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Nr.290 39.Jahrgang Ausgabe Nr. 145

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Berliner Volksblatt

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Donnerstag, den 22. Juni 1922

Verschärfte Lage im Reichstag.

Getreidenmlage und Steuerfragen.

Berlin für volle Getreideerfassung.

Entgegen den beschwichtigenden Mitteilungen vieler bür Selbsthilfe in bedrohlicher Weise heraufbeschworen werden soll, gerlicher Blätter ist festzustellen, daß der gestrige Tag feine dann ist es dringend geboten, daß die Reichsregierung endlich wir t- Entspannung der innerpolitischen Lage, sondern eine Ver- samere Maßnahmen gegen die Leuerung und ihre fteifung gebracht hat. Im Volkswirtschaftsausschuß, der Urheber ergreift." die Getreideumlage berät, sind die Umrisse einer Berständi­gung, auf deren Boden die Sozialdemokratie treten fönnte, noch nicht entfernt zu erblicken. Das Schicksal der Vorlage, das zugleich das Schicksal des Reichstags oder der Regierung felbst ist, ist noch ganz ungewiß. Ueber die Größe der freizu laffenden Fläche ist eine Einigung noch nicht erzielt, sollte sich hier ein Ausweg finden lassen, da über die möglichste Scho­nung der Kleinen llebereinstimmung bis zu den Unabhängi­gen besteht, so wird die Preisfrage neue Schwierigkeiten bieten. Es ist hier schon wiederholt gesagt worden, es handelt fich nicht darum, ob der Marfenbrotpreis erhöht werden soll, fondern darum, um wieviel er hinter dem höheren freien Preis zurückbleiben soll. Wo alles im Preise steigt von heute ab

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Der Berliner Magistrat hat an den Reichsernährungsminister, an den Reichskanzler, an den Reichsfinanzminister, an den Reichs­ tag und an den Reichsrat ein Schreiben gerichtet, in dem darauf hingewiesen wird, daß eine Ausscheidung der sogen. Bemittel ten aus der behördlichen Brotversorgung in gleicher Weise ent­behrlich wie unzweckmäßig und in der Praxis völlig

Protestversammlungen

foftet eine Straßenbahnfahrt 4 M.!, läßt sich auch nicht jede am Freitag, den 23. Jnni, abends 7 Uhr, am Freitag, den 23. Jnni, abends 7 Uhr,

Steigung des Martenbrotpreises verhindern. Es handelt sich aber darum, die Verteuerung in solchen Grenzen zu halten, daß sie durch Lohn- und Gehaltserhöhungen einiger­maßen wettgemacht werden kann. Was die Rechte will und wogegen die bürgerlichen Mittelparteien bisher feinen ernsten Widerstand leisten, das ist ein toll Preissprung, der den städtischen Massen eine ausreichende Brotversorgung unmög­lich macht. In diesem Sinne geht jetzt der Kampf um die Preisfrage, der sich in der heutigen Ausschußsigung entspinnen wird.

Durch die Borgänge im Steuerausschuß wird die Lage noch verschärft. Es sind offensichtliche Bestrebungen im Gange, die 3wangsanleihe in ihrem Wesen so grundlegend zu verändern, daß fie statt ein Opfer des Besiges ein Anleihege­fchäft für die Besizer wird. Zugleich werden Abänderungen der Erbschafts- und Einkommensteuern gefor­dert, die über die soziale Forderung nach Schonung der Kleinen weit hinausschießen und die Besitzenden zuungunsten des Reichs weiter entlasten wollen.

Es ist vollkommen flar, daß die Sozialdemokratische Bar­tei weder bei der Getreideumlage noch bei der Zwangsanleihe Abänderungen hinnehmen kann, die, vom Standpunkt der ver­brauchenden und befihlosen Massen gesehen, als Verschlech terungen zu betrachten sind.

Nur wenn sich die bürgerlichen Parteien über diese Tat­fache vollkommen flar find, wird eine kritische Zuspitzung der Lage, die zu Neuwahlen führen muß, vermieden werden fönnen.

Die Gewerkschaften gegen die Preistreiberei

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Leipzig, 21. Juni .( Eig. Drahtbericht.) Der 11. Deutsche Gewerkschaftstongreß nahm heute einstimmig folgende Entschließung gegen die Teuerung an: ,, Der Kongreß nimmt mit Genugtuung Kenntnis von den un­ausgesetzten Bemühungen des Bundesvorstandes zur Befämp fung des Lebensmittelwuchers und der sonstigen über jedes berechtigte Maß hinausgehenden Preistreibereien. Er bedauert lebhaft und spricht seine Entrüstung darüber aus, daß diese Bemühungen durch Ablehnung der Vorschläge der Gewerkschaften in den meisten Fällen ohne Erfolg geblieben sind.

in folgenden Lokalen: Brauerei

Böhow, Prenzlauer Berg( Garten). Böhmisches Brauhaus, Landsberger Allee 11/13. Krieger- Vereinshans, Chauffeeftr. 94. Schultheiß- Ausschank, Fidicinstr. 2/3. Neukölln, Schultheist( Wintergarten), Hasenheide 30/38. Schöneberg, Uhlandschule, Kolonnenstr. 23/24. Charlottenburg, Sophie- Charlotten- Schule, Scharren­ftraße 23/24.

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Soll das Brot 60 Mark kosten?" Referenten: Abgeordnete Klara Bohm- Schuch, Richard Fischer, Hartleib- Hannover, Kurt Heinig, Sünlich, Jäder Düsseldorf, Käppler, Krüger- Merseburg, Erich Kuttner, Waigand- Bremen.

Arbeiter, Angestellte, Beamte, Handwerker, Kriegs­und Invalidenrentner, erscheint in Massen!

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Vorwärts- Verlag 6.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Berlag, Ervedition und Inferaten. Abteilung Morinplau 11753-54

Die Zwangsanleihe.

Eine ungeheure Vermögensverschiebung ist in Deutschland infolge der Geldentwertung vor sich gegangen. Industrie und Landwirtschaft haben nicht nur ihre Wieder­erlangungsfosten" hereingeholt, sondern weit darüber hinaus ihre Gesamtlage verstärkt, während Mittelstand und Arbeiter­schaft ihre Lebenshaltung nicht sichern fonnten. Nicht weniger sicher als den großen Produktionsherren wächst den anderen Industriemännern ein Auslandswerk nach dem anderen, stößt der arme notleidende Großagrarier seine letzte Hypothet ab und sucht seinerseits nach Sachwerten, um die hereinströmen den Massen Papiergeldes irgendwie aus der Entwertung herauszubringen. Immer zielbewußter, immer hartnäckiger und, gestützt auf wachsende wirtschaftliche Macht, immer rüd­sichtsloser verfolgen die Herren um Helfferich und Stinnes dieses Ziel, und ein Aft aus diesem Drama ist auch das Schicksal der Zwangsanleihe, das in den nächsten Tagen zur Entscheidung fommt.

Müssen nämlich Steuern gezahlt werden, so gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder zahlt der Besiz oder der Verbrauch. Es war Erzbergers großes Unglück, daß er glaubte, auf die breiten Volksmassen bei der Verteilung von Steuern Rücksicht nehmen zu müssen. Auch er mußte den Verbrauch belasten, aber er versuchte es einmal mit einem großen Opfer des Besizes. Dieses, das Reichsnotopfer, mar dank der wilden Heze aller Befißer ein Unheil, aber nur an seinem Urheber. Es ist blutig an Erzberger, nicht aber am Besit vollstreckt worden. Vielmehr hat die rapide fortschrei­tende Geldentwertung, lange ehe ein Pfennig in bar an die Entente gezahlt wurde, das Reichsnotopfer zu einer immer geringeren Last gemacht.

Diese Ueberlegungen haben im vergangenen Jahr, nach­den durch die Annahme des Londoner Ultimatums vorläufig einmal die äußere Schuld Deutschlands eine bestimmte Gestal­tung erhalten hat, zu dem Gedanken der Belastung der Sachwerte geführt. Man wollte die durch die Geldent­wertung hervorgerufene ungeheure Ungerechtigkeit Steuerfystems endlich bis zum gewissen Grade dadurch aus. gleichen, daß dem Reiche an den Produktionsmitteln der am sichersten Besitzenden, deren Werte bei jeder Beldent­wertung automatisch sich erhöhen, ein gewisser Anteil über­wiesen werden sollte.

des

Forderung wurde, nachdem sich das zunächst von der Industrie gemachte große Kreditangebot" in Devisen als eitel Schaumschlägerei erwiesen hatte, nach schweren Kämpfen schließlich dem Besiz die Zwangsanleihe abgerungen.

Unter dem Druck dieser von den Arbeitermassen erhobenen

Um die Zwangsanleihe auf den Befiz umzulegen, mußte Die sozialdemokratische Reichstagsfrat. ein Maßstab der Belastung gefunden werden. Der vorliegende Regierungsentwurf hat zu diesem Zwei die rom tion hat sich gestern in vielstündiger Beratung mit der ge­famten innerpolitischen Lage beschäftigt, über deren tiefen Einzelnen aufzubringenden Beträge in ein gewifies Berhält­Ernst man sich nirgends täuschen soll. Es herrschte velle Ein- undurchführbar ist. Der zur Durchführung der geplanten anleihe eine nach der Höhe des Vermögens der Zeichnungs­nis zu seinem Vermögen gesetzt, derart., daß die Zwangs mütigkeit in allen Fragen, vor allem auch darüber, daß die Maßnahme erforderliche Apparat, schreibt der Magistrat, lohne in pflichtigen gestaffelte prozentuale Belastung darstellt. Als Sozialdemokratie die einzige Bartei ist, die eine Reichsteiner Weise den minimalen praktischen Erfolg. In großen Städten Stichtag für die Berechnung des Vermögens ist der 31. De­tagsauflösung nicht zu fürchten hat. - insbesondere in Berlin sei mit einer Millionenzahl von be- zember 1922 festgesetzt, damit die Veranlagung in Verbin rechneten Anträgen zu rechnen. Eine furrente Steuerveranlagung bung mit der Veranlagung zur Reichsvermögenssteuer vor­als Grundlage der Beurteilung fehle. Der Magiftrat wäre also ge- genommen werden kann. Nach den Zusicherungen der bär­zwungen, einen völlig neuen Apparat aufzubauen, der die eingehen- gerlichen Parteien, die inzwischen mehrfach durch feierliche den Anträge entgegenzunehmen, zu prüfen und zu bearbeiten hätte. Versprechungen gegenüber der Reparationsfommiffion fanttio= Der Magistrat halte es ferner im Interesse des sozialen Friedens niert worden sind, soll jedoch der größere Teil der für außerordentlich bedenklich. angesichts des schon bestehenden er 3 wangsanleihe noch im Laufe dieses Jahres heblichen Abstandes in der Lebensmittelversorgung der Minder- gezeichnet werden. Die Zeichnungspflichtigen haben bemittelten und Höherbemittelten, diesen Unterschied noch behördlich deshalb spätestens bis zum 31. Oktober auf Grund ihrer zu fanttionieren und daß er feinerlei Verantwortung Selbsteinschätzung im voraus 3wangsanleihe zu zeichnen und für die zuverlässige Erledigung der ihm etwa auferlegten Aufgabe die entsprechende Zahlung zu leisten. Bleibt die Borquszah einer Trennung von Bemittelten und Unbemittelten übernehmen lung hinter der endgültigen Veranlagung zurüd, so treten fönne. gewiffe Strafzuschläge in Kraft, die sich im Höchstfalle auf schuffes richtete ferner der Vertreter der sozialdemokratischen In der geftrigen Sigung des Berliner Etatsaus 70 Broz. belaufen. Fraktion eine Anfrage an den Magistrat, was er getan habe und 3wangsanleihe aus dem April d. 3. setzt der endgültige Re­Entsprechend der vorläufigen gesetzlichen Festlegung der noch zu tun gedente, um in der brennenden Frage der Brot gierungsentwurf für die Anleihe während der ersten brei Die Sprunghaft fortschreitende Berteuerung der Lebenshaltung städtischen Konsumenten wahrzunehmen. Die Antwort des Ma- feinerzeit getroffenen Vorbehandlungen wird für weitere fünf versorgung und der Getreideumlage die Interessen der groß- Jahre Unverzinslichkeit fest. Entsprechend den zwingt die Gewerkschaften, in immer fürzeren Zwischenräumen giftratsvertreters, die bezeichnenderweise nicht durch den deutsch. Jahre eine Berzinsung von 21 Proz., von da ab eine Ber­Lohnerhöhungen zu fordern, die zumeist in stetem Rampf nationalen Stadtrat abgegeben wurde, bewegte sich im Rahmen der zinsung von 4 Proz. festgelegt. Demgegenüber hat der mit den Unternehmern und gegen den Widerstand der Kreise durch ebigen Mitteilungen. gesetzt werden müssen, die durch ihre maßlose Gewinnsucht tischer Ein entsprechender sozialdemokra. Reichsrat in die Regierungsvorlage im schärfsten Wider­die heutigen Zustände verschulden. Die Auswucherung der breiten her Antrag wurde mit der Stimme des Zentrums und spruch zu allen Vorverhandlungen nach den drei zinslosen eines volfsparteilichen Mitgliedcs angenommen. Jahren sofort die 4 prozentige Berzinsung ein­Massen des Voltes nimmt täglich bedrohlichere Formen gefügt. Der Reichsrat hat noch eine weitere schlimme Ver­an. Die Folge ist eine ständig zunehmende Berelendung. Die statt­böferung an der Borlage vorgenommen. Er will nämlid), gefundenen Lohn- und Gehaltserhöhungen haben mit der Verteue­menn die Einnahmen aus der 3wangsanleihe 60 Milliarden rung der Lebenshaltung längst nicht gleichen Schritt gehalten. Die Spanne zwischen Arbeitseinkommen und notwendigen Lebenshal­Papiermark übersteigen, den Zeichnungspflichtigen eine Art Rückforderungsrecht einräumen. Der vorsorgliche Reichsrat tungstesten ist immer größer geworden. Zurzeit deckt das hat leider vergessen zu sagen, welche Maßnahme er für den Durchschnittsarbeitseinkommen höchstens nur noch die Hälfte des Fall vorschlägt, daß das erzielte Aufkommen hinter einer notwendigen Unterhalts, gemessen an den Verhältnissen von 1914. Es ist also eine für die Boltsgesundheit geradezu bedrohliche Senkung der Massenlebenshaltung eingetreten, die unweigerlich auch zu einer allgemeinen Herabdrückung der produkti­ven Leistungsfähigkeit führen muß.

Wenn die gesamte Arbeitnehmerschaft nicht unter der doppelten Last der Teuerung und einer ungeheuren Bürde an Steuern und Zöllen zugrunde gerichtet werden, oder aber die Gefahr der

Massenkundgebungen in Sachsen. Teilnahme des Gewerkschaftskongresses in Leipzig. Ceipzig, 21. Juni .( Eig. Drahtbericht.) Die Landesaus­schüsse der drei fozialistischen Parteien und des ADGB. Sachsens rufen heute alle Arbeiter, Angestellten, Beamten und Republikaner Milliarde Goldmark zurückbleibt. zu Massenfundgebungen gegen die besonders in Sachsen außer­ordentlich stark auftretende Reaktion auf. Am Freitag findet auf liegenden Form die von den geeinten Arbeitermassen erhobene Es ist kein Zweifel, daß die Zwangsanleihe in der vor­dem Augustusplatz in Leipzig cine gemeinsame Kundgebung aller Forderung nach einer Belastung des Besizes nur zu m recht fozialistischen Parteien und des DGB. statt. Der Gewertschafts- geringen Teil erfüllt. fongreß wird feine Beratungen abbrechen, um gefchloffen Die Sozialdemokratie hatte, als der Anleihegedanke an zur Demonftration abzumarschieren. In einer die Stelle der unmittelbaren Besizübertragung durch die All­Abendjigung sollen die Arbeiten dann fortgesetzt werden, gemeinheit getreten war, die Auflage einer Golds