kautsky spottet in seiner Zuschrift über die bisherige Haltung der Freiheit", die feinen Ausführungen nichts anderes entgegensetzen fönne als ein großes Fragezeichen:
Sie kann sich absolut nicht vorstellen, wie Anhänger und Geg ner der Koalitionspolitit in einer Partei zusammen wirten tönnen. Sie bedauert, daß ich darüber leider fein Wort fage", und fordert dann komischerweise nicht mich, sondern den Borwärts" auf, zu sagen, was ich hätte fagen follen.
Die Lösung der Einigungsfrage fieht Kautsty in der alten Barteipraris: Freiheit in der Diskussion und Einheit in der Attion. Er verweist noch einmal auf das österreichische Beispiel, wo die Partei einig in die Koalition und einig aus ihr wieder hinausgegangen sei. Ueber die Koalitionsfrage werde es stets verschiedene Meinungen geben, doch müßten Dann wendet sich Rautsty mit großer Schärfe gegen die bisfie in einer einheitlichen Bartel vertreten werben. herige ganz haltlofe Politik der USB.:
Eines wird allerdings durch die Einigung unmöglich gemacht: bie Politik der 3wiespältigtett. Jene Politit, die gleichzeitig die Rätebiftatur anstrebt und die demotra tische Republik verficht, die das Koalitions mini. fterium in der Volksversammlung als den Feind bezeichnet, der zu vernichten ist, und es im Reichstag vor dem drohenden Sturze reftet.
Diefe Polifit, die von Infonfequenz zu Jnfonfequenz stolpert, fennzeichnet schon felt geraumer Zeit unsere Parteitäfigfeil. Den Boden, dem sie entsprießt, bezeichnet man in den leitenden Barteifreifen als den Mutterboden des proletarischen Klaffentampfes".
Roch auf dem legten Leipziger Parteitag erklärte Dittmann, die Mehrheitssozialisten hätten diesen Boden verlassen, auf dem allein sich die proletarische Einigung vollziehen dürfe. Die Freiheit" hält mir diesen Baffus entgegen und meint, ihm sieghafte Bucht dadurch zu verleihen, daß sie ihn fett druckt.
Der Sazz hat allerdings tiefen Eindruck auf mich gemacht, aber in anderer Weise, als die Freiheit" meint. Er befagt nämlich deutlich, daß die leitenden Kreise der USP. jede andere Art der
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Diefer Borgang fpielte sich gegen 11 Uhr ab. Der Straßenwart hörte nach einer Biertelstunde furz hintereinander zahlreiche In Regensburg , dem Siz des Bauerndoktors Schiffe fallen. Etwa acht Schüsse glaubt er bestimmt gehört zu Heim und feines Heimat- und Rönigsbundes", tagte am haben, benen gleich darauf zwei weitere folgten. Auf der Straße Sonntag der Bezirtstag der Sozialdemokraten bat er außer den beiden jungen Leuten nur den Wagen gesehen aus der Oberpfalz und aus Niederbayern unter außerordentlich und dessen Rutscher gesprochen. ftarter Beteiligung. Gegen die reaktionären Treibereien in Bayern richtete sich dieser einmütige Beschluß des Bezirks- Der wadere Herr v. Killinger, der nach aftiver Beteligung am proletarischen Einigung ablehnen als die, daß die Gesamtheit des tages: Rapp Butsch ftatt ins Gefängnis wieder in die Marine der Re- fämpfenden Proletariats die von Ihnen afzeptierte Politit des Der Bezirksparteitag für Oberpfalz und Rieberbayern gibt bas publit gefommen war, ist wie ein Friedenauer Lofalblatt be. Klaffentampfes als die einzig richtige anerkennt. Das heißt aber, Befenntnis ab, daß Deutschland nur bestehen und gegen die Berrichtet den Friedenauern ein guter Bekannter. Er ist derjenige, daß fie praffisch die Einigung unmöglich machen. nichtungspolitit der früheren Feinde gesichert werden kann, wenn der am schwarzen Montag der Kapp- Butsch- Woche, an der Spiße des Was auf dem Leipziger Parteitag festgelegt wurde, das war bas Bolt fest und treu zur republitanischen Staats. Detachements„ Ehrhart" stehend, in Friedenau in der Schöneberger die Beschränktheit der Gettenpartet, die in schroffform und zur Weimarer Verfassung hält. Jeden Angriff auf die Straße auf die versammelte Menge schießen ließ, wobei es ftem Widerspruch steht zur Organisation des Proletariats als demokratische Staatsform verurteilt der Bezirksparteitag mit aller bekanntlich mehrere Tote und zahlreiche Verwundete gab. Aber laffenpartei, die bereits das kommunistische Manifeft for Entschiedenheit. Er verkennt nicht die Gefahr der reattionären bamit hat er nichts riskiert, denn da selbst Führer des Kapp- Butsches berte. Dieser Geist der Sekfiererei, der die USP. derzeit beherrscht, Attionen, wie sie sich in letzter Zeit besonders in Bayern bemerkbar bekanntlich feine Führer und darum straffrei find, kann doch der er ist es, der die Einigung und damit die Kräftigung des Proletariats machen. Es sei hier nur auf den politischen Mißbrauch durchaus berechtigte Waffengebrauch eines Butschhäuptlings gegen wehrlose hindert und feinen Vormarsch hemmt. Es gibt feinen schlimmeren begreiflicher fameradschaftlicher Zusammenfünfte, auf die Gründung Bürger der Republit nicht Gegenstand eines Strafverfahrens fein. Feind des proletarischen Klaffenkampfes, als jenes felbfigerechte des Bayerischen Heimat. und Rönigsbundes, auf die Brovokationen der Nationalsozialisten in München , namentlich aber auch auf die Ausführungen des auf die Republik vereidig. ten aftiven Staatsbeamten Rahr bei den Studenten und Be amten der Bayerischen Boltspartei und ähnlichen Rundgebungen" hingewiesen. Tritt auch die Bedrohung und die Beschimpfung der Republif in Bayern und ganz speziell in München hervor, so sehen wir doch deutlich den innigen Zusammenhang der gegenrevolutionären Strebungen im Norden und Süden des Reiches, in Bayern , in Hamburg wie in Ostpreußen . Deshalb bekennt sich der Bezirks parteitag zum folidarischen Zusammenwirken aller Sozialdemokraten im ganzen Reiche für die Berteidigung ber Republik und die entschiedene Betämpfung aller Verfuche, die Monarchie in Deutschland , besonders aber in der sogenannten Reimzelle" Bayern wieder herzustellen.
Die Partei im Bezirk blidt auf eine erfolgreiche Arbeit zurück. Wie lebensfräftig die Bewegung in der Heim- Gegend ist, geht am besten aus der Tatsache hervor, daß der Parteitag einmütig eine vom Bezirtsvorstand vorgeschlagene Er höhung des Wochenbeitrages auf 1,20 m. für Männer und 60 f. für Frauen abgelehnt, dafür aber eine solche auf 1,50 m. refp. 70 Bf. beschloß. Die Barteigenoffen legten sich also freiwillig eine höhere Leistung auf, als ihre Leitung für nötig erachtet hatte.
Pittinger entflohen.
München , 8. Juni. ( Eig. Drahtbericht.) Dr. Bittinger, ber Dr. ganifator der banerischen Separatisten bewegung, hat sich, wie die Münchener Boft" erfährt, seiner Aburteilung durch bas Reichsgericht durch die Flucht entzogen.
Offiziersprozeß im besetzten Gebiet.
Seffiererfum. Ich werde nicht müde werden, es zu brandmarten und die Parteigenoffen dagegen aufzurufen.
Bum Schluß erinnert Kautsky daran, daß er mit seiner Betämpfung des Bolschemismus ursprünglich in der USP. allein geftanden habe, während jetzt felbst die unabhängigsten Spazen" das, was er damals fagte, von den Dächern pfiffen. Und er ist Optimist genug, in der Einigungsfrage eine ähnliche Entwicklung zu erwarten.
Mainz , 8. Juni. ( WIB.) Bor dem Kriegsgericht der Rheine armee hatten sich hier ehemalige aktive deutsche Offiziere zu verantworten, weil sie als Mitglieder der Ortsgruppe Wiesbaden des Deutschen Offizier bundes entgegen einer Berordrung der Interalliierten Rheinlandtommiffion im besetzten deutschen Rheingebiet einer Organisation angehört haben sollen, die direkt oder in Dieser Optimismus wird durch die Haltung der Freiheit" direkt mit dem deutschen Kriegsministerium oder anderen militärischen zunächst nicht gerechtfertigt. Gegen die Vorwürfe Kautskys Dienststellen in Berbindung stehe. Das Gericht verurteilte nach über die bisher betriebene Bolitit ber 3wiespältigkeit erhebt fie fünfftündiger Berhandlung den Major Georg Jürgen als ver- in ihrer Berlegenheit keine Einwände. Das schluckt sie alles antwortlichen Leiter zu drei Monaten Gefängnis und 5000 m. als unvermeidlich und unwiderleglich herunter und erklärt in Gelbftrafe, den Oberleutnant Heinrich Graf in contumaciam au fläglichem Ton, fie sei ja auch für die Einigung, nur wiffe fie sier Monaten Gefängnis und 5000 M. Geldstrafe, ferner in contu- nicht, wie man das machen soll: maciam ben Hauptmann Heinrich Otto und den Oberleutnant Heinrich Aumann zu je einem Monat Gefängnis und 3000 m. Geldstrafe, sowie die übrigen Angeflagten zu je 3000 M. Geldstrafe.
Anleiheaussichten und Börse.
Wer die USP. einigungsreif machen will, rennt offene Türen ein. Niemand in ihr sträubt sich gegen die Einigung. Kautsky redet, als läge die Einigung schon hinter uns, als wäre bereits eine einige Partei da. Das Broblem ist ja aber, wie die Einigung zustandetommen foll, solange die eine Partel in der Regierung siht und gemeinsam mit fapitalistischen Bartelen Politit treibt und die In Uebereinstimmung mit den neuesten New Dorfer Mel- andere Partei in Opposition steht und dieselbe Regierung be. bungen beurteilt die Berliner Börse die Anleihe ausfämpft.( Ueber die Art der Regierungsbekämpfung stehe oben fichten etwas günstiger. Infolgedessen trat am heuti- Rautsky. Reb. b.„ B.".) Darüber aber schweigt Rautsty beharrlich. gen Devisenmarkte stärferes Angebot hervor, das um so nach Er wagt nicht zu sagen, die USP. müsse mit in die Regierungsdrücklicher auf die Kurse wirkte, als Handel und Industrie foalition eintreten, um so eine einheitliche politische Basis für vorläufig ihren Devisenkauf auf das Allernotwendigste be beide Parteien herzustellen, beide zu Regierungsparteien zu machen. Schränken. Der Dollar wurde um die Mittagsstunde mit Er wagt aber auch nicht, von der SPD . den Austritt aus der 274 bis 275 gehandelt. Am Effektenmarkt beobachtet Roalition zu fordern, um auf diese Weise den einheitlichen Kampf natürlich die Spekulation angesichts dieses Rückschlages weit- boden herzustellen, beide Parteien in der Oppofition zusammen gehende Zurückhaltung. zuführen.
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