LH. furcht hatte. R.-A. Dr� Sack: War es Ernst Werner Techow bekannt, in welchem Verhältnis fein Grahoatcr und Sie zu Mi- nister Rathcncni standen? Z e u g er Natürlich. R.-A. Dr. S a ck: Wie erklären Nc sich denn, daß er über alle diese Hemmungen b, inweggekommen ist? Zeuge: Das ist mir eben vollkommen un- erklärlich. Auf Antrag des R.-A. Gollnick äußert sich der Angeklagte Günther dann noch einmal über feine Beziehungen zu den beiden Techows. Er erklärt, daß er nur einigemale im Haufe der Techows gewesen ist, er habe aber nicht den Eindruck gehabt, daß man dort sein Fernbleiben gewünscht habe. Daniit war die Vernehmung des Zeugen Behrens beendet, und es wurde nun der Angeklagte, Student Gustav Steinbeck, verhört, der Techow und Brand während ihres Aufenthalts in Dresden , als sie das Auto von Küchenmeister besorgten, in seiner Wohnung beherbergt hatte. Vors.: Sie sind Mitglied einer Anzahl nationaler Vereinigungen, und ein Teil der hier zur Verhandlung stehenden Vorgänge hat sich auf dem Bureau des Deutsch - nationale nJugcndb undes abgefpeilt, dessen Leiter Kapitän v. Abendroth ist. Welche Tendenzen hat denn der Deutschnatio- nale Iuaendbund in Dresden ? A n g e k l.: Er wirkt positiv völkisch, indem er die Verbindung mit den. Grenzdeutschen aufrechterhält. Vors.: Und welches war seine negativ völkische Tendenz? An- g c k l.: Der Antiseinilizmus. Wir halten die Einwirkung der Juden auf die Regierung für schädlich. Vors.: Sie haben Brand in Dresden in Ihrer Wohnung ausgenommen. Was wollte er von Ihnen? Angekl.: Ich traf Brand in Dresden , er sagte mir, daß er mit Kapitän v. Abendroth� über eine Sitzung des Verbandes nationalgesinnter Soldaten zu sprechen habe. Abends kam er dann in meine Wohnung und verließ mich am nächsten Morgen. Vors.: Hat er mit Ihnen über den bevorstehenden Mord gesprochen? Angekl.: Bestimmt nicht. Am Montag abend stieg ich auf ein« Straßenbahn und traf dort Brand mit Ernst Werner Techow . Er bat mich, die Koffer, welche die beiden mit sich führten, in meine Wohnung zu nehmen und sagte mir:„Wir kommen später, wir ivollen in der Stadt essen, damit wir Euch nicht um ein Abendbrot schädigest." Vors.: Euch? Wie meinte er denn das? Angekl.: Es war das eine Redensart. Brand sagte mal Du und mal Ihr. Spät am Abend kamen dann Brand und Techow zu mir. Beide waren sehr müde, wünschten sofort schlafen zu gehen und lehnten große Erzählungen ab. Am nächsten Tage fragte ich Brand: .Mensch, was ist denn eigentlich los?" Cr antwortete:„Frag mich nicht so dumm, ich darf Dir nichts sagen." Vors.: Sie nahmen doch wohl an, daß Brand eine nationale Sache vorhabe? Angekl.: Ich glaubte jedenfalls nicht, daß er einen Pferdediebstahl vorhabe. Als uns Techow einmal verlassen hatte, um Obst zu taufen, saß ich mit Brand an meinem Tisch, auf dem Papiere lagen, u. a. auch ein Rundschreiben der Nationalen Vereinigung. i., welchen, um Unterstützung für die Angehörigen derer gebeten wurde, die in Mainz von den Franzosen gefangengehalten werden. Ick, fragte Brand, was denn aus den armen Kerlen eigentlich werden sollte? Brand machte ein pfiffiges Gesicht und sagte:„Es wird sich schon ein anständiger Kerl finden, der die Leute rausholt. Eigentlich hätten sie keine 24 Stunden sitzen dürfen, aber die Befreiung ist eine verdammt schwere Sache." Aus diesen Worten glaubte ich entnehmen zu Sännen, daß Brand in dieser Sache tätig war. Aber ich wollte nicht in ihn dringen, mir sein Geheimnis zuoerraten. Nachmittags, ols ich nicht zu Hause war, hatte Brand ein Pelephongespräch, und er äußerte sich darauf: „So. jetzt ist alles in Buttert" Vors.: Am nächsten Tage suchten Sie dann den Leutnant „ r i tz s ch e in einem Antogeschäft aus? Aeußern Sie sich einmal darüber.— R.-A. Bloch: Ich bitte, bevor der Angeklagte sich über Ne nun kommeichen Dinge äußert, die Oeffentlichkeit auszuschließen, da hier Dinge berührt werden, die die Sicherheit des Deuischen Reiches zn gefährden imstande sind. Das Gericht zog sich darauf zurück, um über den Antrag des ' Rechtsanwalts Bloch über Ausschluß der Oeffentlichkeit zu vor- handeln. Nach längerer Beratung kehrte der Gerichtshof in den Saal zurück. Senatspräsident Dr. Hagens oerkündete, daß ein Ausschluß der Oessentlichkeit nur bei Gefährdung des Deutschen Reichs in Frage koirnnen könne, daß der Gerichtshof sich aber nicht habe davon überzeugen können, daß durch eine öffentlich« Bar- nehmung des Angeklagten Steinbeck die Sicherheit des Reiches gefährdet werde. Der Antrag ans Ausschluß der Dc'fentlichkett sei daher abgelehnt. Die»nationale Sache*. Mainz , 6. Oktober. (Mtb.) Im Prozeß gegen die Rathenau - Mörder wurde von dem Angeklagten v. Salomon angegeben, einige Mitglieder der Organisation Consul seien in Wies- baden den Franzosen in die Hände gefallen. Es handelt sich um die beiden vor kurzem von dem Kriegsgericht der französischen Rheinarmee in Mainz wegen Spionage zu je 20 Iahren G e- s ä n g n i s verurteilten Angeklagten C a r l i n e r und Steffen. Der damals gleichzeitig mit Carliner abgeurteilte Angeklagte P e tz o l d erhielt zwei Jahre Gefängnis. Es handelte sich damals um eine mit der Geheimorganisation C in Verbindung stehende Spionagegeschichte. Waffenfunü in Stargarü. Ein Röichswehrangchörigcr als Hehler. Stargard , ü. Oktober.(Eigener Drahtbericht.) Die hiesige Kri- m.ii'.alpolizei nahm auf eine anonyme Anzeige hin gestern uner- wartet eine Durchsuchung des von dem Waffenmeister Suckow be- wohnten Hauses vor. Suckow gehört dem in Stapgard rn Garnison liegenden ersten Bataillon des Reichswehr -Jnfanterie- r c g i m c n t s 4 an. Nach langem Suchen entdeckte man auf dem Hausboden in einem Bersteck, das durch eine Doppelwand sehr ge- schickt maskiert, ivar, S Maschinengewehre, und zwar: S schwere Ma- schiuengewehre und 3 leichte Maschinengewehre, außerdem 7 Ziel- fernrohre und zahlreiche andere Zubehörteile für Maschinengewehrs. Keiner der Ortsbewohner wollte sich zu den vorgefundenen Ma- fchinengewchren bekennen. Erst als die Polizei zur Festnahme sämtlicher Hausbewohner zu schreiten drohte, gab die Frau des . Waffenmeisters Suckow, der sich zurzeit aus Urlaub befindet, zu, daß die Maschinengewehre von ihrem Manne verborgen seien. Das Waffenlager wurde darauf von der Polizei beschlagnahmt und der Dienstvorgesetzre Suckows, Major K a l d r a ck, von dem Funde in Kenntnis gesetzt. Nach einem Ministerialerlaß konnte die Vsr- Haftung des abwesenden Suckow nicht von der Polizei vor- sägt werden: hierfür ist vielmehr der militärische Borge- setzte zuständig, in dessen Händen auch die weitere Untersuchung liegt. Unter der Bevölkerung herrscht allgemeines Erstaunen darüber, wie es dem Suckow möglich fein konnte, 9 Maschinengewehre in seine Behausung zu schaffen, ohne daß einem seiner V o r g e s e tz- t e n die Sendung einer so großen Anzahl von Maschinengewehren aufgefallen ist. Zu dem hiesigen Bataillonskommandeur Major K a l d r a ck, der vielfach Beweise dafür gegeben hat, daß er alles andere als republikanisch gesonnen ist, hat die Stargarder Bevölkc- rung nicht das Vertrauen, daß er die Untersuchung mit dem nötigen Nachdruck führen wird. Vom Reichswehrminister Gcßler muß daher mit aller Entschiedenheit gefordert werden, daß er sofort einen im rcxuhUkmtijchcu Sinuc zuverläfstgeu Vertreter-- daß
er einen solchen in der Reichswehr findet, ist allerdings zweifelhaft — nach Stargard entsendet, der die Untersuchung insbesondere darauf erstreckt, wie Suckow in den Besitz von 9 Maschinengewehren gelangen konnte, ohne daß einer seiner Vorgesetzten, vom Bataillonskommandeur herab, etwas davon merkte.
Wilhelm gegen Lethmann. Er kann für feine Kanzler nichts! Die Memoiren Wilhelms II. waren bisher nur lang- weilig. Neuerdings fangen sie an, widerwärtig zu wer- den. In der letzten Fortsetzung hält nämlich Wilhelm eine Art von Manöverkritik über seine Kanzler ab, die desw alber- ner und gehässiger wird, je weiter sie fortschreitet. Bülow kam noch halbwegs glimpflich davon: er lebt ja noch, kann sich noch wehren und wird es vielleicht auch tun. B e t h- m a n n ist tot, und st) wächst der kaiserliche Mut, diesen Mann herunterzureißen, ins Riesengroße. Bethmann ist in diesen Blättern bekämpft worden; er hatte auch auf der äußersten Rechten Gegner. Was hier und in der Rechtspresse gegen Bethmann gesagt worden ist, das schreibt der Mann in Doorn jetzt ab und braut daraus ein widersinniges Gemisch. Er vergißt, daß wir gegen den leben- den Bethmann kämpfen durften, weil er unser Gegner war, und daß auch die äußerste Rechte das gleiche Recht hatte. Aber WilhelmhatdiesesRechtnicht. Denn er hat Beth- niann zum Kanzler gemacht, er hat ihn acht Jahre lang im Amt gehalten, und wenn er jetzt von ihm abrückt, wenn er jetzt in die Welt hinausschreit:„Der hat Schuld, nicht ich!" — so gibt es zur Kennzeichnung eines solchen Verhaltens nur ein Wort, das heißt: Erbärmlichkeit Bülow, der vorsichtig Geschonte, war und ist ein lächeln- der Skeptiker. B e t h m a n n, der mutig Attackierte, war ein überzeugter Monarchist; er war wirklich ein treuer Diener seines Herrn. Diese Treue, die im öffentlichen Verhalten wie auch in privaten Gesprächen immer wieder zum Ausdruck kam, hatte für uns etwas halb Lächerliches, halb Rührendes. Wie konnte ein Mensch so blind sein, seinen„gnädigen Herrn" so zu verkennen! Es ist dem armen Bethmann zu gönnen, daß ihm die letzte bittere Erkenntnis, seine persönliche Anhänglich- keit an einen gänzlich Unwürdigen verschwendet zu haben, erspart blieb._ Die Reichspräsiüentenwahl. Ein dentschnational-amer'kanifcher Sammelkandidat? Die„Kreuzzeitung " veröffentlicht einen Leitartikel, in dem sie die Forderung aufstellt, die bürgerlichen Parteien sollten sich zusammentun, um Ebert einen gemeinsamen Kandidaten entgegenzustellen. Da der Vorschlag eines solchen Sammel- kandidaten vielleicht auch sonst noch erörtert werden wird, ist es gut zu wissen, aus welcher Ecke er kommt. Die Wahl des Reichspräsidenten wird bekanntlich so vor- genommen, daß im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit, wenn diese nicht erreicht wird, in einen: zweiten Wahlgang die relative Mehreit entscheidet. Ein Stichwahlversahren gibt es nicht. Bestände überhaupt eine Möglichkeit, Ebert zu werfen, so wäre sie nur dadurch zu schassen, daß alle bürgerlichen Wähler vom rechtesten Deutschvölkischen bis zum linkesten Demokraten für einen gemeinsamen Gegen- kandidaten stimmten. Auch dann wäre der Ausgang nach un- erhört heißem Wahlkompf durchaus ungewiß, da mancher bis- her„bürgerliche" Wähler aufhören würde, bürgerlich zu s e i n, wenn man an ihn mit der Zumutung heranträte, für einen Sammelkandidaten zu stimmen, der den einzigen„Vorzug" hat, nicht Ebert zu heißen. Denn nicht die Gemeinsamkeit der Idee, nicht das Vertrauen zu einer bestimmten Person würde einen solchen Mischmasch zusammenhalten, sondern nur die Gemeinsamkeit der Abneigung gegen den bisherigen Reichs- Präsidenten. Offenbar, weil sie ihrer Sache doch sehr unsicher ist, spielt die„KreuMiwng" ihren stärksten Trumpf aus. Ebert sei den Amerikanern nicht genehm, und darum müsse er weg. Es ist zur ständigen Uebung unserer„nationalen" Presse gewprden, zur Unterstützung ihrer eigenen Wünsche die angeblichen Wünsche irgendeines zur Disposition gestellten „Erbfeindes" heranzuziehen. So wandelbar sind die Begriffe von nationaler Würde! Indessen stehen wir„Paterlandslosen" immer noch auf dem Standpunkt, daß der Präsident der deutschen Republik nicht von den Amerikanern, sondern von den Deutschen gewählt wird. Sollte jedoch die„Kreuzzeitung " in Amerika eine Rundfrage veranstalten wollen, für wen dort mehr Vertrauen vorhanden sei, für den bisherigen Reichs- Präsidenten oder einen Mann von der Couleur der„Kreuz- z e i t u n g", so hätten wir auch dagegen nichts einzuwenden.
Republikanisches Richtertum. In der„Deutschen Iuristenzeitung" macht der Braun- schweizer Oberlandesgerichtspräsident Dr. Levin gegen Professor Düringer Ausführungen über Demokratisierung der Justiz, die Beachtung verdienen. Dr. Levin schreibt u. a.: Es ist nun einmal Tatsache, baß weitere Kreise des Volkes der Justiz mißtrauisch, zum Teil sogar feindselig gegenüber- stehen. Um diese Tasiache zu veiftehen, muß sich jedenfalls der ob- jektiv betrachtende Richter von der Unterstellung freimachen, als ob diese unerfreulche Erscheinung nur auf Verhetzung der Volks- genossen, auf künstliche Schürung politischer Leidenschaften zurück- zuführen wäre. Vertrauen ist ein Gut, das nicht als wohlerworbenes Recht gefordert werden kann, sondern auch von den Richtern in steter unablässiger Arbeit erst erworben werden muß, aber auch dort leicht erworben wird, wo der große innere Zusammenhang zwischen der Rechtsprechung und dem allgemeinen Voltsempfinden besteh!. Wenn sich zwischen Hunderttausenden Volksgenossen und den G.'- richten eine Kluft aufgctan hat, so ist Hieron nicht ohne Schuld die manchen Juristen noch immer anhaftend« Verkennung der im Volke schlummernden Kräfte, die mit elementarer Gewalt ihre Wirtschaft- liche und rechtlich« Anerkennung fordern. Es heißt, wie ich an an- derer Stelle ausgeführt Hab«, diese Kräfte sehr unterschätzen und völlig mißachten, wenn man dem Zuge der Entwicklung, in der wir uns befinden, entgegentreten zu müssen glaubt, weil es sich um das Streben urteilsloser und irregeleiteter Massen handle... Es ist eine selbstverständliche Pflicht der Re- gierungen, sür die Schaffung eines Juristenstandes Sorg« zu tragen, der das Vertrauen aller Volksgenossen genießt, der bereit und geeignet ist, an der Beseitigung der vorhandenen Gegensätze aus- gleichend und versöhnend mitzuarbeiten. Die Bedeutung eines hoch- stehenden, fachlich und persönlich unabhängigen Richterstandes kann auch in der Gegenwart ernstlich nicht in Zweifel gezogen werden. Aber gerade deshalb ist das Bestreben gerechtfertigt, volkstüm- liche Richter zu haben, d. h. Richter, die sich von der fehlerhaften Einstellung zu dem Problem der„Masse" freihalten, Männer, die in die Rechtsordnung, welche sie zu schützen haben, mit tiefstem
Verständnis eindringen, als Führer in seelischer und geistiger Ge» meinschaft mit den Geführten leben und im besten Sinn« des Wortes volkstümliches Recht finden; Recht, das eben nicht gesunden werden kann, wenn man hunderttausende, ja Millionen von Volksgenossen als Träger einer blinden, verhängnisvollen Massen- oder Pöbslherr- sehest ansieht, anstatt die in ihnen schlummernden, lebendigen, nach rechtlicher Anerkennung ringenden Volkskräftc zu erkennen. Wenn von diesem Standpunkt aus eine„Demokratisierung der Rechts- pflege" gefordert wird, handelt es sich m i t n i ch t e n um eine par- teipolitische Forderung, sondern um die Lösung des uralten, gerade von uns Deutschen so viel durchdachten Problems des richtigen Verhältnisses zwischen Volksrecht und Juristenrecht. Es wäre sehr zu wünschen, daß d'e Anschauungen des Vraunschweiger Oberlandesgerichtspräsidenten die weiter Richterkreise würden, dann würde manche Klage über die Justiz verstummen. Leider besteht dazu einstweilen wenig Aussicht.
Sachsen gegen üie Getreiüepreiserhöhuna. Dresden , 3. Oktober. (Eigener Drahtbericht.) Die sächsische Re- gierung hat im Reichsrat folgenden Antrag eingebracht:„Gegen den Beschluß, den der nach Z 39 des Gesetzes über die Regelung des Verkehrs mit Getreide aus der Ernte 1922 vom 4. Juli 1922„(Reichs- gesetzblatt" S. 349) bestimmte Ausschuh in seiner Sitzung vom 13. September 1922 über die Erhöhung des Preises für das erste Drittel des Umlagegetreides gefaßt Hot, er- hebt der Reichsrat Widerspruch, da der Ausschuß nach dem Ge- setz nur das Recht hat, über den Preis für das zweite und dritte Drittel der Umlage gehört zu werden. Die Rcichsregicrung hat des- halb an dem vom Reichstage beschlossenen Preis für das erste Um- lagedrittel festzuhalten."
Neue Verwirrung im Grient. London . 6. Oktober. (WTB.) Wie die Blätter melden, fand infolge des Eintreffens wenig befriedigender Nachrich- t e n aus Konstantinopel gestern abend eine Kabinettssitzung statt, die bis �12 Uhr dauerte. In der Sitzung wurde über eine Depesche General Harringtons beraten, die bei ihrer drahtlosen Uebermittlung verstümmelt worden ist. General Harrington ist ersucht worden, sie zu wiederholen. Das Telegramm scheint zu besagen, daß man bei den Verhandlungen in Mudamo auf einem toten Punkt angelangt sei. Der politisch« Mitarbeiter de»„Daily Ehronicle" schreibt, man ziehe den Schluß, daß die türkischen Generale sich nicht an die Fra- gen gehalten haben, die für die Erörterung auf der militärischen Konferenz in Mudania bestimmt worden seien. Insbesondere scheine es ziemlich klar zu fein, daß mit O st t h r a z i e n zusammen- hängende Fragen in die Konferenz hineingezogen wurden. An- scheinend hätten General Harrington und die übrigen Generale nach der Züsammenkunft von gestern vormittag Mudania vcr- lassen und sich alle nach Konstantinopel begeben. „Daily Mail" berichtet, die britische Regierung habe General Harrington befohlen, nicht ohne weitere Instruktionen noch Mu- dania zurückzukehren. Eine Neutermeldung aus Konstantinapcl da- gcgen besagt, daß die alliierten Generale nur zurückkehrten, um mit den Oberkommissaren über gewisse neu aufgetauchte Punkte zu beraten. Heute vormittag würde eine gemein- same Sitzung stattfinden, nach der dann die Generale nach Mudania zurückkehren. Neue Truppenbewegunsen. London , 3. Oktober. (EP.) Nach einem Telegramm aus Kon- stantinopel ist türkische Kavallerie gestern erneut in die neutrale Zone von Ismed eingedrungen. London , 6. Oktober. (WTB.) Der Sonderberichterstatter dcs „Daily Ehronicle" meldet aus Tschanak, daß die Zusammen- ziehung der kemali(tischen Truppen fortdauere und daß die britischen Truppen jetzt in Fühlung mit einer Jnfanterieaöteilung der zweiten Armee Kemals sich befänden, o.e den Griechen die Niederlage beigebracht hätte. Die kemalistische A r t i l e r t e sei, wie berichtet werde, noch eine bettöchtiiche Strecke entfernt. Der britische General Morden habe die eingetroffenen Vsr- stärkungen sofort eingesetzt und seine Linien verlängert. Sonstantinopel, 5. Oktober. (Havas.) Zwei griechische Militärzüge verließen Saloniki in der Richtung nach Adrianopel. kemal und öie Zrieöenskonferenz. Im englischen Auswärtigen Amt ist ein Auszug aus der Antwort der Angoraregierung auf die alliierte Einladung eingetroffen. Die Angoraregierung schlägt als Konferenzort für die Friedenskonferenz Cmyrna und als Konferenzbeginn den 2 9. O k- t o b e r vor und fordert die Teilnahme Rußlands , der Ukraine und Georgiens . Die Rote ist im übrigen in versöhn- licher Weise gehalten. Krise in Italien .. Mailand . 8. Oktober. (EP.) Die F a s c i st e n haben die Stadt Trievt geräumt, nachdem der Generolkommissar, Senator C r e d a r o, seine Demission eingereicht hat. Senator Credara ist in der Nacht nach Rom abgereist, um der Regierung über die Bor - kommnisse Bericht zu erstatten. Das Kabinett Facta sieht sich einer sehr schwierigen parlamentorö- schen Lage gegenüber. Tie Haltimg der Fascisten erregt täglich größere Besorgnis. Es wird bestimmt mit der Bcteiiizung dar Fascisten an der neuen Regierung gerechnet. Man weiß noch nicht, ob Facta die Krise durch Einberufung der Kammer oder durch einen steiwilligen Rücktritt innerhalb des Parlaments lösen wird. Einige hundert Fascisten setzen ihre Gcwaltherr- schaft in Südtirol fort. Sie haben das Gemeindehaus von Salurn besetzt und forderten den Rücktritt des Gemeinderates..Der Bürgermeister des Ortes war schon früher abgesetzt worden.
Vorschläge üer amerikanischen Lankiers. New Jork , 6. Oktober. (WTB.) Der Resolutionsausschuß hat dem Bankierstongreß empfohlen, zu verlangen, daß«in amerikanischer Vertreter zum Mitglied der Rparationskommission ernannt wird und daß die amerikanische Regierung unverzüglich eine Erklärung abgibt be- treffend die Grundsätze, nach denen sie mit den anderen Ländern für die Wiederherstellung Europas zusammenwirken werde. Ferner wurde empfohlen. Präsident Harding zu ersuchen, von seinen Machtbefugnissen, die ihm durch das Zolltarifgesstz ver- liehen sind, Gebrauch zu machen, um das Notwendige für die Wieder- Herstellung des Handels zu tun, bis die Nationen imstande seien, die Waren, die sie von den Vereinigten Staaten kaufen, zu bezahlen.
Dollar 2175.