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so erklären wir von vornherein, daß wir Sozialisten bereit find, mitzuarbeiten an Lösungen, die durch den Völkerbund mit 5) i l f e Amerikas herbeigeführt werden könnten. Sur die Politik, die sich in der Ruhrbesetzung verkörpert, wollen wir aber weder vor unserem eigenen Land, noch vor der öfsentlichen Weltmeinung auch nur eine Sekunde die Vcranlworkunz tragen. Wenn Sie uns nicht hören wollen, werden wir an das Land appellieren. Wir werden es über seine wahren Interessen aufklären und sind überzeugt, daß uns die Ereignisse auch sürdcrhiir, wie bisher schon, recht geben werden. Möge die Lektion, die Frank- reich durch die Entwicklung erteilt werden wird, nicht allzu streng, nicht allzu grausam ausfallen: das ist unser Wunsch. Die von Ueberpatriotismus und Wein weißschäumcnden älteren und jüngeren Herren find einem Irrtum ihrer ver- gnügten Laune unterlegen, wenn sie den Juden Läon Blum für einen Boche hielten. Deutsche , die ihn kennen, haben ihn stets nach Haltung, Sprache und Geist als einen Vertreter jenes Frankreich angesehen, das sie einst in der Person Jaurds ver- ehrten und liebten. Dagegen weisen dieälteren und jüngeren Herren" selber eine fatale Aehnlichkeit mit e i n e r g c m i s s e n SortevonBoches" auf, und man merkt mit einemmal, daß dieser Bochismus ejne internationale Erscheinung ist. 5)au du deinen Juden, ich hau meinen Juden das ist die Gesinnung, in der sich die Patentpatrioten von hüben und drüben die Hände reichen können. Das ist der Gipfel der politischen Weisheit, der menschlichen Kulwr, der völkischen Vervollkommnung hüben und drüben. Man muß einhalten, um nicht am Ende ein LobNed auf die Juden zu singen. Allerdings, wären alle Juden wie L6on Blum und alle Nichtjuden wie L6on Daudet und Reinh W u l l e, so stünde es um die letzteren traurig. Leider sind nicht alle Juden wie L�on Blum, glücklicherweise sind von den anderen die wenigsten wie Daudet und Wulle. ilnsere völkischen Nassenantisemiten werden gebeten, mit- zuteilen, wie sie sich mit dem Fall Blum abzufinden gedenken. Da ist ein Franzose, der den Mut hat, Völkerrecht, demo- kratisches Recht, Selbstdestimmunasrecht zugunsten des von seinen Landsleuten mißhandelten deutschen Volkes anzurufen. Und obwohl nach des großen Ludendorff Lehre die Juden einen Geheimbund zur Vernichtung Deutschlands bilden, ist dieser Franzose man möchte fast sagen, ausgerechnet ein Jude. Verfetzt man sich in die Rolle eines völkischen Rasien- antifemiten, so beginnt sich einem etwas zu drehen. Aber da die Dummheit nun einmal das Genie besitzt, für die schwierig- sten Probleme die einfachsten Lösungen bereitzuhalten, wird sich schon ein Ausweg aus dem Dilemma finden, und es wird sich ergeben, daß ein Jude innner das Maul zu halten hat mag er auch so reden wie L6on Blum.

Triumphator tzergt. Er will denwiderspenstigen Hengst" zügeln! Seit es dem Führer der Deutschnationalcn vergönnt ge­wesen ist, mit den bis dahin von ihm verfemten Demokraten urrd mit der Partei des Herrn Dr. Wirth gemeinsam am Reichstage zu demonstrieren, fühlt sich derkönigliche Staats- minister a. D." Hergt geradezu als Triumphator der neuen Einheitsfront. Zluf einem Parteitag der Deutschnationalen Pommerns hat er eine Rede gehalten, über die wir in derPommerschen Tagespost" jetzt einen ausführ- lichcii Bericht finden. Ruhmredig erzählt er dort von dem großen Tag", den er am Königsplatz erlebt hatte, und dann preist er die Einheitsfront des Bürgertums: Die Sozialdemokraten sagte�, am 9. November 1918 habe sich das Bürgerwm oerkrochen, und es ist etwas Wahres daran, daß wir nicht auf dem Plan gewesen sind. Aber nun wollen Mir auf dem Plan sein, und zum erstenmal seit vier Jahren i�Äen wir den Aufmarsch des Bürgertums gesehen, und in einer Weise, die unwiderstehlich ist. Die Demokraten und das Zentrum haben nicht geglaubt, daß mit dem Bürgertum etwas zu machen ist. Sie werden es gelernt haben.... Jnnerpolitisch muß sich das weiter auswirken, und ich sage: hütet Euch. 2hr Sozial-

Muflk öer Trauerwoche. Konzertumschau von Kurt Singer . Und wieder ist Schicksal. Und wiederum Leid und Leiden. Der bitterste Ernst pocht an unser Gewis en. Was Mensch und Politik und Wirtschaft nicht zur Welterlö ung beilragen können, das zwänge ein(Berne der Kunst, wenn es die Zeit gebären möchte. Wo ist es, wo bleibt es? In triumphalen Zeiten des Landes haben die Dichter, die Hymniker und Koniponisten oft geschwiegen, oft Mittelgut hergegeben. So Goethe , so Wagner, der 1870 nur einen bramarbasierenden Kaiserinarsch schuf. Schillers Pathos, Beethovens Krastgenius müßten wiederkehren, oder doch einer, der wie Brahms die Stimme des Leidens mit der einer besseren Zuversicht im Requiem oerband. Ein Requiem auf das deuische Land, auf ge° quältes Volk, ein Zorn-Ruf und ein Aufflammen zugleich, Harfe und Schleuder, Siegwille und Demut in einem. Aber der Genius ist so weit fort, wie der Sinn für Verbrüderung. Der Sinn einer Frendcn-Apotheose in Beethovens letztem Werk wird im heule ent- weiht, uns bleibt die ergriffene Stimmung eines heroischen Trauer- morsches. Wie schön, daß Furtwnngler die Eroika in einem spontanen Erfassen unsere? Gedrücktheit an Stell« einer Tschai- kowsty-Sinfonie spielte. Ja, besinnen wir uns auf das, was uns jetzt am nächsten liegt, am tiefsten ergreift in unserem herzen: Deutsche Musik eines deutschen Genius, echt und wahr und fest in aller Trauer. So wirkte auch schon die Haydn-Sinfoni« Nr. 4 v-dur, in der ungewöhnlich delikaten, feingegliedsrten Direktion Furtwänglers wie ein Labsal. In diesem selten gespielten Werk sind alle Zartheiten, alle kleinen humorigkeiten haydns gesammelt. Nicht groß an Idee, zwingt sie durch die Klarheit des Streichersatzes, durch die lieblichen Bläser-Einsüll«, durch Anmut und Witz. Was und wer Furtwängler ist, erkennt bald, wer A b« n d r o t h bei der VII. Sinfonie Beeihovens, Schnee voigt bei der unvollendeten Sinfonie Schuberts stolpern sieht. Nicht technisch. Denn beide be- herrschen schon die Taktier-Technit. Aber das Mclos, die Innigkeit, der Gesang singt nicht aus ihnen, Orpheus-Gabcn sind ihnen fremd. Schönheiten der Darstellung scheinen bei Abendroth Ueberraschungs- Erfolge, an die er selbst kaum glaubte. Er versucht,«in Tempo zu mildern, durch ein sanftes Rubato in ein Hauptrhema zurück- zuleiten.(II. Satz.) Das gelingt so, daß die Verlangsamung noch in da» Haupttempo hineingerät. So hat plätzlich ein und dasselbe Thema zwei Gesichter, und weiß nicht wie und warum. Ein« Vcethovensche Sinfonie, denl? man. spielt sich von selbst? Ja, aber man muß ihren Geist nicht bcherrjcy«. v-stim �rch kleine, ange­lernte Allüren, sondern sich ocer ihrem Geist beherrschen lassen. Jmmerwiedor: die brav.« 5>?ndsestiakeit des(von: Publikum übrigens beisällig gegrüßten) Dirigenten Abendroth lebe und tobe sich anderswo aus. Die Verontworturig, von diesem Posten Walter oder Hausegger achselzuckend auszuschließen, mögen die Kundigen und Befehlenden weiter trogen! Schneevoigt hat sich eine Gemeinde aescheffen. Er ist ein sehr beweglicher, hastiger, krast- geladener Musikant, mit der Mechanik des Orchesters gut nertraut. Aber eigentlich ein Bläser-, ein Fvrtissimo-Oirigent. So eine Nichtigkeit, wie die Wagner-Epiqonenarbeit Loefflers(Tod des Tremtagllos") fchnieüert er gut heraus. Doch Schubert und Ro»

demokralen. Ihr seid der Situation nicht mehr gewachsen! Ihr ahnt nicht, wie es bei Euch steht, oder Ihr oerschließt die Augen, weil Ihr Angst habt vor demWortK r i e g, das es nicht mehr gibt in dem Wörterbuch der Sozialdemokratie, und Angst vor den revolutionären Errungenschaften. Aber hütet Euch, die Welle, die durch die Lande geht, geht auch über Euch hinweg, wenn Ihr nicht im letzten Augen­blick noch einlenkt." Nachdem er solcherart seinem deutschnationalen Heldenmut freien Lauf gelassen, versichert Hergt, daß ihndas Herz ge- nötigt habe, vom ersten Tage an hinter diese Regierung zu treten". Zwar hätte er gewünscht, daß die Regierung den Franzosen gegenüber ruppiger aufgetreten wäre, daß man noch deutscher sprach gegenüber diesen K o m m i s s i o» neu, die hier überall im Lande sich mausig machen. Aber was nicht ist, kann noch werden. Wir sind erst im Anfang der Entwicklung". Allerdings muß Hergt gestehen, daß auch zu ihmKleingläubige" kommen und fragen, ob es möglich sei, daß wir durchhalten werden. Aber stolz antwortet darauf der Mann, der einstmals dem deutschen Volke einreden wcllfe, daß die Amerikaner nicht in den Krieg eingreifen würden, weil sieweder fliegen noch schwimmen" könnten: Darüber ist kein Zweifel, daß jede Regierung la Deutschland da» hefk in der Hand hat, die nur mit der Auslösung des Reichstags droht. Der Reichspräsident hat nach der Verfassung das Recht der Auflöstmg. Die gegenwärlige Regierung kann jetzt reiten, wenn sie nur will/ Sie kann den widerspenstigen Hengst zügeln, wenn sie nur will. Nachgeben tut sie nicht. Sie darf auch die Sache nicht hin- werfen. Sie muß jetzt durch mit zusammengebissenen Zähnen, und dann wird das ganze Volk hinter ihr stehen. Das können wir von dieser Regierung erwarten. Es gibt schwere Zeiten. Es wird noch viel schlimmer werden, aber das ist das, was da» deutsche Volk einig macht.... Ein Hundsfott, wer dem Feinde die Hand reicht zu seinem Lernichtungswerk." So spricht Hergt als Triumphator über die bürgerlich- republikanischen Parteien unter dem Jubel der zahlreichen und wohlgenährten deutschnationalen Agrarier, die seine Zuhörer- schaft bildeten. Es ist kein Wunder, daß ihm sein Erfolg vom Königsplatz ein wenig zu Kopfe ge st legen ist. Denn noch vor wenigen Wochen hätte er es sich wahrscheinlich nicht träumen lassen, daß die Partei Erzbergers, den deutschnationale Mördergekilled" haben, und die Demo- k r a t e n, deren Mitglied R a t h e n a u deutschnationalen Mordbuben zum Opfer siel, sich unter die intellektuelle Führer- schaft der Deutschnationalen stellen würden. Seit dem Tage vom Königsplatz scheint allerdings das Wort des Reichs- kanzlers Dr. Wirth:Der Feind steht rechts!" endgültig außer kraft gesetzt zu sein. Aehnlich wie das Gesetz über die Bann- meile und das Verbot der Demonstrationen unter freiem Himmel. Berichtet doch die Scherlpresse ähnlich triumphierend von einer neuen studentischen Demonstration, die am Donners- tag Unter den Linden stattgefilnden und diekein hartes Wort, kein Aufeinanderprallen feindlicher Meinungen" störte, auch keine Polizei, wie wir hinzufügen müssen. Diepatriotische Welle" ist da, und zahllos sind jene, die ihr Lob singen. Zwar springt der Dollar auf 24 Ovil und darüber, zwar klettern die Lebensmittel- preise ins Ungemessene, aber die Deutschnationalen glauben trotzdem ihre Stunde gekommen. Sie wähnen im natio- nalen Rausch nicht nur die übrigen bürgerlichen Parteien, sondern auch den ganzen Reichstag und das ganze Volk als einen widerspenstigen Heng st behandeln zu können. Fast möchte man sie ob dieser Ludendorsfstimmung bemit- leiden. Sie sehen nicht, daß die wachsende Not im Volk ganz andere Gefühle auslöst, als wie die deutschnationalen Agrarier sie empfinden. Sie solsten sich hüten, denHengst" zu reizen, den sie zu zügeln meinen._ kein englischer Kredit für Stianes. Nach TU. entbehrt die Nach- richt, daß StinneS zum Kohleneinkauf von englischen Banken einen Kredit von 2 Millionen Pfund erhalten habe, jeder Grundlage. Ein solches Kreditabkommen ist nicht zustande- gekommen.

mcmtik und Wien und Keuschheit im Ringen sind ihm nicht ans 5)erz gewachsen. So versteht man eigentlich nickst recht, wie beut- sches Publikum seiner kalten Bravour zujubeln kann. Sein Abend wird sein eigentliches Format verraten. In den vier jugendlichen, scharfgeistigen Köpfen des B u d a- nester Streichquartetts prägt sich all das aus, was zu einer hochkultivierten Enfemble-Streichkunst gehört: heißes, natio- nales Blut, schärfste Gliederung der Sätze und©atzteile, nachdrück­liches Ton-Erleben, Sinnlichkeit und Freud« am wpiel und ein- heitliches Vorwärtsdrüngen. An die nicht gerade notwendigen, sicher aber unwillkürlichen, unmaniriertcn Verrcnkkungen des Prim- gcigers und an eine gewisse Ton-Herbheit gewöhnt man sich schnell. Diese vier hochgehenden Musiktemperamente stellen jedenfalls ein Quartett dar, wie es an Kultur(älteren und modernen Musikstils) nur von Rofe's erreicht wird. Natur ist Kunst geworden, und Kunst wandelt sich wieder in natürliche Empfindung. Gehet hin und freuet euchl Birgitt E n g e l l hat die Lieblichkeit ihrer wohl- klingenden Koloraturstimme noch immer, Operntätigkeit und Jahre haben ihr kaum etwas angetan. So gelingen ihr Händel-Arien warm und geschmackvoll. Von Pianisten interessiert der Russe A r s e n i e f f, trotzdem er im virtuosen Elan noch wenig Geistig. keit verrät: Bruno E i s n e r ist gerade von diesem eleganten Schliff des äußerlichen Virtuosen entfernt. Er verfügt über eine höchst exalte Spielmanier und ist ein strenger Gestalter. Seiner Solidität und künstlerischen Ehrlichkeit fühlt sich jeder gute Musiker verpflichtet. Leonid Kreutzers Klaoierspiel ist gleichzeitig Päda- gogik und Intuition. Der in der Präzision der Phrasierung, in der Plastik der Vortrags vorbildliche Lehrer geht nie so weit, daß der Künstler sein Recht, sein Vorrecht verlöre. In Brahms ' erstem Klavierkonzert kam die persönliche Kraft, die individuell« Mischung aus Schwung und Zurückhaltung zu schönster Wirkung.

Johannes D. Jensen, der bekannt« tonische Romanzier und Essayist, vollendet morgen sein 5(1. Lebensjahr. Für seine Wesens- art in Schilderung und Betrachtung sind zwei grundverschiedene Er- lebnisse maßgebend. Di« Eindrücke seiner engeren Heimat, der Landschaft Himmerland in Jütland , wo er als Sohn eines Tierarztes geboren wurde, haben ihn zu einem Naturschilderer von tiefster Empfindlichkeit gemacht, und wenn er später öfter in die weite Welt hinauskam, nach Amerika oder nach Asien , so Hot er dort den tech- nischen, menschenüberlasteten Wirrwarr der großen Städte oder die prangenden und lauernden Gewalten der tropischen Breiten mit denselben geschärften Sinnen gesehen wie Land, Kreatur und Men- schen seiner engen Heimat. Kennzeichnend für ihn ist vielleicht, daß er in seine, Generation der erste Wirklichkeitsschllderer ist, der tatsächlich das äußere Leben mit ollen Sinnen aufnimmt, genießt und in den sxinsten Nüancierunaen wiederzugeben weiß. Dabei ist er keineswegs ein preziöser Genießer nach Art der Aesthcten der neunziger Jahre, sondern er stürzt sich ebenso entschlossen und sinneshungrig in Krankheit, Elend und Grausamkeit, um sie im Bilde festzuhalten. Die Grundlage seiner gesamten Produktion bilden denn auch seine5) i m m e r I a n d a e I ch i ch t e n", vielfache Schick- sale verschiedener Typen seiner nächsten Landsleuic, dieser Produtte einer kärglichen, menschenarmen, schwermütigen Natur. Auf ihnen baut er auch später eine seiner bedeutendsten Schöpfungen, die ge-

Ein Nachspiel zum Kapp-Putsch. Warum ei« Sozialdemokrat diszipliniert wird. Vor dem Disziplinargerichtshof beim Kammergericht wird am nächsten Montag in einem Disziplinarverfahren verhandeit werden, das seinen Ursprung bis auf den K a�> p- P u t s ch zurück­datiert. Angeklagt ist indessen nicht ein Kappist, sondern ein so- zial demokratischer Beamter, der sich an der Abwehr des Putsche? beteiligte. Es Handell sich um den Kanzleiassistenten Genossen Henkel in P r i tz w a l l, der während der Kapp-Tage dem Ausruf der Regierung zum General st reit Folge leistete und dann von dem deutsch lkischen Amtsgerichtsrat Hell hoff wiederHolldienstlich" aufgefordert wurde, trotz Generalstreiks seinen Dienst zu verrichten. Als Henkel auch unter Berufung auf den Aufruf der Reichsregierung dieser dienstlichen Aufforderung nicht nachkam, wurde er vom Amtsuspendiert und ein Disziplinar­verfahren gegen ihn«ingeleitet. Weil er außerdem aber als Soziak- demakrat an einem Umzug« teilgenommen hatte, wurde sogar das Verfahren wegen Hochverrats gegen ihn veranstaltet und fxmkel in Hast genommen. Diese beiden Verfahren mußten selbstverständlich als gegen- standslos niedergeschlagen werden. Darauf sollte Henkel seinen Dienst wieder antreten. Er bat indessen um Versetzting an ein anderes Gericht, weil er glaubte, mit dem antisemitischen und aus semer reaktionären Gesinnung niemals ein Hehl machenden Amts- gerichtsrat Hcllhoff nicht zusammenarbeiten zu können, ohne Gefahr neuer heftiger Zusammenstöße. Dieses Ersuchen, das alle Schwierigkeiten aus dem Wog geräumt hätte, wurde aber unbegreiflichenveise von der vorgesetzten Behörde abgelehnt und der Sozialdemokrat sollte wieder der liebevollsten Behandlung durch den Antisemiten ausgeliefert werden. Weil er unter diesen Umständen es ablehnte, den Dienst an dem gleichen Gericht wieder atifzunchmen, ist nun gegen Henkel das Disziplinar- verfahren mit dem Ziel der endgültigen Entlassung aus dem Dienste eingeleitet worden. Der Disziplinargerichtshos wird sich wahrscheinlich aus die formelle Seit« der Angelegenheit oersteifen, insofern, als der angeklagte Beamte tatsächlich den Schein des Unrechts auf seiner Seite hat, weil er einer dienstlichen Aufforderung zum Dienstantritt nicht nachkam. Daß jedoch wirklich die Dienst- enllassung ausgesprochen wird, erscheint uns angesichts der gesamten Umstände noch immer zweifelhaft. Ein Disziplinarverfahren ist bekanntlich nicht öffentlich. Man kann die Richter bei der Veweisaufnahme nicht kontrollieren. Aber es erscheint notwendig, daß man die besonderen Verhältnisse an dem Amtsgericht Pritzwalk sehr eingehend nachprüfe. Wes Geistes Kind der Anitsgerichtsrat Hellhoff ist, beleuchtet nicht nur sein Verhalten während des Kapp-Putschcs, sondern auch die Tat- sache, daß er der amtlichen Aufforderung, aus Anlaß des Rathenau-Mordes auf dein Gerichtsgebäude Halbmast zu flaggen, nicht nachgekommen ist. Er ist dafür dienfttich mit einer Rüge bestraft worden, kann aber ruhig weiter seines Amtes walten, während man den sozialdemokratischen Kanzleibeamten mit Disziplinarverfahren bedenkt. Verteidigt wird Genosie Henkel, der in Pritzwalk auch im Stadtverordnetenkollegium seinem deuffchnatro- nalen Vorgesetzten gegenübersteht, von dem demokratischen Rechts- anwatt Dr. Schmoller, der die Verhältnisse am Amtsgericht zu Pritzwalk aus eigener Erfahrung kennengelernt hat.

Der TrutzbunÄ vor üem Staatsgericht. Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik ver» handelte unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Schmidt in öffentlicher Sitzung über die Beschwerde des D e u t I ch v ö l k i f ch en Schutz- und Trutz- bundes sowie einer Reihe von Ortsgruppen gegen die von ver- fchiedenen Landeszentralbchörden erlassenen Verbote und Auf- lösungsoerfügungen. Zur Verhandlung sind Vertreter des Reichsministers des Innern sowie der preußischen, badischen, sächsischen und thüringischen Minister des Innern erschienen. Der Haupt- geschäftsführcr des Bundes Roth führte aus, bestimmte Beweismittel und Tatsachen für die Verbote hätten bei deren Erscheinen überhaupt nicht bestanden.

schichtliche Trilogie vom Däneniönige Christian dem Tyrannen DerFalldesKönigs" auf. Aber auch seineExotischen Novellen" oder seineSingaporegeschichten" stehen mit diesen heimischen Bildern in innerer Verbindung. Das Heber- wältigende der technischen Zivilisation, das Johannes V. Jensen in den amerikanischen Großstädten zum erstenmal entgegentritt, hat ihn zu hymnischen Schilterungen dieser menschlichen Gebilde begeistert, vor denen er gleichwohl wie vor Naturosfenbarungen steht, besonders in den RomanenMadame d'Ora " undDas Rad". Nur wenn er oersucht, aus diesen Erscheinungen kulturelle Lehren abzuleiten und sie uns armseligen Europäern als erstrebenswertes Ziel zu predigen, sehen wir, wie wenig ebenbürtig lein Intellekt seiner dichterischen Vision, feiner sinnlichen Hellhörigkeit und seiner geschmeidigen sprachlichen Kraft ist. Ms Sprachküustler hat Johannes V. Jensen in Dänemark geradezu Epoche gemacht, indem er das einem jeden zugängliche Material in allereigenstcr und bisher unerhörter Weise zu formen vermochte. Nicht nur dort, sondern auch bei uns hat er eine ganze Generation von Nachahmern gezüchtet. Johannes V. Jensens letzt« Werke gelten eincm großen kulturellen Zyklus. der von der Urzeit über das nordische Altertum und Kolumbus bis in die gegenwärtigen Hochburgen der Industrie und Technik führt. Aber es läßt sich immer wieder beachten, daß seine gedankliche Arbeit seine dichterisch-sinnliche Kraft nicht nur nicht erreicht, sondern sie geradezu schwächt. Immerhin bedeutet sein Schaffen einen Einsatz in die jetzig« europäische Prosa, der sich nicht mehr sortdenken laßt und dem sicher noch manche Blüte beschert sein wird. A. F. C. Wovdlichk und Rahnmg. Von einer merkwürdigen Entdeckung, die sich mit gewissen Wirkungen des Mondllchtes beschäftigt, be- richtet Elizabeth Sidney Semmens in der englischen Zeitschrist Nature ". Ihr ist es geglückt, Stärke mit Hilfe des Mondlichtes in Zuckerkristalle zu verwandeln. Bereits vor kurzem hat der Liver- pooler Professor E. C. Baly eine Methode ausgearbeitet, um mit Hilfe der ultravioletten Strahlen synthetischen Zucker aus Wasser und Kohlenoxydgas zu machen. Miß Semmens fand nun heraus, daß Samen im Mondlicht rascher sich entwickelt als unter den ge- wohnlichen Bedingungen, und da es bekannt ist, daß das vom Mond zurückgeworfene Licht polarisiertes Licht ist, wurden im Laborato- rinm Versuchs mit polarisiertem künstlichen Licht angestellt. Dabei wurde gefunden, daß dieses künstlich« Licht dieselben Wirkungen wie das Mondlicht ausübt, und indem man Stärkekörper, die mit Diastafe(einem chemischen Ferment) vermischt waren, starkem poia- rillerten Licht aussehte, wurde die Stärke gespalten und zu kleinen Massen von Dextrin und Kristallzucker umgewandelt. Operalisn mit Musik. Den Ruhm, die erste Operaiinn un.er Begleitung von Musik, die der Funkentelcgraph übermittelte, voll- zog'n zu haben, beansprucht das Aerztekollegium eines Kranken- Hauses in Minneapolis . Es handelte sich um eine Patientin. an der ein Kaiserschnitt vorzunehmen war. Nach erfolgt» Lokalanästhesie wurden der Frau zwei Hörer angelegt, worauf die Aerzte an ihre Arbeit gingen und ihre Patientin den funke»« telegraphisch übermittelten Klängen einer eigens für sie spielend» Kapelle lauschte. Matter und Kind des»den sich wohl. lieber das Konzertprogramm liegen nähere Angaben nicht voe. Da es sich aber um einen Kailerschnitt handelte, wird man ver» mutlichHell dir im Siegerkranz" gespielt haben.