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Nr. 14.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­fährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mr., wöchentlich 28 Pfg. fret In's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags: Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 3,30 Mt. proQuartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr.Monat. Eingetr. in der Post Beitungs- Preisliste für 1895 unter Nr. 7128.

Vorwärts

12. Jahrg.

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Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse:

Sozialdemokrat Berlin "

Berliner Bolksblatt.

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Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Perier gekürzt,

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Donnerstag, den 17. Januar 1895. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

wo die

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gehört, und aus dem er jährlich Millionen zieht, ist das unseres Gallus Korrespondenten ist die Raubwirthschaft der berüchtigtste der berüchtigten französischen Bergwerke eine französischen Eisenbahn- Gesellschaften wiederholt gekenn Angstprodukte sind nicht langlebig, weil sie die Angst, wahre Hölle der Ausbeutung und Unterdrückung. Und mit zeichnet worden. deren Produkt sie waren, nicht lang überleben fönnen. Und den räuberischsten der Räuberbanden genannt Eisenbahn - Für diese Gesellschaften, wie für die übrigen Geschäfts­die Augst ist ihrer Natur nach kurzlebig. Auch der nervöseste Gesellschaften hatte Casimir Perier vor seiner verbände des französischen Kapitals ist das Volk nur dazu Mensch, auch der hasenherzigste Hasenfuß kann nicht fort Wahl unter einer Decke gesteckt; und nach seiner Wahl da, die goldenen Eier zu legen, und ist es der Zweck der während zittern, und verfällt schließlich in einen Zustand ließen sie ihn nicht los und fam er nicht los. Sie hatten Regierung, die goldenen Eier dem Volk wegzunehmen der Abspannung und Gleichgiltigkeit was ja Bismarck , ihn in der Hand durch seinen intimsten Freund und in die weiten Taschen der kapitalistischen Raubgesellschaft der die letzten 12 Jahre seiner Regierung von der Angst Raynal , der den Unterhändler zwischen ihnen und zu stecken. Der Panamaskandal war keine Ausnahme. lebte, zu seinem Nachtheil erfahren mußte. Und jetzt hat dem Präsidenten spielte. Raynal besorgte die Ge- Die Panamaprattiken sind die Regel. Die moderne kapita­Casimir Perier es in Frankreich erfahren nur daß es schäfte Cafimir Perier's. Und Raynal , Minister unter listische Gesellschaft ist ein großes Panama . Und so lange dort, wo alles in rascherem Tempo geht, nicht 12 Jahre, Cafimir Perier, hat mit den Eisenbahngesellschaften jene sie besteht, wird sie aus einem Panamasumpf mur sondern nur ein halbes Jahr gedauert hat. Verträge gemacht, welche diesen kapitalistischen Räuber- herauskommen, um in einen anderen, noch schmutzigeren Präsident Cafimir Perier war im vollsten Sinne banden, über den gewöhnlichen 3insenprofit hinein zu taumelu, bis sie zuletzt sich nicht mehr des Worts ein Angstprodukt. Gewählt unter dem Eindruck hinaus, nach der Berechnung Millerand's 1300 wir emporarbeiten kann und dem Schlamme erstickt. des Schreckens, den der Dolchstoß Caserio's in einem großen schreiben: dreizehnhundert Millionen Franks, Jeder Versuch, diese Gesellschaft zu retten", ist nur ein Theil der Bevölkerung hervorgerufen hatte, bedeutete seine aus den Taschen der französischen Steuerzahler verschreiben! Versuch, ein ergiebigeres Panama zu entdecken und den Wahl die Schreckensherrschaft des Kapitalismus zur Ver- Diese, lang sorgsam geheim gehaltenen Verträge und Raub der goldenen Eier noch gründlicher als bisher zu nichtung der Sozialdemokratie, der die anarchistischen Manipulationen waren so schimpflich, daß die französische betreiben. Das arbeitende Volk muß vor dieser Ge Verbrechen" an die Rockschöße gehängt wurden. Der Kammer am Montag in einer denkwürdigen Sigung auf sellschaft gerettet werden. Das ist die wahre, die echte Schrecken hielt aber nicht vor; die Erschreckten tamen bald Antrag Millerand's mit 253 gegen 225 Stimmen die Au Gesellschaftsrettung, die in Frankreich , wie in allen übrigen zur Vernunft und sahen ein, daß die Diktatur des Geld- tlage gegen Raynal beschloß. Kulturländern der Sozialdemokratie obliegt. facs, wie er in der Person Casimir Perier's sich ver- Die Telegramme über jene Sigung waren so unvoll Unsere französischen Genossen haben gegen Cafimir törpert, für Frankreich ein Schaden und eine Schande ständig, daß die Tragweite der Abstimmung nicht sofort Perier den Vorkampf geführt; sie haben das Verdienst, sei ein Schaden, weil Frankreich rücksichtslos der daraus erhellte. Jetzt, wo die ausführlichen Zeitungs- Casimir Perier gestürzt zu haben; und das neue Manifest, Plünderung durch den Kapitalismus überliefert war berichte uns vorliegen, ist es vollständig klar, daß das der Leser weiter unten findet, zeigt, daß sie ihrer eine Schande, weil diese Diktatur die Vernichtung aller das Votum, welches Raynal welches Raynal am Montag auf die Pflichten und des Ernstes der Lage sich bewußt sind. der freiheitlichen Einrichtungen und Errungenschaften be- Anklagebank schickte, in Wirklichkeit Casimir Perier Noch sind sie nicht stark genug, die Regierung Frank deutete, welche die Größe und den Stolz Frankreichs getroffen hat. Die Petite République Française" faßt in reichs in die Hand zu nehmen. Aber in Frankreich kann ausmachen. ihrer betreffenden Nummer das Resultat der Montagssigung feine Regierung sich mehr halten, die den sozialistischen Das Land, dessen Bürgerthum vor mehr als einem in den, mit Riefenlettern gedruckten Worten zusammen: Forderungen entgegentritt. Wer auch immer der Nachfolger Jahrhundert die Bastille stürmte und die Menschenrechte Sturz des Ministeriums. Raynal , der Berier's sein möge- ob dieser oder jener Bourgeois- verkündete- mit einem Male, weil ein Wahnsinniger Freund Perier's, in Auklagezustand versetzt." ob die herrschende Klasse in ihrer Noth sich zur Wiederwahl einen Mord verübt hatte, auf das politische Niveau und in einem Artikel derselben Nummer ist ausgeführt, daß Perier's entschließt wer immer an's Ruder gelangt, afrikanischer Rannibalenstaaten herabgeworfen das war Perier durch jenes Votum mitten in die Brust( en pleine wird seine Macht zwar nicht auf Sand bauen, aber auf ein Gedanke, der jeden von den Ideen der Revolution" poitrine) getroffen wurde". einen Sumpf, der den Bau ohne Gnade verschlingen muß. noch nicht ganz abgefallenen Franzosen mit Ingrimm er- Die Angelegenheit Gérault Richard war schon das füllen mußte. Die Popularität Cafimir Perier's verflog Vorzeichen der Katastrophe; und das Manifest, welches Uebergangszeit zwischen zwei Welten: einer gehen­mit dem Schrecken, der ihn auf den Präsidentenstuhl ge- unsere Genossen vor 4 Tagen erließen, liest sich heute wie den und einer kommenden; und nebergangszeiten sind un­hoben, und mit den Schreckgespenstern, die sein und seines eine Prophetic, mit solcher Bestimmtheit sagt es das ruhige Zeiten. Alles ist im Fluß, alles in gährender Be Systems politisches Kapital gebildet hatten. Die Kritik Ende Perier's voraus. sette wieder ein; und Cafimir Perier, bei dem der Rausch Und was für ein Ende! Schimpflich, wie die Ursache des Erfolges länger dauerte als bei der französischen des Sturzes, ist der Sturz selbst. Der Mann mit der Nation das Bitterfieber der Attentatsfurcht, bot der Eisenfaust", von dem seine Mutter am Tage der Präsidenten Kritik gar verwundbare Stellen. Wohl war Casimir Wahl meinte: ein Cafimir Perier ist stets am Posten, wo Perier den Tag nach seiner Wahl so flug ge- Gefahr droht" er ist ausgerissen vor der Gefahr; er hat wesen, seine Eisenbahn- und Bergwerks Aktien aus nicht gewagt, dem Sturm zu trogen; er ist desertirt. der Hand zu geben; allein da die Aktien in der Familie ver- Desertirt vor dem Sozialismus, den vernichten zu wollen blieben, konnte der Theaterkoup doch von niemandem ernst er geprahlt hatte. So sind die Helden der Bourgeoisie! genommen werden und verrieth blos das böse Gewissen und die Bourgeoisie, die ihn gestern vergötterte, bewirft ihn des Mannes. Mag er im Sommer, bei Autritt seines Amts, heute mit Roth. So ist die Bourgeoisie. die besten Vorsätze gehabt haben, seine Bergangenheit und die seines Vaters und Großvaters, des Gründers der Dynastie Cafimir", vermochte der Präsident Perier nicht abzuschütteln.

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Das Bergwerk von Anzin, das seiner Familie

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Feuilleton.

Am Exil.

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Roman von Georges Renard . Autorisirte Uebersehung von Marie Runert.

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Genug, Cafimir Perier ist gefallen. Er ist nicht in dem Panamasumpf versunken, sondern in einem Sumpf, der mit der" Petite République" und anderen sozia­ listischen und radikalen Blättern zu reden noch breiter und tiefer ist, als der Panamasumpf." In den Briefen

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Und dauernde Zustände werden erst erstehen, wenn die Zeiten des jetzigen Zwischenreichs vorüber sind, in welchem der Kapitalismus nicht mehr, der Sozialismus. noch nicht im stande ist, feste Staats: und Gesellschaftsgrundlagen zu schaffen.

Aus dem überreichen heute eingetroffenen Depeschens material über die französische Ministerkrisis theilen wir das folgende mit. Wolff's Depeschenbureau meldet:

Paris , 16. Januar. Die Demission Casimir Perier wurde gestern Abend gegen 11 Uhr auf den Boulevards bekannt"); das Publikum wollte die Nachricht zuerst nicht glauben und eilte zu *) Warum das Wolff'sche Bureau aber erst heute morgen eine um 11 Uhr abends in ganz Paris bekannte Nachricht vers breitet, begreifen wir nicht.

Die Karavane" enthält eine sehr hübsche Zeichnung Art langsamen Todeskampfes, die Einleitung zu der schließ von der Meisterhand unseres Freundes Keßler. lichen Zersegung! Die braven Philister betrüben oder ent­Zur Lektüre empfohlen im, Unparteiisch en" sehen sich darüber. Wir, die wir uns ganz darin einspinnen, ( Nachdruck verboten.] die geistvollen Chroniken von Cayrolaz. Man kann sie gefallen uns darin, ergößen uns daran! Die Kunst der Decadence, nur mit denen von Adele von Morsauf ein das ist die Kunst, die krank ist, weil sie es sein will, die " Schleuderer" vergleichen. hysterische, nervöse, aus dem Gleichgewicht gekommene Flämische Revue". Sie bringt eine eigenartige brutale und gespreizte Kunst, die nach dem Hospital und Studie Harlebetes über das noch ungedruckte Drama dem Boudoir, nach Leichen und nach Reispuder riecht, die Das Publikum! Ah, hm! Siehst Du, mein Lieber, Hansens:" Das Narrenhaus". die Zuckungen des Schmerzes weise mit denen der Wollust, die Dummheit der geistreichen Leute ist so groß, daß sie sich" Der Unabhängige", Bukarest , veröffentlicht die Bote mit der Religiosität mischt, die rückgratlose Verse, nicht einmal vorstellen können, wie dumm das Publi- eine entzückende Arbeit unseres Korrespondenten Braesto. verrenkte Phrasen, unzusammenhängende Gedanken, eine tum ist.... Und dann mußt Du nicht glauben, daß wir Da kannst Du abbrechen! So geht es noch drei verlotterte Sprache und einen verderbten Stil liebt. Es damit mit unsern Mitteln zu Ende sind. Sobald einer Seiten lang weiter. Jetzt siehst Du, welch' ungeheures lebe die Décadence! abgenutzt ist, werden zehn neue erfunden. So besteht die Net, welche solide Schlinge wir dem einfältigen Publikum stillschweigende Verpflichtung unter uns, keinen Artikel zu legen. Das ist der auf die Literatur angewandte Sozialis­Schreiben, ohne darin einen der unserigen zu zitiren. Am mus. Dafür aber auch Ehre der neuen Schule. Schluß eines Sages fann man sehr gut noch die Worte Ich glaube gar, anbringen: Wie mein hervorragender Freund X oder V Lehrer giebt! fagt." Das Publikum glaubt einem eher aufs Wort, als daß es sich die Mühe giebt, der Sache auf den Grund zu gehen. Du glaubst nicht, wie sich ein bis zum Ueber- Oh doch! Wir haben mehrere und sogar- wie es sich druß wiederholter Name schließlich einbohrt. Ganz allmälig ziemt mitismen" geschmückte. Wir sind ganz nach bringt er wie ein Reil in die Köpfe der Menge. Aber Belieben zu gleicher Zeit oder nach einander Naturalisten, wir haben eine noch weisere Einrichtung. Sieh' unter Symbolisten, Pessimisten, Impressionisten, Illusionisten und " Literatur und Kunst" nach. Da ist es. Lies jetzt laut: was weiß ich noch. Vor allem andern aber sind wir Und René las: Décadents Eutartete.

So ist's.

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GRIL

eine Schule, in der es keine

Aber ich sehe auch keine Lehren!

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Was will das heißen?

Das ist gerade, wie wenn man sagt: Es lebe der Tod! Es lebe das Ende aller Dinge!

Beinahe! Aber wenn Du wüßtest, wie amüsant diese Trauermaskerade ist! Verdier würde nicht verfehlen, Dir zu beweisen, daß diese Kunst einer in der Bersetzung begriffenen Gesellschaft vollkommen entspräche. Ich sage Dir aber nur: Wir wollen unserer Epoche nicht grollen. Komm und sieh Dir die Gesellschaft in der Nähe an. Es ist der Mühe werth, und Du wirst es nicht bereuen. Du wirst sehen, welche schöne Reklame man Dir bereiten wird.

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René blätterte mit zerstreuter Hand in der Revue, als sein Blick auf eine Stelle fiel, die er Cayrolaz zeigte: Wichtig, noch daran zu erinnern, welch trefflicher Schrift­steller Harlebefe ist. Bald fantastisch, bald streng in den Teufel! Das ist selbst den Eingeweihten nicht ganz Formen der Regeln, bald abgerundet, bald abgerissen, bald flar. Aber das darf nicht sein. Die Dunkelheit ist freilich brünstig verlangend, bald zart entsagend, die Vorzüge des ein wesentliches Element unserer mystisch- mystifizirenden Pastellstiftes mit denen des Grabstichels vereinigend, meist Literaten. Doch will ich für Dich den Schleier, der das sich auf einen turzen Sah beschränkend. Die in den Banden Revue der Schreihälse." Diese tapfere Tabernakel verhüllt, aufheben. Was bedeutet die Décadence, der Unwissenheit befangenen und verknöcherten Pedanten fleine Revue sendet der" Jugend" ihre besten Wünsche. die Verfallszeit für ein Individuum oder ein Volk? Den mögen es uns verzeihen, wenn wir sein Genie nach Gebühr Besten Dant, Kameraden! Beginn der Auflösung, eine greifenhafte Entartung, einerühmen."

Der Apfel", normannische Revue, kommentirt den bemerkenswerthen Artikel unseres Direktors Gabriel Dejaubiers über die Richtung der Zukunftsliteratur. CriCri." Die letzte Nummer enthält ein wunder­volles Sonnet unseres Mitarbeiters Almeria .

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