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Nr. 593 39. Jahrgang

Beilage des Vorwärts

Die Volksgesundheit vor dem Zusammenbruch.

Ein Warnungsruf der Aerzteschaft.

Als dritter Redner sprach Prof. Dr. Krautwig, Beigeord neter der Stadt Köln , über

deutsche Kinder in Not.

Sonnabend, 16. Dezember 1922

um den Höchstprozentsaz von 400 Broz. ungeniert auf die Mieter umlegen zu können. Im Wohnungs­ausschuß hat die Gesellschaft felber ihre Selbstkosten pro Kasten für den Monat November auf 600 m. und für den Monat Dezember auf 1300 M. angegeben. Nur mit dieser Summe ist also die Zahl der wöchentlich abgeholten Rästen zu multiplizieren. Unter feinen llmständen dürfen die Mieter höhere Beträge sächlichen Selbstfosten auf die Mieter umgelegt werden tönnen. Die Mieter seien deshalb gewarnt, die Rechnungen der Müllabfuhrgesellschaft unbeanstandet zu bezahlen.

Ein Kulturkartell. Arbeitersportler und Lehrerschaft.

Die von Kölner Aerzten angeregte, von der ganzen deutschen Zustimmung.) Gewährt uns, schloß er, die Möglichkeit, zu schaffen, feciften, da das Gesetz ausdrücklich vorschreibt, daß nur die tat­Werzteschaft unter Führung des Hauptgesundheitsamts der Stadt uns emporzuarbeiten und das franke Deutschland wieder Berlin veranstaltete große Kundgebung, die zum Schuß der gefund zu machen( Stürmischer Beifall.) bedrohten Gesundheit und Arbeitskraft des deuts schen Volkes aufrief, fand gestern in der Aula der Berliner Universität unter sehr starker Beteiligung statt. Neben den Aerzte­vereinigungen waren Krankenkassen, Organisationen der Arteiler, Angestellten und Beamten, Verbände von Unternehmern aus In­dustrie und Handel vertreten. Erschienen waren auch die Vertreter von Behörden des Reichs, der Staaten und vieler Städte, u. a. der Reichsarbeitsminister Brauns, der preußische Wohlfahrtsminister Hirt fiefer, Ministerialdirektor Gottstein, Bertreter der Zentralmedizinal­beh rden der deutschen Staaten, Reichstagsabgeordnete verschiedener Fraktionen, auch der sozialdemokratischen, Mitglieder der medizini schen Fakultäten mehrerer Universitäten.

S

Geheimer Obermedizinalrat Prof. Rubner Berlin eröffnete die Kundgebung mit einer Ansprache, die auf den Ernst der durch die - wirtschaftliche Katastrophe

geschaffenen Lage hinwies. Die nach Aufhebung der Kriegstlocade eingetretene Besserung der Ernährungsverhältnisse und des Ge­sundheitszustandes ist schon 1921 wieder durch neues Ernäh­rungselend abgelöst worden. Unerträgliche Lasten hat der er failler Vertrag uns auferlegt. Mit Riesenschritten ist all­gemeine Verarmung über Deutschland gekommen. Die Wohnungen sind überfüllt, Kleidung und Wäsche sind abge­riffen, Beschaffung von Nahrungsmitteln aus dem Ausland ist bei der Entwertung unseres Geldes faum noch möglich. Den Aerzten find die Wirkungen des neuen Ernährungselends nur zu deulich erkennbar. Sie sehen der Gefahr ins Auge und wollen warnend auf sie hinweisen.

Geheimer Medizinalrat Prof. W. His Berlin schilderte in längerem Referat den

In einem Schlußwort forderte Prof. Rubner, das Reich folle dem Ausland nicht eher Leistungen aus dem Friedensvertrag ge­währen, als bis für das deutsche Volk das tägliche Brot beschafft ist. ( Beifall.)

Von den Schrecken der Kriegszeit erzählen die vielen Kindergräbe: unserer Friedhöfe, aber noch erschütternder ist die Verkümmerung der Das Arbeiter- Sportkartell und die sozialistischen Lehrer nahmen Ueberlebenden. Zum zweiten Male bricht jetzt jenes Kinder­elend über uns herein, grausam wird die nach dem Kriegsschluß am Donnerstag zur Gründung einer Arbeitsgemeinschaft" Dehlschläger vom Arbeiter- Sportfartell schilderte begonnene Wiedererstarkung durch Mangel und Unterernährung, Stellung. durch Krankheit und Sicchtum unterbrochen. Dank verdienen die einleitend die Entwicklung und die Kämpfe des Arbeitersports in Quäfer Englands und Amerikas , die sich unserer Kinder an der Vorfriegszeit. Er wies darauf hin, daß die bürgerlichen Sport nahmen. Aber, fagte Krautwig, beffer wäre es gewesen, das Aus organisationen, anfangs freiheitlich- revolutionär gesinnt, fich feit den land hätte uns die Möglichkeit gegeben, uns selber zu helfen.( Bei- 60er Jahren in den Dienst des militärisch- kapitalistischen Staates ge­fall.) Die neue Not muß noch schlimmer wirken als jene erfte. stellt haben und deswegen auch vom Staate unterstützt wurden. Jezt erst versteht man den Ausspruch des Herausgeters der englischen Hand in Hand damit ging eine gemeinsame Bekämpfung der Ar­Zeitung" Daily News": Es ist tragisch, als deutsches beiterschaft. Lehrer Schöne knüpfte an diese Ausführungen an Kind geboren zu sein, hineingeboren zu sein in eine und betonte, daß die bürgerlichen Lehrer und Turnanstalten gleich­Hungerwelt." Der Leidensweg der deutschen Kinder zwingt falls im militärischen Sinne arbeiten. Im Gegensatz hierzu betrachten uns deutsche Aerzte, zu ihrem Schutz nicht nur das eigene Bolt, fon- es die Arbeitersportverbände als ihre Aufgabe, die körperliche und dern die Völker der Welt aufzurufen.( Stürmischer geistige Gefundung der Arbeiterjugend zur erfolgreichen Führung Beifall.) des Klaffenkampfes zu ermöglichen. Der Turnvater Jahn habe das Turnen als militärische Vorbildung der Jugend begründet, und diese Tendenz wohnt bis zum heutigen Tage dem bürgerlichen Sport inne, mas der Friedenssehnsucht der Völker besonders gefährlich sei. Schöne verlangte einen neuen technischen Auf­bau des Arbeitersports, der das Militärische ablehnt und der Aus­bildung der Persönlichkeit größeren Spielraum läßt. In der Dis fuffion wurde die Gründung eines Kartells aller proletarischen Kulturorganisationen, furz Kulturfartell, in dem Redakteure, Lehrer, Studenten usw., also alle geistigen Arbeiter, bis zu den Der Sportorganisationen vereinigt sind, als notwendig bezeichnet. Masse der bürgerlichen Organisationen soll die Einheitsfront aller Eine dem­proletarischen Kulturverbände entgegengestellt werden. entsprechende Resolution wurde einstimmig angenommen und das Arbeiter- Sportkartell und die sozialistische Lehrerschaft mit den Vorarbeiten beauftragt. Scharf fritisiert wurde, daß auch einige Jugendämter und Staatsstellen das Bestreben haben, den Sport der Jugend als Ersak für den fehlenden Militärdienst kommunal und staatlich zu organisieren. Der Erlaß des Provinzialschulkolleniums atme ebenfalls diesen Geist, denn er will die Jugend der Willkür der leider noch vielfach militärisch- reaktionären Schrerkollegien aus­liefern und Jugend und Eltern bevormunden. Mit allem Nachdruck müsse diesen Tendenzen entgegengewirkt werden. In nächster Zeit sollen in allen Bezirken Versammlungen abgehalten werden, um weitere Kreise auf die unter harmloser Maske auftretenden Gefehren

Es wurde einstimmig eine Entschließung angenommen, in der auf die großen Gefahren aufmerksam gemacht wird, die dem deutschen Volke bei der ständig fortschreitenden Ver­

elendung drohen.

Prozeß Klante.

Er hatte Pferdeverstand".

"

Dem Zeugen Reichenbach stellte der Verteidiger, Rechts­anwalt Buppe, zum Schluß der Vernehmung die Frage, ob ihm bekannt gewesen sei, daß sich die Mehrzahl der Wetter aus minder­bemittelten Kreisen refrutiere. Reichenba d) gab an, daß es sich nach seiner Kenntnis durchweg um Leute gehandelt habe, die einen etwaigen Verlust hätten aushalten können.

Straßenräuberfrechheit.

Niedergang der Lebenshaltung des deutschen Boltes, der auf die uns nach dem Kriegsschluß gegönnte furze Erholungs­pause gefolgt ist. Die Teuerung, die weitesten Kreisen der Bevölkerung den Kauf notwendigster Lebensmittel aufs äußerste er­fchwert, wirft jezt ebenso wie im Kriege die Blockade. Die Folgen des Hungers, die aus dem Kriege noch in frischer Erinnerung find, beginnen sich wieder zu zeigen. Noch treten sie in den Sterbe­ziffern wenig hervor; denn der hunger ist ein bedächtiger Mörder, der nicht mit einem Schlage tötet, sondern mit Iang­Es kam dann noch zur Sprache, daß Klante in Leipzig mit fam wirkendem Gift vernichtet oder sein Opfer für alle Zeit besonderer Genehmigung von Richard Strauß ein Orchester fiech macht. Das zeigt sich besonders an dem Nachwuchs, an den birigiert habe, ohne daß in diesem Falle allerdings ein Ru­Kindern, bei denen Blutarmut , Strophulose, Rachitis wieder häufiger sammenhang mit dem Berhandlungsnegenstand ersichtlich war. Als gewerden sind, auch Knochenerkrankungen infolge Unterernährung dann wurde der Troiner Klantes, Rowanda, vernommen und hinzuweisen. und selbst das gefürchtete Hungerödem. Leibwäsche, Bettwäsche, sagte aus, daß Klante sehr knickerig gewesen sei. Auf die Frage Seife find Lugus geworden, Hautkrankheiten aller Art und zu eines Beifikers, ob Klante etwas von Pferden verstanden hätte, nehmende Berlaufung werden aus den Schulen gemeldte. Das geantwortete der Trainer:" Nein." Rechtsanwalt Bahn: Ich möchte Ein mit Kupfer beladener Wagen fuhr fürzlich durch die Müller­Jamie öffentliche Gesundheitswesen ist in gleicher fragen, ob Klante Pferdeverstand hatte, und zwar derart, firage. Blöglich sprangen drei junge Burschen auf das Not, mit Mühe werden die Anstalten aufrechterhalen, nicht baß er die Chancen der Pferde beim Rennen beurteilen konnte. Fubrweit und versuchter. die Behälter, in welchen sich das Metall wenige find bereits geschlossen. Auf wirksame Tuberkulosebekämp- Der 3euge bejaht dies und erklärte auf eine weitere Frage des Ber - befand, gewaltsam zu öffnen. Kinicher und Mitfahrer jetzten sich fung ist bei der Wohnungsnot und den Heilstättentoften faum zu teibigers, daß er nur gemeint habe, Klante verstehe von dem Körper zur Wehr, und in dem sich entwickelnden Handgemenge hoffen, jede Seuchenbekämpfung ist erschwert, die hygienischen bau des Bferdes nichts, dagegen hätte er die Gewichts- und Alters- wurde der 33 Jahre alte Kutscher Dito Lüdemann aus der und sozialen Fortschritte der lezten Jahrzehnte verhältnisse, die Rennchancen usw. genau gefannt. Auf eine Frage Krautstr. 38 durch mehrere Mefierstiche verletzt. Während sind bedroht. Die Gemeinden, die Länder, das Reich müssen des Bersihenden erklärte der Zeuge es für undenkbar, daß Klante vei der Täter entfamen, wurde der dritte, der 18jährige Arbeiter tun, was in ihren Kräften steht, Aber auch das Ausland soll als geübter Wetter mitunter auf alle Pferde gewettet habe. Klante rit Vorrath, der in der Sparrstraße bei seinen Eltern wohnt, missen, wie es bei uns steht. Prof. His erkannte an, daß manche hatte sehr oft auf den Sieger newettet und seine Tips feien auf von Lüdemann festgehalten und zur Wache gebracht. Nach längerem Hilfe aus dem Ausland gekommen ist. Sie sei aber unzulänglich der Rennbahn stets sehr geschäkt gewefen. Der nächste Zeuge, Berhör geftand Rorrath auch die Namen feiner beiden Kumpane gegenüber den uns auferlegten Lasten und der über uns Wolf, war Vorbesizer der Villa Röschen" in Karlshorst. ein; es sind der 20 Jahre alte Artur Blum und der 17jährige hereingebrochenen Not.( Zustimmung.) Er bezeichnete die Villa als ein 19 Jahre altes Haus, bei dem es Paul B.e it. durchrennete. Von dem Kaufpreis, der 900 000 m. betrug, ver­fuchte Klante feinerzeit abzuhandeln. Der Zeuge Herbach aus Dresden gibt an, durch das System Klantes sehr viel gewonnen zu haben. Die Vernehmung geht dann zu den einzelnen Untervertretern Klantes über, deren Aussagen im allgemeinen für Klante nicht be: lastend find. Für den Montag ist eine Verhandlungspause in Aussicht genommen.

Am Krankenbelt des deutschen Volkes zeigte den deutschen Arzt der Geheime Sanitätsrat Dr. Dippe, Borsitzender des Deutschen Aerztevereinsbundes. Nicht nach dem Treiben in den Hauptstraßen der Großstädte soll man das deutsche Bell beurteilen. Aller Ueberfluß der Wenigen fann nicht darüber hinwegtäuschen, daß meiteste Kreise der Bevölkerung unter mangel und Entbehrung bitter leiden und daß Unterernährung und Wohnungselend das Heer der Krant heiten bedrohlich mehrt. Die Zunahme der Tuberkulose ist ein warnendes Zeichen und läkt uns die furchtbare Größe der Gefahr ahnen, daß noch andere Seuchen unser geschwächtes Volt heimsuchen könnten. Mehr Bewegungsfreiheit fordert tas deutsche Volk von seinen Ueberwindern. Wir darben, rief Dippe, und dabei mußten wir noch Vieh abgeben, wir hungern, und dabei führt eine fremde Befagung bei uns ein Echlemmerleben.( Lebhafte

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Die Welt ohne Sünde.

Der Roman einer Minute von Bidi Baum.

gibt fein Herdfeuer mehr- dachte Anselmus dumpf, Lab da sah er den Abend noch einmal, an dem Linde zu ihm gefommen war. Liebes Angesicht, vom Herdlicht beschienen, wo bist du jetzt? Am Bett lag die rote Decke. Neben dem Bett stand etwas und war fast, als bewege es fich sacht. Anselmus trat näher und schaute die Wiege an. Ein fleiner weißer Mullvorhang hing darüber hin er fannte die Wiege. Er stand mit angespannten Brauen, strich über den Mull und fuchte.

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Er rief nach Linde, rief leife, obwohl er schon mußte, sie fei nicht mehr in seinem Haus. Dann verweilte er auf der Schwelle und fuchte benommen den Weg hinunter

Die Berechnung der Müllabfuhrkosten.

Auch die Kirche will verbrennen. Auf der Berliner Stadtfynode wurde bewegliche Klage über das hohe Defizit neführt. In erster Linie sollen die viel zu niedrigen Friedhofsgebühren mit Echuld daran sein. Jedenfalls zeitigte die Pleite einen erstaunlichen Be­schluk. Am Schluß der Verhandlungen wurde eine Kommission gewählt, die die Möglichkeit der Errichtung eines firchlichen Krematoriums erwägen foll. Wer hätte das noch vor kurzem für möglich gehalten?

Zu der Notiz, die wir unter dieser Ueberschrift in Nr. 287 Die Buchhandlung Vorwäris, Lindenstr. 2, ist am Sonntag, den vom Donnerstag abend brachten, wird uns aus Stadtverord 17. Dezember, von 1 bis 5 Uhr nachmittags geöffnet. netenfreifen geschrieben: Die Gesellschaft ist nicht berechtigt, Milchkarten anmelden! Die bereits im Befit der Milchbezuas­für den Monat Movember je Raften bei einmaliger wöchentlicher berechtigten befindlichen Milchforten für den Monat Januar 1923 Entleerung einen Preis von 1750 m. zu erheben. Die Gesell- müssen bis zum 24. Dezember 1922 in den Milchkleinhandelsgeschäf= schaft beliebt dieses Verfahren nur aus dem alleinigen Grunde, ten und in den Abmelkwirtschaften( Kuhställen) angemeldet werden.

vollen Augen, die zwitscherten und schwätzten, berichteten von den überstandenen Schmerzen und vom Kind. Anselmus schaute sie alle an und fand Linde nicht. Die Frauen gingen an ihm vorbei, als wäre er unsichtbar. Er wandte sich und stieß auf Chriftine.

Christine war ein Berg geworden, ein Gebirge von Fruchtbarkeit, die roten Adern auf ihren Wangen standen dicht vor dem Zerplazen. Auch sie sah Anfelmus nicht, obwohl ein Mann etwas Berwunderliches war in diesem Haus, sie schrie leise, als er fie am Arm nahm.

" Herrgott," sagte sie und starrte ihn offenen Mundes an. Sie trug zwei Säuglinge, die gleichfalls schrien. Auch Anselmus schrie: Christine wo habt ihr Linde?" Herrgott," fagte fie, bist du hier? Und störst du die Frauen beim Stillen? Suchst du hier Linde?"

-

Ja. Wo habt ihr Linde?" wiederholte er eigensinnig, während sie ihn fortnahm, sich draußen auf eine Stufe fette, die in den Garten führte, und ohne weiteres die beiden Kinder an ihre Brüste nahm.

"

Wo habt ihr Linde?"

Behn Jahre? Christine! Wie lange war id; fort? Im Bergwerf vergißt Gott die Menschen, man hat keinen Tag und feine Jahreszeit. Ist es möglich, daß ich so lange aus war?" fagte er und Angst stand in ihm auf.

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Nein. Laß nur vielleicht warst du nicht lange fort. Die Zeit vergeht so schnell- jetzt."

" Habe ich ein Kind?"

Ja. Aber wo ist dein Kind?" hörte er noch, doch als er hinsah, saß er allein auf der Stufe, und die Kinder wirbel­ten zu seinen Füßen im Garten. Wieder schnitten die Schreie vom Kreißfaal her.

Vielleicht war es nur geträumt, daß Anselmus von einem Kind zum anderen ging, er spürte ihre fleinen gefenften Köpfe in seiner Hand und wendete ihren Blick zu sich. Er fand fein Kind nicht, fein eigenes. Er dachte: es gibt kein eigenes. Jedes Kind muß mir sein wie meines. Aber das war ein alter Gedanke, der hungrig und leer ließ Tausend Kinderaugen und keines vertraut. Um feinen Mund das Lächeln von Lindes Mund, auf feiner Stirne das Bild seiner eigenen hochgewölbten Stirn. Fremde Kinder. Laufend und noch Tausend.

Es fam ein Schmetterling über den Weg geflattert, so groß, daß Anselmus fast erschrat. Er sah ihm zu, das Tier ruhte dicht vor seinem Blick auf einer unbekannten Blume. 2lle Blumen, die hier wuchsen, fahen neue und ungekannt ous mit ihren starken Farben. Der Schmetterling hob sich zu denken. Wir haben das Haus so voll, so voll Wir haben Linde nicht hier. Ich habe anderes zu einem Blatt, er spannte feinen fleinen goldenen Samtleib, denken. Wir haben das Haus so voll, so voll ich weiß wurde breit, dann entquollen ihm Eier. Eine Kette von nicht, wohin mit allen Weibern und Kindern und Geburten. Fruchtbarkeit entlud die bebende Spize seines Körpers in ge- Es ist ein Leben mit diesen Teufelsstrahlen, mein lieber Ansel­häuftem Gebären; das Blatt füllte sich mit dem fleinen Hügel mus! Zähl' du einmal alle, die hier find! Aber Linde- der weißen Eier, fie saben warm und klebrig aus. Anselmus nein; Linde haben wir nicht hier." erhob sich, ein leichtes Gefühl von Efel schüttelte ihn, und zu­gleich war es ihm sonderbar flar geworden: Linde ist im Wer weiß das. Sie ist lange fort, o, wie lange. Jch der des Erfennens. Schwindel überkam ihn in der warmen

Mutterhaus.

Wo ist sie denn?"

habe es vergessen. Ich vergesse so schnell- meißt du." Ist sie denn nirgends im Dorf?"

Stufen trugen ihn einem schreienden Saal zu, da stand winzig Bett neben Bett. Drinnen waren die winzigen Fäuste geballt und die zahnlosen, hellroten Gaumen brüllten weit ge­öffnet. Sie sahen ihm alle gleich aus, er tastete über ihre warmen fleinen Glieder, aber feiner Hand geschah kein Wun­Luft voll Dunst und Geschrei, er taumelte hinaus, da war es schon wie erste Dämmerung. m Abhang, unter den Erlen, lag ein Knabe. Anfelmus erkannte ihn.

Das Mutterhaus quoll über von Frauen. Ihr Geruch warf sich Anselmus schon auf der Schwelle entgegen wie eine ,, Es hat sie niemand gesehen, glaube ich. Dein Haus schwere trächtige Wolfe. Die Treppen schrien mit vielen hohen, ist leer." Stimmen. Kinder fprangen hinauf und hinunter: ein Schrei," Ja. Mein Haus ist leer," sagte Anselmus bedrückt. Während er dastand und sein Kind ansah, erfüllte ihn gedämpft und scharf, schnitt daher aus dem Kreißsaal. Jen- Durch den Garten tobte eine Rastade von nackten Kindern. eine Süßigkeit, ein ungeheures Gefühl von Glück und Wärme, feits des ersten Gartens frähten aus offenen Fenstern die Sie blühten mit unwahrscheinlich glühenden Wangen, mit das ihn zittern machte. Er öffnete die Lippen, sie bebten sehr Säuglinge. Anfelmus fam in das weiche, schiebende Gedränge einem übertriebenen Glanz auf Stirnen und Augen. Ansel- und wollten den geliebten. vergeffenen Namen rufen; aber er schwangerer Frauen, die irgendwohin zu einer Mahlzeit mus' Blid trübte sich ein wenig, und er fragte leiser: In war ohne Stimme. Sein Herz flüsterte: Konrad. Sein Herz zogen, jede mit einem Brot und einem Napf voll schaumiger meinem Haus steht eine Biege. Habe ich denn ein Kind?" fennte flüstern. Das Kind lag da mit feinen feinen, langen Milch in der Hand. Diese sprachen nicht viel. Aber andere Wie lange warst du fort, Anselm? Fünf Jahre? Zehn Gliedern ins Gras gestreckt, es hatte die Arme unter dem tamen den Garten her, eben vom Wochenbett erstanden, neu Jahre? Du gingst an einem Morgen fort mit Lorenz, das ist Kopf gefreuzt, und die Augen waren groß aufgeschlagen. und glänzend gehäutet, mit geloďtem Haar und erwartungs- so lange. her. Bald bist du alt­( Fortsetzung folgt.)

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