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Nr. 38$ 39. Jahrgang

Seilüge öes vorwärts

Ireitag. 1$. Mgust1922

Das wohnungselenö öer Unverheirateten. Wie der junge Arbeiter heute wohnt.

Ungeheuer ist die Not aller Wohnungslosen. Sie zehrt unheimlichem Maße an der Lebensenergie der von ihr Betroffenen. Sie lastet aber nicht nur auf Verheiratete und Familienväter, mindestens ebenso groß ist die Qual derjenigen, die, alleinstehend, bei fremden Leuten ein Unterkommen suchen müssen, als Mieter eines möblierten Zimmers oder als Inhaber einer Schlafstelle. Am schlimmsten ist diese Art Wohnungssuche für den jungen Ar- b e i t« r, der nicht immer ganz sauber gewaschen und angezogen aus- und eingehen kann. War er früher oft gezwungen, auf der Suche nach Arbeit von Ort zu Ort zu wandern, so war er doch selten in Verlegenheit wenn er das Gesuchte gesunden hatte, ein Unterkommen zu erhalten, wo er schlafen und Mensch für sich sein konnte: hingen doch manchesmal an einem einzigen chause ein halbes Dutzend Schilder heraus mit der jetzt so heiß ersehnten In- schrift:Möbliertes Zimmer" oderSchlafftelle zu vermieten".

oft in' nchmcr kümmert sich nicht darum, sondern regt sich meistens noch : auf über die Liederlichkeit des Arbeiternachwuchses, hier mühte in Zukunft von den Gewerkschaften mehr wie bisher Veranlassung ge­nommen werden, bei der Anforderung von unverheirateten Ar- beitern durch die Unternehmer diese aus ihre Pflichten zur anstän- digen Unterbringung der verlangten Arbeitskräfte hinzuweisen. Ein klein wenig könnten aber auch die Arbeiter gegenseitig sich noch helfen. Freilich, die übergroße Mehrzahl der älteren Arbeiter wohnt selbst in unzureichenden Räumen, hat selbst bei den wahnsinnig hohen Wäschepreisen Mangel an Bettwäsche, wo es aber bei gutem Willen möglich ist, sollten Arbeiterfrau und-mann die Mühe nicht scheuen, die mancherlei Mißhelligkeiten, die nicht ausbleiben werden, überwinden und dem alleinstehenden jüngeren Klassen- genossen ein einigermaßen menschliches Heim gewähren, durch Auf- machung einer Schlafstelle.

Ktif üauernöer Suche. Nach Arbeit braucht der junge Arbeiter zur Zeit kaum noch zu suchen: man reißt sich förmlich um ihn. Namentlich in den Mittel- punkten der Industrie und in den technisch auf der Höhe stehenden Betrieben. Sie zeigen eine fast unbegrenzte Aufnahmefähigkeit für; um den Kampf für die Arbeiterschaft zu erleichtern. Arbeitskräfte. Aber was nützt die offene Arbeilssielle, was nützt Solidarität. der beste Wille zur Arbeit, wenn ihm für die Zeit, wo� er nicht ar beiket, keine Unterkunstsstelle zur Verfügung steht.

Wenn der junge Arbeiter sieht, daß man sich Mühe mit ihm gibt, dann wird er auch nicht über die hohen Kosten murren, die er- stehen, selbst wenn schon ältere Einrichtungsgegenstände benutzt werden. Man soll nicht vergessen, daß bei größeren Arbeitskämpfen auch jetzt noch die jüngeren Arbeiter veranlaßt werden, abzureisen, Solidarität um

... Wenn er kein Zimmer, kein Bett hat, wo er nachts schlafen und ausruhen kann. Nirgends zeigt sich das ersehnte Schild:Schlafstelle zu vermieten." Das Suchen danach ist nicht allein ein umständliches, sondern oft genug ein kostspieliges Geschäft. Eine Annonce in den Zeitungen bleibt heute gewöhnlich resultatlos. Diese Verhältnisse zwingen dann natürlich, die Arbeit sofort wieder auszugeben oder erst gar nicht aufzunehmen. Vor kurzem sprach ich einen jungen Former sie werden ja fast in jeder Stadt verlangt. der in Leipzig Arbeit angenommen hatte. Drei Tage lang begab er sich nach getaner Arbeit aus Wohnungssuche und wenn er," ohne Resultat, todmüde war, dann setzte er sich in die Wartehalle des Dahnhass und versuchte dort bis zum anderen Morgen ein wenig zu dösen. Nach drei Tagen war seine Kraft zu Ende. Wie auch in seelischer Beziehung nieder- drückend das wirkt, ist kaum zu beschreiben. Das Notunterkommen.

Diesem geschilderten Teil der Wohnungsnot sollte in Zukunft gleichfalls größere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Postbeamte als Aussteller.

Der Kongreß der internationalen Telcgraphil'en. Wenn man einen Postbeamten hinter seinem Schalterfenster sieht, der Stunden um Stunden Einschreibebriefe aufnimmt, Zahl- karten und Postanweisungen erledigt, kann man den Gedanken nicht loswerden, daß nach Bewältigung dieses Pensums Arbeit der Aermste keine andren Interesien mehr haben kann als zu ruhen und seine Denttätigkeit auszuschalten. Wer einmal in einer Fern- sprechzentrale der Post beobachten konnte, wie die Beamtinnen stundenlang Nummern, Nummern und Nummern rufen und Ver- ....... bindungen herstellen, wird vom Mitleid gepackt und kann nicht anders GastS�«-Z l S-aub-n. daß nach dieser Tätigkeit alle- andere ertötet ist. Daß es wegen ihrer gerade nicht berühmten Sauberkeit von den nur einmal"b'ßchen anders verölt, bewe, st d.e gestern nachmittag eröffnete über Nacht bleibenden Reisenden gemieden werden. Solche Gast- 5 K o n g r e s s e s der Internationale Höf versuchen mit der Nachtlagergcwährung von wohnungsuchenden �des Personals der Post-, Telegraphen- und Tele«

heimlichen Freuden ebenso zu pflegen weiß wie solche, die nur in ihren Freuden aufgehen. Die Ausstellung zeigt gar nichts Postalisches, sondern es sind seltsamerweise nur zusammengetragen die Arbeiten mühseliger Tage. Stickereien, Hutgarnituren, Musik, Geigenbau, Bücher, Gemälde, Goldschmiedearbeiten, Graphiken und Tellerhandmalereien. Da ist auch der Dichter Fritz Lau vertreten, in seinem bürgerlichen Be- rufe Postbeamter in einem kleinen Heidestädtchen. Und wenn er das Telegraphieren auch im Rhythmus seiner feinen lyrischen Ge- dichte übt was wir nicht hoffen wollen, so ist es immerhin gut, daß es unter den Telegraphisten nicht allzuviel Dichter gibt. An den Wänden hängen auch Musikinstrumente, die in sorgsamer Ar- beit von den Händen einzelner Postbeamten geschaffen wurden. Modellarbeiten, die in ihren Ausführungen eine feine Technik be- weisen und zuweilen sogar als Patentanmeldungen genehmigt wor- den sind, zeigen, daß der Geist des Postbeamten in seinem schwie- rigen monotonen Dienst sich nicht schwächt oder gar verkalkt. Das Ganze ist weniger für die breite Oeffentlichkeit von Interesse, als für die Berufskollegen aus aller Herren Länder, die sich durch diese Aus- stellung in das außerdienstlich« Leben der deutschen Postbeamten hineinfühlen können. « Voran ging zu Ehren der ausländischen Gäste am Nachmittag im Lichthof des Reichspostmuseums ein Empfang durch den Reichs. postminister G i e s b e r t s. Unter den Gästen sah man den Chef der Internationalen Abteilung für Post und Telegraphie Laban aus Estland , den Direktor des Telegraphendienstes für Italien Guiseppe Gnomo, den Gencralinspektor der Kgl. Niederlän- bischen Posten und Telegraphen van der Poel , den Leiter der spanischen Telegraphistenschule Manuel Balseiro y Camara und zahlreiche andere leitende Persönlichkeiten des internationalen Verkehrswesens. Nach einem Vortrag des Kosleckschen Bläser- chors begrüßte Reichspostminister Giesberts die Anwesenden im Namen des am Erscheinen verhinderten Reichspräsidenten . Der Dezernent für Telegraphie im Ministerium für Post- und Telegraphenwesen der Tschechoslowakischen Republik A n t o n i n F e j f a r dankte dem Minister im Namen der ausländischen Gäste.

jungen Arbeitern ihr Dasein zu fristen. Für 10 bis 12 M. für jede einzelne Nacht kann er hier schlafen. Aber in welcher Umgebung? Das Bett weist oft genug die Spuren mehrerer Vorgänger und des getöteten Ungeziefers auf. Die Wäsche und das Waschen ist ja heute sehr teuer und ein anständiger Ueberschuß soll doch auch übrig bleiben. Gekehrt wird das Zimmer seUen, an Scheuern ist kaum zu denken. Spinnweben hängen an Decken und Wänden. Wie dürftig die Einrichtung. Ein Schrank fehlt, die Sachen hängen an der Wand. Ein invalider Stuhl und ein Tisch ist gewöhnlich alle», wenn es hoch kommt, ein zerfallener Waschtisch mit einer Schüssel. Wie soll der junge Arbeiter in solcher Umgebung zum Kulturmenschen werden? Muß dieses Milieu ihn nicht aufs tiefste niederdrücken? Muß es ihm nicht auch die Freude an der Arbeit verderben, jedes schöpferische Gefühl ersticken, das im Durchschnitt auch die einfachste Tätigkeit weckt? Mangelhaste Fürsorge. Einzelne industrielle Werke widmen dieser Angelegenheit, der Wohnungsbeschaffunq für herangezogene unverheiratete Arbeiter gewiß schon ihre Aufmerksamkeit, wenn auch die Abhilfe dieses Elends in primitiver Form geschieht. Aber die Zftehrzahl der Unter-

phonbetriebe im Sitzungssaal des Abgeordneten� Hauses. Postbeamte aus aller Herren Länder waren erschienen und die Regierungen hatten freimütig Pässe und Urlaub erteilt, nur Frank- reich machte auch hier eine unrühmliche Ausnahme, indem die fran- zösische Regierung von 100 Kongreßdelegierten 0 0 die Päsie und den Urlaub verweigerte, so daß die ganz« gewaltige Organisation der französischen Postangestelltcn durch einen einzigen Delegierten vertreten wurde. Der Ausstellungsleiter Wichmann wandte sich in seiner Begrüßungsansprache im wesentlichen an die ausländischen Kollegen und zeigte ihnen, daß die deutschen Postangestellten nicht in den Akten ertrinken, sondern über ihren Dienst hinaus ethische und kulturelle Energiequellen aufspringen lasten, die davon Zeugnis ablegen, daß das deutsche Volk nicht als die Bar- baren zu gelten haben, als die sie leider heute noch in manchen Ländern verschrien sind. Gerade dem Postangestellten ist es ver- sagt,«inen Uebcrblick über seine produktive Tätigkeit zu erlangen und deshalb soll die Ausstellung zeigen, was den Postbeamten außer seinem Dienste bewegt und als Menschen kennzeichnet, der seine

Der Jnselfpeicher im Grünen. Ein begrüßenswertes Projekt des Bezirksamts Mitte. Wie wir erfahren, sind diö Pläne, auf dem nach einem lang- wierigen Enteignungsverfahrem von der Stadt erworbenen Insel- speichergrundstück eine große Kaffeehaus- und Vergnügungsanlage zu schaffen, fallen gelassen worden. Es besteht jetzt bei dem zuständi- gen Bezirksamt Mitte die Absicht, auf dem rund 7000 Qua- dratmeter großen Grundstück an der Spree eine Grünflächenanlage mit einem Unterkunftshäus. ch e n zur Erholung der Bewohner des ältesten Teiles Berlins zu schaffen. Der historische Kern Berlins und Cöllns besitzt außer dem Cöllnischen Park am Märkischen Museum nicht eine einzige grüne Oase. Der Plan, den Einwohnen: der alten Häuser des innersten Berlin auf dem Insclspeichergrundstück eine kleine Erholungsstätte zu schaffen, ist durchaus zu begrüßen. Vielleicht läßt sich aber doch das Angenehme mit dem Nützlichen insoweit verbinden, als wenig- stens ein kleines Kaffeehaus dort errichtet wird. Dadurch würden sich wenigstens die Anlagekosten der Grünfläche verzinsen. Gegenwärtig befindet sich auf dem Inselspeichergrundstück ein Lagerplatz für Baustoffe, besten Pacht am 31. März nächsten Jahres ohne Kündigung abläuft. Wer die Geschichte des Insel- speichergrundstücks kennt, der weiß, daß auf diesem Grundstück seit mehr als 100 Jahren Handelscmlagen, so die alte Wegelysche Manu- faktur, der Unterbau einer fiskalischen Kommißbäckerei, dann ein Speicher der Berliner Kaufmannschaft gestanden haben. An sich ist das Grundstück vermöge seiner günstigen Wasserlag« auherordent- lich zweckmäßig zu verwerten. In der gegenwärtigen Zeit steht aber die Rücksicht auf die Volksgesundheit an erster Stelle. Nach- dem der Enteignungsstreit um das Grundstück zwischen der Stadt und den Besitzern durch Vergleich erledigt worden ist, sind im Nach- trag des Berliner Haushaltplanes dem Bezirk Mitte 1,5 M i l-

ISI Der Sprung in die Welk. Ein Zungarbeikerroman von Arlur Zickler. So vergingen zwei Swnden im Fluge, die sie für die Streife durch Verlin vorgesehen hatten, um keine Sekunde zu früh sprangen sie auf dem Lehrter Bahnhof in den Zug, der wieder ins grüne Land hinausrollte, wo die Wälder dämmer- ten, Fohlen in den Koppeln sprangen und die Telegraphen- drähte unablässig am Fenster auf und nieder tanzten. Die Wagen waren vollgepreht mit Auswanderern des Ostens, die in Hamburg gus den Zügen auf die Docks und von da ins § wischendeck der Amerika -Schiffe gelangen wollten. Dicke uft der armen Leute, Kindergeschrei und Müttergesang, hef- tiges Reden in unbekannter Sprache, sorgloses Gedudel einer Ziehharmonika. Draußen die helle Frühlingssonne auf mär- kischem Sand, grünende Birken, stille Gehöfte, weißes Gewölk. Frauen ösfneten gleichmütig die Brust und stillten ihre Kin­der, die darüber ihren lauten Weltschmerz vergaßen, in einer Ecke wurden Karten gespielt, und wenn den Kleinen das Un- vermeidliche ankam, hielt sie der treusorgende Bater aus dem Fenster. So wurde es Mittag und Nachmittag, die Station?- Häuser sahen sich zum Verwechseln ähnlich bis wieder städtische Balkons mit bunter Wäsche wirbelten, der Horizont sich verengte, Rauch und Dunst sich woben und der Zug in der brausenden Halle des Hamburger Hauptbahnhofes zum Stillstand kam. Voll wohliger Müdigkeit strichen die Freunde durch den Hamburger Frühlingsabend. Glocken sangen, verliebte Jung- paare wandelten durch die Anlagen des Besenbinderhofes, auf dem Sportvlaß flog der Faustball, verschwiegen dämmerte es, Lampen blitzten auf, die Mädchen und Burschen auf den Bänken rückten zusammen, auf einmal war der sanft lächelnde Mond am Himmel. Die Freunde kehrten zur Herberge zurück. Aus den weitgeöffneten Fenstern der Wirtsstube dröhnte mannhafter Gesang. ... so'n Pott voll Snuten un Puten un'n deftig Stück von Swin, Speckarbsen un Bohnen oo Junge smeck dat finl Ao Junge, Junge, Junge smeck dat finl Hans und Rudi summten den Refrain mitÄo Junge, Junge, Junge.. und aßen dazwischen Grützwurst mit Brot und tränke' helles Bier. Um zehn Uhr trieb die Herde in den Schlafsaäi, der hohe Fenster hatte, durch die der Mond und die Bäume hereinschauten alles recht und gut so.

Einen vollen Tag hatten sie Hamburg durchwandert, um Arbeit zu suchen. Am Arbeitsnachweis in der Nähe des Hei- ligengeistseldes sah es trostlos aus. Hunderte von Arbeits- losen umlagerten das Tor vor der Eröffnung, die meisten warteten schon seit Monaten auf Zuweisung. Traurige und hofwungslose Gesichter, zerrissene und zerwetzte Kleider. Erst nach einer Stunde kamen die Freunde an den Schalter und erhielten eine gelbe Karte. Ob man bald auf Arbeit rechnen könne...? Der Beamte lachte nur. So versuchten sie es auf eigene Faust, rannten, von Speicher zu Speicher, von Fa- brik zu Fabrik. Durch den Elbwnnel liefen sie zu den Werken von Blohm u. Boß, auf den Werften fragten sie herum aus- sichtsloses Bemühen. Abends hockten sie am Baumwall auf dem Ouaigeländer und beratschlagten. Hamburg kann uns was, mein steber Hans. Ich bin dafür, daß wir heute abend, solange es noch licht ist, im Hafen herumgondeln, uns dann in der Altstadt vergnügen und morgen früh die Landstraße unter die Beine nehmen. Bei den Bauern wächst Brot, vielleicht blüht uns in Bremen oder in Westfalen das Glück. In der Penne find vier Mann, die morgen früh in die Heide wollen, denen schließen wir uns an." Sie liefen der Stelle zu, wo die Jollenführer anlegten. Bon den Docks her dröhnte und hämmerte es, die Schreie der Schiffspfeifen hallten über das Wasser, weit hinten lagen Amerikafahrer und heulten mit ihren Sirenen wie riefen- hafte vorsintflutliche Tiere. Die Sonne schwebte, ein roter Ball, im ziehenden Rauch. Der Jollenführer, mst Arbeitsvolk gepreßt überladen, legte an, schwere Stiesel trampelten über die Balken der Lan- dungsstelle, dann sprudelte wieder die Schraube, und am Bug, wo Hans und Rudi standen, rauschte die Flut mit weißer Gischt, daß der Wasserstaub ihre Gesichter näßte. Wie sicher. doch das Kleinzeug der Boote, Schaluppen und Jollen durch- einanderschoß, auf dem durchwühlten Wasser sprangen glitzernde Lichter. Bon Zeit zu Zeit legte das Schiff an. am Seemannsheim,»m Baakenhöft, überall tobten klirrende, ächzende, fiebernde Arbeit. Im Segelschiffhafen wurde es etwas stiller, da lagen Zwei-, Drei- und Viermaster, um die. Rahen taumelten weiße Möwen, hier wehte die Romantik Gerstäckerscher Erzählungen, die Hans in seiner Schulzeit verschlungen hatte. Wie gerne wären sie setzt an Bord einer Brigg gesttegen, um morgen die Außenelbe hinauszugleiten in die dunkelgrüne Nordsee ... Nach einer Stunde war ihr Groschen abgefahren, sie liefen über den Baumwall im gemachten Seemannsbreitfchritt und spuckten den Saft eingebildeten Priems. Ueber der Alt- stadt prangten die Sterne, aber die sah niemand der Tau-

sende, die sich durck die engen Gassen schoben. In den Brat- küchen der Niedernstraße standen breithüftige Köchinnen mit schmierigen Schürzen und warfen die siedenden Kartosielpuffer auf die andere Seite. Aus den Kneipen scholl Trompetentrara und Dudelmusik, und auch die Heilsarmee hatte hier ihr Quartier, ein Lichtkasten glühte blutrote Buchstaben in die Dunkelheit:Jesus rettet Jesus hilft!" Hans und Rudi traten in ein Lokal, wo kurzröckige Mu- fikantinnen auf langen Trompeten den Hohenfriedberger Marsch herunterschmetterten. Mit Mühe fanden sie noch Platz. Trüb schwelte der Rauch um die Lampen, am Büfett stand ein dicker, fauler Wirt, blickte dösig aus seine Bierherde und ließ die Unterlippe herabhängen. Vor dem Büfett lehnte ein baumlanger englischer Schiffer, kippte einen Branntwein nach dem andern hinunter und nöhlte, als die Trompeten schwiegen: Ii is a long war to Tipperary.. Die Schnäpse schienen sein Kraftgefühl enorm zu steigern, er krebste mit den Armen in der Lust herum und brüllte:GockckamI I«Kall bteat you..." Der Wirt kniff ein Auge zu und sagte:Go Korne, Jonnyl" Ionny gote aber nicht horae, sondern trat an einen der Tische und schlug dem nächsten der dort sitzenden Männer ins Gesicht. Im Nu war die Keilerei fertig, sechs Mann rannten gegen den Engländer an, dessen Arme wie Windmühlenflügel arbeiteten. Ionny blieb Sieger. Einer der Geschlagenen rief:Ich werde den dicken Max holen!" und rannte weg. Der Wirt wollte Iontly keinen Schnaps mehr geben, aber Ionny goß sich selbst ein, alles war auf die Weiterentwicklung der zweifellos handfesten Angelegenheit gespannt: denn es dauerte nicht lang«, dann kam ein Mann mit einem Bullenhals herein, der wie ein einziger Muskel aussah. Max wurde mit Hellem Gejohle begrüßt und schien schon im Bilde zu sein. Er trat an die Bar, ließ sich einen Schnaps geben und faßte den langen Ionny ins Äuge. Der Engländer merkte etwas, hob den einen Windmühlenflügel und gab Max eine Maulschelle. Die Biermeute, johlte. Max griff sofort an und schlug Ionny die Faust unters Kinn, daß es krachte. Dann hakte er den Engländer unter und hob ihn aus. Der ankerte noch mit den Armen und schlug Max auf den Kopf, bis dieser schließlich den Ionny sackte und durch die Fensterscheibe auf die Straße warf. Das gab ein frenetisches Hallo. Der Engländer blutete wie ein Schwein, auf der Straße lief alles zusammen und lachte, das Lokal füllte sich zum Brechen, und während Ionny auf die Rettungswache gebracht wurde, feierte man Max als den König des Abends. Der Wirt machte nicht das schlechteste Ge- schüft dabei: denn die Fensterscheibe war versichert. Der Schnaps floß in Strömen, und ehe sie es sich versahen, hatten die Freunde einen Rausch.(Fortsetzung folgt.)