ftc. 336 ❖ 36. Jahrgang
Heilage öes vorwärts
Mittwoch. 16. Mi 1622
vom internationalen Mädchenhandel.
Aus dcn Erinnerungen des Krimin-llommissars«. Tresckow� die dieser unter dem Titel„Von Fürsten und anderen Sterb. lichen" bei Fontane u. Co. demnäck)st erscheinen läßt, veräffent- lichen wir auszugsweise ein Kapitel, das eine der übelsten Schatten- feiten der menschlichen Gesellschaft behandelt. Die übrigen Teile des Buches sind uistc�udere in politischer Hinsicht recht belanglos. Untcr Müdcheichandcl versteht man das Anwerben und Verhandeln von weiblichen Personen zu unsitt- lichen Zwecken. Es ist ein internationales Verbrechen, ,1.» traite des Blanches" genannt, das man bei allen Völkern findet und so alt ist wie diese Völker selbst. Natürlich haben sich die Bedin- gungen und Voraussetzungen geändert, unter denen er jetzt statt- findet, und er vollzieht sich heute in den Formen, die den Verkehrs- Verhältnissen und den gesellschaftlichen Zuständen angepaßt sind, unter denen wir jetzt leben. Opfer des Mädchenhandels sind jene Frauen und Mädchen, die infolge ihrer schlechten wirt- schaftlicher. Lage und ihrer geringen Bildung geneigt sind, sich ver- kaufen zu lassen. Sehen wir uns die Insassen der Bordelle näher an. so finden wir, daß sie fast alle den unbemittelten und wenig gebild ten Gesellschafrsklassen angehören. Mädchen aus sozial höher stehenden Familien bilden die Ausnahme. Länder, in denen gesunde Wirtschaftsverhältnisse walten, find an dem schmachvollen Mädchen- Handel verhältnismäßig wenig beteiligt, Länder dagegen mit kümmerlicher wirtschaftlicher Entwicklung und schlechten Schulver- Hältnissen sind die Orte, wo die Mädchenhändler mit Vorliebe ihre Opfer suchen und auch finden. Lader haben sich auch in Deutschland seit dem unglückseligen Krieac diese Verhältnisse sehr zum schlechteren geändert, und infolge der schlechten Verhältnisse treiben die Mädchen- Händler auch in unserem Lande ihre Geschäfte mit gutein Erfolge. Eine Besserung dieser Verhältnisse läßt sich nur erwarten von eiiie? unermüdlichen Aufklärungsarbeit und von der Her- stellung einer besseren Gelegenheit für Frauenerwerb. Sie Mäöchenhänöler gehen, um ihn? Zwecke zu erreichen, gewissenlos vor. Der Gewinn, den sie aus ihrem Gesckhäft ziehen, ist ein so reicher und ein in ver- hältnismäßig kurzer Zeit ohne große Mühen erworbener, daß sie keine Geldmittel scheuen, um ans Ziel zu gelangen. Weite Reisen, nable? Austreten, reiche Geschenke und Trinkgelder spielen bei diesem Geschäft eine Houptrcllei die Ausgaben werden durch den Gewinn reichlich wieder gutgemacht. Mit Borliebe bedient sich der Mädchen- bändle? bei seinem Geschäft der Inserats in den großen Zeitungen. Er studiert den Annoncenteil und sendet an die Mädchen, die sich als Kellnerin, Büfettfräulein, Verkäuferin usw. anbieten, Offerten mit den glänzendsten Ver- sprechungen. Dann tritt entweder er selbst oder eine seiner Agentinnen an die Opfer persönlich heran, und unter tausend ver- sprechungen werden diese für eine brillante Stellung im Auslande angeworben. Oft setzen die Mädchenhändler auch selbst Inserate in die Zeitungen, in denen sie gute Stellungen im Auslände»er- sprechen. Ja, sie scheuen auch davor nicht zurück, wenn es sich um ein besondres hübsches Mädchen bandelt, ihm den Hof zu machen, sich mit ihm zu verloben und es sogar zu heiraten. Der Mödch-nHandler oder seine Agentinnen führen in der Regel auch ganze Koffer voll Kleider, Wäsche und billiger Schmucksachen mit sich, durch deren Hingabe sie die armen Opfer betören und ver- locken. Haben sie mehrere Mädchen angeworben, so verschicken sie diese nicht etwa in Trupps, sondern möglichst einzeln oder zu zweien, nur begleitet und bewacht von einer weiblichen Vcrtraueneperson. Erst am Bestimmungsort oder kurz vorher tritt der Mädchenhändler persönlich in Akrion, um die Mädchen in die verschiedenen Häuser abzuliefern und den klingenden Lohn für s ine Mühewaltung ein- zustreichen. In ihren Mitteilungen geschäftlicher Natur bedienen die Mädchenhändler sich gewisser Fachausdrucke, um ihr licht- scheues Treiben zu verbergen und sich der Verfolgung zu entziehen. Sie sprechen in ihren Eeschäsisbrieftn von.lebender Ware' und telegraphieren z. B.: ,.S Faß Ungarwein kommen in Belgrad an' oder„3 Sack Kartoffeln lagern in Warna '. In Wirklichkeit handelt es sich im ersteren Falle um fünf schöne Ungarinnen, im letzteren Falle um drei weniger hübsche Mädchen. Mit dem Mädchenhandel verwandt ist auch das Treiben der sogenannten
Impresarien für Tingel-Tangel und ähnliche Anstalten. Diese Leute werben junge und hübsche Mädchen an, um mit ihnen das In- und Ausland zu bereisen, nachdem sie ihnen binnen weniger Wachen ein paar Tanzschritte und einige Lieder eingeübt haben. Die künstlerischen Leistungen sind oft gleich Null: es kommt bei diesen Tanzensembles, Damcnkapellen usw. lediglich auf hübsches Aussehen und ungeniertes Benahmen den Herren gegenüber an. Eins aber müssen alle Mädchen verstehen: lOrdentiich zu trinken und mit den erschienenen Kava- lieren in dem Extrazimmer sich zu unterhalten. Wehe denen, die sich hiervon ausschließen wollten, schlechte BclMndlung und Schlüge von feiten des Impresarios würde die Folge sein, denn hierin ver- stehen diese Herren, die mit dem Wirt des Lokals unter einer Decke stecken und Prozente von dem getrunkenen Champagner erhalten, keinen Spaß. Ueberaus schwer, oft ganz unmöglich ist es, an diesen geradezu skandalösen Zuständen etwa- zu ändern, denn die Mädchen stehen derartig unter der Gewalt ihrer Peiniger und sind so ein- geschüchtert, daß sie nur in den seltensten Fällen dazu zu bringen sind, vor Polizei oder Gericht ein? wahrheitsgetreue Aussage zu machen. Eine weitere Abart des Mädchenhandels ist auch das Ver- schicken der Mädchen von einem öffentlichen Haus in ein anderes. Man kann hier all rdings von einem eigent- lichen Handel nicht sprechen, denn die Verschickung der Mädchen geschieht mit deren Wissen und meistens auch mit deren Einwilli- gung. Es handelt sich hier nicht um unerfahren« und»nverdo.'ben« Mädchen, sondern um solche, die oft schon jahrelang dieses Leben führen, vom moralischen Standpunkt aus ist diese Art Handel natürlich ebenso verwerflich wie der Mädchenhand«', im eigentlichen Sinne. lieber die Nützlichkeit oder Schädlichkeit von Bor. d e l l e n, öffentlichen Häusern, Freudenhäusern, maieov de tvlerancc, wie sie auch genannt werden, ist schon viel gestritten worden, und sowohl Aerzte wie auch Geistlich«, Politiker und Ver- waltungsbeamt« hoben in dieser heiklen Angelegenheit das Wort ergriffen. In den letzten Jahrzehnten ist wohl die Mehrzahl derer, die sich mit dieler schwierigen Materie befaßt haben, zu der Ansicht gekommen, daß der Schaden dieser Institute größer ist als der angebliche Nutzen, den sie gewähren, daß sie sich überlebt haben und für die heutige Zeit nicht mehr passen. In Deutschland dürste es eigentlich gar keine Bordelle mehr geben, denn der � 130 des Reichsstrafgesetzbuches bedroht jede Kuppelei, d. h. das Dorschuli. leisten der Unzucht, mit Straf», und nach einer Reichsgerichts- cntschcidung ist auch Bordellhalten mit polizeilicher Erlaubnis straf- bar. Trotzdem haben sich aber in einer kleineren Anzahl von beut- schen Städten immer Bordelle befunden, wenn dieses anch in der Oeffentlichksll abg-lleugnet wurde. Wenn hente von der Reichsregierung an Gesetzentwurf ein- gebracht werden soll, der das Halten von Bordellen im deutschen Reichsgebiet zur Unmöglichkeit macht, so ist dieses nur mit Freuden zu begrüßen. Die Insassen der Lordelle gehören fast olle den unbemittelten und wenig gebildeten Gesell- schaftsklassen an. Diese Mädchen geraten in ganz kurzer Zeit in eine völlige Abhängigkeit von den Bordcllwirten: diese nützen sie in der schamlosesten Weise aus und machen sie wirtschaftsich von sich abhängig: Bargeld bekommen sie fast nie in die 5)and. Alle Einnahmen, mögen sie auch noch so hoch sein, werden für Essen und Trinken, Wohnung und besonders für die Garderobe berechnet, und zwar so, daß die Mädchen immer in der Schuld ihrer Wirte bleiben. Im Anfang versuchen zwar Mädchen, die zum erstenmal ein solches Haus bewohnen, llch aufzulehnen: di« Wirtinnen wissen ober jeden eigenen Willen sehr schnell zu unterdrücken, und hierbei werd.m sie merkwürdigerweise von den älteren Dordellinsassinnen unterstützt. Ist ein Mädchen aber erst einmal ein paar Monate in solchem Hause, so hört ssder eigen« Wille auf, das Interesse an Vorgängen der Außenwelt erlischt, und olles dreht sich bei den unglücklichen, vertierten Geschöpfen nur darum, sich im Hause ein« angesehene Stellung ,» verschaffen, di« buntesten Kleider zu tragen und sich mit wertlosem, auffallendem Schmuck, der natürlich auch von dem Vordellwirt bezogen wird, zu behängen. Die Einnahmen für Kleider, Wäsche und Schmuck sind für den Wirt oder die Wirtin ganz ungeheuer, da diese die Preise festsetzen und es dabei genau verstehen, die Mädchen durch bereitwilliges Kreditgeben in neu« Schulden zu stürzen. vie Dirnen werden von den Botdellinhabern ausgesaugt, von Ort zu Ort und von Land zu Land wie eine Ware verkauft.
Wie ist üer Mäüchenhanüel zu bekämpfen! Da er ein internationales Verbrechen ist, das vor den Landcsgrenzen nicht Halt macht, so genügen auch die Lastdes- g-setze nicht zu seiner erfolgreichen Bekämpfung. Dies zuerst ein- gesehen zu haben, ist das unbestreitbare Verdienst eines privaten Vereins, der in London gegründet worden ist und sich den Kampf gegen den Mädchenhandel zu seiner Aufgabe gemacht hat. Don England ging die Bewegung aus, und in den verschiedenen euro- päischen Ländern wurden Komitees und Vereine zu dem gleichen Zweck gegründet, die mit dem Londoner Zentralkomitee in enger Verbindung blieben. Am 18. Mai 1904 wurde in Pari- von den verschiedenen Regie- rungen der europäischen Länder ein Abkommen unterzeichnet, das wichtige Bestimmungen für di« internationale Bekämpfung des Mädchenhandsls enthielt. Nach ArtiKl 1 des Abkommens hatten sich die vertragschließen- den Staaten verpflichtet, eine Behörde zu errichten, der es obliegen sollte, alle Nachrichten über Anwerbung von Frauen und Mädchen zum Zwecke der Unzucht im Auslende an einer Stelle zu sammeln. Diese Behörde sollte da- Recht beben, mit den anderen gleichartigen ausländischen Behörden unmittelbar zu verkehren. Die in dem Artikel I verlangte Behörde wurde errichtet unter dem Namen„Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung de? internationalen Mädchenhandels" mit dem Sitz in Berlin , und zwar angegliedert an das Polizeipräsidium. Die Zentralpolizeist- lle hat bisher mit Erfolg gearbeitet. Diesen ver- dankt sie aber zum Teil der regen Mithilfe des deutschen National- komitees und de? Dresse, mit der sie in ständiger Verbindung steht und durch die sie oft wichtige Nachrichten erhält, die bei der Der- folgung der Mädchenhändler von großem Vorteil« sind. Die meisten Bestrafungen von Mädchenhändlern sind erfolgt auf Grund der 180 und 181 des Reichsstrafgefetz- b u ch e s, also wegen einfacher und schwerer Kuppelei, aber auch der 48 des Reiih sauswanderungsgesetzes vom 9. Juni 1897 ist oft mit Erfolg z'.rr Anwendung gekommen. Dieses Gesetz bedroht denjenioen, der«ine Frauensperson zu dem Zweck, diese gewerbsmäßiger Unzucht zuzuführen, mittels arg- listtg»r verschweipunq dieses Zweckes zur Auswanderung verleitet, mit Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren. • Das deutsche Rei hsstrasgesetzbuch kennt das Wort Mädchen- Handel nicht. In ihm ist lediglich die Rede von Kuppelei. Die Be- strebungoi des Deutschen Natmnalkamitecs gehen nun dahin, bei einer Reorganisation de- deutschen Strafgesetzbuches, die in einiger Zeit zu erwarten ist, den Begriff des Mädchenhandels in das neue Gesetz aufzunehmen. von Kähne verhastet. Herr Karl v. Kähne, der Schießheld von Petzow am Schwiclowsee, ist vcrhastcl worden. Die Skaalsanwatt- schaft hat gegen ihn eine Voruntersuchung wegen Totschlages an dem ISjährigen Obstzüchlerssohn Otto Larfc eingeleitet. Die Leiche des im Park von Petzow aufgefundenen Otto L a r s e ist bekanntlich, wie wir bereits am 12. Juni(Nr. 272 des „Dorwärts') mitteilten, nochmals von den Aerzten untersucht wor- den, wobei außer dem Schuh in die Brust noch ein Schuß in den Fuß festgestellt wurde. Daraus ergab sich, daß der junge Mensch auf Petzow angeschossen und dann erst später, als er sich nicht mehr weiter schleppen konnte, d wr ch einen Schuß in die Brust getötet worden ist. Haussuchungen bei dem früheren Oberförster des Herrn v. Kähne im Forsthaus Lock» nitz hatten dieselbe Munition und die dazugehörige Flinte zutage gefördert, außerdem hatten aufgefangene Briefe schweres Beweismaterial gegen v. K. ergeben. Zur Aufklärung dieser Tat wurde eine Belohnung von 10000 Mark ausgesetzt. Runmchr hat sich ein Bauhandwerker Rchfcldt aus Gttn- dow bei dem die Angelegenheit bearbeitenden Kriminalbeamten B u s d o r f gemeldet und Aussagen gemacht, d i« Herrn v. Kähne schwer belasten. Rehfcld bekundete, daß er zu- sammen mit Lars« wiederholt Lietzeneier am Schmie low- s«e gesucht Hobe, zuletzt am 2. Mai 1921. Während des Suchens habe sich Lars« etwa 200 Meter von ihm entfernt, als plötzlich aus einem Gebüsch ein Schuß gefallen sei. Lar'e habe laut aufgeschrien und sei zu Boden gestürzt, während er. Rehfeldt, aus Angst, eben- falls getroffen zu werden, sich im Schilf des Schwielowsces versteckt
56]
Der Ruf durchs Fenster. Roman von Paul Fron!.
„Ein ausgezeichneter Vorschlag." pflichtete Jordan bei. „Ich beglückwünsche Sie," beeilte sich der Präfekt zu be- merken. „Die Sache wird allerdings nicht ganz leicht sein," erklärt« der Arzt,„da das Medium doch bisher einem anderen Willen Untertan und gehorsam gewesen ist Es wird nun vor allem meine Aufgabe sein müssen, es von dem Willen, dem es bisher ergeben gewesen ist, freizumachen und es mir selbst unterzu- ordnen. Ich hoffe, daß das Experiment dennoch gelingen dürfte, da der Patient sich nur mehr in einem leicht som- nolenten Zustand befindet. Ich muß die Herrschaften jedoch gleichzeitig um vollkommene Ruhe ersuchen, da die nötige Kon- zentration, deren ich bedarf, sonst nicht zustande kommen kann." Mit diesen Worten hatte sich Doktor Jordan einen Stuhl herangeholt, Richard Faltin, der noch immer völlig apathisch dasaß, sich gegenübergeseßt und begann hierauf die vorhin angedeuteten Striche zu ziehen, wobei er den Blick starr, streng und stechend auf das Medium gerichtet hielt. ..Alles, was Sie erregt hat, ist jetzt verschwunden," sagte der Arzt langsam, jedes Wort voll betonend.„Es war nur ein Traum, in dem Sie sich befunden, und es war ein Irrtum, daß Sie ihn für Wirklichkeit genommen haben. Werden Sie jetzt ruhig! Die Beklemmungen und Behelligungen, unter denen Sie zu leiden batten, schwinden vollständig. Ich merke es Ihnen an, wie Sic ruhiger, friedlicher werden und sich wieder.wohl fühlen. Atmen Sie weniger heftig und ganz gleichmäßig." Als Doktor Jordan die ersten Striche absolviert hatte, durchlief ein Zittern den Rumpf des Patienten, dann erging sich dieser in heftigen Zuckungen, so daß der Arzt in Gefahr geriet, von den wild ihm entgegenschnellenden Extremitäten getroffen zu werden. Er schob daher seinen Stuhl zurück, stand nun in vorgeneigtcr Haltung vor Faltin und sprach drängend und beruhigend auf ihn ein. „Der Aermste.. flüsterte der Dankdirettor,„welche Schmerzen er leiden mag,.
„Er wehrt sich..". erklärte Garbislander. „<3egen wen?" fragte der Präfekt neugierig. „Er ist bisher einem anderen ergeben gewesen... Der Wille jenes Menschen..." „Welches Menschen?" fragte der Bankdirektor.„Was für eines Menschen?" „Der ihn verführt, in dessen Auftrag Richard Faltin das Geld gestohlen hat..." „Ich denke die ganze Zeit über nach, ob Faltin am Ende der Verführung eines Kollegen zum Opfer gefallen ist.... Aber ich traue die Tat keinem von unseren Angestellten zu.." sagte Direktor Roos. „Der Wille des Menschen, den wir noch nicht kennen. fuhr der Schriftsteller mit gedämpfter Stimme fort,„der Wille, der über den Patienten noch immer regiert, muß wirkungslos und unschädlich gemocht werden. Was Doktor Jordan jetzt vornimmt, ist die sogenannte Austreibung, ein Wort, das Sie wohl schon des öfteren gehört haben werden. Früher einmal hat man sie bei Hexen und Besessenen anp.ewenbet. Faltin ist ebenfalls besessen/ Bon dem nun, der ihn besitzt, muß er befreit werden, das ist es, was Doktor Jordan anstrebt. Bis der Patient sozusagen neutralisiert ist, wird der Arzt dahin gelangen, seinen eigenen Willen ihm zu oktroyieren... Es wird nicht mehr allzu lange dauern und der junge Mensch wird so weit sein.. flüsterte der Schriftsteller, der in- zwischen, während er diese Erklärung abgegeben, den Hypnoti» seur und sein Medium nicht einmal für die Dauer einer Se- künde aus den Augen gelassen hatte.„Sehen Sie nur, wie er sichtlich ruhiger wird!" rief er mit unterdrückter Stimme. „Run wird er bald ganz schlaff und müde werden und Doktor Jordan zu Willen sein. Im übrigen scheinen wir es mit einem ganz ausgezeichneten Medium zu tun zu haben." „Wie genau Sie über diese Dinge Bescheid wissen..." bemerkte hier voll Anerkennung Herr Ljubatschow. „Das kommt daher, weil ich, ohne selbst Medizin studiert zu haben, für diese Dinge stets ein starkes Interesse emp- funden und mich auch experimentell intensiv mit dieser Wissen- schaft befaßt habe, die von vielen noch immer für Humbug gehalten wird..." sagte Garbislander, während die Stimme des Arztes noch immer durch den Raum hallte, wobei die langen, dunklen, über Gebühr gedehnten Bokale einander ohne Unterlaß folgten. Der Patient war ruhiger geworden, das Atmen, das
beängstigend geklungen hatte, ging nunmehr nicht mehr stoß- weise, sondern still und gleichmäßig vor sich, und auch die be- gleitenden Rasselgeräusche hatten aufgehört: Arme und Beine verharrten unbeweglich und schnellten nicht mehr nach vorn dem Arzt gegen den Leib, der endlich, nachdem er noch eine Weile schweigend gewartet hotte, sich aufrichtete und erst jetzt seine Stirn, die gerötet und infolge der Anstrengung mit Schweißperlen bedeckt war, mit dem Taschentuch abtrocknete. „Run sind wir so weit..." sagte er. tief atmend. ..Können wir demnach mit dem zweiten, wichtigeren Teil des Programms beginnen?" fragte Garbislander. „Es ist kein leichtes Stück Arbeit gewesen," bemerkte der Präfekt voll Anerkennung. „Ich muß die Herren abermals um vollständiges Still- schweigen bitten, und zwar weniger um meinetwillen, als wegen des Mediums, das in der gegenwärtigen Verfassung wieder allen äußeren Einflüssen zugänglich ist.. Der Arzt nahm zum zweitenmal aus dem Stuhl Platz, den er vor den Patienten hingeschoben hatte.„Denken Sie jetzt aus- schließlich daran, daß Sie einschlafen sollen..." sagte er. „Run sangen Ihre Lider an, zuzufallen... Run sind sie � schon geschlossen... Die Augen werden immer müder, die Deckel zucken immer mehr... Das Zwinkern nimmt zu... � Sie spüren eine im ganzen Körper sich ausbreitende zu- nehmende Ermattung... Ihre Arme schlafen ein... Von der Schulter abwärts schreitet ein Gefühl der Taubheit bis in l die Fingerspitzen... Jede, auch die leiseste Emysindung erstirbt... Riebt wahr? In Ihren Deinen, die Sie nicht ! rühren können, sitzt eine schwere Dumpfheit, die es Ihnen un- möglich macht, auch nur die Sohle aufzuheben... Das Schlafbedürfnis wird immer stärker... Sie können nicht mehr widerstehen... In Ihrem Kopf breitet sich ebenfalls das Gefühl schwerer Dumpfheit aus... Ihre Gedanken verlieren sich.... Jetzt schlafen Sie..." Jordan machte eine kleine Pause: dann wies er das Medium an, dessen tiefe, regelmäßige Atemzüge deutlich hör- bar waren:„Versuchen Sie es doch, die Augen zu öffnen..." Faltins bleiches Gesicht zuckte und wetterleuchtete: er ballte die Fäuste und streckte die Finger wieder gerade. Seine Augen aber blieben geschlossen. Doktor Jordan erfaßte seinen linken Arm und hob ihn wagrecht aus: der Arm verharrte, ohne herabzufallen, in dieser Lage. (Fortsetzung folgt.)