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Nr.439 39.Jahrgang Ausgabe B Nr. 213

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Sozialdemokrat Berlin  ".

Abend- Ausgabe

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutfchlands

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und 2506-2507

Sonnabend, den 16. September 1922

Smyrna   niedergebrannt.

sende griechischer Flüchtlinge ohne Lebensmittel und Wasser. Zahl= reiche englische Handelshäuser haben schwere Verluste erlitten. Das englische Prestige ist sehr gesunken.

Paris  , 16. September.  ( WTB.) Nach einer Meldung der und Posten aus der Stadt zurückgezogen. Mehrere englische Häuser ,, Chicago Tribune" aus Smyrna   sollen der Stadt in Asche wurden von türkischen Offizieren mit Beschlag belegt. Bei meiner liegen und mehr als 300 000 personen gestern morgen Abfahrt befanden sich auf dem Hafenkai und auf den Molen Tau­obdachlos gewesen sein. Der Brand erlösche allmählich nach vollständiger Zerstörung des amerikanischen  , des griechischen und der übrigen europäischen   Vieriel. Der finanzielle Verlust befrage annähernd 200 Millionen Dollar, von denen ungefähr 5 Proz. amerikanisches Eigentum darstellten. Den Verlust an men schenleben abzuschäzen, sei unmöglich. Bon den Flüchtlingen feien zahlreiche schwer verwundet. Der Befehlshaber der ameri­tanischen Zerstörerflotte meldet, daß die Feuersbrunst, die in Smyrna   am Mittwochnachmittag ausbrach, am Donnerstag­nachmittag noch wütete. Alle Kriegsschiffe feien voller Flüchtlinge.

London  , 16. September.  ( EP.) Die englische Regierung hat die alliierten Regierungen ersucht, in größter Eile Schiffe nach Smyrna   zu senden, um die 500 000 Grie­chen Kleinajiens, die an verschiedenen Orten Kleinasiens   fon­zentriert find, einzufchiffen.

London  , 16. September.  ( WTB.) Daily Mail" veröffentlicht ein Telegramm seines Sonderberichterstatters, der die Feuersbrunst Smyrnas von Bord des Kreuzers Iron Duke mit angesehen hat, und telegraphiert, mit Ausnahme der armseligen iürkischen Viertel und eines kleinen Teiles der nördlichen Vororte stehe ganz Smyrna  in Flammen. Ein türkischer General habe ihm gesagt, daß das Feuer von Armenier n angelegt worden sei, welche große Mengen von Waffen und Munition angesammelt und als sie gesehen hätten, daß sie den Türken nicht mehr entgehen könnten, ihr Viertel an neun verschiedenen Stellen in Brand gesteckt hätten. Nach dem Korrespondenten ist die Lage der überlebenden Einwohner verzweifelt. Man schätze die Zahl der Personen, die, falls sie sich nicht retten und falls sie nicht verproviantiert werden können, dem Hungerto de verurteilt sind, auf ungefähr 100000.

Christengemezzel in Smyrna  ? London  , 16. September.  ( EP.) Der Exchange Telegraph erfährt aus Smyrna  , daß der vor Smyrna   befehligende englische  Admiral die türkischen   Behörden aufgefordert hat, dem

Christengemehel sofort einhalt zu tun, da er sonst die

Türkenviertel der Stadt beschießen würde.

Paris  , 16. September.  ( WTB.) Nach einer Havas- Meldung aus Konstantinopel   meldet der amerikanische   Oberkommissar in der Türkei  , daß in Smyrna   14 naturalisierte Amerikaner

vermißt werden.

Kemals Friedensbedingungen. Angora, 16. September.  ( WTB.) Wie von zuständiger Stelle erklärt wird, ist die türkische Nation unter folgenden Bedingungen bereit, einen Waffen still stand zu schließen:

bedingungslose Auslieferung aller Waffen, Munition und Nahrungs­1. Räumung des ganzen vom Feinde besetzten Gebietes und

mittel.

2. Anerkennung der uneingeschränkten türkischen Souve ränität über Kleinesien und Thrazien   und Verzichtleistung auf alle Ansprüche auf diese Gebiete.

3. Wiedergutmachung aller Schäden und Ersatz aller Verluste der türkischen Nation, die dem Feinde zur Last fallen. 4. Auslieferung aller Personen, die während der Invasion Grausamkeiten begangen haben.

Die Haltung Englands. London  , 16. September.  ( EP.) Der englische Rabi­nettsrat nahm gestern Kenntnis von der französischen   Note über die Orientfrage. Nach längerer Diskussion nahm er folgende Entschließung an:

1. Der Rat drückt seine Befriedigung über die französische   Note aus, wodurch eine volle Einigung in der Frage des nahen Orients erzielt wird.

2.

neutralen Zone militärische Verstärkungen dorthin ge­Der Rat beschließt, daß im Falle einer Bedrohung der neutralen 3one militärische Verstärkungen dorthin ge. sandt werden sollen.

sich allen türkischen Truppentransporten durch die Dardanellen 3. Die alliierten Flottenkommandanten sollen Befehl erhalten,

zu widersetzen.

London  , 16. September.  ( WTB.) Der Berichterstatter des 4. Der Rat beschließt, daß die Regelung der Orientfrage auf Reuterbureaus in Smyrna   berichtet aus Malta   vom 15. September: einer in der nächsten Zeit einzuberufenden Konferenz erfolgen Im habe Smyrna   an Bord eines britischen   Hospitalschiffes verlassen soll, zu der außer England, Frankreich  , Italien  , Türkei   und müssen. Bei meiner Abfahrt segten die Türken ihre Plünde Griechenland   auch Jugoslawien   und Rumänien   einge­rungen und Mordtaten fort. Unmassen von Leichen laden werden sollen. liegen in den Straßen von Smyrna  . Zwei große Dörfer bei Der Beschluß des Kabinettsrates ist Mustafa Kemal   Pascha mit­Smyrna stehen in Flammen. Die Engländer haben alle Patrouillen geteilt worden.

Eine Frist für Deutschland  .

Paris  , 16. September.  ( WIB.) Wie Petit Journal" meldet, hat der belgische Minister des Aeußern gestern Journalisten erklärt: es ist ein 3ertum, zu glauben, daß das Datum des 15. September ein entscheidendes Datum ift. Ich habe aber bei dem deutschen   Gesandten Dr. Landsberg lebhaft darauf bestanden, daß uns die deutsche Ani­wort in möglichst furzer Frist übermittelt werde.

Wie Petit Parifien" meldet, gehe aus den Dingen, die fich gestern ereignet hätten, flar hervor, daß Deutschland   still­schweigend eine Frist von einigen Tagen gewährt worden sei, um seine Antwort zu geben.

Die Eisenbahnerbewegung im Westen.

Nach einer Mitteilung der Eisenbahndirektion Köln, die gestern abend im Reichsverkehrsministerium eingelaufen ist, gilt die Streit­gefchr als beseitigt.

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Verlag, Hanpregpedition n. Inseraten­

Abteilung: Dönhoff 2506-2507

Das deutsche Erbrecht.

Von Prof. Dr. Tönnies- Kiel.

Die nachstehende Arbeit erscheint in Nummer 1 der Finanzpolitischen Streitfragen", die von der Deuts schen Gesellschaft für Reichserbrecht heraus­gegeben werden. Ihr gehören u. a. neben bekannten Ge­lehrten auch Führer der gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiter und Angestellten an.

Um zu erkennen, wie sehr Eigentum, Person und Familie im modernen Staate das wesentliche Objekt ausmachen, braucht man nur ein bürgerliches Gesetzbuch aufzuschlagen und feine Einteilung zu betrachten, z. B. das neue deutsche Bürger­liche Gesetzbuch. Das zweite Buch ist betitelt: Recht der Schuldverhältnisse. Bei diesen handelt es sich natürlich nicht darum, daß Verwandte einander Rücksicht u. dgl. schuldig sind, Buch, welches das Sachenrecht enthält, nur gleichsam im festen sondern um Geldschulden, um Eigentum, so daß das dritte Zustande darstellt, was jenes im flüssigen Zustande betrach handelt, die durch das Eheverhältnis den Rechten am Eigen­tete; dann folgt das vierte Buch als Familienrecht, wo es sich um die besonderen, gleichsam ausnahmsweisen Bedingungen tum gegeben werden, und das fünfte Buch als Erbrecht. Das ist der eigentliche Zielpunkt. Das, wo der Ring sich schließt; das Familienrecht mündet wieder in das Sachenrecht ein. Das Erbrecht kann in der Tat nach der Verfassung der modernen Gesellschaft als Einheit von Ehe und Eigentum be­griffen werden, und es stellt sich gerade hier, wo also ganz in überwiegender Weise das Interesse der befizenden Klasse in Frage kommt, der Staat recht eigentlich als Vollstrecker des Willens und Interesses der besitzenden Klasse dar, insofern er da eintritt, wo das Individuum nicht mehr selber für seine Sache, sein Eigentum eintreten fann, wo also der Staat Boll­strecker des Willens des Verstorbenen, des Erblasfers, ist, sei es feines ausgesprochenen, testierten Willens oder des unausgesprochenen vermuteten Willens, vermittelst Intestaterbrechts.

Es ist ja sehr merkwürdig und zeigt zugleich den schwächsten Bunft des Staates, wenn wir bemerken, wie Erblasser nicht verfügt hat, doch an den Mann komme; wie der Staat im bürgerlichen Rechte gleichsam als eine unbedingte Notwendigkeit ansieht, daß ein Vermögen, über das der Bunkte etwas wieder auslebt, was der urältesten Zeit ange­die Erben gesucht werden in der Berwandtschaft, wie in diesem hört, was sonst durchaus gar nicht mehr vorhanden ist, näm­lich die Seitenverwandtschaft. Es ist geradezu ein Para­doron und Anomalie innerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuches  , dieses Recht der entfernten Verwandten auf ein Erbteil, dem in feiner Weise irgendwelche Pflichten entsprechen; Recht auf das Eigentum, nur damit das Privat eigentum bleibe, wonach also die Erhaltung des Privateigentums der Zweck der sozialen Verbindung ist.

Aber auch an diesem Punkte hat schon die Tendenz an­geflopft, die Vererbung des Inteftaterbrechts auf die Seiten­linien einzuschränken. Diese Tendenz war sogar in die Juristenfemmission, die das neue deutsche Bürgerliche   Gesetz­Der SPD.  - Dienst schreibt: Bei der Eisenbahnerbewegung im buch bearbeitete, eingedrungen. Der erste und der zweite Ent­Westen wurde in Köln   den Kommunisten rasch das Wasser abge- wurf haben eine Verwandtschaft von der ersten bis zur fünften graben. Die Verhandlungen zur Linderung der Not der Eisenbahner, Ordnung anerkannt. Die erste Ordnung ist natürlich die des die im besetzten Gebiet und in dessen Nachbarschaft( Ruhrgebiet  , Deszendenten, der normale Fall; die zweite Ordnung die der Frankfurt   a. M.) seit dem Marksturz und der neuen Fremdeninvasion Aszendenten und der Geschwister und deren Abkömmlinge; besonders unter der Teuerung zu leiden haben, sind bereits im die dritte Ordnung sind die Großeltern und deren Abkömmy­Gange. Die geftrige Aussprache zwischen Gewertschaften und Reichs- linge, also unsere Dheime, Tanten, Bettern und Basen; dann verkehrsministerium hat dazu geführt, daß am kommenden Donners fommt die vierte Ordnung, die Urgroßeltern und tag die Teuerungsverhandlungen der Spitzengewertschaften im Reichs- deren Abkömmlinge. Welcher normale Mensch weiß finanzministerium beginnen. Sie werden so rasch als möglich durch etwas von den Abkömmlingen seiner Urgroßeltern? Das sind geführt werden und sollen zu einer schnellen Hilfe führen. Leute, die in der Regel in ganz anderen Lebenssphären sich bewegen, mit denen man in der Regel in gar feinem Verhält­nisse steht. Die Mehrheit der zweiten Kommission des Gesetz­buches beschloß nun, und hat dies nachher als eine bedeutende Tat empfunden, bei dieser Parentel, der vierten Ordnung, stehen zu bleiben. Man wandte dagegen ein, für die Abkömm­linge der Urgroßeltern sei auch in der gegenwärtigen Zeit das New York  , 16. September.  ( WTB.) New York Herald  " Gefühl der Blutsverwandtschaft keineswegs in dem Maße ver meldet aus Washington, das Schazamt erkläre, Großbritanschwunden, wie man mit jenem Vorschlag unterstelle; es ſei nien hate formell mitgeteilt, daß es ohne Rücksicht auf nicht unbedingt richtig, daß Berbefferungen und Ausdehnungen die europäische Lage seine gesamte Schuld an die Vereinigten der Kommunikationsmittel auf den Zusammenhalt der Staaten zu zahlen beabsichtige. Die Zahlung würde am" Familie" im weiteren Sinne zerstörend und zersetzend ein­15. Oktober, wo der halbjährliche Zinsbetrag in Höhe von 125 Mi- gewirkt hätten. Wie die Verbesserung der Kommunikations­lionen Dollar fällig ist, ihren Anfang nehmen. Die britische Kom- mittel einerseits die Möglichkeit biete, die Familieangehörigen mission für die Schuldenfrage werde Ende des Monats in schneller auseinander zu bringen, so habe sie andererseits zur Beratungen mit Poincaré  . Washington ankommen und am 1. Oktober die Verhandlungen Folge, daß die Familienangehörigen sich nach einer voraus­Paris, 16. September.  ( WTB.) Ministerpräsident Poincaré   über die Konsolidierung der Schulden beginnen, die die Umwandlung gegangenen Trennung schneller und leichter wieder empfing gestern nachmittag den Präsidenten der Reparationsfom- der gegenwärtigen Schuldscheine in langfristige Obliga- zusammenfinden. Offenbar haben die vornehmen mission Dubois, den Delegierten bei der Reparationstommiffion tionen bezweden. Mauclère und den Finanzminister de La steŋrie.

Die Besprechungen in London  . London  , 16. September.  ( EE.) Der englische Vertreter in der Reparationsfommission, John Bradbury, ist laut Evening Standard" gestern abend in London   eingetroffen, wo er eine Unterredung mit dem Reichsbanfpräsidenten Havenstein hatte. Man glaubt auch, daß Lloyd George Montag vormittag Bradbury und Havenstein in der Downingstreet empfangen werde. Außerdem werde letzterer mit dem Präsidenten der Bank von England   und mehreren bedeutenden Finanziers der City konferieren. An den Besprechungen würde auch der britische   Schazkanzlere, Sir Robert Horne, teilnehmen. Man gibt der Ansicht Ausdruck, daß es un möglich wäre, die 50 Millionen Pfund an Belgien   zu bezahlen.

Englands Schuldenzahlung.

Juristen an die Familientage der sogenannten Adligen ge­dacht! Man müsse deswegen bei einer etwaigen Beschrän­Die Finanzkommission der Kammer hat heute die Prü- Nationalbolschewiffische Ausschreitungen in München  . Etwa 30 fung des gesetzlichen Erbrechts vorsichtig zu Werke gehen, fung des Spezialbudgets betreffs der von Deutschland zu er- bis 40 Nationalsozialisten, die sich in dem Kaffeelokal wenn man sich nicht mit wohlbegründeten" Ueberlieferungen stattenden Ausgaben beendet. Die Borschläge des Bericht- Deutsches Theater" eingefunden hatten, begannen mit Bier in Widerspruch setzen und den Vorwurf auf sich laden wolle, erstatters auf Herabsehung gewiffer Kredite wurden angenommen. flaschen, Weingläsern usw. auf die anwesenden Gäfte zu daß man die sittliche und soziale Bedeutung der Blutsver­Unter den Abstrichen befinden sich etwa 300 Millionen Frant, die und knüppeln los. Schließlich gelang es den Gästen, die Ruhe- wandtschaft, welche als solche ein Erbrecht begründe, im werfen und gingen dann gegen anwesende Juden mit Beitschen für die Instandsegung von 50 000 hektar in der Roten Zone und ftörer hinauszuwerfen, die im Abziehen noch die Fenster des Gegensatz zu der Volksüberzeugung verkannt habe. für die Pläne zum Wiederaufbau von Städten und Dörfern be- Lokals einschlugen. Echon vor etwa 3 Wochen hatten in dem gleichen Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches verbessern sollte, hat Die Kommission des Reichstages, die den zweiten Lokal Ausschreitungen gegen jüdische Gäste stattgefunden.

stimmt waren.