Einzelbild herunterladen
 

Ein amtliches Zeugniß

über deutsche   Kolonialpolitik.

Der in unserer legten Nummer in einer Privatdepesche aus Wien   avisirte Artikel der Wiener Arbeiter Zeitung" lautet folgendermaßen:

Noch ist in aller Erinnerung, wie der Kanzler des Deutschen Reiches   in Kamerun  , der berüchtigte Leist, die Kulturmission" Deutschlands   in Afrika   auffaßte und wie milde der Disziplinar­fenat in Berlin   die unmenschlichen Brutalitäten dieses Vertreters Deutschlands   beurtheilte. Wer aber glauben würde, daß die Verbrechen Leist's vereinzelt seien, wäre schwer im Jrr­thum. Die Kolonisation hat die Ausbeutung zum Zwecke, be­dient sich des Landraubes als Mittel und kann ohne mehr oder minder überschminkte Sklavenarbeit nicht wirth­schaften. Mit offener Gewalt werden die Eingeborenen zur Arbeit gezwungen und die anmuthige Fabel vom freien Arbeitsvertrag", die im Mutterlande noch immer Dumme findet, die sie glauben, macht in den Kolonien der brutalen Wirklichkeit Platz.

In wenigen Wochen wird im deutschen   Reichstage wieder die Kolonialpolitik Gegenstand der Debatte und der eingehenden Beleuchtung durch die Sozialdemokraten sein. Unsere Parteigenossen allein haben den Muth gehabt, die Schandthaten ans Licht zu ziehen, mit welchen die Leist den deutschen   Namen befleckten; sie waren es, welche die Nilpferdpeitschen, mit welchen den armen Eingeborenen der richtige Begriff von den Segnungen deutscher Kultur beigebracht wird, auf den Tisch des Reichtstages legten. Auch bei der nächsten Debatte wird gewiß die deutsche Regierung durch den Mund des Ver treters der Kolonialabtheilung des Auswärtigen Amtes pathetisch erklären, daß, wenn Uebergriffe vorkommen, die Beamtenschaft davon nichts wisse, daß sie gegen jeden ihr zur Kenntniß tommenden Fall energisch vorgehe, und daß vor allem die von den bösen Sozialdemokraten vorgebrachten Behauptungen erst untersucht werden müßten. Für den Westen Afrikas  , die Kolonie Kamerun  , der Regierung diese Stellung schwer gemacht zu haben, ist das Verdienst ihres Kanzlers Leist; einen fleinen Beitrag zur Beurtheilung der Verhältnisse im Osten wollen wir im folgenden bieten und glauben uns den Reichskanzler zu ver pflichten, wenn wir ihn bei Zeiten auf die Nothwendigkeit auf­merksam machen, die amtlichen Schriftstücke seines Ressorts gehörig zu studiren.

interessen durch den geplanten Wegebau so wenig befürchten! zu sollen geglaubt, daß er eine finanzielle Betheiligung der von ihm vertretenen Gesellschaft an den Kosten des Wegebaues in Aussicht gestellt hat. Diesem Verhalten des berufenen Ver­treters der Deutsch  - ostafrikanischen Gesellschaft gegenüber steht der von den betheiligten beiden Gesellschaften unter dem 21. Dezember gemeinschaftlich erhobene Protest in einem so unvermittelten und auffallenden Widerspruch, daß derselbe jedenfalls einer gründlichen Aufklärung bedarf.

Mit peinlichem Befremden habe ich aus dem anliegenden Berichte ersehen, daß gewisse, darin namentlich bezeichnete lokale Vertreter der beiden Gesellschaften, welche Grund zur Be­schwerde über Anordnungen der kaiserlichen Behörden des Schutzgebietes zu haben glauben, anstatt diese Beschwerden auf dem ordnungsmäßigen Wege der Berichterstattung an die ihnen vorgesetzten Gesellschaftsdirektionen zum Austrage zu bringen, mit Benuhung der Presse gegen die ihnen un­erwünschten behördlichen Anordnungen gedroht haben. Ich behalte mir vor, behufs Sicherstellung der Behörden des Schutzgebietes gegen derartige, ein gedeihliches Zusammen­wirken der Regierungs- und Gesellschaftsorgane gefährdende Preßagitationen und deren Urheber die geeignet scheinenden Maßnahmen zu treffen, und hoffe dabei auf die Unterstützung der Deutsch  - ostafrikanischen Gesellschaft und der Eisenbahn- Gesellschaft für Deutsch  - Ostafrifa rechnen zu können. Bevor ich in dieser Beziehung, sowie wegen Ahndung der seitens der verschiedenen Gesellschaftsorgane gegen die Neger­bevölkerung begangenen Ausschreitungen weiteres veranlasse, sehe ich zunächst einer gefälligen Aeußerung der beiden Gesells schaften über die vorstehend berührten Fragen, insbesondere aber über die Stellung entgegen, welche dieselben zu dem bedauernswerthen Verhalten eines Theiles ihrer Organe im Schutzgebiete gegenüber den Maßnahmen der kaiserlichen Ver­waltung einzunehmen gedenken.

Der Reichskanzler.

Im Auftrage: Kayser. Weit interessanter ist aber die Beilage, der Bericht des Be­zirksamtmannes Rechenberg an das kaiserliche Gouvernement in Dar- es- Salam  . Er beginnt folgendermaßen: Abschrift K. 15103.

Vor uns liegt ein amtliches Schreiben der ko. Ionialabtheilung des Auswärtigen Amtes an die Deutsch ostafritanische Gesellschaft und an die Eisenbahngesellschaft für Deutsch  - Ost­afrita betreffend, einen Konflift, in welchen die beiderseitigen in der Kolonie stationirenden Beamten gerathen find. Die Sache ist kurz folgende: Das taiserliche Bezirksamt in Dar- es- Salam  plant den Bau eines Weges von Tanga nach Sega. Dem wider­setzten sich die beiden Aktiengesellschaften oder wie das Reichs­amt behauptet, einzelne Beamte derselben, welche mit Be zu nügung der Presse" drohen. Von diesen Preßagitationen" sucht sei. nun das erwähnte Echreiben jeden Beamten abzuschrecken; es

lautet wörtlich:

Auswärtiges Amt  , Rolonialabtheilung.

"

Berlin  , den 28. Oktober 1894. An die Deutsch ostafrikanische Gesellschaft und die Eisen­bahn- Gesellschaft für Deutsch- Ostafrika  ( Usambara- Linie) Hier.

K. 15 103 52 767

Die Deutsch- ostafrikanische Gesellschaft   und die Eisenbahn­Gesellschaft für Deutsch- Ostafrika  ( Usambara- Linie) benachrichtige ich im Anschluß an meinen Bescheid vom 17. d. ergebenst, daß inzwischen über den seitens der Behörden des deutsch  - ostafrikani­schen Schuhgebiets geplanten Wegebau von Tanga nach Sega amtliche Nachrichten hier eingetroffen sind. Einen von dem kaiser­lichen Bezirksamt zu Tanga in der Angelegenheit erstatteten, von dem kaiserlichen Gouverneur in Dar- es- Salam  eingereichten Bericht vom 3. v. M. füge ich zur gefälligen ver traulichen Kenntnißnahme in Abschrift ergebenst hier bei. Nach den darin enthaltenen Darlegungen erscheint die Befürchtung, als stehe durch den geplanten Weg von Tanga nach Sega der im Bau begriffenen Eisenbahnlinie eine ihrer Interessen ab­trägliche Ronkurrenz bevor, unbegründet. Abgesehen hiervon aber geht aus dem anliegenden Bericht hervor, daß der Plan eines Straßenbaues von Tanga nach Sega mit voller Zu­stimmung des mit der Wahrnehmung der Interessen der Deutsch  - ostafrikanischen Gesellschaft betrauten Herrn Winter in Tanga entstanden ist. Ja der letztere hat nach Inhalt des Berichtes eine Gefährdung der ihm anvertrauten Gesellschafts­

tann.

Weil ich meine Kousine Marceline nicht heirathen will. Frau Messant streckte die Arme gen Himmel. Das fehlte uns nur noch! Unglückliches Kind! Du schlägst Dein Glück aus. Dies sorgenvolle Leben, das wir führen, willst Du ewig dauern lassen? Kannst Du mir wenigstens Deine Gründe sagen?

Tanga, den 3. September 1894.

Dem faiserlichen Gouvernement beehre ich mich gefälligst zu berichten, daß nicht allein der Eisenbahn- Direktor Bernhard, sondern auch der Leiter der Plantage Ngueb, Rowehl, gegen die Anlage des Weges nach Sega zu protestiren be absichtigen, und wie die Genannten selbst geäußert haben, bereits mit Reichspoft Dampfer Kanzler" diesbezügliche 3eitungsartitel nach Deutschland   gesandt haben. Den angeblichen Grund zu diesem Vorgehen bildet für den Eisenbahn- Direktor die befürchtete Konkurrenz dieses Weges, für den Plantagenleiter Rowehl die angebliche Entziehung von Tagelöhnern von der Plantage.

M

Der Bericht führt dann aus, daß die Bahn keine Konkurrenz befürchten habe, vor allem, weil sie noch lange nicht fertig Vielmehr seien ganz gewöhnliche Geldintereffen des Rowehl im Spiele, der mit der Deutsch  - oftafrikanischen Gesellschaft in einem Gesellschaftsverhältnisse stehe und hoffe, daß, wenn diese für einen anderen Wegebau als den vom Gouvernement geplanten einen Zuschuß erhalte, er einen Theil seiner Einlage zurückerhalten

tönnte.

Noch energischer wendet sich das Gouvernement gegen den Vorwurf, durch den Wegebau kämen die Plantagen um ihre Arbeiter, und hier fängt der Bericht an, für uns erst recht interessant zu werden. Die Stelle lautet wörtlich:

Die von Herrn Rowehl befürchtete Entziehung von Plan­tagenarbeitern ist durch den Wegebau nicht veranlaßt. Die Wegearbeiter erhalten 16 Pesa täglich, Männer sowohl wie erwachsene Weiber, Kinder werden nicht beschäftigt. Auf der Plantage Ngueto erhalten eingeborene Monatsarbeiter 10 bis 15 Rupien monatlich, außerdem 8 Pesa täglich; Taglöhner erhalten Männer 20, Weiber 16, Kinder von 10 bis 14 Jahren 10 Pesa täglich. Ein Vergleich dieser Säße ergiebt, daß die Arbeiter auf der Plantage Ngueto, troydem manche eine Stunde länger als beim Wegebau beschäftigt sind( manche aber auch fürzere Zeit) petuniär besser gestellt sind. Wenn die Plantage Ngueto teine Arbeiter hat, so liegt dies an

$

Zur Zeit liegt mir ein auf dem Bezirksamt Pangani   auf­genommenes Protokoll vor, worin sich drei ents flohene Arbeiter darüber beschweren, daß sie, als sie wegen Müdigkeit mit dem Baum fällen pausiren wollten, Don Herrn Rowehl mit dem Revolver bedroht wurden. Derartigen Vorgängen gegenüber befinde ich mich in einer schwierigen Lage; während ich als Richter die­felben verfolgen soll, muß ich als stellvertretender Be zirksamtmann sehen, daß die Verfolgung der Sache der Plantage unberechenbaren Nachtheil bringen muß. Aehn­liche Zustände herrschen bei der hiesigen Eisenbahn, wo die Arbeiter sehr viel höhere Löhne beziehen.

In einem für franke Eingeborene eingerichteten Raum der Bana befindet sich jetzt ein geistestranter Eisenbahn­arbeiter. Derselbe hat sechs bis auf die Knochen haut gehende Wunden am Kopfe und ist an Rücken und Arm mit Striemen bedeckt. Diese Wunden hat der Geistestranke, weil er sich in das Eisenbahn­direktions- Gebäude begeben hatte, von dem Lokomotivführer Rohlip erhalten; die eingeleiteten Erhebungen müssen noch ergeben, ob der Direttor Bernhard pers sönlich an den Mißhandlungen betheiligt ift, und ob Kohlip, wie in der Stadt behauptet wird, auf Befehl des Direttors geschlagen hat. Ein anderer Eisenbahnangestellter ist neulich wegen Mißhandlungen zu einer Geldstrafe, ein dritter, der in die Häuser der Eingeborenen zur Nachtzeit eindrang, fich Weiber zu holen, au Gefängniß verurtheilt worden. Daß da, wo derartige Rohheiten vorkommen, die schwarzen Arbeiter nicht verbleiben, bedarf wohl feiner Erörterung.

Das alles erzählt der kaiserliche Bezirksamtmann seinem Gouverneur, um dem Kolonialamt das Material zur Wider­legung der in Aussicht stehenden Zeitungsartikel" des Rowehl zu ermöglichen. Wenn er sagt, daß dieser Biedermann Butter auf dem Kopfe habe, dürfen wir ihm ohne weiteres Glauben schenken. Aber in seinem Eifer gegen den Plantagenleiter wird der Herr Bezirksamtmann gesprächig, und da er sich mit feinem Chef allein glaubt, erwähnt er als ganz selbstverständ­lich Dinge, die sonst als Geschäftsgeheimniß des Reichs­amtes ängstlich verschwiegen werden. Die entsetzlichen Brutali täten, die er schildert, bedürfen nicht erst einer Wesprechung, aber die schwierige Lage" des Beamten, das ist der wichtigste Punkt. Als Staatsbeamter führt er die Geschäfte des Staates und übt zugleich die richterliche Gewalt aus. Der Staat als Richter soll die Greuel strenge bestrafen, der Staat als Geschäfts­mann wünscht nicht, die Direktoren der Eisenbahnen ins Ge fängniß zu werfen, und fürchtet unberechenbaren Schaden für die Sache der Plantagen", wenn durch die Verfolgung der Sache die Autorität gefährdet und die Gewaltthätigkeit der Beamten, sowie die schlechte Unterkunft der Arbeiter ruchbar werden. In dem Konflikt zwischen Justiz und Geschäft siegt natürlich das Geschäft, und erst die Furcht vor den Beitungsartikeln des Biedermannes Rowehl bringt den Amtmann dazu, gehörigen Bericht zu erstatten. Wie sollte er auch? Weiß er doch, daß bei weitem milder als er seine Vorgesetzten solche Dinge beurtheilen; er hat den Eisenbahnangestellten, der zur Nachtzeit in die Häuser der Eingeborenen einbrach, um sich Weiber zu holen", mit Gefängniß bestraft. DerfDisziplinar­rath in Potsdam   hat den Kollegen jenes Wüstlings, den Kanzler Leist, der sich die Weiber holen ließ", nur mit Verseßung und Gehaltreduktion bestraft. Der Bezirksamtsleiter kennt also den Geiſt, der in Berlin   herrscht, ganz genau, und er weiß, daß er manche Niedertracht, die in der Kolonie verübt wird, mit dem Mantel der chriftlichen Liebe zu bedecken verpflichtet ist, um der Sache der Plantagen" willen.

Haben wir zu viel gesagt, wenn wir bemerkten, die Kolonial politit zeige den Klaffenstaat in adamitischer Nacktheit?

Und das ist der Staat, der Ausnahmegefeße schafft gegen die Umstürzler, der Staat, der sich berufen fühlt, die Heilig­thümer der Kultur, der Religion, Ehe und Familie zu schüßen gegen die Sozialdemokratie.

Fehlern der Leitung. Nach Aussagen von Angestellten Politische Ueberlicht.

jind die Wohnungen für die Japanesen und Chinesen gut, dagegen sind die der Neger nicht genügend eingerichtet, um die

Berlin  , den 7. Januar.

,, Streng vertraulich" und zu eigenen Händen". an ein wärmeres Klima gewöhnten Neger gegen die rauhe Herr v. Köller hat in seiner Berliner   Korr." den Erlaß Witterung in den Usambara  - Bergen zu schützen. Die Haupt über die Turnerei veröffentlicht, nachdem die gesammte schuld trägt aber meines Erachtens die unvernünftige Behandlung der Leute. Klagen der Neger über erlittene, Presse aus dem Vorwärts" das Aftenstück abgedruckt hatte. oft recht rohe Mißhandlungen sind nichts Der Hannoversche Rourier" räth bei dieser Gelegenheit dem Minister des Innern, mit der Geheimnißthuerei zu

Seltenes.

nicht verderben. Aber früher oder später mußt Du doch sich endlich als besiegt und entschloß sich, nicht ohne tiefe Journalist, der seinen Roman besprochen hatte, hatte die erfahren, woran Du bist. Ich will Dir für heute nur Seufzer, Frau Dubourg zu schreiben, daß sie für den Augen- Unabhängigkeit des Autors und die energische Klarheit sagen, daß ich am Sonntag nicht zu dem Diner gehen blick auf ihren Plan verzichten müßten. Ein närrischer des Stils gelobt. Er hatte noch hinzugefügt: Wie schade, Einfall René's wäre daran schuld, sagte sie. Sie hoffte daß Herr Messant nicht mehr produzirt. Er ahnte nicht, Und warum nicht? murmelte Frau Messant mit er jedoch, ihren Sohn zu besseren Gefühlen zu bekehren. Sie daß der Autor der Nachtruhe die Stunden abstehlen mußte, stickter Stimme. bat die Kousine, ihr inzwischen ihr unschäzbares Wohl- um die wenigen Seiten schreiben zu können. René war wollen zu bewahren. beinahe darauf gefaßt, von seinem Direktor dafür beglück­Jufolge dieses Bruches hatte René einige Wochen Ruhe. wünscht zu werden, daß er dem modernen Gymnasium" So fühlte er sich wesentlich erleichtert. Er schrieb einen Ehre mache. Er war aber schnell enttäuscht. großen Artikel über die Mittelschulen in Frankreich  , der in Herr Pellichet empfing ihn steif und mit studirtem Ernst. einer zahlungsfähigen Revue aufgenommen wurde. Er Er glaube, Herrn Messant daran erinnern zu müssen, sagte hatte auch die Freude, eine allgemeine Amnestie von den er, daß er Lehrer und nicht Redakteur einer Revue an die er ges Rammern bewilligt zu sehen. So sollte er seine Gefährten sei, daß seine Zeit der Anstalt, aus dem Eril also wiedersehen und unter ihnen alte und bunden war, ganz gehöre und daß man diese neue Freunde finden, Bundesgenossen, die ihm helfen Kraftvergeudung, unter welcher der Unterricht sicher würden, seine Ideen zu vertheidigen. leiden müsse, nicht dulden könne. René versuchte sich zu vertheidigen. Er fragte stolz, ob man ihm vorwerfen tönne, daß er seine Berufspflichten jemals versäumt habe. Nein, gewiß nicht, aber früher oder später würde dies doch eintreten. Im übrigen hätte er sich in seinem Artikel er­laubt, Kritiken über die staatlichen Anstalten auszusprechen, die eben auf das Gymnasium, an dem er die Ehre hatte, zu unterrichten, zurückfielen. Ein solcher Stand der Dinge könne nicht gelitten werden. Er müsse wählen zwischen dem Beruf als Schriftsteller und den Unterrichtspflichten, mit denen er betraut wäre.

Ich habe nur einen, aber einen guten Grund: ich liebe Marceline nicht. Heirathe sie nur erst. Dann wirst Du sie schon lieben. Und dann, wenn die Liebe nicht kommt, nun, mein Gott, das hindert doch nicht, eine gute Ehe zu führen! Ich Aber zu Beginn des Juni begannen unvorhergesehene werde Dir von unseren Bekannten zwanzig, dreißig, ja Mißhelligkeiten seine Heiterkeit zu trüben. Herr Bellichet, fünfzig sehr ehrenwerthe Paare nennen, die weder vor sein Direktor, der nun wahrscheinlich keine Gründe mehr noch nach der Hochzeit das was Du Liebe nennst, ge- hatte, ihn rücksichtsvoll zu behandeln, ließ ihn mit einem kannt haben. Male seine Autorität fühlen. Eines Tages ließ er ihn zu Um so schlimmer für sie! Ich will aber meine Frau sich kommen, um ihn darauf aufmerksam zu machen, daß lieben, wenn ich jemals heirathe. Es scheint dies ein die Strafliste in den Klassen, die ihm anvertraut waren, absonderlicher Geschmack zu sein, aber ich habe ihn nun weiß geblieben war. René erklärte, daß es ihm nicht einmal. schwer würde, seine Schüler auch ohne Strafarbeiten und Sieh, begann Frau Messant wieder und machte wie Nachbleibestunden in Zucht zu halten. ein General am Ende einer verlorenen Schlacht noch einen verzweifelten Angriff, mein liebes Renéchen, thu' es für mich.... Sei gut, wie Du es immer gewesen bist. Denke daran, daß ich alt bin, daß ich unsere Zukunft ein- für allemal gesichert sehen möchte, daß ich so gern, bevor ich sterbe, noch Deine Kinder auf dem Arm wiegen möchte! Als René bewegt, aber unerschütterlich den Kopf sentte, versuchte sie ein legtes Ueberrebungsmittel:

Kind, Du weißt nicht, was das heißt, 150 000 Frants zu gewinnen. Und Du denkst nicht daran, daß Dubourg's fich zurückgesetzt fühlen, daß sie wüthend sein, daß sie sich rächen werden!

Ich bedauere es. Aber ich habe mich Gott sei dank zu nichts verpflichtet und habe das Recht, mich zurück zuziehen. Frau Messant mochte am nächsten Tage noch so viele Angriffe machen, sie wurden alle mit derselben Entschlossen heit zurückgeschlagen, und ihr Sohn erklärte schließlich erregt, daß der Handel zweifellos vortheilhaft sei, aber daß er seine Freiheit nicht verkaufen wolle.

Frau Meffant schmollte einige Tage, dann bekannte sie

Um so schlimmer, mein Herr, wurde ihm geantwortet. Die Kinder müssen gestraft werden, damit der Respekt vor ihren Lehrern aufrecht erhalten werde.

Aber, rief René, ohne Grund zu strafen ist doch nicht gerecht!

Ah, mein Herr, erwiderte Herr Pellichet, in dem Tone eines Mannes, der eine allgemein giltige Wahrheit aus­spricht, die Kinder an die Ungerechtigkeit gewöhnen, ist die beste Lehre, die wir ihnen für das Leben mitgeben können. Einige Tage später mußte René von neuem erscheinen. Diesmal hatte er ein Verbrechen anderer Art begangen. Er hatte seinen Schülern eine Ode von Viktor Hugo vor gelesen. Nun stand Viktor Hugo aber nicht auf dem Pro­gramm für die Reifeprüfung. Es war also Zeit vers geudet worden. René hatte nichts darauf zu erwidern. Man verpflichtete ihn aber, über diese zweite Rüge nach zudenken.

Ein drittes Mal jedoch wurde er in das Rabinet des Direktors gerufen. René's Artifel war soeben erschienen. Er war nachgedruckt und besprochen worden, kurz, er hatte Erfolg gehabt. Der Freund Peyrade's, der wohlwollende

René machte kein Hehl daraus, daß diese Forderung ihm übertrieben erschien. Er bat um eine Bedenkzeit, damit er sich entscheiden tönne. Die Wahl bereitete ihm jedoch keine Schwierigkeiten, denn zwei Tage später empfing er bereits die Mittheilung, daß das moderne Gymnasium" mit Beginn der Ferien auf seine Dienste verzichten müsse. ard Ach, die Dubourg's haben nicht gezögert, sich zu rächen, sagte Frau Messant, als sie diese brüste Kündigung erfuhr. Ich hatte es wohl geahnt.

Das war das einzige Wort des Vorwurfs, das über ihre Lippen kam. René dagegen bebte vor Zorn und Ver achtung, wenn er sich sagte, daß man den Jahrestag des Bastillesturms in zwei Tagen feiern würde. Es waren gewiß brave Leute, die sich einbildeten, daß jener Tag die Be­seitigung der Privilegien bedeutete. Wann wird man denn endlich jenes schmähliche Privilegium zerbrechen, das den Armen der Willkür des Reichen zurückgab? Konnte man da nicht sagen, daß ein solches System wie geschaffen war, Lakaienseelen oder Revolutionäre zu erzeugen? 12 elo ( Fortsetzung folgt.)