Deutschöfterreichs Notjchrei. Bauer für Währungsunion mit Deutschland . Wien . 12. Juni. (WTB.) In der gestrigen Sitzung des Wiener Kreisarbeiterrats, der eine entsprechende Eni- Ichließung annahm, führte Abg. Otto Bauer u. a. aus: Der politisch« Anschluß an das Deutsche Reich ist uns durch den Friedensvertrag verboten, aber unsere Währung nach unserem Bedürfnis zu regeln, verbietet uns der Friedensvertrag nicht. Wir können also, wenn die Verhandlungen mit der Morgan. gruppe scheitern sollten, x an die deutsche Regierung herantreten, sie möge eine Notenbant in Deutsch -Oe st erreich er- richten, um sie mit einem Fonds von Papiermark auszustatten, der unsere Kronennoten beinahe vollständig bedeckt. Dazu wären etwa acht Milliarden Mark erforderlich, welchen Betrag das deutsche Privattapital aufbringen könnte, wofür es das Privileg der Notenemission in Deutsch -Oe st erreich bekäme. Die Dank würde die Verpflichtung übernehmen, jedermann auf Ver- langen die Kronen zu einem gesetzlich fixierten Austauschverhältnis gegen Mark umzuwechseln. Die Krone könnte daher nicht mehr unter den ein für allemal gesetzlich festgelegten Bruchteil einer Mark sinken. Der Druck weiterer Banknoten müßte allerdings aus- geschlossen sein, weshalb das Deutsche Reich uns gleichzeitig einen einmaligen Kredit im Betrage von weiteren acht Milliarden Mark zur Deckung des Defizits unseres Staatshaushalts zur Der- fügung stellen müßte, damit wir Zeit gewinnen, das Gleichgewicht int Staatshaushalt ohne Inanspruchnahme der Banknotenpresse herzu. stellen. Die Krone wäre dann an den Markkurs gebunden und würde nur fallen, wenn die Mark fällt. Die Gefahr der völligen Mertvernichtung wäre beschworen, denn die Mark kann nicht völlig untergehen. Für das Deutsche Reich wäre das freilich ein Opfer, aber eine weitblickende deutsche Politik kann nicht ruhig zusehen, wenn das deutsche Land Oesterreich wirtschaftlich völlig zugrunde geht, denn wenn hier die Katastrophe der Wcrwernichtung der Krone mit ollen ihren unvermeidlichen sozialen und politischen Folgeerscheinun- gen käme, dann würden auf unserem Boden durch frenide Bajonette Tatsachen geschaffen werden, die dem Anschluß Deutsch -Oesterreichs an Deutschland weit größere Hindernisse entgegentürmen würden, als die Paragraphen der Friedensverträge. Eine solche Wöh- rungsunion zwischen Deutsch-Oesterreich und Deutschland würde wohl auf den Wider st and de» französischen Jmperia- l i s m u s stoßen, aber trotzdem müßte meines Erachtens mit Deutschland darüber verhandelt werden, ob es, falls die Entente keinen Einspruch erhebt, uns auf diese Weise der deutschen Wäh- rungsgemeinschaft anzuschließen bereit wäre. Wenn die gegen- «vSrtigen Kreditver Handlungen zu keinem schnellen Ergebnis führen, dann droht uns die Gefahr einer so schweren ökonomischeu und sozialen Krise, daß e» selbst sür die Entente eine moralische llamög- lichkeit sein wird, un, deu weg zur deutschen Hilfe zu verbieten, ohne un» selbst zu Helsen. verkaufsftreik in Wien . Wien . 12. Juni. (EP.) Als Folge des beispiellosen Kronen- Sturzes der letztem Tage hat heute in Wien ein« Art B e r k a u s s- treik eingesetzt Zahlreiche Geschäfteder inneren Stadt und auch in den äußeren Bezirken halten ihre Läden ge- schlössen, um nicht in die Zwangslage zu kommen, ihre Waren gegen entwertete Papierkronen abgeben zu müssen. Vor zahlreichen Geschäften der Lebensmittel- und Tcxtilbranche bilden sich Polo- näsen von Kauflustigen, die sich beeilen, ihren Bedarf an Ge- brauchsartikeln einzudecken. Die von den Kaufleuten verlangten Preise sind phantastisch hoch und ganz willkürlich, da die Wiener Geschäftswelt jede handhabe sür eine vernünftige Preisbildung verloren hat. In der inneren Stadt ist ein verstärktes Wachaufgebot zur Stelle, doch sind Nachrichten über Unruhen in der Stadt vorläufig noch grundlos. Die deutschen Markbeträge iu Belgien . Die deutsche und die belgische Delegation hielten in Brüssel «ine Besprechung ab, die sich mit der Frage der Einlösung der in belgischem Besitz befind- lichen Markbeträge beschäftigte.
Mein Zustand war der eines Betrunkenen, so sehr hatten Hitze, Müdigkeit und Durst mich mitgenommen. Die Führer kamen uns au» der Stadt entgegen, jede Stadt hat ihre eigenen Führer, wir nehmen den der Stadt Iasa." Hassan besucht nun alle Wallfahrt»- orte in Medina. begleitet von seiner Wirtin, einer älteren Frau, die ihn obwohl er verheiratet ist. zu gern mit ihrer Tochter verbinden möckite und ihm ein Eheversprechen abzwingt. Großartig ist der Einzug des„Mehmet Schami". der Doppelkamelsänfte mit dem kost- baren Samtbehanq für die Kaoba in Mekka , die jedes Jahr unter großen Feierlichkeiten hingeführt wird.„Wir besahen uns den Ein- zug des Mehmet Schami in die Stadt, mit ihm kamen 11 00» Pilger. Es war ein imposanter Anblick, nicht zu beschreiben. Die Kanonen von der Festung gaben IM Schüsse ab.' Dann zieht die Karawane Hassans nach Mekka weiter: fie reiten unter großen Mühseligkeiten genau 12 Tage. Zum Einzug in Mekka mieten sie sich Esel, aber da» Grautier, da» Hassan besteigt, stolpert beständig und wirft ihn ab. Die andern lachen ihn au», und ol» sie nach Mekka kommen, macht unser Pilger dem Eselvermieter Vorwürfe.„Als Euer hoch- wohlgeboren mir den Esel vermieteten, da war Euer herz nur auf den Esel bedacht, nicht auf mich,' sagt er. Der Vermieter antwortet: „Oh, mein Herr, sei mir nicht böse, der Esel ist auf einem Auge blind, ich fürchtete, sein zweites Auge könnt« durch Staub und Wind ertranken, deshalb sagte ich mir, es sei besser, es zu verbinden.' „Hast Du keinen andern gefunden als mich, um auf Deinem blinden Esel zu reiten?' fragte Hassan.„Nein, Herr,' antwortet jener,„ich rand Leute genug, aber ich hielt Cu«r hochwohlgeboren sür den Besten unter ihnen nach dem Aussehen zu urteilen.' Da er für den Esel vorausbezahlt hatte, mußt« sich Hassan bescheiden. Er wall- fahrtet nun mit den andern zu allen heiligen Stätten, bewundert die großartige Illumination, die der Scheriff von Mekka veranstaltet, und' tritt glücklich die Rückreise an.„Unsere Reise hatte genau 91 Tage gedauert,' schließt er.„Nachher pilgerte ich nach Jerusalem und betete dort an allen heiligen Stätten. Alsdann kehrte ich nach Iafa zurück Am folgenden Tag« nahm ich meinen Dienst wieder auf und dankte Gott , daß er alles so glücklich gefügt hatte." Spielvlanönderunq. Im L. s s i n g. T h-- t- r geht von DonnerZ. tag an allabendlich 7'/, Uhr»Die Ballerina des Konig SMn«rzcne. Drofellor German« TielS. der klaMs-be Philologe unserer Universität, m w 75 Leb-nSjah7g- st° r b e n. Sein Spezialgebiet war die griechische Sprache und Literatur. Mndols Sberstadt, der bekannte berliner Städtebau.TSeoretiker. Pro- kessor an der Universität, ist im Aller von 65 Jahren g e st o r b e n. . Tie Deutsche Goetbe-GeseNschaft hat aut ihrer Weimarer Tagung den Berliner Professor G u st a v N o« l h e zum Präsidenten erwablt. Da« ist der Mann, der die Kahne der deutschen Republik einen.elenden Lappen- nannte und der von der deutschen Nation sagte:.Der Ekel vor dem eigenen Nolke i» s, enischlich, dasi ti einem schwer wlrd,»ch noch als Deutscher ,u sahien.- Die Eoetbe-Gesellschatt. die bisher eine harmlose litcrarilche Kaflceclique war. scheint sich nunmcbr in diu Bahnen eines ge- melngisahrlichcn Haken lreuzlertums weiterentwickeln zu wollen. Der Vetersburger Bariton Salesti. der am Deutschen Opernhau, mit großem Ertolg gastierte, wird in dem russischen vperngastsplel, da« im «inguft diele« Jahre« in der Volksbühne TbeaterckmBNlow- V l a h. ftattstndet, den Boris«odunoli'singe». Er hat diese Partie bereits in der Malländer Ecala kreiert.
(Schluß aus der Abendausgabe.) Offenburg , 12. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Fräulein Illovicz, die Zimmeroermieterin des Angeklagten und Kautter, sagt folgendes aus: Killinger und Kautter waren eng befreundet und haben in einem Zimmer zusammen gewohnt. Am 28. August brachte T i l l e s s e n einen Zettel mit einer Mitteilung an Killinger. Am 29. August sind zwei Koffer gebracht worden, worüber die Zeugin angeblich ungehalten gewesen sein will, well das öfters vorkam und dadurch der Boden beschädigt wurde. Der Angeklagte stellte die Koffer unter seinen Schreibtisch. Am Abend kamen zwei Herren, die die Zeugin nicht kannte. Der Ange- klagte gibt aber zu, daß Schulz und Tillessen es waren. Die Zeugin weiß nicht, wer die Koffer weggebracht hat. Die Regensburger Wirtin von Schulz und Tillessen äußert, daß zwischen ihrer Tochter und Schulz ein enges Freundschaftsver- hältnis bestand. Ueber Crzbcrger hat die Zeugin keine Gespräche gehört. Am 12. September ist sie vernommen worden. Tags darauf bekam sie einen Brief von Schulz, den sie in ihrer Wut über die Vernehmung, ohne ihn zu lesen, zerrissen hat. hinterher hat sie ihn wieder zusamemngesetzt und au« Neugierde gelesen. Es hieß darin, daß Schulz jetzt längere Zeit nicht mehr schreiben könne, da er keine Wohnung und keine Zeil habe. Die Zeugin bestätigt, daß beide dem Schutz- und Trutz- b u n d angehörten. Der Zeuge Architekt M e s ch, Vorsitzender des Schutz- und Trutz- bundes Regensburg, will von der Organisation C nichts gewußt haben. � Bei ibm haben sich Schulz und Tillessen gemeldet und auf ihre frühere Zugehörigkeit zum Schutz- und Trutzbund verwiesen. Sie haben die Versammlungen eifrig besucht. UeberErzberger sei speziell nicht gesprochen worden. Der Zeuge ist allerdings der Meinung, daß Crzberger und die anderen November-Leute Landesverräter seien. Schließlich gibt der Zeuge noch zu, für mehrere andere Organisationen tätig zu sein. hierauf wurden die Zeugen vernommen, die Mitglieder der Organisation C waren. Sie erscheinen mit ihren Kriegs- auszeichnungen vor dem Richtertisch. Als Erster wird der Druder des Tillessen vernommen. Seinen Bruder schildert er als einen schwer zugäng- lichen Charakter. Weitere Charaktereigenschaften verweigert er anzugeben. Der Vorsitzende verliest hierauf den Brief, den der Zeuge im März 1921 aus Wien an seinen Bruder gerichtet hat. Die wesent- lichsten Stellen des Briefes lauten:„Die Ueberlegungen, die Du in dem Brief vom 17. Februar niederschreibst, sind mir Wort sür Wort au, der Seele gesprochen. Ich bin Deiner Ansicht: Ein überzeugter Katholik muß ultramonlan sein, dann erst Rom anhängen und dann erst Deutscher sein. Erst wenn man in Leuten wie Erzberger den absoluten llesuilenzögliag erkannt hat. der. um da» Seelenheil von Rom aus zu erlangen, sein Vaterland verrät, erst dann wird man sich innerlich abwenden. Der Kamps ist ein Lebenskampf, lieber Heini, und wir stehen vereinzelt da." Ein anderer Brief des Bruders von Tillessen vom 3V. August 192l— also nach dem Mo rde an Erzberger — an den Flüchtigen beginnt mit den Worten:„herzlichen Dank sür Deinen Brief vom 29. August. Du bist sa eine urbreite Axt. Grüße an Schulz im besonderen.' Auf Befragen bezeichnet der Zeuge die Worte„urbreite Axt' als eine Dantesbezeichnung für ein Geschenk. Der Zeuge Franz Lidig, Organisation C, bekundet, daß. auf Erzberger innerhalb der Gehelmorganlsalioo geschimpft wurde. Bei dem Zeugen Bruno Mahn, Dankbuchhalter in Würzburg , sind eine Anzahl Notizen in bezug auf den O b c r st Ba u e r sowie antisemitische Schriften gefunden worden. Mahn war früher Mitglied des Schutz, und Trutzbundes und sagt aus, daß in desien Kreisen viel auf Erzberger und die Freimaurerei geschimpft wurde. Auf die Frage, ob ihm an dem Signalement der Erzberger- Mörder im Hinblick auf das verkrüppelte Ohr nicht» aufgefallen sei, erklärt er, daß ihm die Angaben über das verkrüppelte Ohr schon aufgefallen sind. Dann wurde der Ehrhardt-Offizier Kautter vernommen, der bekanntlich mit Killinger zusammen wohnte und einige Monate in Offenburg in Untersuchungshaft war. Der Zeuge, der ebenfalls wie die vorhcrvernommenen Mitglieder der Organisation C unvereidigt bleibt, schildert seine Beziehungen zu Schulz und Tillessen . Der Vorsitzende bringt dabei die Paßangelegenheit zur Sprache und richtet an den Zeugen die Frage, ob der Pah, den er damals in Oesterreich mitgenommen Habs, in Ordnung gewesen sei. Der Zeuge bejaht diese Frage und gibt weiter an, daß in der Organi- sation C keine militärische Urlaubsordnung einge- halten wurde. Vors.: hoben Sie vor dem Morde an Erzberger von dem Plan gewußt? Sie können die Aussage auf diese Frage verweigern.
leuge: Nein, ich habe nichts gewußt! > o r f.: Ip—'— v:--
Ist Ihnen die Beschreibung über die Narbe und das verkrüppelte Ohr aufgefallen? Zeuge: Diese Art Kennzeichnung war nicht auffällig. Ueber die Paßangelegenheit und auf andere Fragen gibt der Zeuge emsweichende oder gar keine Antwort. Zeuge Alfons h o f f m a n n, ebenfalls Mitglied der Geheim- organisation, schildert Tillesien als einen ruhigen Menschen, der sich aber in einen einmal gefaßten Plan festbiß. Ueber Erzberger äußerte er sich in energischen Worten. Er halte Erzberger für einen Menschen, der unsckn den Sumpf hineingerissen habe. In der Organisation EseivielüberErzberger geschimpft worden. Angabeif über den Mord will der Zeuge nicht machen können. Aus dem Protokoll über seine erste Vernehmung geht hervor, daß er Leute getroffen habe, welche sagten, wenn man nur Erzberger einmal habhaft werden könne, um ihn unschädlich zu machen. Zn öfsentlichen Versammlungen in München sei ost gerufen worden: „Bringt ihn doch um!" Es folgt die Vernehmung des Zeugen Müller, Student der Volkswirtschaft in München . Er bekundet gleichfalls, nichts von der geplanten Tat vorher gewußt zu haben. Im Zusammenhang mit dieser Vernehmung verliest der Vorsitzende einen anonymen Brief an die Frau des bayerischen Abgeordneten Nikisch, in dem dieser bedroht wurde, daß er nicht an einer deutschen Eiche auf-
gehängt würde, sondern wie ein tönerner Pfeifenkopf in einer Kölner Schießbude abgeschossen werde. Dieser Brief wurde seinerzeit dem Zeugen diktiert. Es war festzustellen, daß in zwei Fremdworten dieselben Fehler vorkamen wie in der Urschrift. Der Schriftsachverständige hat mit Bestimmtheit festgestellt, daß der Brief von der Hand des Zeugen geschrieben wurde. Dieser b e st r e i t e t jedock mit aller Bestimmtheit die Urheberschaft des Briefes und will eine diesbezügliche Erklärung unter Eid abgeben. Eine Vereidigung erfolgt aber nicht. Zum Schluß der Vormittagssitzung teilt der Vorsitzende mit, daß am Dienstag �>9 Uhr die Schlußvorträge beginnen können. ?n öer Nachmittagssitzung wurde die Zeugenvernehmung fortgesetzt. Die neuen Zeugen wider- sprechen sich in ihren Aussagen vollständig. Den Angaben liegt folgender Tatbesland zugrunde: Nach dem Morde Erzbergers hielt sich Tillessen in Ulm auf. Dort sprach ihn ein früherer Be- kannter, der Zeuge F r i ed l e i n, an. Dieser traf ihn in einen» Cafe. Friedlein erkundigte.sich nach den Gründen der Tat. Er ist aber nicht weiter in ihn gedrungen, um mehr zu erfahren. Dann kam er noch in eine Unterhaltung, wobei auch der Mord fi n Erzberger näher besprochen wurde. Tillesien hat oersucht, dem Friedlein die Gründe der Tat beizubringen, um die Tat selbst zu entschuldigen. Unter diesen Gründen kam auch der vor, daß es eine gute Tat sei, wenn man jemand beseitigt, der seinem Volke schadet. Tillessen lzabs ihm gar nichts anvertraut. Sie vereinbarten ein Zusammentreffen im„Goldenen Engel". Friedlein kam rechtzeitig und erkundigle sich beim Hotelpersonal nach Tillessen . Man stellte die Anwesenheit eines Herrn mit diesem Namen in Abrede. In einer Stunde trafen sie sich dann doch noch. Tillesien befand sich in Gesellschaft einer Anzahl Herren vom Freikorps Oberland . die angeblich nach Ulm gekommen waren, um Material zu kaufen.. Schulz und Tillesien waren dem Friedlein bekannt. Er hat sich im Jahre 1921 in München wiederholt mit ihnen getroffen. Mit den Herren vom Freikorps Oberland wurde auch vom Erz» bcrger-Mord gesprochen. Einer von ihnen, der sich Oberleutnant h o l l e b e n nannte, hat gesagt: der Reichskanzler wirth käme auch noch dran. Friedlein weiß nicht, ob dieser Leut- nant der Organisation C angehört. Er sei Bankbeamter in München.— Di« Verteidigung weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß di« Organisation Oberland und die Organisation C in gespanntem Verhältnis zueinander gestanden haben. Die an- wesendcn Offiziere als Mitglieder der Organisation C bestätigen das. ■ Im Gegensatz zu Friedlein hat der Zeuge Röhringer unter Eid erklärt, daß im Dezember v. I. ihm Friedlein in Stutt- gart begegnet sei und daß er mit ihm ein Stück Weges zusammen- gegangen ist. Dabei hätte ihm Fricdlein erzählt, daß er nach dem Morde seinen Freund Tillesien in Ulm getroffen habe. Tillessen habe Friedlein gesagt: „was sagtest Da wohl, wenn ich Dir sagen würde, das ich der Mörder Erzberger » bin?" Friedlein habe das Gespräch weilergesührt, woraus sich Tillesien als Mörder bekannt hätte. Tillesien Habs ihm auch seine Brieftasche mit viel Geld gezeigt. Desgleichen soll Tillesien erzählt haben, daß er einen Auslandspaß habe. Der Zeuge stellt die Sache weiter so dar, als ob der Mord von Erzberger auf Grund einer Auslassung. im Freikorps Oberland zustandegekommcn sei. Dann sei vom Reichskanzler Wirth die Rede gewesen. Dem Zeugen wird vorgehalten, daß gegenwärtig ein neues Strafverfahren wegen Betruges gegen ihn angängig sei. Er ist auch schon wegen Betrugs vorbestraft. Seine Aussagen werden daher angezweifelt.— Zeuge Kaufmann Schaum aus Ulm wird nunmehr vernommen. Er kennt Killinger aus seinen militärischen Stellungen. Ueber die Art der Beschäftigung Killingers und seiner Freunde in München will er nichts erfahren haben. Der Staatsanwalt hält ihm dannr" einige Briefe vor, die unmittelbar mit der Organisation C in München zusammenhängen. In diesen Briefen ist sogar die Rede da?'. von, daß Schaum auf einer Sitzung in München bestimmteBor- schlage gemacht habe. Killinger besuchte nach dem Erzberger - Mord den Schaum einmal in halle : vom Morde wurde aber nicht gesprochen. Killinger zeigte dem Zeugen einen Ausschnitt aus einer französischen Zeitung, wobei er einen Paß mit aus der Tasche zog. Der Paß blieb in Halle zurück. Schaum sandte ihn an die Adresse Killingers, der aber inzwischen schon festgenommen worden war. Ter Zeuge ist politisch der Ansicht gewesen, daß man einen Weg suchen mußte, um Erzberger politisch kaltzustellen. Allerdings will er dabei nicht an einen Mord gedacht haben. Es kommt dann zur Berneh- mung des ehemaligen Marineingenieurs B o r n f e l d t. Er sagt aus. daß Schulz und Tillesien ihm bekannt waren. Am 6. August 19Z1 hat er dem Schulz einen Reisepaß nach Saalfeld geschickt. Vorher hatten� sie noch davon gesprochen, daß Thüringen wunderschön für eine Sommerreise sei. Der Zeuge selbst war während des Monats August in Oesterreich . Als er dort in einer Zeitung den Bericht über die Ermordung Erzbergers und die Beschreibung der Täter las, sei er nicht wenig erstaunt gewesen. Die Urlaubserteilung bei der Organisation E ist nach der Bekundung des Zeugen durchaus nach militärischen Grundsähen erfolgt.— Der nächste Zeuge, Kriminalbeamter Z i e g l c r aus Freiburg , inacht unwesentliche Angaben über seine Nachforschungen nach den Wohnungen von Schulz und Tillessen in München . Dos Gericht verzichtet auf die Vernehmung der Frau Erzberjjer und der Frau Dr. Hemmrich-Berlin . Weiter wird beschlossen, die heute als Zeugen vernommenen Angehörigen der Organisation C mit Ausnahme dös Zeugen Mahn nicht zu vereidigen, da die übrigen in das Verfahren wegen Geheimbündelei verwickelt sind. Weiter kommen Briefe zur Verlesung, die die Zlngehörigen des Schulz nach dem Tode Erzbergers geschrieben haben. In einem dieser Briefe be- dauert eine Tante, daß die Partei den Jungen so weit gebracht habe. Sie hoffe, daß die Partei nun auch für ihn einspringen und daß bei Zustandekommen einer neuen- Regierung ihm die Strafe erlassen werde. Die Verteidigung legt Wert auf die Feststellung, daß das Reichsgericht die ursprünglich verbundene Strafsache gegen Killinger wegen Beihilfe zum Morde an Crzberger und wegen Geheimbündelei wieder getrennt hat. Nach 7 Uhr abends wird die Verhandlung vertagt. Dienstag- vormittag 9. Uhr wird der letzte Zeuge Prince vernommen werden, worauf die Beweisaufnahme geschlossen werden dürste. Einige Zeu- gen haben auch morgen noch einmal zu erscheinen.
»Zronarbeit für fremües Kapital. Ludendorff predigt Nationalstolz. Nach einer Meldung des deutschnationalen„Tag' aus München hat E r i ch Ludendorff auf einem sogenannten „vaterländischen Abend" der bayerischen Unterofsizier-Ver» eimgung eine Rede gehalten, in der er u. a. sagte: „Wir sind nicht mehr Herr im eigenen Hause, wir leisten Fron- arbeit sür sremdes Kapital, für fremde Völker, wir haben uns in Fesseln schlagen lasien. helfen kann uns nicht ein Stand oder«ine Partei, nur das treue Zusammenarbeiten aller, die auf vaterländischem Boden stehen. Das deutsche Volk Hot Un- geheures geleistet, es hat das Recht zu leben. Lernen wir wieder den Stolz, Deutsche zu sein." In der Tat hat Erich Ludendorff jüngst einen trefflichen Beweis dafür geliefert, zu welchen„Fronarbeiten " gewisse Deutsche sich für fremdes Kapital hergeben: als er nämlich in einem Blatt des größten Deutschenhassers Lord
N o r t h c l i f f e, im Londoner „Sunday Pictorial", einen Ar- tikel veröffentlichte, in dem er die deutsche Republik beschimpfte. Darf man fragen, wieviel englische Pfunde der königl. preußische General a. D. und aktiver Rorthcliffe-Mit- arbeiter Erich Ludendorff für diese„Fronarbeit für fremdes Kapital" einkassiert hat?_ „Der deutsche Arbeiter und Frankreich " lautet di« Tagesordnung einer für heute, Dienstag, abends 8 Uhr. im Lehrervereinshaus, Alexanderplatz , von den 15 Organisationen des Deutschen Frieden?- kartells einberufenen Volksversammlung, in der Genosiz Ed. Bernstein den Vorsitz haben wird. Als Gäste aus Frank- reich sprechen Vertreter der Deputation der Französischen Liga für Menschenrechte, die aus dem Abg. B u i si o n, den Unioersitäts- profesioren Bäsch, Ruyssen und Bouglil, dem Genosien R e n a u d e l, dem Generalsekretär G u e r n u t und Frau M e- nard-Dorian besteht. Bon deutscher Seite sprechen die Genossen Heinrich Ströbel und Dr. Robert Kuczynski Karten 3 M. bei Bot« u. Bock, A. Wertheim. Gewerkschaftsmitglieder 2 M., nur Abendkasse......_____ �