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Str. 240. Jahrgang

Beilage des Vorwärts

Das Eisenbahnwerk im Grunewald.

Werkstättenromantik.

Mittwoch, 3. Januar 1923

tommen Wohnung! Wie kommt das denn? Lacht da nicht so'n Bengel?" Leider hat der Tischler Jung auch noch hinzugefügt, ob er etwa 500 mt. bezahlen solle?" Das brachte ihn auf die An­flagebant.

Tischler Jurtg, der den Kopf auf den Armen, gebrochen seines Urteils wartet, wird freigesprochen, und die majestätischen jungen Herren des Wohnungsamtes werden aus der Begründung des menschlichen Richters, so sachlich und juristisch ihre Form war, beim besten Willen keine Liebeserklärung für sich heraushören können.... Die Streiklust der Markthallenhändler. Ein zweischneidiges Schwert.

Wer durch die Eisenbahnwerkstatt Grunewald wandert, den geprüft. So wandern sie ins Cohnbureau und in die kalkulation. weht ein Hauch an aus jener Zeit, in der es noch keine hochragenden Die ausgegebenen Materialien sind auf Betteln verzeichnet, die bei Hallen, keine Schnelldrehstähle und feine wissenschaftliche Betriebs- der endgültigen Abrechnung verglichen und kontrolliert werden. Ein führung gab, als noch die Meisterwirtschaft mit ihrer Geheimnis- feines Neg von Kontrollen überspannt den ganzen alten Betrieb. tuerei herrschte und der Achtstundentag wie ein unerreichbares, ja, Sorgfam werden die Selbstkosten aus der Summe von Material undenkbares Ideal in weiter Ferne lag. kosten, Lohn und Werkkosten errechnet und dem Auftraggeber, d. h. den Staat vom Lieferanten, d. h. von demselben Staat angefreidet. Das scheint nugloses Spiel zu sein, aber die Höhe der Unkosten, die die Reichsbahn hat, spricht ein gewichtiges Wort bei der Tariffest­fezung mit, die den einzelnen im Staate trifft, der die Bahn benutzen Die ftreifenden Standinhaber der Zentralmarkthalle hatten will. Aber der Geist der Neuzeit verlangt nach mehr: er hat auch gestern eine Versammlung, in der sie zu der vom Magistrat ge­diesem alten Wert die Inderzahlen beschert und nun wird der Geld- schaffenen Not standsaktion Stellung nahmen. Sie glaubten, entwertung folgend auf Grund all der Unterlagen, die eine wiffen dem Magistrat einen Mißerfolg prophezeien zu können. Inzwischen schaftliche Betriebsführung herbeischafft, der Wert jeder Arbeit und nicht zuletzt der Wert des Werkes selber unter Berücksichtigung der hat der Polizeipräsident an die Obst, Gemüse-, Fisch- und Abschreibungen festgefeßt, denn- am 1. April vorigen Jahres Räucherwaren- Großhändler der Markthallen folgende Mahnung wurde die Eröffnungsbilanz dieses ehemals föniglichen" Werkes gerichtet: aufgemacht.

Ein ,, fönigliches Wert" war es, das hier im Jahre 1878 in Be­trieb genommen wurde: niedrige Hallen, enge Gänge, schmale Treppen. Der Boden der Werkstätten mit roten Ziegeln gepflastert. Damals sicherlich überaus modern, heute fast romantisch wirkend im Bergleich mit Werkstätten, die allen Anforderungen unserer Zeit sowohl in technischer als auch in hygienischer Hinsicht entsprechen. Und inmitten dieser romantischen" Mauern stehen die Vertreter Der Neuzeit, Lokomotiven, die schon ernsthafte Arbeit geleistet haben, und die der sorglichen Behandlung bedürfen, um ihre Leistungsfähig feit zu behalten, Personen- und Güterwagen, denen man die Kilo­meter ansieht, die ihre Räder in schnellem Lauf durcheilten, und nicht zuletzt Menschen, die hier Tag für Tag schaffen, um das Ganze in Bewegung zu halten. Der Geist der Neuzeit will in diese alten Bauten eindringen. Es soll rationell, wirtschaftlich, fparfam gear­beitet werden. Zu einem großzügigen Umbau, bei dem alle Wünsche, die nur irgendwie verwirklicht werden können, Berücksichtigung fin­den, ist kein Geld da. So beschränkt man sich darauf, hier eine Ab­teilung zu verlegen, dort Abteilungen zusammenzufassen, organisier das Transportwesen im Innern des Werkes, baut hier und da neu Gebäude, die zwar neuzeitlicher anmuten, sich aber sonst in den nun

einmal gegebenen Rahmen fügen, vereinigt Werkzeugmaschinen zu verwendet das Altmaterial so vorteilhaft als möglich, aber überall ist und bleibt es eng und schmal, nirgends fühlt der Geist sich frei. Und in all diese Enge hinein wird nun versucht, mit bewunderns. würdiger Energie nach den Methoden der wissenschaftlichen Betriebs­führung zu arbeiten. Troß aller Mängel, die seinem Alter entsprin­gen, will auch dieser Staatsbetrieb beweisen, was er zu leisten ver­

mag.

Wissenschaftliche Betriebsführung.

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Man geht daran, alle Arbeitsverfahren zu durchforschen, die sich aus der Eigenart des Reparaturbetriebes ergeben, der ja viel elasti­fcher sein muß als ein Betrieb, der auf die Fabrikation eines neuen Stüdes eingestellt ist. Man durchforscht die Wärmeverwendung und hofft Millionen zu ersparen. Man gestaltet den Bureaudienst um, und in den alten Räumen flappern moderne Bureaumaschinen. 3u guterlegt werden Zeitstudien ausgeführt, um eine möglichst gerechte Entlohnung der Schaffenden zu ermöglichen. Der Meister, der zur Geburtsstunde dieser Werkstätten ein kleiner Gott war, erhält einen fleineren Aufgabenfreis zugewiesen, der dafür von ihm um so gründ­licher bearbeitet werden muß. Arbeitsverteiler und Kalkulatoren unproduttive Arbeiter nannte man fie früher verteilen die Ar­beiten mit Gedinge- und Lohnzettel, und fordern die Materialien an. Sie rechnen und rechnen; die Arbeitsausführung zu überwachen aber ist des Meisters Sache. Durch diese Entlastung des Mei­sters in Verbindung mit sachgemäßen Zeitstudien wurden in einem Jahre 10% Millionen Mark eripart. Die Mart ist nun zwar fein Maßstab, vielmehr eine Gummiſtrippe, aber Ersparnisse sind sicher zu verzeichnen. Ueberall im Werte stehen Kontrolluhren, Bünktlich feit und Disziplin erheischend. Ordentliche Ausführung der Arbeit, ehrliches Schaffen versteht sich für jeden denkenden Arbeiter von selbst. Dem feines Wertes bewußten Arbeiter ist jede Kontrolle in tiefster Seele zuwider. Sein Menschentum wehrt sich gegen das wissenschaftliche Erfaktwerden durch Zahlen. Allein, es ist wieder der Geist der Neuzeit, der sich mit solchen nicht mehbaren Dingen

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Man sieht, das mittelalterliche Aussehen des Werkes entsprach früher vollkommen seiner Betriebsführung. Der neue Geist hat alten Formen neuen Inhalt gegeben. Er wird sie zur rechten Zeit sprengen, Form und Inhalt werden dann in Staat und Betrieb eine vollkommene Einheit bilden.

Der Brief an das Wohnungsamt.

Ein Mensch als Richter, ein Mensch als Angeklagter. Ein Tischler Jung, hager, ein Abgearbeiteter des heutigen Deutschlands , dem die Not aus Rock und Stiefeln sieht. Er hat einen beleidigen­den" Brief an ein Wohnungsamt geschrieben und soll nun dafür büßen. Der Vertreter der Anklage muß die Beamten" in ihrer Ehre schützen. Ei ja. Der Lischler war im Felde, hat verschiedene Knage" abbekommen. Dann später im Frieden noch einmal einen aufs Dach", durch einen Unglücksfall. Nun ist das Gehör, vom Fabriflärm ohnehin getäubt, nicht mehr gut, die Nerven find frant und das Herz schadhaft. Solche Leute fahren schnell auf, und leicht geht der Zorn mit der haltlosen Konstitution" durch. Tischler Jung hat Frau und Kinder. Seinem Handwerk ist er nicht mehr recht gewachsen. Ein Versuch, in Bayern eine neue Eristenz zu gründen, mißlingt. So borgt er sich von Verwandten ein bißchen Geld und versucht sich durch das Gewerbe aufrecht zu erhalten, das in der gleichen Fällen mit Vorliebe herhalten muß. Er macht ein Schank­Total auf, wird betrogen und muß nach drei Monaten verkaufen. Es geht nicht anders. Und, Gottlob, ein Käufer findet sich, natürlich ein Ausländer.

Aber da fommt das Wohnungsamt". Will jemand behaupten, daß Wohnungsämter Musterbeispiele von schneller, höflicher und unparteiischer Erledigung sind? Tischler Jung will es nicht be­haupten. Man hat den Bersinkenden mit Formalien gequält. Junge Herren, ach viel jünger und gesünder als Tischler Jung, haben ihn angepfiffen, wie weiland auf dem Kasernenhof. Sie haben ihm als Verbrechen" gegen die Geseze und vor allem gegen die maje stätische Autorität des Wohnungsamtes bezeichnet, was feiner volts tümlichen Meinung nach nur ein Mittel mar, sich und die Seinen vor dem Berhungern zu schützen. Weder Wohnungs- noch Ver­faufserlaubnis war von den Herren zu erlangen, obgleich Tischler Jung ganz gewiß alles nach Recht und Gesetz machen wollte. Alles dies schreit der Angeklagte hysterisch in den Schöffengerichtssaal. und der menschliche Richter wiegt doch bedenklich das Haupt, als der Angeflagte" weinend schildert, daß die allmächtigen Götter des Wohnungsamtes auch seine Bitten um die nötigen Vermerke zur Erlangung von Lebensmittelfarten höhnisch und grob abgewiesen hätten. Nein, das ist hier ein sehr ehrlich und grimmig überzeugend wirkender Ausschrei, wie er Tausenden fleiner Beute" in Berlin feit Jahren nun fast die Brust sprengt. Tischler Jung schrieb seinen Alles, was in den Werkstätten an Lokomotiven und Wagen be- Brief und es waren darin Säge zu lesen, wie wir müssen die triebsfähig gemacht wird, ist auf Taufenden von Zeffeln genau ver­zeichnet. Die Kontrolluhr hat auf die Zeitkarte Arbeitsbeginn und Groschen bezahlen, damit die jungen Herren vom Wohnungsamt sich Ende für jeden einzelnen gestempelt. Jeder Arbeiter hat feinen ahlen können und Wer heut' ne Wohnung braucht, wird gründ­Lohnzettel ausgefüllt, auf ihm die geleistete Arbeit und die Stunden- lich angehaucht und der Wohnungsamtzirkus ist purer Schwindel" zahl angegeben, die Meister haben jeden Zettel auf seine Richtigkeit und Ausländer, Slowenen, Slowaten und anderes Pac, die be

nicht zufrieden geben will. Er wünscht durchaus alles schwarz auf meiß zu sehen. Und schließlich mag alles bei einigem Geschick zur Zufriedenheit der Arbeiterschaft und der Betriebsleitung gelöst wer­ben tönnen, und endlich können die Betriebsräte hier zeigen, wie weit sie ihren Aufgaben gewachsen find, wenn Differenzen entstehen. Das Kontrollnet.

( Nachdruck verboten. Der Malit- Berlag, Berlin .)

1]

Drei Soldaten.

Bon John dos Passos .

1. Die Form wird gegossen.

1.

"

"

Die Stimme des Leutnants brach mit einem harten Stattato ab.

Des Sergeanten Hand erhob sich zum Gruß, wie das Haltesignal eines Zuges.

" Dem Recht des Handels auf ungestörte Ausübung seiner Lä­tigkeit und auf Schutz derselben durch den Staat steht die Pflicht gegenüber, auch die in seinen Händen ruhende Versorgung der Bevölkerung tatsächlich zu erfüllen. Der begonnene Streif geht, nach Darstellungen des Magistrats, von falschen Voraussetzun gen aus. Die Stadt treibt feine Gewerbe mit der Vermittelung der Stände, fie darf gesetzlich nicht mehr dafür nehmen, als ihre Selbst­fosten betragen. Nur durch die Papiergeldentwertung gezwungen, hat sie die Standgelder erhöht, um die Erhaltung der Markthallen zu sichern. Die nötig gewordenen Aufschläge sind so bemessen, daß fie die Unfoften nicht einmal pöllig decken. Im Verhältnis zum Preise der Waren sind sie so gering, daß der Kleinhandelspreis da durch nur un vesentlich erhöht wird. Eine Einstellung des Handels licher Erlaubnis zum Handel zugelassen sind, setzt heute doppelt wert­feitens fämtlicher Großhändler, die auf Grund besonderer behörd= volle Vorräte an Lebensmitteln der Gefahr des Verderbens aus und gefährdet bei längerer Dauer die Versorgung der Bevölkerung der Stadt. Händler, die ohne Not zu einem derartigen, das Gesamt­wohl im höchsten Grade bedrohenden Mittel greifen, müssen für un­zuverlässig im Sinne der Bekanntmachung über die Fernhaltung unzuverlässiger Personen vom Handel vom 23. Sep­nicht die erforderliche Einsicht dafür aufbringen und nicht im Laufe tember 1915 angesehen werden. Sollte der beteiligte Großhändler des heutigen Tages die durch seine Zulassung zum Großhandel der Bevölkerung gegenüber pflichtungen erfüllen, so sieht sich der Polizeipräsident ge­übernommenen Ver. zwungen, auf Grund der angezogenen Bekanntmachung mit Han. belsuntersagung vorzugehen."

händler belehren, daß der Streit für sie zu einem zweischneidigen Diese Bekanntmachung des Polizeipräsidenten dürfte die Groß­Schwert werden kann.

Das Ende der Auguft- Klause."

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Eine Lasterhöhle schlimmster Art wurde in der Nacht zum Sonntag im Zentrum der Stadt aufgehoben. Es handelt sich um die August- Klause" in der Auguststraße, deren Inhaber, der 35 Jahre alte Schankwirt Friz Bod wegen schwerer Kuppelei fest­18 Jahren, die sich bei ihm verborgen hielten. Unter diesen be= genommen wurde, ebenso eine Anzahl junger Burschen unter fand sich ein noch nicht 14 Jahre alter Junge, der seinen Eltern entlaufen war und bei Bod Unterschlupf gefunden hatte. Auf eine Anzeige der Eltern und mehreren anderen Beschwerden hin, schritt die Kriminalpolizei zur Aushebung des übel berüchtigten Lofals. Bock betrieb das Lokal zusammen mit einem Klavierspieler Albert Schnell, der in den Kreisen der Homosexuellen sehr be= fannt ist. Auf Inserate in der Freundschaft" hin hatten beide, die Zuspruch von anders veranlagten Männern. Schnell sorgte nun das dort angenehmen Aufenthalt für Ausländer" ankündigten, regen für, daß dieje junge Burschen antrafen, die von ihm und Bock zum Teil gewaltsam nach dem Lokal verschleppt wurden. Während das Lokal zunächst einen ganz unauffälligen Eindruck machte, spielten sich in einer eller stube, die durch eine Fall­tür hinter dem Schanktisch zu erreichen mar, müfte Orgien ab. In diesem Kellerloch wurden auch beim Einfallen der Kriminalbeamten wieder mehrere jungen Burschen angetroffen. Bock unterhielt außer diefer Lasterhöhle auch noch ein Ruppelquartier in der Elsaffer Straße, wo er eine Anzahl mäbchen untergebracht hatte. Er wurde festgenommen und sein Lokal geschlossen. Sein Helfershelfer, der Klavierspieler Schnell, befand sich wegen eines Augenleidens in einem Krankenhause.

Weiß nicht bißchen rumgehen und' mal in ein Rino schauen," antwortete der und füllte seinen Mund mit einer dicen Kartoffel.

,, Donnerwetter, jezt ist's aber Zeit, sich hier zu verziehen," hörten sie eine Stimme hinter sich.

Fuselli stopfte sich den Mund schnell noch so voll, wie es eben nur ging und warf den Rest seines Essens widerwillig in einen Abfalleimer.

" Kompagniii... abtreten!" sang es aus ihm heraus. Die aufmarschierte Linie der Soldaten in Rakhi löste sich in eine Masse verschiedener Individuen mit staubigen Schuhen und staubigen Gefichtern auf. Zehn Minuten später schwenften fie ab und marschierten in Gliedern zu je vieren zum Essen. Einige Augenblicke später stand er stramm in einer Einige rote Reihen elektrischer Birnen warfen ein trübes Licht Kathireihe, die genau so aussah, wie die hundert anderen durch den Staub in die bräunliche Dunkelheit; die langen Kathireihen, die den ganzen Paradeplatz füllten; das Signal­Tische und Bänke strömten einen unbestimmten Geruch von horn am anderen Ende, wo die Fahnen aufgestellt waren, Abfall aus, der sich mit dem Geruch der Desinfektionsmittel, tönte laut. Irgendwie erinnerte es ihn an den Mann hinter mit denen man die Tische nach der lekten Mahlzeit abge- dem Schreibtisch im Anmerbebureau, der damals, als er ihm maschen hatte, zu einer unangenehmen Mischung vereinigte. Die Marschpapiere aushändigte, gesagt hatte: Ich wünschte, Die Soldaten, die ihre ovalen Eßnäpfe vor sich hielten, standen ich könnte mit ihnen gehen" und der eine weiße, fnochige in langen Reihen an den großen Zinkbalken der Tür, aus der Hand hinhielt, die Fuselli nach furzem Zögern in seine eigene in regelmäßigen Abständen von einem schweißtriefenden Kom- braune Tage genommen hatte. Der Mann hatte voller Be pagnietoch in blauem Kittel Fleisch und Kartoffeln in die geisterung hinzugefügt: Es muß großartig, mirklich groß­Teller hineingespritzt wurden. artig fein, die Gefahr zu fühlen, die Möglichkeit, jeden Augen­blick sein Leben zu verlieren! Viel Glück, mein Lieber! Biel Glück!"- Fuselli erinnerte sich recht unangenehm an das papierweiße Gesicht und an den grünlichen Schein seines fahlen Kopfes; aber die Worte, diese schönen Worte, hatten ihm die Brust schwellen lassen, und als er das Lokal verließ, hatte er sich wie eine harte Bürste an einer Gruppe von Männern vorbei durch die Tür hinausgeschoben. Sogar jetzt noch gab ihm die Erinnerung, die mit den Klängen der Na­tionalhymne in ihm aufwuchs, ein Gefühl von Wichtigkeit und Bedeutung.

Die Kompagnie war aufmarschiert, jeder einzelne Mann sah geradeaus vor sich auf den leeren Paradeplag, wo die aufgeschüttete Rotsschlacke vom Rot des Abends überleuchtet wurde. Der Wind, der den Geruch von Baracken und Krankenhäusern mit sich trug, schmeckte leicht nach dem ett der Feldküche. Auf der anderen Seite des weiten Feldes schoben sich lange Linien von Männern langsam in eine schmale hölzerne Baracke, die als Speiseraum diente. Das Rinn angelegt, die Brust heraus, die Beine zuckend und er müdet vom Nachmittagsererzieren, stand die Kompagnie in Reih und Glied. Sie starten alle geradeaus, mit vagen, refignierenden Blicken; manche versuchten, sich zu unterhalten, Mach heut Nacht nich so'n böses Gesicht," sagte Fuselli indem sie jeden Gegenstand in ihrem Gefichtsfeld sozusagen zu dem Manne ihm gegenüber und frempelte sich die Aermel mit den Augen notierten-: die ausglühenden Aschehaufen, auf, während er sich über das dampfende Effen beugte. Er die langen Schatten der Baraden und Speisehäuser, wo man war ein strammer Bursche mit frausem Haar und breiten die Leute herumstehen sah, spuckend, rauchend, sich an auf- Lippen, die er hungrig beim Essen mit der Zunge beleckte. gestellte Wände lehnend. Es war so still, daß man die Taschen­uhren tiden hören konnte.

Irgendeiner bewegte fich und machte mit seinen Füßen ein fnirschendes Geräusch auf dem Aschengrund.

Die Stimme des Sergeanten bellte: Stramgestanden! Haltet die Beine zusammen!"

Die Leute, die dem Sergeanten am nächsten standen, fahen ihn aus den Augenwinkeln heraus an.

3wei Offiziere, ganz weit draußen auf dem Paradeplatz, näherten sich. Ihre Gesten und Bewegungen zeigten den auf marschierten Soldaten schon von weitem, daß sie über irgend etwas sehr Amüsantes sprachen. Einer der Offiziere lachte findisch, drehte sich um und ging langsam zurück über den Paradeplag. Der andere, der Leutnant, fam lächelnd näher. Wie er vor der Kompagnie stand, verließ das Lüchein seine Lippen; er schob das Kinn vor und machte seine Schritte schwer und hart.

Eergeant, Sie können die Kompagnie abtreten laffen."

"

Laß doch," sagte der rosige, blondhaarige Jüngling ihm gegenüber, der feinen breitrandigen Hut mit einer gewissen Lebhaftigkeit schief auf der einen Seite des Kopfes frug. Ich habe einen Urlaubschein für heute," sagte Fuselli und warf feinen Kopf stolz empor.

" Du willst dich wohl' mal richtig amüsieren?" Mensch... ich habe ein Mädchen zu Hause, hinten in Frisco*), ein gutes Kind."

" Hast recht. Man darf sich mit den Mädels in dieser gottverfluchten Stadt nicht einlassen... find alle nicht sauber. Das heißt, wenn man übersee gehen will." Der blond haarige Jüngling beugte sich voll Ernst über den Tisch.

Ich will mir noch was zum Fressen holen. Warte auf mich," sagte Fuselli.

Was willst du in der Stadt anfangen?" fragte der Blond­haarige, als Fuselli zurückfam.

*) Frisco

amerikanische Abkürzung für San Franzisto

Rechts schwenkt! Marsch!" tam ein Befehl. Knirsch... ging es durch den Kies. Knirsch.. Die Kom­pagnie marschierte zurück zu ihren Baraden. Er wollte lächeln, weil er bis Mitternacht Urlaub hatte, weil er in zehn Minuten außerhalb des Gitters sein würde, außerhalb des grünen Walles und der Wachen, außerhalb des strengen elektrischen Drahtes. Knirsch... knirsch... fnirsch: oh, wie waren sie langjam beim Rückmarsch zu den Baracken, und man verlor so viel Zeit, kostbare, freie Minuten! Hopp, hopp, hopp!" schrie der Sergeant und starrte, mit seinem aufreizenden Bul­doggenausdruck auf dem Gesicht gerade immer dorthin, wo irgendeiner aus dem Schritt gekommen war.

( Fortsetzung folgt.)