Nr.SS9•> 39. Jahrgang
Seilage öes vorwärts
Vonnerstag. 14. Dezember 1922
Die sozialen Haubetriebe. Genossenschaften nnd Banhütten-Ueber ÄOO Betriebe- ZV VOO Arbeiter und Angestellte
Die ersten Versuche von Arbeitern, inmitten unserer privat- kapitalistisch organisierten Wirtschaft soziale Eigenbetriebe zu errichten, liegen viele Jahre zurück. Vereinzelt und ohne plan- mäßige Unterstützung durch die gewerkschaftlichen Organisationen unternommen, konnten diese Gründungen keine nennenswerten Er- folge bringen. Sie sind größtenteils schon noch kurzer Zeit wieder eingegangen. Nur einige besonders gut geleitete und finanziell leistungs. fähige Betriebe aus der Vorkriegszeit haben sich durchzusetzen ver- macht und bilden heute wertvolle Glieder in der neuen S o z i a l i- sierungsbewegung, die nach dem Zusammenbruch des wil- helminischen Kaiserreiches ihren Anfang genommen hat. Durch SelbsthUfe zur Selbstbestimmung. Schon bald nach dem 9. November 1918 haben in den oerschieden- sten Teilen des Reiches aus dem Felde zurückgekehrte Bauarbeiter von neuem die Juititative ergriffen, um im neuen Volksstaate auf der Grundlage genosienlchaftlichen Zusammenschlusses Baubetriebe gemeinwirtschaftlicher Art ins Leben zu rufen. Durch Selb st Hilfe zur Selbstbestimmung im eigenen Be- triebe! war die Losung. Und der Wurf gelang. Die allgemeine Wohnungsnot, hervorgerufen durch die völlige Untätigkeit in der Vauwirtjchaft während des fünfjährigen Krieges, verlangte gebiete- rifch die beschleunigte Herstellung neuer Wohnhäuser und löste über- all eine rege Bautätigkeit aus. Die Gründung zahlreicher Vau- und Siedlnngsgenosfenschllsten, die mehr soziale Einstellung der neu- gewählten kommunalen Körvericbaften und die Errichtung staat- lichcc Wohnuiigsfürsorgegesellschosten schufen die Gewähr, daß wenigstens teilweise mit der früheren ausnahmslos geübten Begünstigung des privaten Unternehmertums gebrochen und ein namhafter Teil der öffentlichen und gemeinnützigen genossenschaftlichen Bauaufträge an gemeinnützig arbeitende Unter- nehmungen, eben die sozialen Baubetriebe, vergeben wurde. Die„Sdiihütte� ein proöuktivbetrieb. Es bestehen im Reiche heute über 299 soziale Daubctriebe. In ihnen werden etwa 29 999 Arbeiter und Angestellte beschäftigt, denen im verflossenen Jahre rund 299 Millionen Mark Löhne und Gehälter ausgezahlt wurden. Eine ganz ansehnliche Leistung, wenn man bedenkt, daß die Mehrzahl der Betriebe erst 1929 oder Ende 1919 gegründet wurde. Di« meisten haben die Form der Genossen- jchast. Es ist allmählich aber erkannt worden, daß diese Form für Produktiobetriebe wenig geeignet ist. Es liegt dies in der Haupt- fache daran, daß die Kapitalkraft der einzelnen Genossenschaften naturgemäß recht eng begrenzt ist, und ohne beträchtliche Geld- mittel ist nun einmal kein erfolgreicher Wettbewerb mit den privat- kapitalistischen Unternehmungen möglich. Außerdem ist in der Ge° nossenschaft die Geltendmachung gemcinwirtschaftlicher Tendenzen in ausreichendem Maße nur unter bestimmten Loraussetzungen mög- lich. Die jüngeren Gründungen haben daher«ine andere Gesell- schaftsform angenommen, und die älteren Betriebe gehen mehr und mehr dazu über, sich entsprechend umzustellen. Die moderne Form für?roduktivbetriebe ist die„Bauhütte". Ihre Rechtsform ist die GmbH. Ihre Geldgeber sind einerseits die gewerkschafkluheu Verbände der Arbeiter und Angestellten, in erster Linie der bau» gewerblichen Hand- und Kopfarbeiter, andererseits ösfeolliche brörpcrschasten— Gemeinden, Kreis- und Provinzialoerbände—, sowie die wirtschaftlichen Organisationen der Wohnungskonsumenten (gemeinnützige Sicdlungsgesellschaflcn, Baugenossenschaften usw.) und vor ollem die vom Staat errichteten Whnungsfürsorgegesellschaften (in Preußen.Heimstätten" genannt), denen die Verteilung der staat. lichen Wohnungszuschüsse obliegt und denen ausdrücklich die Ver- billigung des Wohnungsbaues als Aufgabe zugewiesen ist. Zn Groß- Verlin bestehen gegenwärtig 7 soziale Baubetriebe. Der größte ist die„Vaubiitte. soziale Vaugefcllschaft m. b. h.". die allein beinah« IVA) Arbeiter und Angestellte beschäftigt, und Zweig- stellen in Kottbus , Forst. Spremberg , Eberswalde , Wittenberge und anderen Orten der Provinz Brandenburg besitzt. Außerdem gibt es eine.produttivgenossenschafl für Vanunlernehmungen" e. G. m. b. H. in Berlin -Friedrichshogen, ein«„Gemeinnützige Heiztechnische Töpfer eigestll chasi m. b. H.". eine> Steinmetzhütte", eine„Malerei- genossenschasl". eine„Genossenschaft für Salle, und würmeschuh" und eine..Elekiriker-Genossenschasl".(Die Neuköllner, jetzt Berliner Stadtbaugesellschost gehört nicht dazu, sondern ist ein rein städti- sches Unternehmen. Sie wird als kommunaler Regiebetrieb ge- führt und vertritt damit eme Beiriebssorm. die vom„Verband sozialer Baubetriebe", der zentralen Spitze der Bauhüttenbeweaung abgelehnt wird.)
Der Iiöjbus.
vas ftrbeitsfelö. Das hauptsächlich« Arbeitsfeld der sozialen Baubetriebe ist der Klcinwohnungsbau. Hier haben sie trotz ihrer Jugend schon Betracht- liches geleistet. Bekannt ist ihre Beteiligung an den Siedlungen auf dem Tempelhofcr Feld, in Eichkamp, Neukölln, Friedrichshagen und Steglitz . Im Berliner Westen haben sie verschiedentlich auch Villen erbaut, u. o. dos„Haus Dcrnburg" in Halensee . In Zschornewitz und Lautawerk haben sie Industriebauten zur Erweite- rung der großen Kraftwerke ausgeführt. Em großer Teil der Betonarbeiten für den neuen Berliner Westhafen ist von der Berliner Bauhütte ausgeführt worden, ebenso verschiedene Ergänzungsbauten an den Krankenhäusern Moabit und Friedrichshain . Zu erwähnen ist ferner der Vau eines neuen Bundeshauses für deu Allgemeinen Deutschen Gewerkschaslsbund in der Wallstraße, mit dem vor kurzem begonnen worden- ist. Die zahlreichen Wohnungsbauten in der Provinz lasten sich hier nicht aufzählen. * Da die Bauhütten keinerlei Gewinne ausschütten dürfen und ihren Geldgebern lediglich eine mäßige Verzinsung des eingcbrach- ten Kapitals gewähren, können sie naturgemäß überhaupt billiger arbeiten als die privatkapitalistischen Unternehmer, zumal da sie infolge ihrer sozialen Arbeits- Methoden auch weniger Aufsichtspersonal brauchen und deshalb all- gemein geringere Betriebsuntosten haben. Es ist durch zahlreiche Einzelvorgänge einwandfrei festgestellt worden, daß sie die kapita- listische Konkurrenz um bedeutende Summen unterboten und da- durch in allen Gegenden, wo soziale Baubetriebe bestehen, eine spür- bare Preissenkung im Wohnungsbau herbeigeführt haben. Den Nutzen haben zunächst die Mieter, sowie Staat und Gemeinden, die auf diese Weise mit ihren aus öffentlichen Mitteln gewonnenen Wohnungszuschüstcn und Baudarlehcn mehr Wohngelegcnhett haben schaffen können, als wenn sie einfach der unbeschränkten Preisdikta- tur des kapitalistischen Unternehmertums ausgeliefert gewesen wären. Es erweist sich also, daß das Stück Gemeinwirtschaft, das durch die Tatkraft der baugewerölichen Kopf- und Handarbeiter in einem der wichtigsten Gewerbezweige geschaffen worden ist, einen großen Segen für die Allgemeinheit darstellt.
13. Dezember. Ich habe heute wieder fast 509 M. ausgegeben und lauste dafür: «/« Liter Milch... 142.59 M. '/« Pid. Gehacktes.. 120.—. 1 Flasche Eisig... 219.— Zusammen 472 59 M. Zum Mittagessen gab es Bratkartoffeln und Grieß- f u p p Das ganze Essen hat sich auf etwa 359 M. gestellt. Ich mugt« heute wieder Essig kaufen, da die Flasche, die ich kürzlich be- sorgt hatte, kaputt gegangen war. Die Jungen hatten in der Küche getobt und ehe sie es sich versahen, lag die Flasche unten. Die Kälte kommt jetzt so in die Wohnungen,'und ich wollte deshalb die groß« Stube heizen. Aber der Ofen qualmte so furchtbar, daß man nicht wußte, wo man bleiben sollte. Tür und Fenster habe ich aufgerissen, um den beißenden Qualm aus der Wohnung her- auszubekommen. Seit Jahren ist der Ofen nicht gemacht worden. Die ganze Wohnung sieht wie eine Räuberhöhle aus. Di« Küche ist schwarz verräuchert, der Kolk ist von den Wänden gefallen. Auch die Tapete im Zimmer blättert ab. Aber wir haben keine Mittel, es machen zu lasten und schließlich müssen wir auch noch froh sein, wenn wir'übczchaupt noch«in Doch über uns haben. Zum Abend- «sten gab es Grießsuppe und Stullen mit Gehacktem. • Am Dienstag, den 12. Dezember, ist in der Haushaltsrechnung ein Fehler unterlaufen. Es handelte sich natürlich nicht um zwei Pfund Saljz für 124 M., sondern um zwei kleine Salzhering«, die noch zufällig für diesen Preis zu haben waren.
Das Streichholz ist ein Wsrtobjekt geworden. Früher ärgerte man sich wohl über diejenigen Zündhölzer, die nickst zünden wollten, heute nimmt man aber auch an denen Anstoß— wegen des verhältnismäßig hohen Preises!—, die man notwendigerweise be- nutzen muß, um Feuer zu machen, die Lampe anzuzünden und— die Pfeife in Brand zu setzen. Gerade der Pfeifenraucher konsumiert eine Menge Streich- Hölzer, sofern er nicht im glücklichen Besitz eines Benzinfeuerzeuges ist, das aber auch ost feine Mucken Hot. Ist man nun zu Hause, so kann man sich mit dem Fidibus helfen. Papier ist zwar auch eine Kostbarkeit geworden, aber in den Winkeln findet sich doch noch so manches alt« Stück, das man zu dem Zweck verwenden kann. Gehört doch zu dem gedachten Feuerspender so wenig Ma- teriall Wenn also der Ofen oder die Kochmaschine Glut hat, soll man sich die Mühe nicht verdrießen lasten und sich �ort die Flamme holen, um die geliebte Pfeife in Brand zu stecken. Es handelt sich um eine Kleinigkeit— gewiß, aber das Bewußtsein, das seinige zu tun, um den Raubzug auf die Taschen der Verbraucher abzuweh- ren, ist auch etwas wert. Früher ließen die Schriftsteller liebliche junge Mädchen sich um den Fidibus bemühen: heute fehlen sie, da � sie in den Bureaus ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Die ! Dichter sind dann mit der Zest fortgegangen und hoben in ihren Romanen aus dem feinen Westen den elektrischen Zigarrenanzünder beschrieben. Heute fehlt die Zigarre, und der Verbrauch an Elef- trizität wird aufs Rötigst« beschränkt. Also: es lebe der Fidibus! De? neue Sahnhof Irieönchstrnße. Sein Turmhaus an der Südwestecke. Der Stadtbahnstcig auf der Neubauseite■ des Bahnhofs ; Friedrichstraße wird voraussichtlich im Januar dem Berkehr übergeben werden können, nachdem er nunmehr soweit fertig- gestellt ist, daß das reisende Publikum in seiner Bewegungsiretheit , durch den Bau nicht mehr behindert wird. Die übrigen Teste des Neubaues, besonders die unter den Bahnsteigen liegenden Derkehrs- und Restaurationsräume, werden erst wesentlich später der Be- Nutzung übergeben werden können. Der Derbindungsweg I zwischen dem Stadtbahnsteig und der Untergrundbahn ist gleichfalls j fertiggestellt und wird mit der Einweihung der Nordsüdbahnstrecke dem Verkehr übergeben werden. Die hübsche Nardseite des Bahn- Hofes, die aus braunen Klinkern besteht, und in modernen Formen gehalten ist, wird leider mit der Südfront des Bahnhofes durchaus nicht im Einklang stehen, da hier die alte, unschöne und unmoderne Fassade erhalten bleibt. Schuld an diesem Schönheitsfehler ist be- kannstich der Mangel an Mitteln, der ja auch die Ursache ist, daß der Turmbau an der Südwestecke des Bahnhofes fallen- gelassen wurde. hungeriöhne. Eine sehr schwer« Verurteilung eine, Arbeit. gebers wegen unzulänglicher Bezahlung feiner An- gestellten sprach das Schöffengericht Tempelhof aus. Di« Packer Schuhmann und Pedick waren wegen Diebstahls ange- klagt, mit ihnen der Portier Schmidt wegen Beihilfe. Die An- geklagten waren in der Eisenhandlung von Holz in der Dlücherstraße beschäftigt und bekamen einen Lohn, den der Bor. sitzende als Hungerlohn schlimm st er Sorte bezeichnete. Noch im September dieses Jahres erhielten die Angeklagten 199 9 �Mark wöchentlich. Schuhmann, ein fast 99 Jahre alter Riann i und bisher unbestraft, gab ein« ergreifende Schilderung, wie er mit sich gekämpft habe, um ehrlich zu bleiben und wie er dem Geschäfts- inhober immer wieder seine Notlage geschildert habe und ihm vor- gestellt, daß er bei einem solchen Lohn zum Spitzbuben werden müsse. Auch der 79jährige Portier Schmidt und der dritte Ange. klagte waren bisher unbestraft. D i e b i t t er e N o t hat die beiden ersten Angeklagten dazu getrieben, Küchenartikel im Werte von 59 999 M. nach und nach zu entwenden und sie bei einem Altwaren- Händler zu verkaufen. Sie hatten dos gestohlene Gut bei Schmidt untergestellt und holten es nachts von dort ab. Rechtsanwalt Themal geißelte in scharfen Worten die Handlungsweise des Ee- schäftsinhabers, der seine Leute selbst auf die Dahn des Diebstahls gedrängt habe. Der Derteidiger bat um die geringste zulässige Strafe für die beiden geständigen Angeklagten. Für Schmidt um Freisprechung, da er nicht gewußt habe, was in den Paketen ent« halten gewesen sei. Das Gericht verurteilte Schuhmann und Pedick zu 159 M. Geldstrafe und rügte sehr scharf das Verhalten des Geschäftsinhabers, der durch derartige Löhn« es seinen Angestellten unmöglich gemacht habe, ehrlich zu bleiben. Schmidt wurde freigesprochen.
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Die Welk ohne Sünde. Der Roman einer Minute von vicki Baum.
Börries lief auf und ab, die Wunde brannte nun un- mäßig, da Leonhard mit scharfen Flüssigkeiten in sie einge- dmngen war: er trug seinen kahlen, leuchtenden Kopf wie ein Licht im Raum herum. Leonhard segelte mit seinen vielen kleinen Schritten neben ihm her, und so oft der Große einen Augenblick stillstand, tat er einen schnellen, sanften und ge- schickten Handgriff an den Verwundungen. Börries fluchte dazu.„Hast du nach Anselm geschickt?" fragte er, als er ver» Kunden und verpackt im Sessel faß. „Laß doch Anfelmus in seiner Grube. Wenn er Urlaub nimmt, macht es dort Unruhe und Unzufriedenheit. Wir brauchen Kohlen." „Rein!" schrie Börries und schwenkte seine beiden kranken Hände.„Nein. Das ist es ja! Wir brauchen keine Kohlen, Leonhard. Mensch, wir brauchen keine Kohle und keine Sonne. Wir sind nicht verflucht—* setzte er leiser hinzu.„Darin hat Anfelmus Unrecht. Es kommt noch an- deres als Vernichtung hier aus meinem Laboratorium. Jetzt, Leonhard, fängt es an mit der neuen Zeit. Gib mir fünf Jahre und ich lasse euch ein Paradies wachsen auf euren Kar- toffeläckern." „Du bist trank. Bleibe liegen," sagte Leonhard, aber Börries war schon davon. Er kam wieder mst zwei Blumen- töpfen, die er unter die Arme geklemmt hatte und vor Leon- 1 hart) hinsetzte. Es waren zivm Zitronenpflanzen. Die eine. etwa zehn Zentimeter hoch, mst ein paar dürstigen blutarmen, Blättern. Die andere ein kleines Bäumchen, das an der Spitze seine Blüten trug und wester unten schon die grünen Früchte ansetzte. „Nun?" sagte Börries. „Nun?" sagte auch Leonhard und schaute dem Freund in die versengten Augen, die fast kindlich um Anerkcnung haschten. „Dies kann unsere Sonne," sagte Börries uild deutete auf die kleine armselige Pflanze. Das andere habe ich wachsen lassen, ich. Sie sind am gleichen Tag gepflanzt, von den
einem Strahlt haften gert' nicht
Kernen derselben Frucht— übrigens ist es nur e i n Resultat uister tausend anderen. Den kleinen Baum habe ich in einer Dunkelkammer wachsen lassen, mit einer Wärme, die ohne Kohlen erzeugt ist, unter meinen Strahlen. Ich habe die Strahlen jetzt, Bruder, habe sie." Er begann zu lachen, glücklich und fieberhast, es schielt ihm alles so wunderlich komisch.„Hast dst Angst?" fragte Börries. i „Beinahe—" antwortete der Arzt leise.„Was wird Egidius sagen. Ich glaube, daß Gott sich nicht ins Handwerk psuscheniiläßt—" Ich habe mit Infekten experimentiert, mst Hunden aus Urs, habe Organismen aller Stufen unter meine gebracht— immer dasselbe Resultat eines riefen» ächstums und Gedechens. Gett— meinst du? Aber ist Gott — Bruder. Gibt es denn eine Kraft, die st? Komm, ich will dir meine Arbeit zeigen." STiT stiegen die Wendeltreppe vom Laboratorium zum Turm empor. Börries ging voran mit seinen langen und seltsam unsicher gervordenen Schritten. Auf der Plattform oben war die einfache Anlage, zwei Antennen, die der Lust die Elektrizität entnahmen. Der Strom wurde einem kleinen Dynamo zugeleitet, der eme Heizanlage speiste. Ein Raum war mit einer geheimnisvollen Metallösung abgedichtet und speicherte die Wärme auf. Er konnte ohne Wärmezufuhr ein Bierteljahr seine Temperatur gleich erhalten. Heizröhren liefen von ihm zu den Dunkelkammern. Ein zweiter Dynamo erzeugte den Strom für die Strahlen. Börries streifte unge- duldig seine Verbände ab, und seine Hände flackerten schwach, als er den Apparat demonstrierte. Ein dumpfes, knisterndes Surren stand auf, gleich darauf begann es bläulich zu fluk- tuieren in der Sl-förmig gebogenen Röhre, durch die der Strom lief. Kleine kugelförmige Funken drehten wie winzige Welten in rasender Eile zwischen den Strahlen hin, die in un- regelmäßigen Linien, wie Flüsse auf Landkarten, wie Blitze aus Photographien, durch die Röhre riefelten. Eine Lmse nahm den schwachen Schein in sich auf und streute ihn durch den Raum. Es war eine eigentümliche Luft hier, ein kaum merklicher Geruch nach erkalteten Brandstätten und noch etwas Unbekanntem breitete sich aus. Die Kopsnerven vibrierten aus eine angenehm« und süß erregt« Weis«. Leonhart» faßt« in
einer instinktiven Bewegung nach seinem eigenen Puls und zähste achtundachtzig Schläge in der Minute. „Das ist alles," sagte Börries und stellte den Apparat ob. Sie stiegen schweigend durch die kleinen Luken wieder zur Turmplattform hinauf, wo die Antennen ihre unmerklich« Arbeit verrichteten, Elektrizität sammelten und Kräfte auf- speicherten. Börries, am Rand der Brüstung lehnend, schwang seine zerbrannte schwarze Hand über dos Land hin, das unten schon in die Dämmerung siel und sagte:„Wir bauen eine solch kleine Anlage aus jedes Haus. Wir können aus den Wärmespeichern nicht mir heizen, sondern auch die Außentemperatur regulieren. Die Strahlen werden vom Hausdach aus auf die umliegenden Gärten und Felder geworfen. Für die staatlichen Pflanzungen baue ich besonders große An- lagen: wir kömten dann alles anpflanzen, was wir wollen. ich reguliere Klima und Strahlenstärke für den Bedarf jeder einzelnen Pflanze. Sagst du kein Wort, Leonhard?" „Ich— es— hat mich sehr erregt. Jetzt bin ich müde. Heber große Dinge spricht man schwer. Laß uns hinunter- gehen— du siehst schlecht aus." „Ja, ich habe es bemerkt." sagte Börries und hob seinen hageren, ausgelöschten Kopf in die Höhe.„Wenn ich die Strahlen abstelle, kommt diese kleine Flauheit: das geht schnell vorbei. Es ist nur' wie das Frösteln nach Sonnenuntergang. Wenn erst die Sttahlen immer gehen, hat es auch nichts zu sagen." Doch Leonhard blieb still und' bedrückt, noch während Borries unten im Lal orotorium vor ihm auf und ab lief und seine Pläne aufcju äderte, die nun keine Utopien mehr waren. Leonhard macht« sich schon wieder an seiner zerbrochenen Keimplatte zu schaffen, hatte Gummihandschuhe übergezogen und eine Lupe ins Auge geklemmt. Da lebten diese winzigen beweglichen Welten nun, wie sie in Börries Strahlen lebten. Sie hatten dieselbe Kugelgestast und die kreisende Bewegung. die geheimnisvollen Polen und Gesetzen gehorchte. Er blickte, noch mit der Lupe im Augenwinkel zu seinem Freund hinüber. � Da sah er klar diesen ruhelosen Börries, der eine Kraft nach der ; andern aus der Luft riß, um sie dienen zu lassen. Er sah, durch die Lupe unheimlich vergrößert, die Augen mit den kranken großen slattentden Pupillen, mst der entzündeten Regenbogen« haut.(Fortsetzung folgt.)