Nr. 303 39.Jahrgang Ausgabe Nr. 149
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutfchlands
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Donnerstag, den 29. Juni 1922
Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Verlag. Egbedition und Inseraten.
Abteilung Moritplas 11753-51
Der Mörder Techow verhaftet.
Der Mordgehilfe Günther geftändig.- Das Komplott aufgedeckt.
Berlin , 29. Inni.( Amtlich). Einer der Mörder des Außenministers Rathenau, der 21 Jahre alte Ernst Techow , ist heute Vormittag in der Nähe von Frankfurt a. O. verhaftet worden, er ist derjenige, der das Anto gesteuert hat. Die Meldung, daß auch die anderen beiden Mörder bereits ergriffen worden seien, bestätigt sich nicht.
Berlin , 29. Juni. Amflich. Die der Teilnahme an der| Ermordung des Ministers Rathenau überführten Personen, die von der Abteilung la des Berliner Polizeipräsidiums ermittelt und festgenommen wurden, find:
1. Kaufmann Richard Schütt,
2. Kaufmann Franz Die stel in Berlin , die Besitzer der Autogarage, in welcher der zur Mordtaf benutzte Kraftwagen untergebracht war,
3. der Gymnasiast Gerd Techow in Berlin , 4. Student Willi Günther in Berlin , 5. Gymnasiaft Heinz Stubenrauch in Berlin . Der zu 3 Genannte ift der Bruder des inzwischen ergriffenen Mittäters Ernst Werner Techow . Gerd Techow , Günther und Stubenrauch waren die Mitwisser bzw. Urheber des Mordplanes. Schütt und Diestel waren Mitwiffer bzw. Benehmer an der Mordtat steht noch zu erwarten.
Die Verhaftung Guenthers und die Durchsuchung bei ihm ist auf Veranlaffung des Staatskommiffars für öffentliche Ordnung erfolgt.
In Zusammenhang mit dieser Meldung verdient die Tatfache Erwähnung, daß Herr Helfferich dem Polizeipräsi dium zur Verfolgung der Täter 100 000 Marf und die Deutschnationale Partei der gleichen Stelle 200 000 Mark angeboten haben. Das Angebot wurde natürlich abgelehnt. Man wird sich aber fragen müssen, aus welchen Gründen die Herren, die mit dem Mordgehilfen Günther in so eifriger korrespondenz standen, diesen Schritt getan haben. ( Weitere Meldungen 3. Seite.)
lösung des Reichstags geschritten werden, um unter der Führung der Regierung Wirth eine stärkere Mehrheit zum Schuß der Republik zu erhalten. Wenn die Regierung durch fofortige Aufnahme von Unabhängigen wir betrachten diefen Schritt und die Einigung nur als eine Frage der nächsten Zeit nach links verstärkt wird, um so besser! Das Ergebnis der Wahlen kann dann fein anderes fein als ein überwältigendes Botum des Boltes für die Republit, eine vernichtende Abrechnung mit ihren feigen Meuchlern, und auf dieses Volksurteil gestützt wird die nach links erweiterte Regierung endlich, endlich die Kraft finden, rücksichtslos aufzuräumen und die Ordnung der Republik im Innern zu fichern. Dann werden auch die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Außenpolitik und eine Wiederaufrichtung der Wirtschaft gegeben sein.
günſtiger des Mordes. Die Festnahme weiterer Teil- Verantwortung des Bürgertums. werden auch dann unfern Weg finden, wir werden in allem
Der amtliche preußische Pressedienst meldet:
Ein deutschvölkischer Held.
Aber dieses tröstende Bufunftsbild zerrinnt in nichts. wenn die bürgerlichen Barteien versagen. Was dann? Wir Das Netz der Berfolgung zieht sich über den Mördern und was dann kommen mag, an unserm Bolt, an Demokratie und Sozialismus nicht verzweifeln. Unser die Zukunft trotz olledem! ihre Helfern immer dichter zufammen. Einer der Täter iz Aber der Weg, den wir zu gehen haben, wird härter und dunkDie 2bteilung la des Berliner Polizeipräsidiums hat den in ficherem Gewahrsam. Bei einem Helfer, der verhaftet ler sein als irgend einer, den wir jemals gegangen sind, und Leutnant der Reserve und cand. jur.. Guenther ver- wurde, find Briefe von Ludendorff und Helfferich ge- wir haben doch wirklich viel Dunkles und Haries hinter uns. haftet, dem nicht nur die Mitwisserschaft, sondern die Beihilfe Inhalt uns zur Stunde noch nicht bekannt ist, nicht geftan- und Bereitschaft. funden worden. Ganz gewiß wird in diesen Briefen, deren Bon den Massen fordert die Stunde Selbstbeherrschung zum Morde des Reichsaußenministers Dr. Rathenau bereits den haben, daß man Rathenau ermorden soll. Aber die Tatnachgewiesen ist. Guenther war sowohl bei den Bor- fache, daß die Mörder in schriftlichem Berkehr mit den Heroen besprechungen , die fich um den Plan des Mordes der Deutschnationalen Partei gestanden haben, zeigt die Enge drehten und die in einem Berliner Borort stattfanden, an der Verbindung, die zwischen dieser Partei und der Mordwesend, als auch den Tätern in jeder Weise behilflich. gesellschaft bestand. Er hat für den Mörder Techow die Garage ausfindig gemacht, in der das von auswärts fommende Automobil, das taten auf Scheidemann und Rathenau eine ganz bestimmte poDamit wird auch immer wahrscheinlicher, daß den Attenbei der Mordfat benutzt wurde, untergestellt werden könne. Iitische Abficht zugrunde liegt. Sie ist aufgedeckt in den In alle Einzelheiten der geplanten Tat war er, wie noch ein- Enthüllungen, die Genosse Wels an der Hand von Dokumen mal ausdrüdlich hervorgehoben werden muß, genau ein- ten über die Bläne der Organisation C machte. Die Führer geweiht. der Linken sollten weggeschossen werden, um die Massen zu Guenther ist der deutschnationalen Jugend- wilder Wut zu erregen und das Chaos zu entfeffeln. In bewegung im März 1919 beigetreten und wurde im No- diesem Chaos soll dann die Rechte, die Angst des Bürgertums vember des gleichen Jahres aidh Mitarbeiter der nationalen ausnutzend, als Retter auftreten und die Ordnung wieder Bereinigung, die der Aufklärung des Boltes in nationalem herstellen". Sinne" dienen will. Seit dieser Zeit ist er nach seinen eige
Diese Spekulation, die so verrucht ist, daß ein normales nen Angaben in Beziehungen zu rechtsgerichte- Menschenhirn sie faum faffen kann, hat in Darmstadt und ten politischen Persönlich feiten getreten, die im einigen anderen Orten Anfangserfolge gezeitigt. Die Rechtsöffentlichen Leben eine Rolle spielen. Während des Kapp- presse ist voll von ungeheuerlich übertriebenen Nachrichten Butsches war er im Vorzimmer des Generals v. Cüttwig über Gewalttätigkeiten, die von den erregten Massen da bei Oberst Bauer als Ordonnanzoffizier tätig. 3m Juli und dort verübt worden sein sollen. Käme es im ganzen 1920 arbeitete er beim deutschnationalen Studentendienst und Reich zu Ausschreitungen, gegen die die republikanischen Bewar damals auch Mitglied der Deutsch nationalen hörden einzuschreiten gezwungen sind, ginge es drunter und Boltspartei. Erst später ist er infolge eines Prozesses drüber, so würden die Politiker des Meuchelmordes sich verzwischen der Deutschnationalen Boltspartei und dem Nationalen gnügt die Hände reiben und sagen:„ Es geht alles nach Studentendienst in Sonflift mit der Deutschnationalen Bolts- Wunsch!" partei geraten und wurde im Berlauf dieser Zwistigkeiten von ihr ausgeschlossen. Heute noch ist Guenther, der von diefem Ausschluß erst vor 4 Wochen erfahren haben will, Mitglied folgender rechtsstehender Organisationen:
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Herr Flesch, der Begrüher Helferichs. partei erfolgten Wiederverhaftung ds angeblichen ftud. jur. und Zu der am Montag im Bureau der. Deutschnationalen BoltsMarinelutnants a. D. Friß Werner Flesch- des gleichen Mannes, der eine halbe Stunde nach der Ermordung Rathenaus Herrn Helfferich den Kranz mit schwarzweißroter Schleife überbrachte erhalten wir Mitteilung, die diesen politischen Abenteurer und feine Umgebung in erstaunlicher Weise beleuchten. Flesch ist 22 Jahre alt und mosaischer Konfeffion. Das hat ihn nicht gehindert, gleich nach der Revolution die Rolle eines wüsten antisemitischen Heyredners zu übernehmen. Bei den Januar- und Märzunruhen 1919 war fein ständiger Aufenthalt das Eden hotel, wo er sich mit der Befpigelung politisch links. ftehender Bersonen und Organisationen befchäftigte. Schon dort spielte er fich als Offizier auf, obwohl seine militärische Laufbahn nicht über die eines Schreibers bei einer Marinelandfliegerabteilung hinuasgegangen ist.
Marloh verwidelt. Zu Marloh hatte er die engsten Beziehungen. Flesch war bereits in die Matrosenangelegenheit Bei Ausbruch des Kapp Butsches tauchten Flesch und Marloh auch plötzlich vereint auf und befehligten am Halleschen Tor einen Teil der Ehrhardt- Brigade. Flesch wurde nach dem Putsch einige Male verhaftet, aber immer wieder auf freien Fuß gefeßt, obwohl er sich selbst der Beziehung zu allerhand dunklen Taten brüstete.
Jede politische Ueberlegung sagt, daß Ausschreitungen, die von republikanischer Seite verübt werden, nur den Plänen der Rechten zu Hilfe fommen. Wer die Republik schüßen will, der muß alle Kraft aufbieten, damit die Nach dem Kapp- Butsch gründete Flesch die Ortsgruppe Berlinrepublikanische Massenbewegung in gefeß- Süd des Deutschvölkischen Jugendbundes, deffen Borsitzender er lichen Bahnen verläuft. Erregte Massen, die längere Zeit war. Erst als seine mosaische Konfession ans Tagesin Baulichkeiten eindringen, Sachschäden an licht tam, mußte er feinen Bosten niederlegen. richten und sich an Personen vergreifen, die fie mit Recht oder Unrecht für schuldig halten, dort bestehenden rechtsradikalen Organisationen der Flesch ging dann nach Brasilien und brachte es bei den In der deutschnationalen Jugendbewegung spielte er als fördern unbewußt die Pläne der Organisa- Auslandsdeutschen zu hohen Ehren. Als ihr Vertreter" Borffandsmitglied eine Zeitlang eine führende Rolle, jetzt ist tion C. er Mitglied der Ortsgruppe Hansa des Deutschnationa- Die Sozialdemokratische Bartei ist entschloffen, alles auf- betrat er vor etwa acht Wochen wieder den heimatlichen Boden, mit len Jugendbundes. Auch dem Deutschen Treubund gehört zubieten, um den Plan der Mörder zu vereiteln und zu ver- reichlichen Geldmitteln ausgerüstet, die ihm den Aufenthalt er als Mitglied an. Im übrigen fel noch erwähnt, hindern, daß Deutschland in den Abgrund stürzt. Das tann im Hotel Fürstenhof ermöglichten. dah Guenther, der am Sonnabend mergen bei der Ub- ihr aber nur gelingen, wenn die arbeitenden Maffen feft zu er dann Herrn Helfferich den Kranz mit schwarzweißroter Eine halbe Stunde nach der Ermordung Rathenaus überbrachte fahrt des Automobils zugegen war, früher mehr- fammenhalten und auch im Bürgertum Unterstügung fach zu Kurierfahrten nach München verwandt wor- finden. Fehlt diese Unterstützung, so werden wir eine neue Schleife und der Inschrift Dem Retter der deutschen Ehre", gestiftet den ist. Im Befihe des Guenther, der sich, wie eben erwähnt, Tragödie Deutschlands erleben, an der letzten Endes die po vom Deutschen Kriegerbund in Rio de Janeiro . Diese Tat verhelf auf seine nähere Bekanntschaft mit führenden rechtsstehenden litische Unreife des Bürgertums die Schuld tragen ihm allerdings zu einer Portion Maulschellen durch ein paar emPersönlichkeiten bezog, ist eine Reihe von Briefen gefunden wird. Muß man es den bürgerlichen Barteien auch jetzt noch pörte Republikaner . worden, aus denen hervorgeht, daß Guenther in gesellschaft- in die Ohren schreien, dok jezt feine Reit ist, um den Preis Aus den bei Flesch beschlagnahmten Papieren geht hervor, daß lichen und rolifischen Beziehungen an hervorragenden Mitglie- des Umlagegetreides zu feilschen? er Angehöriger mehrerer militärischer Organisationen ist, von deren dern der Deutschnationalen Bolfspariel gestanden hat. So Das Gefet am Schuh der Republi? beharf au Cristenz den Behörden bisher noch nichts befannt war. Trog diefes muiden feirer Berabschiedung einer Zweibrittelmehrheit. Zu ihr langt Materials wurde F zunächst aus der Haft entlassen. Erst als bri Briefe von Helfferich, Ludendorff, Jagow, Westarp sammenhält. Reigt sich, daß die Rechte trotzdem start genug Gepads neues schwer belastendes Material gefunden es fnapp, menn im Reichstag alles, was republikanisch ist, fest der Durchsuchung feines auf dem Potsdamer Bahnhof lagernden ist, sein Zustandekommen zu verhindern, dann muß zur Aufwurde, wurde seine abermalige Festnahme angeordnet.
gefunden.