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Kr.ZSS 4ZH.�ahrsattg Ausgabe& Nr. 190 Bezugspreis: Mr den Mona! August so. M., voraus zakldar. Unler Kreuzband sür Deutschland , Danzig , Eaar- und Menielgebiet, sowie Oesterreich und Luxemburg lZ8, M Mir das übrige Ausland 172, M. Dostdestellungen nehmen an Belgien , Danemart, Eng- land, Esth>and, Finnland . Frankreich . Holland. Lettland . Luxemburg , Oester- reich, Schweden . Schweiz , Tschecho- Slowakei und Ungarn . Der.Vorwärts"' mit der Sonntags- beilage»Volk und Feit", der Unter­haltungsbeilage.Heimmelf und der BeilageSiedlung und Kleingarten� erschein! wochcntäglich zweimal. Sonn- tags und Montags einmal. Telegramm-Adresfe: «Sozialdemokrat Berlin"

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Freitag, den 18. Angust 1922

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Sapern verwirft öie vereinbamngen.

Die Beilegung des bayerischen Konfliktes, die vor einer Woche durch das Berliner Protokoll gesichert erschien, ist von den bayerischen Koalitionsparteien in Scherben geschlagen worden, die in gemeinsamer Beratung am Donnerstag nach- mittag die Berliner Vereinbarungen verworfen und die Aufhebung der bayerischen Verordnung verweigert haben. Damit ist erneut eine außerordentlich ernste Situation geschaffen worden. Nicht schuldlos an dieser Entwicklung ist die Regierung L e r ch e n f e l d, der bei allem anerkennenswerten Willen zur Einigung der Mut der Ver- antwortlichkeit in entscheidender Situation gefehlt hat. Indem sie sich hinter den Parteiführern der Rechtskoalition verschanzte und diesen damit dm Vorwand gab, sich hinter weitere Partei- körperschaften zurückzuziehen, hat sich die Regierung Lerchen- feld die Entscheidung ganz und gar aus der Hand nehmen lassen und sie jenen Kreisen in die Hand gespielt, die die Zeit zur Aufhetzung des nationalistischen Straßenmobs benutzten, während die Regierung sie auf der Suche nach Mitverant- wortlichen vertrödelte. Die Sache steht jetzt so, daß in München im Augenblick tatsächlich zwei Regierungen vorhanden sind. Die eine ist die offizielle Regierung Lerchenfeld, die noch am Donners- tag durch ihren Gesandten Dr. P r e g e r in Berlin hat ver- sichern lassen, daß sie aufrichtig und ernsthast bestrebt sei, das in Berlin vereinbarte Kompromiß zur Annahme zu bringen. An der Aufrichtigkeit des Wunsches zweifeln wir nicht. Aber diese Regierung steht bereits auf unsicheren Füßen, weil ihr die Koalitionsparteien, auf die sie sich stützen wollte, nach rechts weggeglisten sind. Die Regierung Lerchenfeld hat das Ber - liner Protokoll unterschrieben, und wenn sie, was ja wohl selbstverständlich ist, zu ihrer Unterschrift steht, so bleibt ihr faktisch nur der Rücktritt in dem Moment, wo die bis- herigen Regierungsparteien sie zur Verleugnung ihrer Unter- fchrift, zum Bruch des gegebenen Wortes zwingen wollen. Offenbar will die Bayerische Volkspartei noch dieses chinein- steuern in die Regierungskrise vermeiden, sie verlangt erneute Verhandlungen mit dem Reich: aber es ist uns nicht ersichtlich. wie sie sich hiervon ein Resultat versprechen kann, wenn sie sachlich bei der Verwerfung des Berliner Protokolls verharrt. Auf der anderen Seite lauert die bayerische inoffizielle Nebenregierung, die in Kampfoerbänden organisierte Re- aktion, auf den Aur-znblick, wo sie auch die Zügel der offiziellen Regierung ergreifen kann. Durch das zaghafte Verhalten der Regierung Lerchenfeld ist den Herrschaften der Kamm un- geheuer geschwollen. In dem Augenblick, als Lerchenfeld sich von dem linken Flügel seiner bisherigen Koalition, den Demo- kraten, trennte, und statt dessen die Mittelpartei, die Partei der Kahr und Poehner, in die Regierung hineinnahm, fühlte sich diese als Herr der Siwaiton. Die Koalition Lerchenfelds mit der extremen Rechten hatte kaum ein paar Tage gedauert, als die Rechte bereits den Rücktritt Lerchenfelds und die Rück- kehr Kohrs verlangte.Weg mit Lerchenfeld W i r wollen Kahr haben!" das war das Feldgeschrei der nationalistischen Demonstration vom 16. August. Mit ge- wohnter Skrupellosigkeit peitschte die reaktionäre Agitation die Angst und Leidenschaft des Spießers auf, dem man ein- redete, daß das Schutzgesetz für die Republik mit der Einfüh- rung des Bolschewismus gleichbedeutend sei! Man muß sich vollkommen darüber klar sein, daß es dieser Richtung nicht etwa um bayerische Hoheitsrechte geht. Das ist nur die Maske, unter der der Kampf geführt wird, an dessen Spitze keine Bayern , sondern nach Bayern übergesiedelte altpreußische Junker und Offiziere unter Führung Ludendorffs stehen. Für diese Leute sind die bayerischen Hoheitsrechte nur Mittel zum Zweck, nämlich zu dem Zweck, in Bayern einen Ausnahmezustand der Gesetzlosigkeit zu schaffen, der reaktionären Geheim- und Verschwörerorganisa- tionen ein ungestörtes Dasein auf bayerischem Boden gewährt. Sie bekämpfen das Gesetz zum Schutz der Republik, weil dieses die Möglichkeit gibt, die reaktionären Geheimbünde auch in ihrem letzten Schlupfwinkel aufzustöbern. Die tatsächliche Macht dieser reaktionären Gesellschaft in Bayern ist kaum zu unterschätzen, weil sie in der Periode Kahr- Poehner die staatlichen Macht- und Sicherheitsorgane soweit zersetzen und unterminieren konnte, daß es sehr ungewiß ist, auf welche Seite diese im Falle eines Konkliktes zwischen der bayerischen Regierung und der rechtsradikalen Opposition treten würden. Schon kommen aus München Alarmnachrichten über einen bevorstehenden Rechtsputsch. Das Zögern der Re- gierung Lerchenfeld erklärt sich zum großen Teil aus dem Ge- fühl der Schwäche gegenüber den rechtsradikalen Elementen, die sich ja auch am Mittwoch deutlich zeigte, als die Münchener Polizei trotz offensichtlicher Verhöhnung ihrer Anordnungen gegen die rechtsradikalen Demonstranten nicht einschritt. Aber was für die Regierung Lerchenfeld von Einfluß sein »nag, darf für die Reichsregierung nicht maßgebend

sein. Sollte die Regierung Lerchenfeld versuchen, durch noch- maliges Nachgeben gegenüber den Rechtsradikalen sich für eine weitere Frist deren Duldung zu erkaufen, so d a r f d i e Reichsregierung dieses Spiel nicht mit- machen. Die Reichsrcgierung hat auf ihrer Seite das klare Recht, das Gesetz und außerdem das von der bayerischen Regierung unterschriebene Protokoll. Wenn in einem Lande ein Clique existiert, die das Reichsrecht für sich nicht anerkennen will, dies gar zu dem Zwecke, um ungestört die Reichsverfassung unterminieren zu können, so bedeutet es ein tatsächliches Aufhören der Reichseinheit, wenn diese Clique ihr Ziel durch- setzt. Auf die Redensarten der Rechtsradikalen von ihrer Reichstreue" kommt es nicht an, ihre Taten sind die N e- gierung jederReichseinheit. Denn das Wesen der Einheit ist die einheitliche Geltung der Reichsgesetze für alle Gebietsteile. Eine Einheit, unter der sich ein Teil der Bevölke- rung nach Belieben den Reichsgesetzen entziehen kann, ist keine

Einheit mehr. Die Reichsreaierung aber ist die berufene Hüterin und Schützerin der Reichsemheit, sie hat die ver- fassungsmäßige Pflicht, diese aufrechtzuerhalten. Es war richtig, daß die Reichsregierung nicht von Anfang an Bayern gegenüder sich auf den reinen Rechts- und Macht-. standpunkt gestellt, daß sie durch die Berliner Verhandlungen bewiesen hat. daß eine demokratische Reichsregicrung durchaus bereit ist, in den Grenzen des Möglichen bundesstaatlichen Sonderwünschen Rechnung zu tragen. Aber jede Taktik der Nachgibigkeit hat ihre Grenzen, wenn sie nicht in Schwäche umschlagen soll. Nachdem der großzügige Verständigungs- versuch von der bayerischen Regierung zwar angenommen, von der reaktionären Nebenregierung aber zerschlagen worden ist, kann der Standpunkt der Reichsregierung nur ein klares, un- zweideutigesBis hierher und nicht weiter" sein. Keine voreilige Unbesonnenheit, aber unbeugsame F e st i g k e i t, das ist es, was wir jetzt von der Reichsregie- rung fordern. Vielleicht, daß diese Haltung schon genügt, um

Beratungen der Reparationskommisfton. Direkte Verhandlungen mit der deutschen Regierung?

Da die Londoner Konferenz zu keinem Resultat geführt Hot, ist die Entscheidung über das Moratorium in die Hand der Reparationskommission zurückgegeben worden. Sie begnügt sich zunächst mit unverbindlichen Besprechungen, in denen der Boden nach einem Ausweg aus der verfahrenen Situation abgetastet wird. Sowohl auf englischer wie auf französischer Seite möchte man eine Wiederholung des Lon

gen nichts ändern. Deutschland kann seine Reparations- Zahlungen für die nächste Zeit nicht weiter fortsetzen. Die produktiven" Pfänder des Herrn Poincars würden die eine produktive Wirkung haben, Deutschlands Produktionsbosis lahmzulegen und der dem Abgrund zuqilßnden Mark einen neuen Stoß zu versetzen. Welchen Gefahren diese Politik Tür und Tor. öffnet, hat Reichskanzler W i r t h vor den ausländ!-

doner Schauspiels innerhalb der Reparationskommission ver- schen Journalisten auseinandergesetzt. Wenn die R e o a r a- meiden, da ein weiterer Mißerfolg den Zusammenbruch der t i o n s k o m m i s s i o n, der die Ansichten des von ihr ent- Entente vollenden müßte. sandten Garantiekomitees über die Notwendigkeit des Mora- Auf französischer Seite rechnet man mit drei toriums und die möglichen Garantien bekannt sind, glaubt, Möglichkeiten. Im ersten Fall ergibt die Abstimmung in der noch einmal vor ihrer Entscheidung mit der deutschen Regie- Neparationskommission Stimmengleichheit, das heißt, der rung Fühlung nehmen zu müssen, so mag sie das tun. Aber französische Standpunkt siegt, da in einer derartigen Lage die auch das kann die Lage nicht ändern, auch das kann die fran- Stimme des Vorsitzenden, also des französischen Delegierten zösilche Politik der produktiven Pfänder nicht zu etwas anderem Dubais , den Ausschlag gebe. Danach müßte Deutschland vor- machen, als was sie Lloyd George erkannt hat. läufig seinen Verpflichtungen weiter nachkommen. Im zweiten Fall bewilligt die Reparationskommission Deutschland das Moratorium mit den von der französischen Regierung als be- friedigend angesehenen Pfändern. Im dritten Fall gewährt die Kommission das Moratorium bedingungslos. Das könnte von der französischen Regierung nicht angenommen werden und müßte zu einem offenen Konflikt führen. Innerhalb der Reparationskommission selbst scheint man den zweiten Weg beschreiten zu wollen, obwohl er in Londorr nicht zum Ziel geführt hat. Um den englischen Wider- stand zu brechen, denkt man an direkte VerHand- lungen mit der deutschen Regierung. Es ist also mit der Möglichkeit zu rechnen, daß in den nächsten Tagen in Paris oder Berlin eine derartige Fühlungnahme stattfinden wird und daß die Entscheidung der Reparationskommission einen Aufschub erfährt. Nicht unwidersprochen darf es bleiben, wenn die fran- zösiscke Negierung in diesem Augenblick von neuem die Be- houprung von der S ch u l d Deutschlands an der gegen- wärtigen Lage aufstellt. Als Zeugen führt sie die englische Regierung an, die durch ihre Londoner Gegenvorschläge eine dahinlautende Bestätigung gegeben habe. Eine derartige Rabulistik schlägt sich selbst ins Gesicht. In welcher Geistes- Verfassung sich die Regierung Poincar6s befindet, zeigt die» selbe offiziöse Auslassung, in der es weiter heißt, die franzö- fische Regierung würde nur nach der Entscheidung der Repa- rationskommission handeln, und nur wenn sie nicht der G c- rechtigkeit entspräche, wenn sie den Geist oder den Buch- staben des Vertrages verletzte, namentlich aber, wenn sie' sich weigerte, eine bestimmt vorhandene Verfehlung Deutschlands festzustellen. Dann würde die französische

Paris , 17. August. (EE.) Die Repariationskom» Mission trat heute zu keinxr offiziellen Sitzung zusammen. Die Delegierten hielten nur private Besprechungen untereinan- der ab, über die ein Vertreter desIntransigeant" aus Kreisen der Reparationskommission erfährt, daß man einstweilen davon absehe, eine offizielle Sitzung, abzuhalten, weil über eine solche Protokoll geführt werden müsse. Man bemühe sich, eine Lösung zu finden, die für Frankreich annehmbar wäre und die auch mit den Interessen der übrigen Delegierten vereinbar wäre. Es soll alles geschehen, um die in London entstandenen Meinungsverschie- denheiten zu mildern. Insbesondere wünscht man nicht, daß sich in der Reparationskommission zwei Lager bilden. Nach den privaten Besprechungen, die die Mitglieder der Repa» rationskommission heute im Laufe des Bor- und Nachmittags hatten, fand am Abend eine kurze offiziöse Sitzung statt, in der einstimmig der Beschluß gefaßt wurde, morgen nachmittrg neuerdings eine offiziöse Sitzung abzuhalten, um darüber zu beraten, ob Vertreter der Kriegslastenkommission und unter Umständen der deutsche Reichssinanzminister Dr Hermes eingeladen werden sollen, behufs Darstellung der deutschen Finanz- und Wirtschaftslage vor Reparationskommission. Aber auch ein zweiter Vorschlag wird morgen in den Kreisen der Reparationskommission er- Lrtert werden, der alle Aussicht auf Annahme hat. Es soll sich eiämlich eine Abordnung der genannten Kommission nach Berlin begeben, um mit der deutschen Regierung in Fühlung zu steten, ob diese eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere pro- duktive Pfänder zu bewilligen bereit ist, die die Reparations- kommission für Gewährung des Moratoriums als geboten erachtet. In den Kreisen der Reparationskommission war man den ganzen Tag über eifrig bemüht, einem Kompromiß die Wege zu ebnen, und man hat den Eindruck, daß die französische Regierung

Regierung zur Handlungsfreiheit zurückkehren, um aus eigener einem solchen Kompromiß zustimmen würde, wenn es auf Grund Initiative in DeutsclMmd die wirtschaftlichen und finanziellen läge ihrer Londoner Vorschläge aufgebaut wäre. Die Kontrollmaßnahmen anzuwenden, die sie im Rahmen ihrer Reparationskommission will sich aber zunächst mit der deut- Londoner Vorschläge als notwendig bezeichnet habe. schen Regierung in Verbindung setzen, um von ihr zu er- Die französische Regierung maßt sich damit das Welt- fahren, ob sie in der Lage wäre, irgendwelche Angebote solcher richteramt über die Beschlüsie einer unabhängigen durch den produktiven Pfänder zu machen, die nicht unbedingt die von Frank- Versailler Vertrag eingesetzten Instanz an: sie nimmt für sich reich gewünschten sein müßten, aber doch denselben Wert darstellen

das Recht in Anspruch, den Versailler Vertrag zu brechen wenn ihr die Bestimmungen des Vertrages nicht mehr passen, ja sie kündigt mit trockenen Worten die Hegemonie Frankreichs über Europa an. Was hier vertreten wird, ist b r u t a l st e Gewalt- Politik. Aber an der Sachlage werden auch diese Drohun-

sollen. Würde die deutsche Regierung bei ihren Verhandlungen mit der Reparationskommission derartige Angebote machen, so wäre das Kompromiß gefunden. Doch will sich die Reparationskommission unter Umständen das Recht vorbehalten, das Moratorium gegen solche Pfänder und Garantien zu bewilligen, die ihr notwendig erscheine.