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Nr.345 39.Jahrgang Ausgabe Nr. 166

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

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und 2506-2507

Montag, den 24. Juli 1922

Bayern   gegen das Reich.

München  , 24. Juli.  ( WTB.) Zur Krise in Bayern  schreiben die Münchener Neuesten Nachrichten":

Der Ministerrat hat in der Angelegenheit der Schuh­gefehe mit ihrer Anwendung in Bayern   die Vorschläge der Bayerischen Volkspartei   sich zu eigen gemacht, die der Reichsverfassung vorsieht, der Kern der Reichsschuhgesetze dahin gehen, daß in einer Berordnung, wie fie Artikel 48 mit einigen Erweiterungen bezüglich des Bersammlungs- und Vereinsrechts von Bayern   übernommen und

die Rechtsprechung bayerischen Gerichten überwiesen wird. Die Verordnung wird heute, Montag, die Fraktionen der Koalition und die auf dem Boden der Regierung stehende Mittelpartei beschäftigen, und dann, wenn diese Par­teien ihre Meinung dazu geäußert haben, wohl auch dem Landtage vorgelegt werden. Wie das Blatt weiter be­richtet, liegen die Schwierigkeiten darin, daß

die Demokraten  

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Umwandlung des Zentrums?

Die große christliche Partei der Mitte. die Reichsverfassung schüßen, wenn sie nicht vor Reichsparteivorstandes, der unter der Ueberschrift: Die große Die Zentrumspresse veröffentlicht einen Aufruf ihres den Staatsgerichtshof fommen wollen. Die Vorschriften der christliche Partei der Mitte" folgendes erklärt: Reichsgesetzgebung sind aber vollkommen flar. Würde die Reichsregierung sich damit einverstanden er­Die politischen Ereignisse der letzten Wochen haben gezeigt, wie flären, daß Reichsrecht durch Landesrecht genabe das deutsche Bolk am Abgrunde steht. Jeder behauptet, das auf den Kopf gestellt, und die Auflösung des Reichs morten, wenn nicht endlich Taten folgen. Der tiefere Grund all brochen werden fann, so wäre die Verfassung von Weimar zusammengebrochene und zerrütete Deutschland   wieder erneuern zu wollen. Programmatische Anfündigungen werden zu Schlag­wäre die unaufhaltbare Folge. Wenn Bayern   also weiß und wissen muß, was ihm das dieses Glends liegt bei den Parteien. Die Bereinfachung Reich auf einen verfassungsrechtlich unmöglichen Borschlag ant- und Bereinheitlichung unseres Barteiwesens ist worten wird, so entsteht die Frage, was es dann seinerseits weiter zu tun gedenkt. Die legte Entscheidung wäre damit hinausgeschoben. Würde aber die bayerische Regierung, ent­gegen der oben wiedergegebenen Meldung, fofort eine Ber­ordnung gegen das Reichsrecht erlassen, so wäre das eine offene Kriegserklärung an das Reich, und die Würfel wären im Rollen.

Auch eine Volksbefragung in Form einer Neuwahl des bayerischen Landtags oder in anderer Form fann an diesem Sachverhalt nichts ändern. Denn selbst wenn die bayerischen Wähler sich einstimmig hinter die Münchener   Regierung stellen würden, könnten sie damit die Pflicht Bayerns  , sich den Reichs­gefeßen zu fügen, nicht aufheben. Die Krise wäre damit nicht gelöst, sondern verschärft.

eine Lebensfrage Deutschlands  .

Diese Gedanten waren richtunggebend für die letzte Tagung

des Reichsausschusses der deutschen Zentrums­ partei  . Wir brauchen eine starke Partei, die durch Zielsetzung, Haftung und Zusammenhang eint. Diese Bartei muß die Ideen der neuen Zeit vertörpern, ohne das Gut der alten Zeit, wie Staatskraft, staatstreues Beamtentum, religiös- sittliche Werte preiszugeben. Diese Partei muß die großen sozialen Auf­gaben der Gegenwart meistern, die Tremmung nach Klassen diesen Weg nicht für gangbar halten, weil Reichsgesetze, die überwinden, die Stände und Konfessionen zu aufbauender politischer bereits rechtsgültig find, nicht durch Sonderverordnungen um­Arbeit zusammenführen. Sie muß treu zur Verfassung formt werden tönnten. Es jei fraglich, ob die Demokraten diese stehen und ihre Wurzeln in allen Landesteilen Deutschlands  Auffaffung nicht zum Anlaß nehmen, aus der koalition haben. Die hier beschriebene politische Linie hat die Zentrums auszuscheiden. Der Bauernbund wird seine Ent­partei tatsächlich eingehalten. Sie ist deshalb geeignet, fich zu fcheidung heute, Montag, treffen. Meldungen, die von einer In Wirklichkeit bestehen in der bayerischen Bevölkerung dieser großen und starten Mitte auszuwachsen und insbesondere bereits gefallenen Entscheidung sprechen, find natürlich nicht selber über das Vorgehen ihrer Regierung die aller auch den Kern der in letzter Zeit viel besprochenen Arbeitsgemein­zutreffend, denn erst die Annahme oder Ablehnung schwersten Meinungsverschiedenheiten, die schaft der verfassungstreuen Mitte abzugeben. der Borschläge Bayerns durch das Reich stellt eine äußerst kritische Entwicklung der innerbayerischen Ver- Die obersten Instanzen der deutschen Zentrumspartei   find aus Bayern   vor die endgültige Entscheidung. Dazwischen hältnisse befürchten lassen. Der reichstreue Teil der Bayern   diefen Erwägungen heraus einmütig entschlossen, den grundsätzlich wird allerdings eine sehr wahrscheinliche Landtagsneu- will nicht gestatten, daß die Bayerische Volkspartei   im Bunde stets vertretenen politischen Charakter der Partei bei den nächsten wahl mit Regierungsnenbildung liegen, da so wichtige Ent- mit den Rechtsparteien das Land in unabsehbare Abenteuer Wahlen auch nach außen hin flar und unzweideutig zum Ausdruck schlüffe wohl allen Parteien eine neuerliche Befragung des hineinstößt. Ein bayerischer Staat, der gegen Deutschland   zu bringen. Bei den nächsten Wahlen soll eine größere Anzahl bayerischen Voltes als ratsam erscheinen laffen. rebellierte, müßte an innerpolitischen Kämpfen zugrunde gehen. nicht fatholischer Kandidaten aufgestellt werden, ohne Die Aussichten der Rebellion sind so schlecht, daß man trotz Rücksicht darauf, ob diese eine entsprechende Anzahl von Wählern aller bedrohlicher Nachrichten auf einen Sieg der Ver- ihres Bekenntnisses hinter sich haben. nunft rechnen möchte, noch bevor unabsehbares Unheil ent­standen ist.

*

Das Reichstabinett ist heute morgen zu jammengetreten, um über die Lage zu be raten, die durch den Widerstand Bayerns  gegen die Reichsgesetzgebung entstanden ist. Die Absichten Bayerns   sind noch immer einigermaßen dunkel. Zwar ist der Wille erkennbar, der Durchführung ver­fassungsgemäß befchloffener Reichsgesetze Widerstand zu leisten, aber der Weg, der dabei eingeschlagen werden soll, ist nicht klar. Nach der oben wiedergegebenen Meldung scheint beabsichtigt zu sein, die geplante Umarbeitung der Reichsgesetze zu bayeri schen Berordnungen und die Ausschaltung der Justiz und der Polizei des Reiches der Reichsregierung als einen Vor­ich I ag zu unterbreiten und sie zu fragen, wie sie sich dazu stelle. Das wäre jedoch nur ein erster Zug im Spiel, denn die Antwort der Reichsregierung tann auch den Bayern   nicht zweifelhaft sein. Die Mitglieder der Reichsregierung müssen

Die Spannung in München  .

Die Zentrumspartei   ist eine deutsche   Verfassungspartei, die weder vor den Grenzen einer Ronfession, noch einer Klasse, noch eines Standes, noch eines Landes Halt macht. Ihre poli­in einem starken deutschen   Reiche, der Erhaltung der christ­tische Arbeit gilt der Wiederaufrichtung des deutschen   Boltstums richen Kulturgüter.

München  , 24. Juli.  ( WTB.) Eine Gruppe von 60 jüngeren Leuten zog unter Abfingung von antisemitischen Liedern durch einige Münchener   Straßen und pöbelte den zufällig vorbei­kommenden Landtagsabgeordneten Auer an. Erhebungen über die Arbeit diese Richtlinien zugrunde zu legen und insbesondere alles Parteiorganisationen und Parteipresse sind ersucht worden, ihrer Ruheftörer sind eingeleitet. Einige Stunden später durchzog ein Erforderliche für die Wahrung des politischen Charakters.der deut­Zug von Leuten, die die Arbeitermarseillaise fangen, schen Zentrumspartei zu tun. Aus diesen Erwägingen heraus die Straßen. Mit Rücksicht auf diese Vorkommnisse hat die Polizei- wendet sich die deutsche Zentrumspartei   an affe, die guten Willens direktion angeordnet und ihre Sicherheitsorgane angewiesen, find, auf diesem Boden mitzuarbeiten, gleichviel weicher Konfession fünftighin Züge, die zur Nachtzeit in ruheſtörender oder provo- fie angehören. zierender Art die Straßen durchziehen, anzuhalten und die Teil- Die deutsche Zentrumspartei bietet die Hand zu einer sta a ts nehmer festzunehmen.

Gegen die Sowjetjustiz.

schaftsbe ir at' gebildet, der sich aus den berufenen Bertretern der Bei der Reichsleitung der Partei wird ein Reichswirt. verschiedenen Erwerbsffände zusammensetzt. Der Reichs­wirtschaftsbeirat hat die Aufgabe, die Reichsleitung der Partei' bei besonderen wirtschaftlichen Fragen zu beraten. Bet kommenden Wahlen hat der Reichswirtschaftsbeirat der Parteileitung Borschläge zu unterbreiten über die Kandidaten, die für die Ber tretung der wirtschaftspolitischen Intereffen nach den Grundsägen der Parrtei im Reichstage not­wendig sind.

politischen Tat. Deutsche   und Christen, tut Eure Pflicht! türkischen Regierung vorgeschlagene Verfahren zur Regelung der Reichsparteivorstandes and des Reichsparteiansschufes wieder­Im Anschluß an diesen Aufruf werden die Beschlüsse des Um das deutsche Moratorium. Orientfrage. Doch scheine das Problem des griechisch- türkischen gegeben, deren Beröffentlichung mit Rücksicht auf die gleich­Die Nachrichten aus Paris   laffen erkennen, daß Boincaré mit Friedens in London   nicht von Grund auf besprochen werden zu zeitig erfolgte Ermordung Rathenaus zurüdgehalten worden seiner vorschnellen Feststellung der angeblichen Berschuldung Deutsch   follen. In der Tangerfrage werde ein vorläufiger Meinungs- war. Sie fordern zu Geldsammlungen auf, um das Reichs­lands an dem Zusammenbruch der Mart sich verrannt hat und man austausch erfolgen. Es sei indeffen wahrscheinlich, daß das Problem generalsekretariat der Bortei zu unterstützen. Gin einen Ausweg fucht. Der offiziöfe Temps" schreibt zur Reife Poin- megen feiner zahlreichen technischen Gefichtspunkte der gründlichen gut arbeitender zentraler Bressedienst soll eingerichtet werden. carés nach London  , Frankreich   werde von der Reparationsfommif- Brüfung eines franzöfifchen, englischen und spanischen Sachver- Ferner heißt es: fion ein Moratorium für die nächsten zwei Monatszahlungen ver- ständigenausschusses unterbreitet werden wird. Endlich solle der langen. Während dieser Zeit sollten ergänzende Reformen von Vorschlag der englischen   Regierung, der sich auf Desterreich bezieht, Deutschland   verlangt werden und eine internationale Anleihe aus- erwogen werden. gegeben werden. Der Betrag dieser Anleihe follte gestatten, Deutschland   nach Berlauf des vorläufigen Moratoriums ein länge res zu gewähren. Es wäre wertlos, von der Reparationstommif­fion schon jetzt ein abfichtliches Berfehlen Deutschlands   zu verlangen, da die Alliierten Frankreich   wahrscheinlich auf dem Wege der Sant­tionen nicht folgen würden. Nur durch die bezeichnete Pro­zedur werde es möglich sein, die Alliierten für eine Rollettivaktion zu gewinnen. Frankreich   habe allerdings starke Gründe, um eine getrennte direkte und fofortige Attion gegen Deutschland  zu unternehmen. Frankreich   fonstatiere, daß die Kollektiomaß­nahmen bis jetzt fast gar teinen Erfolg gehabt haben, und das ganze Land wünsche deshalb ein getrenntes Vorgehen, um so wenig­ftens eine neue Methode zu versuchen. Von der Lon­boner Konferenz erwartet Frankreich   die Aufhebung der mittel an der Berliner Börse   sehr heftigen Schwankungen aus­Bei Beginn der neuen Woche waren die ausländischen Zahlungs­interalliierten Schulden, ohne daß diese Aufhebung gesetzt. Der Dollar, der im Vormittagsverkehr zwischen den irgendeinem Beschluß Ameritas untergeordnet würde. Der Zwed Banten   ungefähr nach der Parität des Sstlußkurses von New York   sch en Teil der Zeitungen ausschließlich politisch zu ge der Annullierung der Kriegsschulden wäre eine Herabfeßung in der Borwoche gehandelt wurde. d. h. mit 523, feßte an der Börse stalten. Der Auguftinusverein wird gebeten, in diefem Simme auf der Reparationsschuld. mit ungefähr 500 ein und ging zeitweilig bis auf 490 zurüd. Am die Barteipresse einzuwirken.

Rofferdam, 23. Jult.( Eigener Drahtbericht.) In einer großen Bersammlung der Rotterdamer   Arbeiterschaft protestierte diese ein­stimmig nach einer Rede Kurt Rosenfelds gegen die Todesurteile in

Moskau  .

dor Liebknecht   und Rosenfeld   in einer von der Sozialdemokratischen Wie weiter aus Baris gemeldet wird, sprechen dort heute Theo­Bartei einberufenen Bersammlung.

Dollar etwa 500.

Die Parteileitung wird beauftragt, zeitig vor den nächsten Wahlen mit den verschiedenen Erwerbsständen zweds Momi­nierung von Kandidaten in Verbindung zu treten; nach den Vor­schlägen von Kandidaturen hat sich sodann die Reichsparteileitung. mit den Borsitzenden der Landes- und Provinzialorganisationen zwecks Wahlkreise ins Benehmen zu sehen. Berteilung dieser Randidaturen auf die einzelnen Ferner wird die Parteipreffe aufgefordert, den politia

In dieser widersprechenden Haltung, die zwischen der Erteilung Schluß der ersten Börsenstunde bewegte sich der Kurs zwischen 495 Die Zentrumspartei   macht damit den Berfuch, die Forde­eines längeren Moratoriums und einer sofortigen militärischen und 497. Die Ursache der Abschwächung ist in der angeblichen rung zu verwirklichen, die seit Jahren und Jahrzehnten aus Aftion hin und herschwankt, drückt sich die ganze Ratlofigkeit des Schwenkung der französischen   Politik zu suchen. Außerdem fursierten ihren eigenen Reihen unter dem Ruf: heraus aus dem Systems Boincaré aus. hier Gerüchte, die von einem bevorstehenden Rücktritt Poin- Turm!" vertreten worden ist.

Das Londoner   Programm.

carés wissen wollten. Am Effettenmarkte blieb im Hinblic Der Turm, der damit gemeint ist, ist die fonfessionell auf die unsicheren Devisenverhältnisse die Stimmung ziemlich luftlos. Patholische Einstellung. Das Zentrum will als fatholische Paris  , 24. Juli.  ( WTB) Nach einer Mitteilung der Agentur Man rechnete für heute mit einer weiteren Aufwärtsbewegung der Partei sterben, um als christliche Bartel aufzuerstehen. Havas   werden bei der Zusammenkunft Lloyd Georges mit Industriepapiere. Diese Erwartung ist jedoch nicht eingetroffen. Die Formell ist die Parteileitung im Recht, wenn sie sagt, baj Poincaré   außer der Reparationsfrage noch andere Angelegen- Gelbtnappheit besteht unvermindert weiter und lähmt jede es sich um nichts grundsäglich Neues bandelt. Grundsäglich heiten zur Erörterung kommen, so das von der griechischen und der Unternehmerluft. war die Zentrumspartei   niemals eine ausschließlich tatholische