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Nr. 360 39. Jahrgang

Beilage des Vorwärts

Der Turm der Konsumenten.

Die Eigenfabrikationen der GEG.

Mittwoch, 2. August 1922

dem Kriege wurden in Berlin   einschließlich der Kuhhaltungen in der Stadt selbst täglich etwa 1400 000 Liter Milch verbraucht. Heute werden in Berlin   etwa 100 000 Liter Milch erzeugt, 365 000 Liter eingeführt. Auf dem Lande ist die Misch nach Aufhebung ber Zwangswirtschaft bekanntlich frei. Jedoch regelt eine Milchverord nung vom 30. April 1921 die Milchpersorgung in den Städten von Nach den gewaltigen politischen Umwälzungen, die sich nach dem reise durch die britischen Genossenschaftszentren beendeten, erklärten Reichs wegen. militärischen Zusammenbruch 1918 in Deutschland   vollzogen, erließ sie für die deutsche Genossenschaftsbewegung als erstrebenswertes Im Anfang dieses Jahres hatte der Reichstag   für die schwierigen der Zentralverband und die Großeinkaufs- Gesellschaft Deutscher Biel: Wir wollen planmäßig zur Eigenproduktion Monate vor der Grünfutterernte einen Betrag von 400 millio Konfumvereine im Novemeber 1918 gemeinsam einen Aufruf An übergehen; der einzelne Berein produziere in ber nen Mark zur Berbilligung der Milch in den Städten bie Genossenschaften Regel nur, mas am Plage hergestellt werden bewilligt; von dem Betrage entfielen 49% Millionen Mart auf des Zentralverbandes deutscher  muß, die übrige Produktion aber betreiben wir Berlin  . Davon beschaffte die Stadt Berlin   zum Teil Kraftfutter­

schaftstag, der im Juni 1919 in Hamburg   tagte, fchloß sich der in gemeinschaftlich durch unsere Großeintaufs- Gemittel für die in Berlin   anfässigen Kuhhaltungen, das übrige Geld

Zwei Großeinkaufsgesellschaften.

Seifenfabrit Gröba.

1919 m. 1920: 7. 9 610 788,31 71 918 429,21

1921: M. 80 240 913,27

diesem Aufruf niedergelegten grundsäglichen Erklärung an, daß Im Jahre 1910 fonnte die GEG. nach leberwindung vieler murde zugeschossen zur Herabminderung des Preises für die einge­Demokratisierung und Sozialisierung unseres Schwierigkeiten aller Art ihren ersten modernen und leistungs- führte Milch. Um nicht vier verschiedene Milchpreise zu haben, wird Staatswesens dieses auf die Grundlagen der auf rein demo- fähigen Großbetrien, die Seifenfabrit in Gröba bei Riesa   die in Berlin   erzeugte Milch, was den Preis anbetrifft, nicht anders fratischer Selbstverwaltung beruhenden, den persönlichen Gewinn( Elbe  ) eröffnen, und Anfang 1915 tonnte die zweite große und eben behandelt als die vom flachen Lande eingeführte. Aber natürlich ausschaltenden Gemeinsamkeitsarbeit der Konsumgenossenschafts- falls mustergültig eingerichtete Seifenfabrit der GEG in ist die Erzeugung der Milch in einer Großstadt wie Berlin  ausschaltenden Gemeinsamkeitsarbeit der Konsumgenossenschafts: Düsseldorf   am Rhein   in Betrieb gefeßt werden. Die Umfah unendlich teurer als auf dem Lande. Dabei kostet heute bewegung stellen und den Genossenschaftsgedanken werte an selbsterzeugten Seifenfabrikaten beliefen sich in den letzten bereits eine gute Milchkuh 40 000 m. Solange die Barmittel bes zum leitenden Gedanken der künftigen Staats- Jahren: ordnung machen würden". Reiches für Groß- Berlin zur Verfügung standen, wurden den Ber liner Ruhhaltungen pro Kuh und Tag bestimmte Futtermengen vom Milchamt übergeben, wofür der einzelne Kuhhalter von jeder Kuh bis heute 3% Liter Milch zur öffentlichen Bewirtschaftung abliefern muß. Diese liefert er entweder direkt an versorgungsberechtigte Milchbezieher oder an Milchgeschäfte, die in der übergroßen Zahl von 4500 die Milchverteilung über Groß- Berlin, abgesehen von dem Wagenbetrieb der Firma Bolle, durchführen und denen vom Milch­amt entsprechende abgesetzte Taffenmilch zum Bertrieb übergeben wird. Bis zum 1. Mai erhielten die Kuhhalter außer Futtermittel noch einen Barzufchu B, feitdem sind diese Geldmittel jedoch er­täbtisch en Rieselgütern zu billigem Preise mit Grün­fchöpft. Zurzeit werden die Berliner   Kuhhaltungen noch von den futter beliefert. Aber es steht zu befürchten, daß der Milchpreis im Winter auf 25 m. für das Liter steigen wird, da keine Gelder mehr vorhanden sind, um eine Berbilligungsaktion durch­führen zu können und selbstverständlich auch die freie Milch zu gunsten der Milch für die Versorgungsberechtigten nicht weiterhin belastet werden tann. Billigere Seefische.

Seifenfabrik Diffelborf 3679 289.99 37 666 390 90 48 810 531,70 18 290 028,30 108 584 820,11 129 051 444,97 Werte im Betrage von ca. 130 Millionen Marf erzeugten die beiden Geifenfabriken der GEG. im Jahre 1921. In allen Konsumver­einen, die dem Zentralverband Deutscher   Konjumvereine anges schloffen sind, gelangen die Seifenfabritate und Waschmittel der GEG., darunter das bekannteste a mos" zur Berteilung. 18 großindustrielle Betriebe.

Demgegenüber steht jedoch die Tatsache, daß nach der politischen Meuordnung eine gewaltige Ronzentration des Pri Dattapitals stattgefunden hat, daß stetig durch weitere Rapitals­erhöhungen Leiſtungen und Einfluß zu vermehren eifrigst und er: folgreich bemüht ist. E. stehen sich hier als Gegner gegenüber auf der einen Seite der übermächtige, straff organisierte Erzeuger und Rohstoffbefizer und auf der anderen Seite die zersplitterten und da her, machtlosen Verbraucher. Die Konsumgenossenschaft bietet aber tatsächlich die Grundlage zu einer Umfehrung des tapitalistischen Wirtschaftsprogramms, und dabei handelt es sich heute erst um An­säge. Für die Konsumgenossenschaften ist die Leistungsmöglichkeit die nicht wissen oder auch nicht gewußt haben wollen, baß die Dennoch ist die Zahl der deutschen   Verbraucher gewaltig groß, bei weitem nicht erschöpft, denn was bedeutet ihre bisherige Ent- orgarisierten Verbroucher eigene Geifenfabriken haben.' Fragt sie wicklung gegenüber der Tatsache, daß jeder Mensch tagaus, tagein nach Asta Nielsen   oder Henny Porten  , Ihr könnt überzeugt sein, Berbraucher ist, gegenüber der unausbentbaren Macht, die durch die von deren Ruhm weiß man mehr, als von den fegenspendenden allmähliche Einbeziehung der Maffe dieser Verbraucher geschaffen gemeinnüßigen Eigenunternehmungen der deutschen   Konsum werden fönnte? Es ist eine alte Erfahrung, daß in Zeiten wirtgenossenschaften. Oder miffen die gewaltigen Konsumentenscharen schaftlicher Not der Genossenschaftsgedante den besten Anklang fand. der Beamten, Arbeiter, Angestellten. Kleinrentner, Kriegsbeschädig In Zeiten wirtschaftlicher Not entstand die Genossenschaftsbewegung ten und Kriegermitwen, daß die GEG. bereits eigene Beberei. in England und in Deutschland  , entstanden gewerbliche und land- und Konfettionsbetriebe in Oppach   in Sachfen hat? wirtschaftliche Genoffenfchaften. Für den organisierten Konsum er In Gröba hat die GEG. außer den zwei Seifenfabriten Das Ernährungsamt der Stadt Berlin   gibt an den Anschiag richteten die britischen Großeinkaufsgesellschaften bisher ca. 180 eine Teigwarenfabrit, eine Mostrich fabrit und eine fäulen wieder diejenigen Geschäfte bekannt, in denen jest wöchentlich eigene Fabritbetriebe, erwarben Kolonialbefig in fast allen Erdteilen. Kist en fabrit, in Altona   eine 3uderwaren und Scho- unter seiner Mitwirkung durch die Organisationen der Berliner  Die Großeinlaufs- Gesellschaft Deutscher Konsum tolabenfabrit, in Lauenburg   an der Elbe eine 8ünd- Fischhändler preiswerte Seefische verkauft werden sollen. Es werden vereine in Hamburg  , furz GEG. genannt, unterhält zurzeit hölzerfabrit, in Schönhaide   im Erzgebirge   eine Bürsten abgegeben: Schellfisch zum Preise von 15 M., Seelachs 18 Eigenbetriebe, also erst den 10. Teil der Eigenproduktion fabrit, in Dortmund   eine Holzindustrie, in Altona   Fisch( ohne Kopf) im ganzen zu 15,50 m., im Ausschnitt zu 16,50 m., als der englischen Großeinkaufsgesellschaften. Die englische   Großein- industrie und in Geeftemünde Fischpersand, ferner in Ham Fisch totelett zu 17,50 M., Goldbars( ohne Kopf) zu 16 M. faufsgesellschaft beschäftigt in ihren Betrieben ca. 40 000 Arbeiter burg, Frankenberg i. Sa. und Hodenheim in Baben 3igarren je Pfund. 3um Berkauf tommt nur Ware bester Qualität. Ber­und Angestellte, die Großeinfcufs- Gesellschaft Deutscher   Konjumper fabrifen, in Stuttgart   eine 3igarettenfabrit, in Ham- gleicht man die angegebenen Preise mit den gegenwärtigen Fleisch­eine demgegenüber nur ca. 3000 Personen. Großbritannien   ohne burg   eine Rauchtabaffabrit und in Nordhausen   jene GEG. preifen, so kann der Bevölkerung der Bezug dieses hochwertigen Rolonien zählt ca. 43 Millionen, das zerstückelte Deutschland   ca. aut ab affabrit, über die der Vorwärts" vor einiger Zeit Nahrungsmittels nur bringend angeraten werden. Die Berkaufs­60 Millionen Einwohner. Sehr viel Aufflärungsarbeit in genoffen eine eingehende Schilderung gebracht hat. Zusammen find das 18 stellen erstrecken sich über ganz Berlin  , also auch über die ehemaligen fchaftlichen Dingen gibt es in Deutschland   noch zu leisten, um nur großindustriell genossenschaftliche Eigenprobuftionsbetriebe. annähernd den Stand der Entwicklung zu erreichen, wie die britische   folcher gewaltiger genoffenschaftlicher Produktions- Eigenbesig ist hoch bezeichnet, welche für den betreffenden Ortsteil gerade in Frage Ein Bororte. An den Anschlagfäulen werden nur diejenigen Geschäfte Genossenschaftsbewegung. Bon den im Jahre 1921 in Deutschland   anzuschlagen, aber es ist noch lange nicht genua. Es ist ein An- tommen. In dieser Woche findet der Verkauf ausschließlich heute, rund 45 000 eingetragenen Genossenschaften waren nicht weniger als fana. den die Geaner oft beffer zu würdigen wiffen als die eigenen und zwar überall in der Ziet von 9-1 Uhr, statt. ca. 34 000 Ian bwirtschaftliche Genossenschaften. Anhärger. Es ist das Fundament eines gewaltigen Turmes, der einst stolz in die deutschen   Lande ragen soll.

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Genossenschafts- Geife.

Das Milchelend.

Jm Winter voraussichtlich 25 Mark das Liter. Das Milchelend Berlins   ist im Steigen. Die Klagen, die besonders in der jüngsten Zeit über die Milchverforgung in Groß- Berlin laut geworden sind, gaben dem Direttor des Milchamtes Ber­anlaffung, vor Pressevertretern den heutigen Stand der Milchver sorgung der Reichshauptstadt und der Preispolitit darzulegen. Er führte dabei etwa folgendes aus:

In einer im Februar d. Is. tagenden Versammlung fleineren Umfanges, in einer norddeutschen Großstadt referierte ein Genossen­schafter und geißelte in seinen Ausführungen das mangelnde Inter­cffe der deutschen   Arbeiter für die Förderung der genossenschaft= lichen Eigenproduktion. In der Aussprache bemängelte ein Redner die nach seiner Meinung geringe Propagandatätigkeit der Konjum­genossenschaften und der Großeinkaufs- Gesellschaft im besonderen, in­dem er u. a. ausführte: Das weiß doch tein Mensch, daß mir eigene Seifenfabriten haben, bas müßte doch betannt gemacht werden!" Leider ist diese Unwissenheit feine Einzelerscheinung. Tausend und aber Tausend Lohn- und Gehaltsempfänger laufen mit verbundenen Augen durch die Welt­Für Groß- Berlin ist die Milchverforgung zentral geregelt im geschichte, stimmen für und fordern gelegentlich die Sozialisierung Städtischen Milchamt Groß- Berlin. Die Geschäftsführung geschieht der Wirtschaft, um den Kapitalismus zu bekämpfen und zu beseitigen und Tag für Tag unterstügen fie bie pripattapi- durch den Milch wirtschaftsbetrieb", der seine Geschäfts­talistische Wirtschaftsweise durch gedankenloses Handeln. räume in den Gebäuden der Meierei Bolle in Alt- Moabit hat, ohne Als im Jahre 1899 führende deutsche Gewerkschafter thre Studien- indes mit dieser Firma heute mehr etwas zu tun zu haben. Bor

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Der Ruf durchs Fenster.

Roman von Paul Frant.

( Schluß.)

Ich frage Sie nun, meine verehrten Anwesenden, ob es eigentlich ein Wunder ist, daß einer, der fein eigentlich Kran fer, der bloß verdammt ist, tausend Menschen zu sein, tausend Seelen aufzunehmen und seine eigene dabei zu verleugnen, ich frage Sie, ob man sich darüber wundern darf, wenn dieser arme, beflagenswerte Schauspieler eines Tages, eines Abends, wenn Sie wollen, nicht mehr erwacht. Wenn er nicht mehr imstande ist, aus der Rolle, aus dem Schein ins wirf­liche Leben zurückzufinden. Wenn ihm die Klarheit fehlt, zu bedenken, daß er eigentlich ein ganz anderer ist, einer, der er nur abends zwischen sieben und zehn Uhr zu sein hat, weil ihn dazu seine tontraftliche Verpflichtung verhält. Ist es ein Wunder, frage ich zum drittenmal, wenn ein Schauspieler, einer zumal, der mehr als zwanzig Jahre in seinem Beruf steht, über Nacht gleichsam zusammenbricht, nicht mehr die Kraft befigt, so weit sich zu erheben, daß er in den Alltag zurückfindet? Albert Reuß ist in seiner Garderobe im Deut schen Theater gefeffen, vor ihm ist das aufgeschlagene Rollen heft gelegen. Er hat sich angekleidet, hat das Kostüm des Melchior Krafft engelegt, Maske gemacht und sich ganz und gar in den Charakter vertieft, den er in den nächsten Stunden darzustellen hatte. Er hatte sein eigenes Ich vergessen, be­fand sich infolge seines abnormen Zustandes in jenem dunklen Reich, dessen Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits per­schwimmen und hörte sein Stichwort!...

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Es begab sich nämlich, wie im Laufe der Untersuchung inzwischen festgestellt werden konnte, das Wunderbare, daß diefes Stichwort nicht auf der Bühne, sondern draußen auf der Straße fiel und zu Albert Reuß durch das offenstehende Fenster in feine Garderobe flog...

In den Anlagen hinter dem Deutschen Theater hat die von dem eifersüchtigen Studenten Stanislaus Dmochowski bedrohte Erita Diest   zweimal um Hilfe gerufen. Albert Reuß hat diesen Ruf, der gleichlautend mit feinem Stichwort ist, vernommen, und seine schauspielerische Disziplin hieß ihn ge­horchen, so daß er nicht zögerte, die Garderobetür öffnete und nicht mehr Albert Reuß, sondern der Werwolf", hinaus Schritt in die fremde Stadt.**

Kostenlose Pflegestellen".

Eine Warnung der städfischen Schuldeputation.

In neuerer Zeit wird, wie die städtische Echulbeputation mite teilt, durch Juferate und auf andere Weise die Vermittlung ostenloser Pflegestellen auf dem Lande für er­bolungsbedürftige Großstadtfinder angeboten. Als Bermittler treten Erich Heims und Emil Madsack, Berlin   Neukölln  , Saalefir. 8, auf. Für die Verschidung wird von den Genannten im voraus eine Vermittlungsgebühr von 800 Mart gefordert. Die Eltern werden bor derartigen Anpreisungen gewarnt. Gegen eims schwebt bereits ein Strafverfahren wegen Betrugs. Die Leiter und Leiterinnen der Gemeinde- und Mädchen Mittel­schulen find hiervon in Kenntnis gesezt mit dem Ersuchen, die Kinder zu warnen und auf das Schädliche dieser Vermittlungen hinzutveifen.

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Wir haben es bisher für selbstverständlich gehalten, daß Als uns vor sechs Monaten beiläufig die Kunde erreicht ein Mime nach Schluß der Vorstellung seine bunten Kleider, und erschüttert hat, daß Albert Reuß vermutlich nicht mehr auszieht und die Farbe von seinem Gesicht wischt. Wie wir wiederkehren werde, mag manch einer, der es viele Jahre durch den Fall Reuß belehrt werden, muß das nicht ganz so hindurch nicht gewußt oder taum gefühlt, welch teurer Besitz einfach bleiben, wie wir gute Bürger uns das vorzustellen be- diefer Mann uns gewesen, solange er vor uns, mit uns ge­lieben. Die Seele läßt sich nicht ohne weiteres abschminken, wirkt, erkannt haben, was er eigentlich verloren hat. Nun ist nicht nach Gutdünten mit einem Tuch blantpuzen. Nicht es aber glücklicherweise besser gekommen. Reuß hat uns nicht immer oder doch nicht zu allen Zeiten. Nun, da das Ber  - verlassen, er hat nur eine längere Reise unternommen, ist schwinden des Schauspielers Albert Reuß aufgeklärt, da feine nun aus jenem dunklen Reich, das feinen gern wiedergibt, Berson gefunden und alle Hoffnung vorhanden ist, daß wir zurückgekehrt und ist gestern zum erstenmal nach langer dank der vortrefflichen Pflege, die er erhält, mit seiner bal- Strankheit wieder auf der Bühne erschienen, vom Jubel einer digen Genesung rechnen dürfen, war es mir Herzensbedürf- treuen Gemeinde begrüßt, die hoffentlich nicht nur dem sen­nis, den Fall, der seine Bedeutung weit über den Tag hinaus fationellen Anlaß zuliebe erschienen ist, sondern die es mit behalten wird, ins rechte Licht zu setzen." ihren Beifallsbezeigungen und Teilnahmebeweisen ehrlich ge­meint hat.

21. Feuilleton.

Wiederauftreten Albert Reuß'.

Der Genesende hat den Rubef in Henrit Ibsens Alters­wert Wenn wir Toten erwachen" gespielt, und der Titel der edel erklingenden von Albert Reuß im Verein mit den übrigen Mitwirkenden zu großer Wirtung gesteigerter Dich­tung schwebte während des ganzen Abends, ein leuchtendes Symbol, gleichsam über seinem eigenen Haupte.

Der profunde Schwindel des Theaters mit seinem Jahr markt der Eitelkeiten und Nichtigteiten wird geabelt und ver­klärt durch das hohe Maß edelster Menschlichkeit, das sich ganz felten einmal hinter Maske und Schminte verbirgt und bas Ich kenne diesen Schauspieler ganz genau und bin Zeuge der Masse gebieterische Achtung, Wertschätzung und Bewun- fast aller seiner Schöpfungen gewefen; wer angstvoll- zweifelnd derung abfordert, die zu feinem anderen 3wed gekommen ein Nachlassen der Kraft oder gar einen vom Siechtum Ge­ist, als sich luftig zu machen und beluftigt zu werden. In brochenen zu sehen fürchtete, der ward im Verlauf der ersten wenigen Eremplaren sind jene Künstlermenschen vorhanden, Szenen gründlich eines Befferen belehrt, da der gestrige Abend, die ihren Beruf allem Ameritanismus zum Troh, dem es mittlerweile gelungen ist, die letzten der übriggebliebenen Ideale zu zertrümmern, noch als Sendung auffaffen. Aber auch diese schmale Anzahl sieht der wahre Kunstfreund schwin den, ohne daß er imftande wäre, etwas anderes zu tun, als ins Unabänderliche sich zu fügen. Er beflagt es, daß so gar fein Nachwuchs fich zeigen will, er stellt bedauernd fest, daß er mit seinen Anschauungen in diese Zeit nicht paßt, und er begreift es darum besser als andere, daß die Männer und Künstler, die in diefem Sinne geartet und geschaffen, die nach solchem Maß geschnitten sind, aus einer leeren Welt schleichen, die ihnen nichts zu geben hat und der sie nichts zu sagen haben, weil sie sie nicht verstehen würde.

,, Er war unser..." pflegen dann die Hinterbliebenen zu sagen, und der Stolz, daß er, den sie eben aus ihrer Mitte verloren, verjagt, zu ihnen gehört hat, der doch dort zeitlebens ein unverstandener, ein Fremder gewesen ist, meldet, da der am Fuß des Grabhügels Gepriesene sich nicht mehr zur Wehre fehen fann, fich zum Mort.

dessen Einzelheiten der vorgerückten Nachtstunde wegen erst morgen eingehend gewürdigt werden können, nach dem letzten Triumph als Werwolf eine abermalige Steigerung bedeutet. Es ist einem, als ob Reuß verwandelt wiedergefehrt sei:. er hat seine Kraft wiedergewonnen, aber auch sie ist nicht die von einst geblieben: fie hat sich nicht in die Höhe, sondern in die Tiefe entwickelt, aus Kraft ist Geist geworden, edelste Subli­mierung, und in seinen Augen brennt ein mildes Feuer, das man früher dort niemals gesehen hat. Wir wollen uns freuen, daß der Künstler eine böse Klippe hinter sich gebracht und eine Krise überstanden hat, die, wenn wir recht bedenken, in jedem echten Künstlerleben zu finden und die nicht allein eine Brü fung, sondern zugleich auch ein Vorrecht jener Begnadeten ist, deren Leben nichts anderes als stetige Entwicklung bedeutet, die feinen Stillstand und feine Ruhe kennen.

Albert Reuß ist reicher geworden und hat seinen Rollen­freis erweitert. Mit dem Ruber hat er den Anfang gemacht; wir aber wollen die kommenden Dinge dankbar und ver­Itrauensvoll erwarten. Franz Sermian.