Vebek soczke einmal einer der scharfsinnigsten Sozialdemo- kraten:„Bebel weist immer, wie die deutsche Arbeiter- klaffe denkt und fühlt, und was er tut und was er lagt, geht aus dem Wesen der deutschen Arbeiterklasse hervor." Nach dieser, wie uns dünkt, höchsten Anerkennung eines sozial- demokratischen Führers geizte Vollmar nicht. Er hatte nicht diese Fühlung mit den Masten. Er beurteilte politisches Leben und politische Tatsachen fast ausschsteßlich unter dem Gesichts- punkt der sich im Parlamente ergebenden Möglichkeiten. Für den oberflächlichen Betrachter zeigt nicht nur sein ganzer Lebensgang vom päpstlichen Soldaten bis zum Prole- rarierführer tiefe Klüfte, auch in seinem Wirken innerhalb unserer Partei zeigt sich ein Riß zwischen seiner ersten revolu- tionären Periode, die ihn auf dem Kopenhagener Kongreß alle anderen an Schärfe und Kampfeslust übertreffen ließ, die ihn in seiner glänzenden Rede wider Bismarck bei Beratung des Tabakmonopols zum Liebling der Massen machte, und seiner späteren emsigen, vielfach kleinen, sich immer mehr ausschließ- lich auf den parlamentarischen Boden beschränkenden Wirksam- keit. Schließlich verschärfte sich sein schweres körperliches Lei- den bis zu dem Grade, daß er aus dem Kreise der wirkenden und kämpfenden Parteigenossen ausscheiden mußte. Mit so wenig Verständnis ihm die große Mäste der Parteigenossen im Norden gegenüberstand, so war er doch von der Liebe der bayerischen Arbeiter um- geben. Kein Redner in München und sonst in Altbayern war von ihnen mehr gefeiert als Wollmar , und bei allem Respekt, dem sie ihm bewiesen, nannten sie ihn doch liebkosend ihren Girgel. Unrecht wäre es, in dieser Kennzeichnung seiner Per» sönlichkeit zu vergessen, daß er der erste Redakteur des„S o- zialdemokrat" von Zürich war, des berühmtesten und tapfersten Kampfblattes unserer Partei, seitdem mit Frei- ligraths wuchtigen Versen in ihrer letzten roten Nummer die „Neue Rheinische Zeitung " aufgehört hatte, zu erscheinen. chat auch Vollmar das Prinzip des F ö d e r a l i s m u s für Deutschland betont und ist er dadurch dem bayerischen Parti- kularismus oft gefährlich nahegerückt, empfand er sich auch theoretisch nicht als Anhänger von Karl Marx , so hat er doch seinen Pflichten als internationaler Sozialdemo- k r a t nicht nur in Paris , wo er zur Zeit des Sozialisten- gesetzes länger weilte, gedient. Die verfolgten Russen in Bayern , wie Vera S a s s u l i t s ch und auch Lenin , wissen, was sie seinem Schutze gegen ihre Verfolger danken. Schwere Strafen hatte er fiir die Partei abzubüßen. Mehr als fünfzig Jahre quälten ihn schwerste Gebrechen, nur seine gewaltige Energie gibt für fein bewunderungswürdiges Märtyrertum die Erklärung. Wenige Wochen vor seinem Tode empfand er es sicher als eine Krönung seines Lebens, daß er an seinem Krankenbette dem Präsidenten der deutschen Republik die Hand drücken konnte. Darin sah er gewiß, von dem, was er erstrebt, ein großes Stück erfüllt. Ein Großer ist gegangen. und auch diejenigen, die ihm oft auf seinem Wege nicht folgen konnten, stehen an dem offenen Grab in tiefer Trauer. VeileidSkundgebnng des Reichspräsidente«. Der Reichspräsident hat an Frau v. Vollmar nach Soiensaß bei Urfeld(Walchensee ) folgendes Telegramm gerichtet: „Mit aufrichtiger Teilnahme erfahre ich, daß Ihr Herr Gemahl dahingegangen ist. Georg v. Vollmar, mit dem mich die E r i n n e- rung an lange, gemeinsame Arbeit verbindet, hat, stets von edelstem Streben erfüllt, als Vorkämpfer des Sozialismus sich bleibende Verdienste erworben. Ms führender Parlamentarier hat er an der wirstchaftlichen und politischen Entwicklung des Reiches und seiner engeren Heimat Bayern hervorragenden Anteil genommen. Sein Andenken wird unvergänglich sein. Seien Sie meines herzlichen Beileid« versichert. E b e r t, Reichspräsident." VoftmncS Lebenslauf. Georg v. Vollmar, der am 7. März 1850 in München geboren war, genoß zunächst eine klösterliche Erziehung als Schüler des Benediktinergymnasiums zu Augsburg. 18SS trat er als Reiter-
fähnrich in das bayerische Heer ein, wurde ein Jahr später Leutnant und machte den Krieg gegen Preußen mit. 1867 verließ er den bayerischen Dienst und ging, noch unter dem Einfluß seiner klerikalen Erziehung stehend, nach Rom , um dort ein Jahr als Frei- williger in der päpstlichen Garde zu dienen. 1869 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde Beamter der bayerischen Ver- kehrsanstalten. Als solcher nahm er auch an dem Feldzug 1870/71 teil und wurde in Frankreich schwer verwundet. Zum Ganz invaliden geworden, widmete er sich philosophischen, wirtschaftlichen und politischen Studien, die ihn zur sozialistischen Weltanschauung führten. 1877 übernahm er die Leitung der„Dresdener Volks zeitung", die später, wie fast alle sozialdemokratischen Blätter, dem Ausnahmegesetz zum Opfer fiel. Als die verfolgte Partei in Zürich ihr in Deutschland verbotenes Organ, den„Sozialdemokrat" heraus- gab, war Georg v. Vollmar sein erster Redakteur, bis später Eduard Bernstein ihn ablöste. Im Jahre 1883 wurde Vollmar für Chemnitz in den sächsischen Landtag gewählt, dem er bis 1889 angehörte. Dann lehnte er eine Wiederaufftellung ab, um fortan ganz in seiner Heimat zu wirken. 1893 wurde er Mitglied des bayerischen Land> tage», in dem er bis zur Revolution eine überragende Stellung ein> nahm. Dem alten Reichstage gehörte er seit 1881 mit kurzen Unter brechungen an. Seit 1890 war er ununterbrochen für München II gewählt. In seiner langen politischen Tätigkeit blieben ihm die ge> richtlichen Verfolgungen nicht erspart, unter denen die Sozialdemo. kraten tn jener Zeit zu leiden hatten. U. a. wurde er mit Bebel und Auer in dem bekannten Freiberger Geheimbunds- prozeh zu mehrmonatiger Gefängnisstrafe verurteilt, weil er an den Parteikongressen in Wyden und Kopenhagen tellgenommen hatte. Die schwere Verwundung im Deutsch -Französischen Kriege hat Vollmar nie wieder ganz zur vollen Gesundheit kommen lassen. Aber trotz der Beschwernisse, die ihm diese Kriegsfolgen bereiteten, hat er un- ermlldlich und nie versagend im politischen und parlamentarischen Dienst der sozialistschen Bewegung gestanden. Erst in den letzten Jahren des Weltkrieges hatten die Lähmungserscheinungen so stark zugenommen, daß er bei den Wahlen nach der Revolution auf eine Wiederausstellung sowohl in Bayern wie zum Reichstage Verzicht leisten mußte. Münchener Polizeigeschichten. München , 30 Juni(Eigener Drahtbericht). Das Wolff-Bureau verbreitet eine amtliche Erklärung der bayerischen Regierung über die Vorgänge in München am Abend des 28. Juni. Die Erklärung spricht im Zusammenhange mit dem Versuch der Münchener Sozial- demokratischen Partei, die zu erwartenden Ausschreitungen rechts- bolschewistischer Verbände durch den Aufmarsch der Arbeiterklasse zum Widerstand gegen Gewaltakte gegenüber der Ententekommission zu verhindern, von einer sozialdemokratischen Polizei im Staat mit eigenem Hauptquartier, von sozialistischen Kampstruppen, Posten, Patrouillen, Radfahrern und militärischen Ressorts und versucht da- durch den Eindruck zu erwecken, als wenn es sich um eine wohl- organisierte sozialdemokratische Wehrmacht in München handle. Die Polizeidirektion in München beschwert sich vor allem darüber, daß die Sozialdemokratische Partei unter Umgehung der„ausgezeichneten bayerischen Landespolizei" schon bei der Anwesenheit des Reichs- Präsidenten einen eigenen Sicherheitsdienst aufgestellt habe. Dazu ist zu bemerken: die Sozialdemokratische Partei in München hat keine irgendwie vorbereitete Wehr- macht organisiert, lediglich durch die Drohung der in m i l i t ö- rische Sturmabteildngen gegliederten„National- s o z i a l i st e n" hat sich das Bedürfnis ergeben, angesichts der unzu- verlässigen Polizei zum Schutz« des Reichspräsidenten eine Gruppe von Parteigenossen zu organisieren. Die Münchener grüne und blaue Polizei hat ihre Unzuverlässigkeit und ihr Einverständnis mit den Ruhestörern und den Saboteuren der Republik seit Jahren zur Genüge bewiesen, so erst kürzllch bei einem Angriff der Nationalisten auf das Hotel der Ententekommission, wo die Polizei sich durch eine unglaubliche Fahrlässigkeit und Saumseligkeit auszeichnete. Bemer- kenswert ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß der sozial- demokratische Ordnungsdienst oerhindert hat, daß ein als Haupt- hetzerderMonarchisten bekannter Journalist vor den Reichs-
Präsidenten gelassen wurde. Cr war mit einem Paß der Poll- zeidirektion München ausgestattet, mit einem geladenen Revol- ver bewaffnet und suchte seine Vorlassung zu erzwingen. Damit Hot der sozialdemokratische Ordnungsdienst ein Attentat auf den Reichs- Präsidenten unmöglich gemacht. Oberland-Provvkationen. München , 30. Juni. (DL.) Am 23. Juni fand hier eine groß« Demonstration des Bundes.Aberland" statt. Die Mitglieder dieser Organisation rückten zu der Kundgebung bewaffnet mit Mauserpistolen und Gummiknüppeln aus. Zum Schutz« der De- m o n str ati o n(!!) war ein starkes Aufgebot blauer und grüner Polizei zur Stelle. Die Arbeiter, die sich zu einer Gegenkundgebung zusammengefunden hatten, wurden von der'Polizei auseinander getrieben. Nach Mitteilungen der Münchcner „Sozialistischen Blätter""hat am letzten Sonntag im Hirschgarten in Nymphenburg «in Gartenkonzert stattgefunden, bei dem ein Hoch auf den Kronprinzen Rupprecht ausgebracht wurde. Kaßr und die Organisation c. München , 30. Juni. (MtB.) Zu Beginn der heutigen Vollsitzung de» bayerischen Landtages wurde die Aussprache über die Aus- nahmeverordnung des Reichspräsidenten zu Ende geführt. Abgeord- neter Dirr(Dem.) erkannt« ihr« verfassungsrechtliche Zulässig- keit an. Seine Partei trete iür eine gleichmäßige Anwendung der Verordnunq nack allen Seiten ein. Als letzter Redner wandt« sich der Abg. Graf(Komm.) mit scharfen Angriffen gegen die bayc- rische Regierung. Der kommunistische Redner behauptet« u. a., Herr von Kcihr sei ständig bei den Sitzungen der Geheim» organisalion C. gewesen. Er werde fein Material dem Staatsgerichtshof unterbreiten und forderte die sofortige Amtsenthebung von Kohrs, die Ver- setzung in den Anklagezustand und sofortige Untersuchung gegen den früheren Kronprinzen und den Führer der bayerischen Reichswehr von E p p sowie Auflösung der in Bayern bestehenden Gehcimorganisationen durch die Reichsregierung, da Mitglieder der bayerischen Regierung selbst diesen Organisationen angehören._ Reichswehr und Trauerfeier. In dem Stimmungsbild des„Vorwärts" über die erste Trauerkundgebung des Reichstags war bemerkt wor- den, daß von den Offizieren des Reichswehrminiftcriums, die sonst zu jeder großen Sitzung überaus zahlreich erscheinen, diesmal kein einziger gekommen oder höchstens in Zivil erschienen sei. Der Reichswehrmini st er teilt uns dazu mit, daß nach strengen Weisungen des Reichskanzlers an sogenannten Tagen des Reims - tags nur die dienstlich benötigten Beamten der Minille- rien zu den Regierungsbänken Zutritt haben. Daher befanden sich in seiner Begleitung nur zwei von ihm bestimmte Offiziere, und zwarinUniform. Mehrere parteigenässische Journalisten haben allerdings fest- gestellt, daß während der Reden Lobes und Dr. Wirtds kein Offiz-er im Saale war. Doch erfahren wir von anderer Seite, daß die beiden Offiziere tatsächlich vor Beginn der Sitzung an- wesend waren, aber angesichts der Lärmszenen den Saal verlassen haben. Wir nehmen von di-eler Tatsache gern Kenntnis, um so mehr, als dadurch auch die kritischen Bemerkungen, d>e in unserem Stim. mungsbild an das Fehlen der Offiziere geknüpft waren, in Wegfall kommen können. Durch Wolffs Bureau läßt der Reichswehrminister auch ein Dementi der Mitteilungen des„Vorwärts" über den Obersten Leu- pold in Regensburg verbreiten. Auf dieses Dementi werden wir noch zurückkommen._ Der Mordhelfer Günther und die„Deutsche Tageszeitung".� Die Redaktion de?„Deutschen Tageszeitung" legt Gewicht darauf, scstzu-
Blatt geliefert worden. Ob das früher der Fall war, könne d'.e Redaktion gegenwärtig nicht feststellen, weil das Redaktionsmitglied, das möglicherweise für die Annahme solcher Beiträge in Frage kommen könnte, seit April d. I. nicht mehr der Redaktion angehört und gegenwärtig nicht in Berlin weilt.
Der Druöer. Von Norbert Jacques . Jm.Bergell erzählt man sich eine alte Sage von Missetat und Erlösung. Zwei Brüder, die sich sonst gut waren, gerieten einmal über ein Mädchen nmnens Iuana in Streit. Sie waren im Be- griff, de» Abends von der Alm ins Tal zu steigen. Mit ihnen floß der Nebel schwer, naß und dunkel die Bergwand herab. Der älter«, dem Iuana schon heimlich gehörte, gebot dem jüngeren mit einer witzigen Wendung, über- das Mädchen zu schweb gen. Der aber folgte nicht und die Rede flammt« unversehens zwischen den beiden auf, daß das Bruderblut nicht dick genug war, sie auszuhalten und sie nach einander faßten. Rund um sie wirbelten die Schellen der unsichtbar im Nebel zu Tal kehrenden Ziegen wie klingende Wasserfälle die Hänge hinab. Der ältere brachte mit einem lähzornigen Wurf den anderen zu Boden. Der Gestürzie entglitt der Hand des Stärkeren, strauchelte abwärt» und rutschte durch den Nebel unversehens im Geröll davon. Dann kam noch ein Schrei, wie von einem Adler, der über dem Piz >ie Kugel aus dem Himmel wirft. Der Bruder, der in diesem Kanyss unterlag, wurde nie mehr gesehen, weder lebend, noch, wi« man auch Hänge und Schluchten abbuchte, als Leiche. Der Bruder, der am Leben blieb, stritt lange Zeit mit sich. Täglich ging er nach Eastagnasecca, um sich dem Polizisten zu melden. Wenn er aber den Fuß zu dessen Türschwelle heben wollte, bekam er ihn nicht hoch. Es war, als läge die Liebe Iuana« auf einmal um ihn wi« ein Netz, da» alle Glieder einschnürte und sich nicht zerreißen ließ. Bold gab er es auf, sein Verbrechen gestehen zu wollen und genoß seine Liebste. Aber nur so lange der rote Bogen ihre» heißen vnd gewährenden Blute« ihn überstieg, war er ihrer froh und ihr hingegeben. Verließ er das warme Lager und wollt« über den Kirchplatz zu seinem Haus zurück, so war ihm, als ob wie ein Mörder der ganze Berg durch die Morgendämmerung über ihn herabgefallen käme. Dann konnie er sich nicht anders retten, als indem er dem Mör- der in die Arm« stürzte. Er lies die Holden hinan und an der Stelle, wo ihm der Bruder aus der Hand gefallen war, warf er sich zu Boden und preßte den Leib, den noch die Zuckungen Juanas über- liefen, di« unschuldig schuld an dem Morde war, mit durstschreien. den, wahnvollen Erlösungssüchten an die Steine, von denen der Bruder verschlungen worden war. Und seine Stimme rief mit unterdrücktem Geschrei, sein Herz aber in rasenden Rufen laut in den Boden hinein, wie in ein anderes größeres Herz, das sich nicht öffnen wollte. Diese Zustände mehrten sich, je näher der Tag der Hochzeit kam. Dennoch konnte er das Mädchen nicht aufgeben, und er hing zwischen dem Gewähr ihrer Liebesnächte und dem Ruf nach dem ihretwegen getöteten Bruder unerlöst und in schaurigem Zagen !»md Zuwarten. [ AI , der Tag der Hochzeit da war, versammelten sich die Lur« jM«a.«od Mädchen fr» Dorf« vor de« Haus des Hochzeiter», da»
am Kirchplatz lag. Die beiden Glccken läuteten in fröhlichem Duett. Die Braut schmückte sich, der Pfarrer wartete. Aber da der Bräutigam sein Haus verließ und auf den Kirch- platz trat, verstummten die Glocken mit einem Male, alz hielten unsichtbare Hände die Klöppel fest. Doch statt dessen kamen die Ziegen von allfn Bergen herunter. Ihr Läuten schüttelte di« Lust zu einer herbsußen Schwermut auf. Es kam leiser und tiefer dem Dorf zu, obschon vor drei Stunde» erst der Hirt die Ziegen ins G«. birg« geführt hatte. Und als die Ziegen auf Sehweit« hcrange. kommen waren und all ihre Schellen wi« in einem Choral zusam- menläuteten, da sahen die Dorflente, daß zwischen ihnen der ver- schollen« Bruder de» Bräutigams schritt. Der Totgeglaubte stieg bis an den Rand des Dorfes herab. Dort blieb er stehen, bleich und stumm, aber mit freundlichem Aug' und schickte einen suchenden Blick über den Kirchplatz. Als er den Bnider dort sah, seiner Oual anheimgegeben, hob«r die Hand und winkte dreimal mit einer stillen und milden Einladung ihn herauf. Der Hochzeiter folgt? dem Wink. Leicht gebückt und schweigend verlieh er die Dorfleute und das Dorf und ging auf den Bruder zu. Da er bei ihm angekommen war. wandte sich der Verschollene bergwärts. Man bemerkte nicht, daß sie ein Wort miteinander ge- redet hatten. Die Leute sahen nur, wie sie gleich zusammen bergan gingen... immer höher und höher. Der jüngere voran, der Bräuttgam folgte, den Kopf geneigt. So kletterten sie und Netter. ten, immer in demselben Bergleuteschritt, bis sie nicht mehr gesehen wurden. Der Bräutigam kam nicht mehr ins Dorf zurück und nirgends fand man eine Spur von ihm. Er blieb verschollen, erlöst vom wilden reinen Gebirg._ Toller-Manifestation im Großen Schauspielhaus. Weit über das Künstlerische hinaus wurde die Erstaufführung von Ernst Tollers „Maschinenstürmer". Tragödie zu einer großen politischen Demonstration, die die Freunde des noch immer gefangen gehaltenen Dichters veranstalteten. Schon zu An- fang des Stückes wurden laute Beifallskundgebungen dargebracht. Nach dem zweiten Bilde hielt ein junger Mann von dem obersten Rang ein« Ansprache an da» Publikum und brach in den Ruf aus: „Nieder mit der bayerischen Regierung!" Di« ein- zclnen Bilder wurden oft durch Zwischenruf« de» Unwillen» gegen die Reaktion unterbrochen. Als von einem Voltshelden die Rede war, der sich für die Sache der Freiheit aufgeopfert und eine fette Pfründe des Privatlebens verweigert hatte, erscholl aus dem Publi- kum der Ruf:„R a t h e n a u I" Nach der Vorstellung hielt der Regisseur Karlheinz Martin an das Publikum eine An-j spräche, in der er daran erinnerte, daß, im Augenblick der groß- artigen Ovation für den Dichter, Ernst Toller gefangen in der Zelle säße. Die bayerische Regierung hat ihn nicht beurlaubt, obwohl die besten Männer des deutschen Geistesleben» seine Beurlaubung erbeten hatten Die Tausende von Zuschauern beantworteten diese Ansprache, indem sie ein Hoch auf Toller ausbrachte». Ueber das Kunstwerk jelber wird wsrge» gejgsroche»«erden,». H.
Deutschlands Malerei im Haag. Die holländische Regierung veranstaltet bei Gelegenheit der jetzt im Haag tagenden Interna. io- nalen Konferenz dort eine Internationale Ausstellung von Gemälden. Sie soll an Hand weniger erlesener Werke einen ileberblick über das Schaffm der hervorragendsten zcitpenösst- schen Meister eller Länder geben. Jedes Land ist aufgefordert wor- den, dafür fünf Bilder lebender Künstler zu senden. Die Einladung an Deutschland ist angenommen worden und die sünf ausgewählten Bilder wurden dieser Tage von der preußischen Kunstverwaltung nach dem Haag geschickt. Es sind vrn C o r i n t h das große Blumenstilleben aus der Berliner Sammlung Gurlitt, das im letzi-u Winter dort auf der Eorinth-Ausstellung hing: von Leopold ron Kalckreuth das Bildnis der Frau Zacharias ans dem Besitz der Hamburger Kunsthalle : von Max Liebermann der Garten am Altmännerhaus vom Jahre 1880. aus der Derliner Galerie Eduard Arnold: von Max S l e v o g t das Bildnis D'An- drades, das als Leihgabe in der Nationalgalerie hing und zum Unterschied von dem Chainpagnerliede in Stuttgart der„schwarze D'Andrade" heißt: von Hans T l> o m a der„Sommertag" aus der Dresdener Galerie Hoesch.— Diese fünf Gemälde sind zweifellos Kunstwerke ersten Ranges, sie tzabcn nur den einen Fehler, daß ihre Meister samt und sonders der älteren deutschen Malergeneration an- gehören und daß die Kollektion daher keinen richtigen Eindruck von dem deuffchen Kunstschaffen der Gegenwart geben kann. E» wäre indessen ungerecht, der preußischen Kunstverwaltunq hieraus einm Vorwurf zu machen. An der Auswahl der Gemälde haben S.-ck>- ! verständig« wie Redslob und Waetzoldl entscheidend mitgewirkt denen man kunstreaktionäre Ansichten nicht zumuten wird. Tie Beschränkung auf die ältere Generation wurde diesmal durch„divlo- matische" Rücksichten bestimmt, die man r.uf den in künstlerischen Dingen stark rückständigen offiziellen Kunstbetrieb Hollands nehmen mußte. Es ist ein Trost, daß die übrigen Länder im Haan aus dem gleichen Grunde nicht viel anders vertreten sein werden, Frankreich z. B. nur mit akademischen Arbeiten ältesten Genres. Ileberdies wird sich noch in diesem Herbst auf der Haager A u s st e l l u n q der Deutsch -niederländischen Gesellschaft Gelegen- heit bieten, dem holländischen Publikum di« neueste deutsche Kunst vorzuführen. Schlttzwachen der englischen Doltkiker. Die Tatsache, daß Rothe« nau die ihm öfters angebotene Schutzwach« ablehnte, hat die Aus» führung des Attentats sicherlich leichter gemacht. Dabei ist die polizeiliche Bewachung von Staatsmännern, die durch ihre Stellung besonders gefährdet sind, ein Brauch,.der sich in der letzten Zeit immer häufiger als notwendig erweist. In England ist es seit den 80er Jahren üblich, Persönlichkeiten, die im Mittelpunkt der Oesseut- lichkeit stehen. Detektivs zur Bewachung beizugeben. Ais die Attentate der Fenier eine große Unsicherheit in das öffentliche Leben Großbritanniens brachten, wurde ein? polizeiliche Leibwache für die Königin Viktoria geschaffen, die sie bei allen ihren Ausgängen be» gleitete. Die Erfahrungen, die man damit machte, waren so günstig, daß daraufhin eine besondere Abteilung bei der enzlische:! Rol'z;i eingerichtet wurde, die sogenannte politische Abteilung v-- See: land Pard. Seitdem sind nicht nur die Mitglieder der k üglich- Familie stet» von Polizisten bewacht worden, sondern auch Staats- mmijter und«udere Politiker maxbru unter die besondere Obhut dir