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hatte, und selbst diese Zeitung nur in kurzem Auszüge." So wirft man sich gegenseitig Mangel an Loyalität, Paktieren mit den Juden usw. vor und stellt mitlebhafter Freude" die Schadenfreude dritter fest. Prächtig« Leute, diese Wlkischen,Vol- tischen" und Deutschnationalen, cherr von Freitagh-Loringhoven hatte also doch recht, als er in einem Augenblick der Selbsterkenntnis Neid und Dummheit die Haupteigenschaften dieser seiner Sippschaft nannte. Der falsche Weg. In einer Betrachtung über die gegenwärtige Lage schreibt der PariserTemps  ": Wenn man die Lage untersucht, erkennt man, daß ihre zahl- reichen Gründe all« zusammen sich auf elnen Hauptgrund zurückführen lassen, aus die Zahlungsunfähigkeit Deutschlands  . Und warum schließlich ist Deutschland   zahlungsunfähig? Der deutsche  Staat ist deshalb zahlungsunfähig, weil er diejenigen, die die Ent­wertung der Mark bereichert hat, nicht zum Zahlen bewegen konnte oder wollte. Anderenfalls würde Deutschland   Kredit finden. All- mählich würde sich alles einrenken, und England wäre in einer wenigen großen Verlegenheit, wie es die Dereinigten Staaten be- Zahlen soll. Alles in allem handelt es sich also darum, festzustellen, warum gewisse Deutsche nicht bezahlen, was sie müßten. Sie werden da» nur tun, wenn sie dazu gezwungen werden. Die Aeußerungen des offiziösen Pariser Organs sind be- Zeichnend für die verkehrte Denkweise der maßgebenden fran- Zösischen ftreife. Zugegeben, daß eine gewisse kapitalistische Schicht in Deutschland   von der Entwertung der Mark profi- tiert und sich jeder Gesundung der Wirtschaft und der Politik b-ndernd in den Weg stellt. Glaubt aber derTemps", daß er M«f« Kreise trifft, wenn er eine Aktion unterstützt, die dem kapitalistischen   Spekulantentum und der nationalistischen Re­aktion nur neues Wasser auf ihre Mühlen leitet? Sitzung üer Reparationskommifllon. Erklärungen der deutschen   Vertreter. Pari», 8. Januar.  (EE.) Die Reparationskommission trat heute um 3 Uhr nachmittags zu einer Sitzung zusammen, um die beut- schen Sachverständigen in der Frage der Kohlenlieferungen anzuhören. Der französische   Text des Derhandlungsberichts erwähnt, daß in eingehender Aussprache, die bis 6,20 Uhr dauerte, die Mit- glieder der Kommission, die vollständig vertreten waren, mit den deutschen   Delegierten debattierten. Anwesend waren von deutscher  Seite die Herren Walmischrath, Bromkowsky, Geheimräte Ruppel und Richter sowie die Mitglieder der Kriegslastenkommission n. Ortzen, Fischer und Dr. Meyer. Die Reparationskommission faßte den Beschluß, morgen noch den Direktor de» Kohlensyndikats Lübsen um 9,Sl) Uhr anzuhören, da dieser heute nicht in Paris   eintreffen konnte. Der Sitzungsbericht erwähnt, daß die Mitglieder der Kam- Mission ihrem Erstaunen darüber Ausdruck gegeben hätten, von Deutschland   keine neuen Vorschläge vorgelegt zu er- halten. Bradbury äußerte sich am Schluß der Sitzung dahin, daß er sich seine Meinung bis morgen vorbehalten, sobald er die Aeuße- rungen Lübsen; kennen werde. Di« Reparationskommission steht auf dem Standpunkt, daß mindestens 14 18 Proz. Kohle weniger ge- liefert wurde, als Deutschland   aufgetragen worden sei. Die Italiener sollen«benfall» für den ftanzösischen Standpunkt gewonnen sein und die Verfehlung Deutschland  » bejahen. Keine Sperrung des polnischen Korridors. Der.vosstschen Zeitung" war von privoler Seite mitgeteilt worden, daß der polnische Korridor von den Polen   gesperrt worden sei. Wie die Telegrapben-Union von dem Reicheverkehrkministerium sowie von der Reichebabndirektion Osten erfährt, ist dort von einer Sperrung des KorridorvMkehr« nicht« bekannt. Offenbar liegt auch eine Mitteilung von polnischer Seite über die Sperrung de« Korri- dar» bisher nicht vor. Man sollte bei der Wiedergabe derartiger alarmierender Räch- richten vorsichtiger sein._ Greift Amerika   üock noch ein? London  , 8. Januar.  (EE.) DieFinancial News" wollen aus gut unterrichteter Quelle erfahren haben, daß die amerikanisch« Intervention trotz aller anderslautenden Meldungen der letzten Tag« eine an sich fest beschlossen« Sache s«i und daß Präsi- dent H a r d i n g heute, am 8. Januar, den Alliierten mitteilen werde, die Vereinigten Staaten feien bereit, ihnen b«i dem wirt- schaftlichen Wiederaufbau Europas   zur Seite zu stehen. Paris  , 8. Januar.  (Exa.) Nach Informationen aus Washington  beabsichtigt die amerikanische   Regierung, in den nächsten Tag«n an jede der alliierten Mächt« ein« Not« zu richten, in der sie die ollgemeinen Grundsätze darlegt, nach denen ihrer Meinung nach der Wiederaufbau Europa  » vor sich gehen müsse. Dies« Prinzipien, so heißt es in der allerdings nicht offiziellen Washingtoner Infor- mation, seien folgende: 1. Revision der Reparaklonssrag« vonpraktischen Gesicht». punkten" aus. 2. Möglichst baldige Zahlung der Reparationen in bar an die Alliierken mit Hilfe einer internationalen Anleih« unter der Borau  ». sehung, daß die Gesamtsumme der Reparationen verringert wird. Z. Verringerung der Landstreitkräste Frankreich  ». Die vereinigten Staaten ihrerseits würden dann bereit sein, auf 10 Jahre die Reparationszahlungen und die Zahlung der Zinsen der ihnen von den europäischen   Staaten geschuldeten Summen zu stunden. » Rew park. 8. Januar(Funkspruch.)New Bort Times" meldet au» Washington  : Einig« Senatoren sind der Meinung, Präsident H a r d i n g werde die Resolution des Senators Reed aus Missouri  über di« Zurückziehung der amerikanischen   Truppen vom Nhein zur Kenntnis nehmen. Andere glauben, er werde si« unbe- achtet lassen. Während der Debatte, die der Annahme der Resolution vor- ausging, sagte Reed: Nachdem wir den Friedensvertrag mit Deutschland   unterzeichnet haben, haben wir mit der bewafs- reten Strei:macht auf deutschen   Boden nichts zu t u n. Senator Wadsworth lagt«, der gute Einfluß der amerikanischen   Truppen in der Rheingegend fei unberechenbar. Der glücklich st e Fleck in Europa   sei Koblenz  , und wenn Unruhen ausbrächen, sei die sicherste Stelle in Europa   Koblenz   und Umgebung. Senator Reed(Pennsylvania  ) sprach die Hoffnung au», daß die Truppen sehr bald zurückgerufen werden könnten. Er glaubte nicht, daß aus der Zurückziehung der amcrikanifchcn Truppen die geringste Gefahr oder irgendeine Streitigkeit entstehen könnte. Als unbeteiligter Zuschauer könnte Amerika   in irgendeine Berwick- lung beri'ngezogen werden, woran es kein Interesse habe. In bezug auf dle Möglichkeit de» sranzöfischen Ein» morsche» in da» Ruhraebiet gab Senator Reed der Hoffnung Ausdruck, daß es zu solchem militärischen Vorgehen nicht kom­men werde, da der Fr.ede Europao durch einen solchen Einmarsch »ufs schwerste gefährdet werden würde. Senator Lodge. der für die Zurücknahme ist, sagte, gerade. jetzt sei eine neu« Lag« geschaffen worden, in der«, für Amerika  (
Wilson unö öie Hcheimöiplomatie. Zur Vorgeschichte der Friedenskonferenz.
Der Mißerfolg des Präsidenten Wilson auf der Pariser Friedenskonferenz beruhte zum Teil darauf, daß die europäische  Diplomatie Geheimvert):äge geschlossen hatte, die Wilson und seine Regierung nicht kannten und die sich mit den Grundsätzen vom Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht vereinigen ließen. In diese unüberwindlichen Schwierigkeiten leuchtet Wilsons neues Memoiren- werk hinein, das gleichzeitig in Amerika   und Deutschland   erscheint. Unter dem TitelM emoiren und Dokumente" wird es von Wilsons Freund, R. St. Baker, herausgegeben: die deutsche   Ucber- sctzung hat Dr. Curt Thesing   besorgt, den Verlag Paul List   in Leipzig  übernommen. Ueber diese Geheimoerträge und dos Gegenspiel der Wilsonschen Bestrebungen wird in dem Werk auf Grund bisher un- bekannter Dokumente u. a. berichtet: Man kann getrost behaupten, daß nach Amerikas   Eintritt in den Krieg die Regierungen der Alliierten sich die amerikanischen   Ideen zu eigen machten. Feierlich stimmten sie den Grundsätzen des Präsi- denten Wilson für den Waffenstillstand zu. Die großen demo- kratifchen und Arbeiterparteien gingen in allen Fragen mit ihm zu- sammen, ja es gab sogar in den Regierungen führende Männer besonders in Großbritannien   die ernsthast gewillt waren, ihn zu unterstützen. Als die Friedenskonferenz begann, waren aber bei allen Nationen noch die nämlichen Elemente, vielfach sogar die gleichen Führer, am Ruder, welche die Gcheimverkräge geschloffen hatten. Nicht nur kannten und glaubten die meisten von ihnen noch cm jene alten diplomatischen Methoden waren sie doch ihr ganzes Leben hindurch darin erzogen worden vertrauten sie doch im weitestem Umfange den militärischen Methoden, die sie gleichfalls aufs beste beherrschten wichtiger als dies alles war, daß diele Geheim- vertrüge die wahren Ansichten, die wahren Wünsch«, die als wahr erkannten Notw« ndigkeiten der ver- schiedenen Regierungen widerspiegelten. Denn was ein Mann oder ein« Nation heimlich wllnfcbt, ist Wirklichkeit, was sie sagen, ist nur Schein. Es genügt zu erwähnen, daß trotz völliger Wandlung der Verhältnisse im Berlauf des Krieges, trotz Amerikas  Beitritt und trotz allgemeiner Anerkennung der amerikanilchen Grund- sätze, trotz des Ausscheidens Rußlands   als mitsprechenden Faktor beim Friedensschluß, trotz Oesterreich-Ungarns vollständigem Zu- sammenbruch, ja sogar trotz wiederholten öffentlichen Widerrufs der Geheimoerträge, dennoch die von den verschiedenen Rationen im verlauf der Frieden». konserektz geforderten Bedingungen genau dem Inhalte jener Geheimverträge entsprachen. Erst wenn man das, was in diesen alten geheimen Verträgen nieder- gelegt war, als eine Eonäitio sine qua non erkannt hat, wird man die ganze Bühne des Pariser Dramas wie von Hellem Rampenlicht überflutet erblicken. Es ist fürwahr erstaunlich, daß sich in allen bis- herigen Veröffentlichungen über die Friedenskonferenz weder ein vollständig«? noch entsprechender Bericht dieser Geheimabkommen, noch eine treffende Abschätzung ihrer Wirkung auf die Beratungen findet. Der Gründe hierfür sind verschiedene: 1. Die Geheimberichte der Friedenskonferenz in denen alle wichtigen Verträge beraten wurden waren bisher niemand zugänglich, daher war es für die verschiedenen Autoren auch unmöglich, zu beurteilen, wie viele Tage und Seiten diesen endlosen Kontroversen, die darum tobten, gewidmet waren. 2. Einige Autoren, die zwar von dem Vorhanden- sein gewisser geheimer Abmachungen Kenntnis hatten, ziehen es trotz. dem vor, in dieser Geheimniskrämerei, so gut es eben geht, zu vc'r- harren, und verkleinern deren entstellenden Einfluß auf die Kon- ferenz. Man mag nur M. Andre Tardieus dickleibiges Werk, das erDie Wahrheit über den Friedensvertrag" benennt, durch- arbreiten, der Leser wird auch nicht em« Spur eines Geheimver- träges zu entdecken vermögen, vhn« Kenntnis dieser Verträge jedoch ist jedes wahre Verständnis dessen, was sich wirklich in Paris  ereignet hat, ausgeschlossen. Zwei der hauptsächlichsten Konflikt« dortselbst, über das italienische und das japanische Ab- kommen, sind in der Hauptsache auf das Vorhandensein von ge- Heimen Verträgen zurückzuführen. Die düsteren Spuren der SchlangeGeheimdiplomatie" der ersten Kricgstage enfftellten auch di« Debatte über die deutschen Kolonien und die Nieder- losfungen in der Türkei   und spielten überhaupt bei allen anderen wichtigen Streittrogen ihre verderbliche Rolle. Es war ein felttam heimtückisches Element, das der vollen veffentlichkeit der Verhandlimgen entgegenwirkte, denn es barg in sich Ziele, welche die europäischen   Machthaber öffentlich nichi zu diskutieren wagten. Es beengte und hemmte die Sachverständigen, es zwang selbst die führenden Staatsmänner Europas  , hohe Einsätze gegeneinander zu wagen und zu verlieren. Das Studium der umfangreichen Bericht« des Zehner- und Viererrates in Paris   hinterläßt als stärksten Eindruck jene Vergeudung von Zeit kostbarer Zeit, un- schäbbarer Energie veftchwendet bei den Versuchen, Wege zu finden, sich über, durch oder um diese alten geheimen Fallstricke zu winden. Dort und nicht bei den Verhandlungen über den Völker- bund ging die Zeit verloren. Es ist zum Veisrnel schlechterdings unmöglich, die Umstände zu begreifen, unter denen solch kleine Staaten wie Serbien   und Rumänien   in die Konferenz ein- traten, sowie die Haltung und Doppelzüngigkeit der Großmächte ihnen gegenüber zu verstehen, ohne volle Kenntnis des Geheim- vertrage» mit Rumänien   und der Sorgfalt, mit der dieser Vertrag sogar vor S e r b i ep verborgen wurde, einem Ver- kündeten, der gerade damals bis zur äußersten Grenze seiner Leistungsfähigkeit gegen die Zentralmächte kämpfte, obwohl gerade Serbiens   Interessen einschneidend von diesem Vertrage berührt wurden. Wenn man die nachfolgende Unterredung, die sich kurz nach Eröffnung der Konferenz im Zehnerrat abspielte, betrachtet, enthüllt sich einer der schamlosesten Vorgänge des gesamten Krieg«?: Desnitch(der serbische Delegierte) hat mit Bedauern zur Kennt- nls genommen, daß die rumänische Delegation die Ansprüche ihres Landes zum Teil auf das Geheimabkommen von ISIS stützt. Ms dieler Derttag abgeschloffen wurde, kämpft« Serbien   an der Seite der Alliierten, ohne irgendwelche Sicherheiten zu ver- langen, im festen vertrauen, daß nach Beendigung des Krieges ein Friedensvertrag nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, nach den Grundsätzen der Selbstbestimmung der Nationen und In Ueberein- stimmung mit den feierlichen Versprechungen der Alliierten geschloffen würde. Elemenceau bemerkt, daß es ihm unbekannt wäre, daß es sich bei dem Abkommen von ISIS um einen Geheimoertrag gehandelt hätte. Wcsuitch entgegnet, daß dieser Vertrag nicht nur niemals veröffentlicht worden sei, sondern daß ihm, so oft er als Vertreter einer verbündeten Macht auch im Ministerium des Äußeren vorgesprochen hätte, um sich nach den Bedingungen de» Vertrages
zu erkundigen, stets die Auskunft erteilt worden sei, die Bedingungen dieses Vertrages könnten nicht bekanntgegeben werden. Bratianu  (der rumänische Delegierte) erklärt, daß die Vcrhand- lungen über die Ansprüche Rumäniens   bereits 1316 in London   begonnen hätten, später aber noch Petrograd   verlegt worden seien, da Petrograd   für die Untersuchung der östlichen, speziell der serbischen   Fragen, für geeigneter befunden wurde. Pichon(der französische   Minister des Aeußeren) verlas dann den letzten Paragraphen des Bertrages, der seine Geheimhaltung bis Kriegsende verlangt. Diese Unterredung zeigt am deutlichsten, welche Atmosphäre des Mißtrauens diese geheimen Verträge in Paris   erzeugt hatten. Der- artige nur gerüchtweise verlautbarten Geschichten infizierten die kleinen Nationen mit Argwohn. Wer konnte wissen, ob nicht noch ander« geheime Abmachungen existierten oder hinterrücks abge- schloffen waren? Wer vermochte zu sagen, ob nicht auch gegenwärtig noch Geheimoerträge getätigt wurden? Doch nicht nur die kleinen Notionen mißtrauten ihren großen Verbündeten, sondern die großen Alliierten beargwöhnten ebensosehr einander. In solch eine Atmosphäre trat Präsucnt Wils- n mit ein-r an die Nationen gerichteten Forderung, einander zu vertrauen und sich gegenseitig Glauben zu schenken. Denn die Grundloge der allen Diplomatie war Mißtrauen, die Basis der neuen, wenn es überhaupt zu einer neuen kommen sollte, müßte wechselseitiges Ver- trauen sein. Dieses gegenseitige Vertrauen aber, von Nation zu Nation, könnt« genau wie das Vertrauen der Menschen zueinander nur auf Wahrhaftigkeit, Offenheit und Klarheit der Ziele beruhen. Ilm   der Wahrheit die Ehre zu geben, sei es gesagt, der dokumen­tarische Beweis hierfür läßt sich leicht erbringen daß diese geheime Diplomatie nicht nur zur Zeit des alten bewaffneten Friedens für Europa   einen Fluch bedeutete, sondern sogar fast d«u Verlust des Weltkrieges für di« Alliierken herbeigeführt hätte. Denn sie erzeugte in allen Ländern, besonders in Groß- britannien und Italien  , tiefgründige innere Unzuftiedenh'it und Mißtrauen bei der Arbeiterschaft und den liberalen Parteien. Man darf nicht vergessen, daß bei Ausbruch des Weltkrieges die Welt eine völlig andere war als, sagen wir, die Welt Napoleons  , mit einer weit besser disziplinierten, organisierten und ihrer selbst bewußten ar- bettenden Klasse, die in sämtlichen kriegführenden Ländern die Macht des Wahlzettels besaß. So gewaltig waren 1314 diese Gruppen in verschiedenen Ländern erstarkt, daß sie sich direkt im Besitz der politischen Macht befanden(7 Red. d. B.) oder, wie in Ruß- land, vor einer Revolution standen. Sie waren Gegner des ge- samten alten militaristischen und diplomatischen Systems. Gleich Präsident Wilson forderten sie eineneue Ordnung",«ineneue Welt", wenn sie ihreneue Ordnung" auch in sehr verschiedener Weise begründet. Als der Weltkrieg ausbrach, waren wie mit einem Schlage alle Klassenkämpfe und alle Arbeiterunruhen vergessen in einer finsteien Entschlossenheit, den Eindringlings zurückzuweisen, denn di« preußische Monarchie bedeutet« für sie das Sym- bot alles dessen, was sie haßten. Aber dies« vollständige Einigkeit währte in allen europäischen  Ländern nur kurze Zeit. Die mächtigen Arbeiter- und sozialistischen Parteien fingen bald wieder an, unruhig zu werden. Bon jeher kannten und fürchteten sie die alte Diplomatte und brachten auch ihren Regierungen tiefgründig«? Mißtrauen entgegen. Sogar schon ehe die Existenz von Geheimvertrög«n bekannt geworden war, arg- wähnten diese oppositionellen Schichten, daß es ihren Regierungen keineswegs nur auf eine Verteidigung der alliierten Nationen gegen- über deutschen   Eingriffen ankam, sondern daß sie auch nach Gebiets-* «Weiterungen und eigenem nationalistischen Machtzuwachs strebten. Nur zu bald sollte di«ser Argwohn Bestätigung finden. Neun Mo- nate nach Kriegsbeginn, am 26. April 1315, wurde der Geheimvertrag von London  unterzeichnet, der Italien   in den Krieg führte. Da die euro  - päifchen Demokraten die Italien  (zwangsweise) gemachten Ver- sprechungen wenigstens teilweise kannten, so wußten sie auch, welche Gefahren hinter solchen annexionistischen Vereinbarungen lauerten. Es war ihnen auch bekannt, daß noch andere geheime Abkommen» unter den Alliierten im Gange waren: wie sie vermuteten, ein verkrag mit Rußland   bekreffs konstanlinopel und, wie sie genau wußten, jener vom August 1316, der Ru» m ä n i e n zum Eintritt in den Krieg bewog. Aber si« waren nie sicher, ob sie auch alle Bedingungen dieser Vereinbarungen kannten. Ja, sie vermuteten wie wir heute wissen, mit vollem Recht, daß es daneben noch andere Abkommen gäbe, von denen sie überhaupt keine Kenntnis besäßen. Diese Geheimpolitik veranlaßt« einer- jcits die oppositionellen Gruppen, die Tragweite dieser Vereinoa- rungen zu überschätzen, auf der anderen Seite verhinderte sie ver- antwortliche Staatsmänner w!« A s g u i t h und G r« y, di« Gründ« zu nennen, welche die Alliierten gezwungen hatten, z. B. Italien und Rumänien   Versprechungen zu machen, um sie zu bewegen, an die Seite der Verbündeten zu treten. Es ist ja klar, daß auch die radikalen Gruppen obwohl ihr« Furcht vor Deheimverttägen begründet war sie als willkommene Waffe in dem allgemeinen Kampfe der Opposition gegen die im Amte befindliche Regierung?» gewalt benutzten. Nach dem deutschen   Friedensangebot vom Dezember 1316 forderte Präsident Wilson vom Wunsche beseelt,«inen klaren Ueberblick über die wahren Kriegsziele zu erhalten, und beunruhigt durch Gerüchte von geheimen Abmachungen die Kriegführenden auf, ihre Friedensbedingungen in allen Einzelheiten bekanntzugeben. Am 10. Januar 1317(drei Monate vor Amerikas   Kriegserklärung) liefe die erste umfassende Note der Alliierten ein. Wenn man diese Erklärung mit unseren heutigen Kenntnissen be- trachtet, erstaunt man über ihre völlige Verschwommenheit. Der im April erfolgte Eintritt Amerikas   in den Krieg oerlieh natürlich Mr. Wilsons machtvollen Bemühungen, den Kriegszielen der Xl- liierten neue und aufbauende Ziele zu setzen ihnen eine hohe moralische Prägung zu geben, erhöhte Wirksamkeit. Doch Zweifel und Argwohn der Opposition waren nur für kurze Zeit zur Ruhe gebracht Zteues Material sickerte oft über Feindesland nach wie vor durch daß ihre Regierungen ihnen gegenüber nicht mit offenen Karten spielten, daß die in den Geheimoerttägen getroffenen Abmachungen keineswegs mit Aufstellung der neuen Kriegsziel- crklärungen aufgegeben worden feien, sa, daß e» sogar noch andere geheime Abkommen gäbe, von denen man überhaupt in der Oefsent» lichkeit keine Kenntnis hätte. So veröffentlichte z. B. die alte russische   Regierung(kurz vor ihrem Sturz im Mär, 1317) ein letzter Versuch, um im Volke wieder festen Fuß zu fassen, ein Ver- such, der freilich gerade die entgegengesetzte Wirkung hatte die Slbmochunqen. auf Grund deren die Alliierten insgeheim versprochen hatten. Rußland als Kriegsbeute Konstantinopel  zu überlassen.
bedauerlich wäre, in der Reparationsfrage zwischen Frank- reich und England Partei zu«rgreifcn. Während die Debatte im Senat ihren weiteren Verlauf nahm, wl«» der K r i eg s' e kr« t er die Gerüchte zurück, daß an General Allen We�lungen ergangen lejen über die Zurücknahme der amerika  - Nischen Truppen in dem Augenblick, wo Frankreich   seinen Vor- marsch antrete.
Zweierlei Naß.
Schweidnitz  . 8. Januar.  (MTB.) Die Strafkammer verhandelt« heute gegen 20 Angeklagte, die am 1. Juli auf dem Reichenbocher Marktplatz einen Sturm auf die Polizeiwach« ausgeführt hatten.
Sämtlich« Angeklagten wurden verurteilt, teilweife zu Gefängnis- strafen vis zu einem Jahr neun Monaten. Auch zwei Mitangeklagte Frauen erhielten je ein Jahr Gefängnis. Niemand billigt Krawalle. Aber die Härte solcher Strafen steht in schroffem Gegensatz zu der Milde, mit der die deutsche Justiz nach der anderen Seit» schonend vorzugehen versteht. Der immer schroffer« Widerspruch muß endlich zur energischen Iustlzresorm führen, auf die wir so lange warten..\
Heinrich Rippler   hat die Chefredaktion der volksparteNich«, .Zeit' niedergelegt. Sein Nachfolger ist Eduard E Pietz.