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nicht. Eine Unterredung mit einem englischen Universitäts - Professor schloß mit dessen Aeuherung:Deutschlands Aufgabe, mie sie in der neuen Verfassung zum Ausdruck kommt, ist so schmer, wie sie noch kein Volk in der Weltgeschichte gehabt hat. Wenn aber Deutschland mit der Verwirklichung seiner neuen Verfassung fertig wird, wird es der Eckstein des europäischen Friedens sein." Mit der Alkoholfrage steht es ähnlich. Die alber- nen Märchen von der Vermehrung der Trunksucht, von den schweren Schäden der Prohibition, werden durch den Augen- schein ebenso wie durch eine gewissenhaste Statistik widerlegt. Gewiß hat das Gesetz und seine Durchfühning noch manche Lücke. Aber seine hundertjährige Vorgeschichte und seine viel- fach gerade von deutschen Gelehrten gegebene wissenschaftliche Begründung garantiert den Bestand. Das Ergebnis der Kongreßwahlen, von den Alkoholinteressenten vielfach entstellt wiedergegeben, gefährdet die Prohibition nicht. In den dunkelsten Vierteln der Großstädte haben sich die Kneipen in Läden und Wohnungen verwandelt. Mir ist bis jetzt noch nicht ein einziger Betrunkener begegnet. Dagegen konnte ich überflüssig gewordene Trinkerheilanstalten, Alkoholkranken- Häuser und Gefängnisse selbst feststellen. Es gibt auch keinen nationalökonomisch gebildeten Deutschen , der seine Augen vor der Bedeutung dieser Tatsache der prinzipiellen Freiheit dieses großen Volkes vom Alkohol verschlösse. Ferner sind die beut- schen methodistischen und baptistischen Gemeinden wärmste Verfechter des Prohibitionsgedankens, und sie sind in einem allgemem unter kirchlichem Einfluß stehenden Land wie Ame- rika von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Für die mora- lische Wiederaufrichtung Deutschlands unter den Völkern sind sie jedenfalls mehr wert, als die sich isolierenden und dadurch selbst ausschaltenden bierpolitisch-monarchistischen Kreise. Erschütternd wirkt immer wieder der Gedanke, wie an- ders heute Deutschlands Situation wäre, wenn es durch eine klügere Politik dieses Land hier mit seinen ungeheuren Kräften dem Kriege fernzuhalten oerstanden hätte. Aber die rechtzei- tigen Warnungen fanden ja leider bei unfern Ludendorff und Genossen blinde Augen. Und hier wundert man sich nur. daß so falsche, leichtsinnigeProphetenwiedieHergt oderHelfferich trotz allem ihre politische Rolle vor einem großen Teil unseres Volkes immer noch nicht ausgespielt baben. Für Vethmann Hollroegs guten Willen und richtige Auffassung habe ich hier gerade auch unter Deutschamerika- nern manches anerkennende Wort gehört.Wir taten, was wir konnten," sagte mir ein guter Deutscher hier,aber die Kriegspolitik Ludendorffs mutete uns zu viel zu. Wir sollten Zehn gegen Neunzig die amerikanische Kriegspolitik verhin- dern. Das war ein Zusammenprall, bei dem wir unter die Räder kommen mußten." Und in der Tat, das Deutschtum hat einen schwerenStoß bekommen. Es wird keine ganz ein- fache Aufgabe sein, es einigermaßen zu rehabilitieren. Das Wie" im einzelnen zu erörtern, würde zu weit führen. Rur soviel im allgemeinen: Die geistig-kulturellen Werte müssen auch hier neben oder sogar vor den wirtschaftlichen helfen, und nicht trotzige Isolierung, sondern nur verständnisvolle Mit- arbeit an den Kulturzielen der anderen Völker wird die neue Eingliederung Deutschlands in die weltgeschichtlichen Zu- sammenhänge der Gegenwart ermöglichen. Hier hätte die deutsche republikanische Regierung groß« und schöne Möglich- leiten, von denen aber bisher noch keine richtig erkannt wor- den zu fein scheint. Unsere Botschaft in Washington kostet uns Milliarden. Sie ist noch stark auf das Repräsen- tative zugeschnitten. Wir könnten hier große Summen ein- sparen und trotzdem erheblich viel mehr für die deutsche Repu- mik leisten, wenn wir die repräsentativen Kräfte durch wirklich aktive ersetzten und von ihnen nach allen Seiten hin in Presse, Kirche, Bereinsleben, Alkoholbekämpfung usw. nicht nur fach- kundige, sondern auch psychologisch feinfühlige Belebung und Anregung ausgehen ließen. Man muß hier auch einmal bören, was für wahnsinnige Summen auf amerikanischem Boden für eine kindisch-törichte Kriegspropaganda ausgegeben

Silvesterfahrt in öen harz. Von Bruno Frei . Der verbildete Städter steht vor den launig geformten Fels- Ungeheuern auf dem Harzplateau und wundert sich, daß alles genau so aussieht wie auf den Bildern im Geologielehrbuch. Er geht die Ilse entlang und denkt an ihre adlige Abkunft. Ich bin die Prinzessin Ilse Und wohn' auf dem Jlsenstein. Au» dem abendlichen Nebel strecken schwarz« Kiefernstämme ihre Arm» gespenstisch verzerrt in die Finsternis. Der Spud der Walpurgisnacht läßt sich nicht bannen. Verirrt in Schnee und Nebel, abseits von gebahnten Wegen, ein wenig bedrückt, ein wenig bangend, entdeckt er den Wald in seiner winterlichen Einsamkeit. Er oersteht im Angesicht des Niegeschauten die Frage der Philosophen, ob denn die Dinge«in Dasein für sich außer ihrem Hiersein für uns hoben, ob der Wald lebt, wenn ihn kein menschliches Auge steht und die noch größere Frage, ob er ebenso lebt, wie ihn das menschlich« Aug« steht. Ob der Wald auch für sich allein ein Wald ist? Dann erinnert er sich aber der photographischen Aufnahmen in dem Schaufenster der Jlsenburger Andentenhandlung. Die philo- sophischen Zweifel schwinden.Die Natur ist sich ewig gleich.. sagt er dann. Ist sie es aber auch wirklich? Sie ändert sich langsam. Seit der letzten Auflage des Geoloqielehrbuches hat sie sich nicht verändert, wenigstens nicht merklich. Die Menschen aber und ihre Kreise und Zirtelchen haben sich merklich geändert. Die Natur brauchte etwas mehr Zeit, um mit den Ciszeitgletschern die Mark glattzurasieren, als wlr brauchten, um den König von Preußen davonzujagen. Mehr läßt sich nicht sagen Aber, wer weih, wa« Zeit ist? Eine Neuauflage dos Geographiebuche» ist notwendig geworden, weil aus König- reichen Republiken wurden. Die Geologiebücher reichen aber noch für eine Weile. Das ist olles. Aber im Fluß ist jegliches Ding: der Ottofels, die Weltanschauungen und die Pfänder in der Pfandleih. anstatt. Der Prinz zu Stolberg-Wernigerod« hatte früher eine eigene Leibgarde von fünfzehn Mann, denn er war ein Potentat. Heute hat er sie nicht mehr. Heute ziehen zu mitternächtlicher Stunde sozialistische Wandervögel durch das altertümliche Städtchen und singen dieInternationale" vor dem Rathaus auf dem Marktplatz, so daß die geschnitzten Fratzen auf dem Gesimse des Fachwerks Ihr Grinsen einstellen und sich entsetzliche Geheimnisic zuraunen. Man erwartet, daß sich die Fenster, wie in einer Thcatcrdckoration, öffnen und daß erschreckte Schlafmützen ob des rotfahnlgen Frevels nach dem Nachtwächter rufen. Man muß nur die Sache richtig verstehen. Berlin ist nicht Deutschland , die Wandervögel sind nicht Zeitgenossen de» Klein-

wurden und zum Teil in den Taschen einzelner hängen blie- den, um die ganze Unwahrhaftigkeit jener Schildhalter des alten Regimes zu ermessen, die der republikanisckien Regierung Verschwendung und Futterkrippenwirtschast vorwerfep. Alles in allem: DiedeutscheRepublik sollnur er st einmal sich selb st wirklich ernst nehmen, dann wird sie auch von den anderen bald ernst genommen werden. Ohne das aber bleibt alles Bemühen um moralischen wie materiellen Kredit in der Welt vergeblich. Die ameri- kanischc Presse beurteilte den Ersatz Wirths durch Herrn Cuno absolut nicht als eine erwünschte Verschiebung nach rechts, sondern als neue Erschütterung der deutschen Republik, als neues Fragezeichen hinter der Weimarer Verfasiung, ja als neues Spiel mit dem Feuer und Sturz in das Ehaos. vis- cite wouiti! Lernt, nachdem ihr wirklich genugsam gewarnt wurdet!

poincares Reporationsplan. (Fortsetzung von der 1. Seite.) Wenn gewisse Gläubiger Frankreichs geneigt wären, sich diesem Modus anzuschließen, wäre die französische Regierung bereit, ihnen von ihrem Anteil an den Obligationen C schon heute ein Nominalkapital in Höhe de» Nominalbetrages ihrer Schuld zu über- geben. Die ftanzösische Regierung erkläre sich bereit, die Obligatio- nen C, die sie gegebenenfalls für ihre eigenen Forderungen in Zah. lung erhielte, zu annullieren, wenn dieser Modus von den europäi- schen Mächten i n s g« s am t akzeptiert würde und wenn diejenigen unter ihnen, die Gläubiger sind, gleichfalls sich entschlössen, die Obli­gationen C, die ihnen übergeben würden, zu annullieren. Was die Z a h l u n g s m o d al i t S t e n für die deutsch « Re- parationsschuld anlang«, so wie sie durch das Zahlungsstatut fest- gesetzt seien, oder so, wie sie unter den oben angeführten Bedingungen sich in herabgesetzter Form gestalten würden, so steh« die srcrnzösisch« Regierung auf dem Standpunkt, daß es im gemeinsamen Interesse der Alliierten und Deutschlands liege, die Bezahlung dieser Schuld in einem beschränkteren Zeitraum zu sichern als dem zurzeit für die Tilgung der Obligationen A und B vorgesehenen. Die französische Regierung gestehe infolgedessen zu, daß die vorweg genommenen Zahlungen, die Deutschland leisten würde, bis zu einem noch zu bestimmenden Datum ihm zu einem der Billigkeit entsprechenden Satze d i s k o n t i« rt werden müßten. Da derartig« Zahlungen augenblicklich von Deutschland nur in annehm- barem Maß« von dem Ergebnis der von ihm aufgelegten ä u ß er« n Anleihe geleistet werden könnten, glaube die ftanzösische Regie- rung, daß die alliierten Regierungen durch alle in ihrer Macht be- fmdlichen Mittel die Emission dieser Anleihen begünstigen müßten. Sie glauben übrigens, daß in einer sehr nahen Zukunft derartige An- leihen möglich seien und schon jetzt für einen beschränkteren Anleihe- dienst in Deutschtand wirkliche Sicherheiten gefunden werden könnten, und daß diese wirksam vom Gorantieaus» schuß kontrolliert werden könnten, dem gemäß den Bestimmungen des Londoner Zahlungsplanes Vertreter der Anleihezeichner bei- gegeben werden könnten. Kurz vor 1 Uhr wird uns mitgeteilt, daß der Schluß der Poin- careschen Denkschrift in Berlin noch nicht vorliegt. Wir werden den Schluß in unserer Abendausgabe veröffentlichen. Poincarcks Begrüßungsansprache. ' pari-. 2. Januar. (Cca.) DemIntransigeant" zufolge wurde dl« Pariser Konferenz heute um 2 Uhr durch eine Rede Poin- cor 6» eröffnet. Der Ministerpräsident habe zunächst betont, daß die Alliierten bereits allzu lange ihre Entscheidungen auf einem psychologischen Irrtum aufbauen. Dieser bestehe darin, daß sie glauben, Deutschland nähme jeden neuen Plan, jede neue Entschei- dung der Alliierten, jedes Konferenzresultat mit dem Wunsche an, es auch auszuführen. Das sei aber ein« vollkommen verfehlte Ansicht. Man müsse infolgedessen das System wechseln, und dann könne Deutschland den neuen Plan nicht mehr zum Scheitern bringen. Alsdann legte Poincare seinen Plan vor. Diesem Plan folgt die Darlegung, inwiefern sich Deutschland der Ausfüh- rung der Klausel des Versailler Vertrages widersetzt. Poincare kam dann auf die Verfehlung Deutschlands zu sprechen und auf die Umstände, unter denen sie festgestellt worden sind.

bürgertums von Halberstodt. Zeitenwende ist. Ein Riß geht durch die Völker der einig einen Erde, ein Riß durch die Städte jedes Landes, ein Riß, der schmerzlichste, durch die Familien jeder Stadt. Geschlecht steht gegen Geschlecht: Dater und Sohn sprechen ftemde Sprachen und können einander nicht oerstehen. Zeitgenossen mehrerer Jahrhunderte, der letzten zwei und der nächsten zwei, leben zusammen und nebeneinander. Die aufgeklärte Arbeiterschaft denkt die Gedanken einer Welt der Zukunft. Kulturwerte, die sich erst bilden werden, die Hoheit des Gemeinschaftslebens, sind al» Sehn- sucht und Forderung vorgebildet. Ohne Geld, aber mit viel Zu- verficht in die Kraft der Gemeinsamkeit unternehmen unser« jungen Genossen Eroberungsfahrten in die Natur. Unbedrückt von Literatur» ballast, ungemahnt von Griebens Reiseführer, ja, staunt, ihr Aengst- lichen, ohne Betten bestellt zu haben, wandern sie in nächtlicher Zeit singend und selig in festlicher Ungebundenheit auf den Brocken, vor das Brockenhaus. Dort oben, in 1142 Meter Höhe, eine Stunde vor Ausgang des Jahres 1822, In stürmischem Nadeleistreiben, ge- schieht folgendes: Hotelportier: Haben Sie Zimmer bestellt? Der Führer der Jungen: Nein. Hotelportier: Dann hinausIII Denn-- im Speisesaal des Brockenhotels feiert der Harztlub Siloester. Gedeck: 2500 M., ohne Getränk und Bedienung. Damen in Abendkleidern stört erfahrungsgemäß der Anblick braunhemdiger Wandervögel. Deshalb müssen unsere Jungen wieder hinaus in die Nacht, in das Schneefteiben. Der nächste Ort ist drei Stunden entfernt. Zum Glück waren außer den Harztlubleuten auch noch einige Menschen anwesend, die dem Portier eine Portion Klarheit verab- reichten. Unsere Freunde tonnten die Nacht in dereHalle verbringen und bekamen auch noch heißen Kaffee zu trinken. Noch sitzen jene an den Tischen und wir stehen vor den Toren. Bald sind doch vo-- Dir tausend Jahr« wie ein Tag! bald werden wir drin sitzen und dafür sorgen, daß kein Hungriger vor der Türe steht. Denn die menschlichen Dinge sind in ewigem Wechsel, nicht anders al» die Natur, die nicht ruht und nicht rastet, auch nur für den Augenblick, den ein Tropfen braucht, um zu Boden zu fallen. Alle Weltengesetz« sind zu diesem kleinen Ereignis erforderlich und seine Auswirkungen reichen bis in die Unendlichkeit, so wie das Geschehen aller Unendlichkeit notwendig war, um das Fallen diese» Tropfens in seiner Einmaligkeit und Einzigartigkeit zu ermöglichen. Denn nichts ist unendlich und ewig, bis auf den Tod, den stet» unerwünschten, bis auf die anziehende Kraft des ewig Weiblichen, der, ach! so sehr erwünschten und auf den Punsch, den traditio- nellen, sentimentalen, den ich auf Ihr Wohl, lieber Genosse Re> dakteur vom Feuilleton, trinke, damit Sie mir die weitschweifende Redseligkeit verzeihen, die mir der Silvesterpunsch diese» Jahres eingegeben.

Bonar Law über sein Projekt. Pari», 2. Januar. (EE.) Bei einem Empfange englischer Presse- Vertreter erläutert« Bonar Law eingehend die englischen Vorschläge zur Lösung des Reparationsproblems. Er machte dabei die wich- tige Mitteilung, daß England nicht in der Lage sei, auf alle sein« Forderungen gegenüber den übrigen Alliierten z u verzichten, daß es vietmehr von den alliierten Schulden nur soviel annullieren töne, als es selbst von Deutschland an Zahkun- gen erhalten werde. Die Pfänder, die Frankreich vorgeschlagen habe. betrachtet Donar Law als nicht produktiv. Uebrigens sei diese An- gelegenheit nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Es möge nichts unternommen werden, was Deuffch-ands Lage noch mehr verschlechtern«erde. England sei jedenfalls bereit, zu einem Einvernehmen mit Frankreich zu gelangen, doch hänge dies nicht ausschließlich von den Regierungen ab, sondern auch von der öffentlichen Meinung, die durch die Dertreter der Presse nicht beunruhigt werden dürfe. * DenDaily News" zufolge entspricht der von Donar Law gestern offiziell unterbreitete Plan genau den bereits in der Presse veröfentlichten acht Punkten. DerObserver" hatte übrigens am Sonntag diese acht Punkte als Bonar Laws Minimum bezeichnet. Poincares Plan ist gestern vor der Eröffnung der Konferenz in einem Mini st errat unter Millerands Vorsitz dargelegt und ein st immig gebilligt worden. Der erwartete Gegensatz. Finanzminister de L a st e y r i e erklärte einem Vertreter der Est-Europe", er glaube, daß die Ansichten Poincare» und Bonar Laws in der Reparationsfrage noch sehr weit ausein- ander gingen. Diese Ausfassung scheint übrigens auch in einer Vorbesprechung mit Bonar Law und Eurzon zur Geltung ge­kommen zu sein. Daraus erklärt es sich nach Ansicht politischer Kreise, daß Poincare und de Lasteyrie um eine sofortige Audienz bei Millerand nachsuchten, um dessen Ansichten in der Reparationsfrage einzuholen und die endgültige Stellung- nähme der französischen Regierung festlegen zu können.

Kein Ersatz für Sanktionsschäöen. Die von deutschen Staatsangehörigen im besetzten Gebiet an die alliierten Mächte gemachten Leistungen werden der deutschen Rc- gierung gutgeschrieben und von ihr den deutschen Staatsange- hörigen zurückerstattet Eine Ausnahme besteht in bezug auf die Erstattung von Santtionsschäden. Die Rheinlandkommission hat dem Reichs- und preußischen Staatskommissar für die besetzten Gebiete mitgeteilt, die Erstattung der Sanktionsleistungen könne nur mit Einwilligung der an der Londoner Konferenz vom 7. März 1921 beteiligten Regierungen erfolgen, da die Abgaben in Ausfüh- rung der von diesen Regierungen getroffenen Anordnungen er- hoben würden und ihre Rückerstattung geeignet sei, die Enffchcidungen der Londoner Konferenz umzustoßen. Das die Erstattung an- ordnende Schreiben d»s Reichsfinanzministers könne vorlaufig im besetzten Gebiet nicht zur Anwendung kommen, und sie ersuche da- her, die Zollstellen anzuweisen, bis auf weiteres jede Rückerstattung auszusetzen. Die maßgebenden deutschen Instanzen haben Verhandlungen eingeleitet, um«ine Aufhebung dieses Entschlusses der Nheinlandkammissson herbeizuführen. Daß die rechtswidrigen Sanktionen deutsche Privatpersonen schädigen sollen, war bisher noch nicht so offen zugegeben worden.

Türkische Sonüerfrieöensschlüsse? konstanlinopel. 2. Januar. (Reuter.) Die aus Angara vor- liegenden Nachrichten scheinen eine st a r r e Haltung der Angoro- regierung anzuzeigen. Die Nationalversammlung von Angara hat eine sechsstündige geheime Sitzung abgehalten, in der die Lausanner Verhandlungen erörtert wurden. Jsmet Pascha soll instruiert worden sein, auf der unveränderten Aufrechterhaltung des Nationalpaktes zu bestehen und mit den Mächten, die bereit sein würden, die Bestimmungen dieses Paktes zu unterschreiben, einen Sonderfrieden abzuschließen.

Unser neuer Roman. Die Distanz der Gegenwart zum Weltkrieg ist(zeillich und geistig) noch eine so geringe, daß die Mehrzahl derer, die ihn über- lebt haben, sich bemüht, ihn zu vergessen. Nur jene, denen der Mord Erfüllung bedeutete, denen seine Wiederkehr Sehnsucht be- deutet, die uniformierten Strategen der Etappe und die zivilen der Bierbank halten an der blutigen Vergangenheit fest, die ihnen eine glänzende scheint. Kein Wunder: uns, dle Ueberrcste des Kanonen- futters, schmerzt jede Berührung der kaum vernarbten Wunde. Die Medaillen des Ludendorff tun ihm nicht weh, wenn er sie klirren Wenn aber die Gestaltung eines vierjährigen Menschenleids so stark ist, daß es unsere Distanz zum Weltkrieg erweitert, wenn der Schmerz durch seine Unmittelbarkeit potenziert fühlbar, durch die Form, in der er wieder auflebt, künstlerisch gemildert wird, dann empfinden wir die Erinnerung an das Weltleid sogar al« heilige Pflicht. Solange jene mit ihren Medaillen klimpern, müssen wir unserer Wunden gedenken. Gewiß hat der Roman Drei Soldaten" nicht nur seinem künstlerischen Wert, sondern auch seiner menschlichen Unmittelbar- keit die große Beliebtheit zu verdanken. Er hat in Amerika Aus- sehen erregt" so äußert sich drüben auch ein künstlerisch ehrlicher Erfolg. In Europa wird die Begeisterung für I o h n d o s P a s s o s der Verfasier ist Amerikaner spanischer Abstammung stiller, aber ebenso warm sem Zum erstenmal wird hier mit der Lüge von derfreien Demokratie des Westens" aufgeräumt. Wir erfahren, daß die Bestialität des amerikanischen Militarismus gelegentlich jene unseres heimischen noch übertrifft.. Der große Vorzug dieses Romans ist ein ungewollt pädagogischer: er lehrt, daß jeder Mili- tarismus Lüge und Gewalt ist: daß der amerikanische Kapitalismus feine Opfer genau so behandelt, wie der deutsche uns. Er erzählt nicht nur das Schicksal dreier amerikanischer Soldaten, sondern das aller Soldaten der Welt, ohne Unterschied der Uniform. Wir sehen: ob einer Khaki oder Feldgrau trug er war das Opfer der Kanonenkönige, ihrer Zeitungen, ihrer Theater, ihrer Propa- ganda. Unsere Kriegspriester belogen uns in deutscher Sprache, die amerikanischen logen lauf englisch . Knechtschaft, Hunger. Wunden und Tod haben wir olle gleich gelitten. Jeder Kriegsteilnehmer liest w denDrei Soldaten " seine eigene Geschichte. John dos Passos stellt die große internationale Einheitsfront de» Kanonenfutters' her. Die Tendenz ist nicht beabsichtigt und nicht ausgesprochen. Der Krieg ist nicht Inhalt, sondern Hintergrund. Er wird nicht ge- schildert, er macht nur das Schicksal des einzelnen typisch und all- gemein. Er bildet nichtdie Handlung". DieHandlung" dieses Romans ist das große gemeinsam« Leid des Proletariers, der wehrlo» der Lügenfabrikation des Kapitalismus ausgeliefert ist. _ R th. Die Siloersterpremiere im Schauspielhaus brachte des schon sehr lange verstorbenen AngelysFest der Handwerker" und GlaßbrennersPolterabend". Glaßbrenner hat Angely einmal einekleine dramatisch« Heuschrecke" genannt, dieine Felder des guten Geschmacks verwüstet". Auf uns wirkt er nicht mehr ver- wüstend, weil wir seine Sünden gegen den guten Geschmack schon