Nr.359 39.Jahrgang Ausgabe Nr. 173
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Dienstag, den 1. August 1922
Eine englische Zirkularnote.
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Die fatale Einheitsfront.
Der Zusammenschluß der beiden sozialdemokratischen Reichstagsfraktionen, der die Aussicht auf eine nahe Wiedervereinigung der beiden Parteien eröffnet, hat die Kommunisten in eine etwas eigentümliche Lage gebracht. Niemand London , 1. August. ( WTB.)„ Times" schreibt, es bestehe| mittelnde Haltung eingenommen hatte, fühlt sich in seinen hatte in den letzten Monaten lauter nach der„ Einigkeit des Grund zu der Annahme, daß die englische Regierung Prioritätsrechten bedroht. Das, was zum ersten Proletariats" geschrien als sie. Wie war das gekommen? Seit gestern beschlossen habe, eine Zirkularnote an die mal in Genua als Menetekel an der politischen Wand er- die bolschewistische Mißwirtschaft in Rußland das Sowjetalliierten Mächte und an die Vereinigten Staaten über die Frage schien, fann morgen Tatsache sein: die glänzende Iso- system bei der europäischen Arbeiterschaft um jeden Kredit geder Kriegsschulden zu senden. Die Note sei von Lord Bal- lierung Frankreichs . bracht hat, fehlen der Kommunistischen Partei Deutschlands four vor zwei Wochen verfaßt worden. Es verlaufe, daß die Note In diesem Zusammenhang muß es betrachtet werden, Ziel und grundsägliche Einstellung. Ihre Politik ist in Wahrin längeren Ausführungen die formelle Auffassung bekunde, daß die wenn die Frankreich freundlich gesinnte" Times" von einer heit eine ganz grundsatzlose Opportunitätspolitit Großbritannien von europäischen Ländern geschuldeten Gelder prat- 3irkularnote Englands an Amerika und die an- geworden, die sich darauf beschränkt, die Stimmungen der fisch und moralisch von der großbritannischen Kriegs- deren Alliierten spricht, in der die Feststellung gemacht wird, Maffen zu erlaufchen, um aus ihnen irgendwelche neuen, dem schuld an die Bereinigten Staaten nicht zu trennen fcien. daß die Frage der alliierten Schulden an England nicht Ohr gefällige Parolen herauszuholen. Nun war und ist Reuter erfährt, daß Cord Balfour gestern nach einer Unter- von der Frage der englischen Schulden an Amerika ge- das Streben nach Einigkeit in den Massen. tatsächlich ungemein redung mit dem französischen Botschafter eine Besprechung mit trennt werden fann. Sollte die Note tatsächlich in diesem starf. Nicht jedem Arbeiter ist es gegeben, alle verwickelten Lloyd George über die geplante Zusammenfunft in London Sinne gehalten sein, so enthält sie eine sehr ernste Fragen der Politik bis zum Ende durchzudenken, aber ein hatte. Poincaré habe bereits dargelegt, wie 3medmäßig eine leberraschung. Die Presse Englands war seit dem Ein- jeder sieht ein, daß ohne Einigkeit nichts zu erreichen ist. Der Zusammenkunft zwischen Lloyd George und ihm selbst sein würde, segen der Markkatastrophe durchaus darauf abgestimmt, daß Zustand, der vor dem Kriege bestand, wo es nur eine sozialum die Herstellung eines gemeinsamen Aftionsplanes zu die europäischen Schulden an Amerita von der demokratische Partei gab und der Ausspruch getan werden ermöglichen. Was erstrebt werde, jei ein Meinungsaustausch nur Frage der wechselseitigen europäischen Schulden losgelöst fonnte:" Partei und Gewerkschaft sind eins!" schwebt über die Reparationsfrage. Man sei der Ansicht, daß werden müssen und daß nur ein großzügiger und rascher jedem als Idealzustand vor. Man ist der Settiererei, der wahrscheinlich eine Sihung des Obersten Rates folgen müsse, Schuldenverzicht Englands die Reparationsfrage und Schwarmgeisterei, der Bersplitterung und des Bruderkampfes der dann eine allgemeine Prüfung der Reparations- die allgemeine Finanztrife aus dem Gefahren- müde, weil man erkannt hat, daß das alles zu weiter nichts frage und der Frage der interalliierten Schulden bereich herausführen könne. Selbst englische Staatsmänner führt als zu leichten Siegen des Kapitals und der Reaktion. traten warm für diesen Gedanken ein. Eine so schroffe WenInsofern war also die kommunistische Parole von der dung ist also zunächst nur schwer zu erklären; aber man darf„ Einheitsfront des Proletariats" ganz richtig und geschickt geDer Bericht des Garantiekomitees. nicht vergessen, daß Lloyd George zu gleicher Zeit an Poincaré wählt. Und doch ist das gerade Gegenteil von dem erreicht Paris , 1. Auguſt. ( WTB.)„ Petit Parisien" teilt mit, daß das die Mitteilung gehen läßt, er rechne mit einer Minister worden, was die kommunistischen Führer erstrebt hatten: statt Garantiefomitee nunmehr den ersten Teil seines Be- zusammenkunft am 7. Auguft. Die Herren an der Seine einer Stärkung ihrer eigenen Bartei, ist ihre Schwächung herrichtes der Reparationskommission übergeben habe. Er enthält ein und an der Themse lieben es, die grobschrötigsten Breitſeiten ausgekommen, und statt unter der Führung der Kommunisten mit Gründen beiegies Exposé über die Finanzkontrolle aufeinander abzufeuern, ehe sie sich zur Begrüßung die Hände marschiert die erdrückende Mehrheit der Arbeiter einig ohne Deutschlands und fügt zu den bereits veröffentlichten Doku - schütteln. Kommunisten und gegen sie auf. Die Einigkeitsparole hat also menten wenig Neues hinzu. gegen die KPD. ausgeschlagen. Nun stehen die Führer ver dutzt und betrachten das Ergebnis.
unternehmen würde.
Das Blatt schreibt, daß erst im zweiten Teile des Berichtes das Garantiefomitee ein Programm vorschlagen werde,
Herr Ministerpräsident!
Die Antwort der deutschen an die französische Regierung um die deutschen Finanzen zu fanieren, namentlich in der Frage der Ausgleichszahlungen hat folgenden Wortlaut: um neue Einschränkungen der Ausgaben herbeizuführen. Dieser zweite Teil fönne faum vor Ende der Woche fertiggestellt werden. Unter diesen Umständen sei es nicht unmöglich, daß die Reparationstommission ein fofortiges Urteil über den 26. ersten Teil des Berichtes fällen werde, damit bei der Zusammenfunft in London eine formelle Ansicht der Reparationstommission über die Organisation der Kontrolle vorliege.
Ich beehre mich, den Empfang der Note Eurer Exzellenz vom Juli 1922 zu bestätigen.
was fie in Wirklichkeit gar nicht gewollt hatten. Die Einigkeit tommt zustande, und damit wird etwas, Denn solche Illusionäre fonnten die Kommunisten nicht sein, zu glauben, die Einigung würde sich unter ihrer Parteifahne vollziehen. Auch sie müssen wissen, daß nur eine kleine Minderheit von der kommunistischen Agitation erfaßt worden Das Abkommen über die Ausgleichszahlungen vom 10. Juni ist, man fann aber außerhalb Rußlands - feine Einigkeit 1921 ist von Deutschland nicht mit einzelnen Mächten, sondern mit herstellen, indem eine fleine Minderheit die Herrschaft über der Gesamtheit der beteiligten aliierten Regie- eine ungeheure Mehrheit übernimmt. Die Kommunisten rungen abgeschlossen worden. Demgemäß ist die Note der deut- hatten die ganze Einigkeitspropaganda nur unternommen in schen Regierung vom 14. Juli d. J., wie der französischen Regierung der Hoffnung, daß sich die Sozialdemokraten als Gegner befannt ist, gleichzeitig an die anderen hauptbeteiligten Mächte ge- der Einigkeit vor den Augen der Massen ins Unrecht fezen richtet worden. Die Deutsche Regierung fann sich über ihre würden, und daß dann aus dem ganzen zwar nicht die Einiweitere Stellungnahme aus diesem Grunde erst schlüssig gung des Proletariats, wohl aber eine Stärkung der Kommumachen, wenn sich alle beteiligten Regierungen ge- nistischen Partei herausspringen werde. äußert haben. Eine andere Haltung ist ihr auch angesichts der in ultimativer Form angetrohten, nicht näher bezeichneten Maßnahmen Frankreichs nicht möglich.
Diese Spekulation verleitet die Kommunisten zu einer überaus hinterhältigen Taftif. Während sie nämlich nach der Einheitsfront schrien, taten sie in der Braris alles, um fie unmöglich zu machen. Sie glaubten, mit diesem Schwindel zu erreichen, daß sie vor die Arbeiter hintreten und ihnen sagen fonnten:" Da seht Ihr! Wir haben die Einigkeit gewollt, die SPD. - und USP.- Führer aber haben sie hintertrieben."
Konflikt zwischen Frankreich und Belgien . Paris , 1. Auguft.( WTB.)„ Petit Journal" spricht von einer Meinungsverschiedenheit zwischen der belgischen und der französischen Regierung wegen der Stellungnahme des Ministerpräsidenten Poincaré zu der Frage der Herabsehungen der Ausgleichszahlungen. Die fategorische Zurückweisung Poincarés habe bei der Regierung von Brüssel nicht befriedigt, weil sie über den Inhalt der Note nicht befragt worden sei. Die belgische Regierung vertrete den Standpunkt, daß, da die Ausgleichs- Indem sich die Deutsche Regierung ein weiteres Eingehen auf zahlungen der Gegenstand eines Abkommens zwischen den Alliierten die Sache selbst vorbehält, bemerkt fie schon jetzt: Die Zahlungen, die gewesen seien, auch die jetzige Angelegenheit des Zahlungsaufschubes Deutschland im Ausgleichsverfahren und aus Artikel 297e leisten nicht von jeder Regierung einzeln hätte behandelt wer- muß, fönnen letzten Endes nur aus derseiben Quelle geschöpft werden dürfen. Die belgische Regierung sei auch der Ansicht, daß, wenn den, wie die Reparationszahlungen. Gleichviel, ob es sich um Schulden des Reichs oder um Privatschulden handelt, in beiden Frankreich die Fortsetzung der Zahlungen in dem Augenblick verlange, in dem fich Deutschland im vollen Finanzzufammenbruch sieht, Fällen bleibt die Notwendigkeit der Herausnahme von Devisen aus dies dem Grundsatz der belgischen Priorität Abbruch der gesamten deutschen Volkswirtschaft die gleiche, und für die tun würde. Die belgische Regierung vertrete den Stand- Wirkung dieser Operationen auf den Markturs ist ohne Bedeutung, punft, daß die Reparationsfommission auf Grund des Friedensver- an welche Stelle und auf Grund welcher Baragraphen die Zahlung Kommunisten gab es bei den zentralen Verhandlungen zwischen trages eine erste hypothet auf alle Einnahmequellen Deutsch lands besitze, daß infclgedessen die Reparationszahlungen vor der Regelung jeder anderen Schuld erfolgen müßten. Auf alle Fälle aber könnten außerhalb der Reparationsfommission jene Zahlungen nicht genehmigt werden, wenn Belgien das Prioritätsrecht nicht auf geben wolle.
Die Absicht der belgischen Regierung sei nunmehr, die Frage der Ausgleichszahlungen vor die Reparationsfommission zu bringen und von ihr zu verlangen, daß sie eine Art Widerspruch gegen die Note erhebe, die Ministerpräsident Poincaré an die houtsche Regierung gerichtet hat.
Gerade diese hinterhältige Tattit war es aber, die die beiden sozialdemokratischen Barteien zu einer Einheitsfront des moralischen Widerstandes zusammenführte. In der Entrüstung über die plumpen Schwindelmanöver der dem rechtesten SPD. - Mann und dem linfesten USB.- Mann gar keinen Unterschied. Als eine Kraft, die das Böse will und das Gute schafft, haben so die Kommunisten wacker daran mitgeholfen, die Vertreter der beiden sozialdemokratischen Parteien einander immer näher zu bringen.
Die Bewegung der Arbeiterschaft gegen die Reaktion nach der Ermordung Rathenaus hat mit einer Niederlage geendet. Diese Niederlage wird verschärft durch die Vereinigung der SPD. und USPD. , die zunächst eine Verstärkung der Machtpofifion der Bour
erfolgt. Wenn die, deutsche Bolkswirtschaft die Entziehung von monatlich 50 Millionen Goldmart für Reparationszahlungen nicht tragen fann, so wäre es eine Illusion, zu glauben, daß die Ausgleichszahlungen von fast 40 Millionen Goldmark monatlich weiterhin aufgebracht werden können. Alle diese Leistungen fönnen nur als ein einheitliches Ganzes betrachtet und in Die Wirkung dieses Ereignisses auf die Kommunisten ist einem einheitlichen Plan behandelt werden. Der deutsche Antrag, auf der letzten Tagung ihres Berlin - Brandenburger Bezirks. der nicht eine Kürzung der Ausgleichszahlungen, sondern lediglich ausschusses recht plastisch in Erscheinung getreten. Es ist z. B. ihre Berteilung auf einen längeren Zeitraum be- von ungewollt fomischer Wirkung, wenn da der Vertreter der zwedt, beruht auf denselben Gründen, die für die Deutsche Regie- Berliner Zentrale erklärt: rung bei ihrem Antrag auf Gewährung eines Moratoriums für die Reparationszahlungen maßgebend gewesen sind, nämlich der derDurch die überaus schroffe Ablehnung der französischen zeitigen Erschöpfung der Fähigkeit Deutschlands zu Zahlungen Regierung, in der Frage der Ausgleichszahlungen in ausländischer Währung, die in dem katastrophalen Niedergang der die Notlage Deutschlands zu berücksichtigen, hat die Repara- Mart deutlich zum Ausdruck fommt. Inzwischen ist nach dem Ein- geoisie bedeutet. tionsfrise eine neue und vollständig unnüze Bergang der Note Euerer Exzellenz ein neuer Sturz der deut. schärfung erfahren. Während die anderen Regierungen fchen Währung eingetreten und die Mark bis auf ein Hundert eine gemeinsame Regelung der Angelegenheit in Aussicht sechzigstel ihres Friedenswertes gefunten. stellen, was nach der Lage der Dinge zu erwarten war, unter- Deutschland macht alle Anstrengungen, seine aus dem Kriege nimmt die französische Regierung ohne Einverständentstandenen Berpflichtungen zu erfüllen. Hierzu ist aber vor nis mit ihren Alliierten einen Sonderschritt. Hier allem die Gesundung seiner Bolts wirtschaft not haben wir offenbar den Anfang des eigenmächtigen Vorgehens, wendig. Diese wirtschaftliche Wiederherstellung, wie die ganz mit dem Poincaré bereits so oft und zuletzt in dem auffälligen Europas , fann jedoch nur erfolgen durch die alsbaldige solidarische Eine Politik der Leitartikel des Matin" gedroht hat. Die Folgen bleiben Busammenarbeit aller beteiligten Mächte.
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denn auch nicht aus. Belgien , das schon in der Frage Drehungen wirft nicht wiederaufbauend, sondern zerstörend. des Moratoriums im Gegensatz zu Frankreich eine ver- Berlin , den 31. Juli 1922.
gez. Wirth.
Man merkt die Absicht und man wird vergnügt. Was anders fommt in solchem Unsinn zum Ausdrud, als die verzweifelte Verlegenheit der KPD :-Führer, die ihren Anhängern den Tisch der Einigkeit so verlockend geschildert haben und die ihnen jetzt, wo er gedeckt wird, verbieten müssen, sich an ihn zu setzen. Darum muß das entscheidende Einigungswert, das jetzt im Werden ist, den Arbeitern als etwas höchst Widerwärtiges und Etelhaftes geschildert werden, woran fein braver Mann Anteil haben will. Ja, die Einigung der Sozialdemokraten ist eine Verstärkung der Machtposition der. Bourgeoisie".