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Abendausgabe

Nr. 4340. Jahrgang Ausgabe B Nr. 22

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

Preis 30 Mark

Freitag

26. Januar 1923

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-2507

Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Reichseinheit oder Zerfall?

Der Kampf um die innere Zollinie.

Condon, 26. Januar. ( EE.) Der diplomatische Mitarbeiter durch Deutschland einen neuen Zollfordon zu ziehen, gelingt, der Reichsregierung als rechtswidrig bezeichnet sind und Ihre Durch der Daily Mail" schreibt: Wichtige Beschlüsse wegen der Ab- oder mißlingt. Gelingt sie dann wird der Kampf um führung verboten wurde, ablehnen. Nach dem Pariser Geheim­schließung des Ruhrgebiets vom übrigen Deutsch- Einheit und Freiheit nicht erlahmen, er wird aber erlaß, fämtliche leitenden Persönlichkeiten auszu­land werden heute ihre erste Anwendung finden. Diese Maß- unter hundertfältig erschwerten Bedingungen fortgesetzt wer- weisen, sobald sie sich weigern, den französischen und belgischen Be­nahmen find: den, und niemand vermag zu sagen, durch welche Katastrophen fehlen nachzukommen, muß man annehmen, daß die Franzosen und 1. Errichtung einer 3ollinie durch Truppen und Zoll- hindurch er schließlich zum Erfolg geführt werden wird. Belgier die Entschließung der Oberbürgermeister und Landräte des beamte an den Grenzen des Ruhrgebiets, Regierungsbezirks Düsseldorf zum Anlaß neuer Ausweisungen nehmen werden.

Der

Die deutsche Bevölkerung an Rhein und Ruhr , die gegen 2. Ausweisung aller preußischen Beamten, den ungeheuren militärischen Machtapparat eines unbarm­3. Ausgabe einer neuen Währung auf Frantbasis. herzigen Gegners mit allen gewaltlosen Mitteln des moralischen Der Minister Ce Trocquer, General Wengand, General De- Widerstands ankämpft, verteidigt damit die Einheit der Bahnverkehr Düsseldorf stillgelegt. goutte und der Oberkommissar Tirard hielten gestern wichtige Be- deutschen Republik und die friedliche Zukunft Europas . Zugentgleisungen und Ausweisungen. fprechung in Düsseldorf ab. Es wurde beschlossen, von heute morgen Sie hat begriffen, worum es geht, die Regierungen der Welt an alle kohlenfransporte nach Deutschland ein- fcheinen es aber nicht begriffen zu haben. Den leitenden Düsseldorfer Hauptbahnhof ist heute stillgelegt Düsseldorf , 26. Januar. ( Eigener Drahtbericht.) stellen zu lassen. Dieser Befehl wird aufrecht erhalten bleiben, Staatsmännern des in der Zuschauerrolle verharrenden worden. Die Franzosen haben das Bersonal aus dem Bahnhof alle Ruhreisenbahnen zu reorganisieren, und bis sie ihre militäri- um die Zukunft der Welt ein Entscheidungstampf gekämpft versuchen, ihre Lebensmittel- und anderen Transporte selbst zu bis die Franzosen in der Lage sein werden, ihre Kontrolle über Auslands scheint jedes Berständnis dafür zu fehlen, daß hier worden. Die Franzosen haben das Personal aus dem Bahnhof ausgewiesen. Die Bortale sind geschlossen. Die Franzosen fchen und Zollmaßnahmen an der öfflichen Grenze des Ruhrgebiets wird, dessen Ausgang alle Völker, so oder so, in Mitleiden- versuchen, ihre Lebensmittel und anderen Transporte selbst zu vollendet haben. Danach werden die Zechenbefizer verpflicht schaft ziehen muß. fahren, haben hierbei jedoch wenig Glüd. Ein Zug, den sie von werden, zunächst Reparationskohle und sodann Kohle für die Rhein­Hohenbudberg nach Mülheim a. b. Ruhr leiten wollten, entgleiste Nachher werden sie, wie nach Ausbruch des Weltkriegs, infolge falscher Weichenstellung. Ebenso entgleifte eine lande und das Ruhrgebiet zu liefern. Nur der Ueberschuß alle die Hände in Unschuld waschen und feiner wird es gewollt otomotive mit Galonwagen bei Unterbilt, so daß der könnte an Deutschland abgegeben werden, wenn es eine haben. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß Europa Betrieb zwischen Düsseldorf und Neuß gesperrt werden mußte. Der hohe kohlensteuer bezahlt. Die Franzosen wollen eine Ein- daran ist, an seiner Unfähigkeit, seine eigenen Angelegenheiten Personenverkehr konnte durch die Straßenbahn aufrechterhalten mischung der deutschen Regierung in den Kohlenbergbau nicht mehr friedlich zu ordnen, zugrunde zu gehen, und in einen Zustand werden. In Düsseldorf- Derendorf holten die Franzosen zulaffen. Die franzöfifche Regierung stehe auf dem Standpunkt, zu versinken, in dem Recht gar nichts mehr, brutalfte Gewalt heute vormittag eine schwere Lokomotive aus dem Lokomotiv­daß sie nach der Isolierung des Ruhrgebiets die Kontrolle über den Transport leicht ausüben fönne, und daß auch die Kohlen­schuppen und fuhren sie auf die Drehscheibe. Auch diese Ma- schine entgleiste, so daß hier ebenfalls der Betrieb stillgelegt arbeiter arbeiten würden. Denn es sei unwahrscheinlich, daß sie ihre Betriebe zugrunde gehen laffen und alles verlieren würden, nur um Frankreich feine Kohle zu liefern.

alles fein wird.

Belagerungszustand in Trier .

Das Eisenbahn- und Fernsprechnet im Düssel dorfer Bezirt tann infolge Eingriffs der Besagung von den deutschen Behörden nicht mehr benutzt werden. In Neuß find heute eine ganze Reihe 3ollbeamter ausge wiesen worden. Ein Beamter wurde verhaftet.

Ausdehnung des Eisenbahnerstreiks.

einer Reihe höherer Beamter sämtlicher Berwaltungen ver­Trier, 26. Januar. ( WTB.) Aus Anlaß der Ausweisung werden mußte. Die neue Währung wird in rheinischen Franken auf der Basis sammelten sich im Laufe des Nachmittags in den Straßen die Ein­Die neue Währung wird in rheinischen Franken auf der Basis wohner zu größeren Protest zügen und zogen, patriotische des französischen Franten ausgegeben. Der diplomatische korre- Lieder singend, an den Quartieren der Besagungstruppen vorbei. spondent der Daily Mail" behauptet, daß diefes Geld bereits ferfig- Gestern abend versagte infolge des allgemeinen Proteststreits die Be gestellt fel. Mit diesem Geld würden die Bergarbeiter alle Lebens- leuchtung. Gegen 9 Uhr abends wurde der Belagerungs­notwendigkeiten leicht bestreiten fönnen. Es sei wahrscheinlich, daß zustand über Trier verhängt. Patrouillen der nach Trier die Reorganisation des ganzen Ruhrgebiets einem französischen entfandten Spahiregimenter durchzogen beritten die Stadt und ver­Oberkommissar übertragen werde. General Weygand wurde fuchten die Straßen zu säubern. Dies gelang aber nicht, denn furz zwar ernannt, doch wende man fich dagegen, einen Soldaten zu er- nach der Auseinandertreibung der Menge sammelten sich die Leute nennen. Beschlüsse würden jedoch erst nach der Rüdtehr Weygands an der nächsten Straßenede wieder zu neuen Protest nach Paris gefaßt werden. gruppen. Gegen 11 Uhr waren die Straßen leer. Es beteiligte sich an der Kundgebung die gesamte Bevölkerung von der äußersten Linten bis zur äußersten Rechten. Das Post und Telegraphenamt ist militärisch belegt worden. Die Beamten find requiriert.

Soweit die französisch orientierte und zweifellos gut unter richtete Daily Mail". Was sie als Absicht der französischen Regierung angibt, wird auch in der französischen Presse leb haft erörtert. Einzelheiten mögen vielleicht noch einigen Ab­änderungen unterliegen, der Plan selbst steht aber zweifellos fest und ebenso muß damit gerechnet werden, daß seine Durch führung mit allen Mitteln versucht werden wird.

Was das bedeutet, darüber möge man sich im Inland und Ausland nicht täuschen. Es geht um die 3ertrümme rung der deutschen Republik, um die Auf­teilung Deutschlands in zwei oder drei nur noch ganz lofe zusammenhängende Teile. Die deutsche Einheit hat ihre wirtschaftliche Wurzel im Deutschen Zollverein; was Frant­reich plant, das wirft Deutschland zurück hinter einen Zustand, der nicht erst mit der Gründung des Kaiserreichs, sondern schon viel früher erreicht worden war. Ein Staat, der in ver schiedene Zollgebiete zerfällt, hört auf, ein einheitlicher Staat, d. h. eigentlich überhaupt noch ein Staat zu sein.

Kreuznach, 26. Januar. ( WTB.) Gestern abend wurden Ilm­züge durch die Stadt veranstaltet, wobei patriotische Lieder gesungen wurden. Ueber Stadt und Bezirk Kreuznach wurde der Ausnahmezustand verhängt.

Die Wilhelm Tell - Aufführung im Roblenzer Stadttheater wurde von der Interalliierten Rheinlandtom­mission verboten.

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Sämtliche Aachener Zeitungen wurden für drei Tage verboten, weil sie die Entschließungen der Behörden und Berbände veröffentlicht hatten. Landrat v. Daun Trier wurde verhaftet, der. 2 a chener Regierungspräsident, sein Vertreter sowie der Mainzer Polizeipräsident wurden ausgewiesen. Der Verwaltungsfrieg.

Rheinlande und Ruhrrevier sollen militärisch, politisch und wirtschaftlich unter die Macht Frankreichs gestellt werden. Zurückbleiben soll non Deutschland ein ohnmächtiger Rest, der Düsseldorf , 26. Januar. ( Eigener Drahtbericht.) Heute vormittag wehrlos weiteren Invasionen ausgesetzt ist. Ob dieser Rest- find die Spigen der Reichs- und Staatsbehörden im staat seinen Bestand und feine innere Einheit behaupten Regierungsbezirk Düsseldorf beim Regierungspräft fönnte, muß angesichts der bekannten bayerischen Tendenzen benten Genossen Grüner versammelt, um zur Lage Stellung zu bezweifelt werden. Die Gefahr des Reichszerfalls ist nehmen. Sämtliche Oberbürgermeister und Landräte werden eine also in drohende Nähe gerückt. gemeinsame Entschließung fassen, in der sie die Durchführung der Angesichts des heidenmütigen Widerstandes, den das von der Rheinlandfommission gegebenen Anordnungen, soweit sie von arbeitende Bolt an der Ruhr seinen Bedrängern leistet, besteht kein Grund, die Zukunft verloren zu geben. Aber auf die Größe der unmittelbar drohenden Gefahr muß mit aller Schärfe hingewiesen werden. Man muß wiffen, woran man ift. Die sozialdemokratische Arbeiterschaft hat sich stets als Borfämpfer der Reichseinheit betätigt, weil sie

Dollar 24000!

Das Spekulantentum feiert Triumphe. Unser Börsenmitarbeiter schreibt uns:

Angesichts der deutschen Kohlen- und Erzlieferungsverträge mit weiß, daß der Berfall Deutschlands in mehrere Teilstaaten ein dem Auslande und der französischen Borbereitungen zur Errich Stadium reaktionärer Entwicklung von ganzunabsehbarerTrag- tung einer Dittatur im befeßten Gebiet gewinnt die Börse weite darstellt. Dieser Zerfall bedeutet nicht nur eine weitere den Eindrud, daß mit einem längeren wirtschaftlichen Berelendung der deutschen arbeitenden Massen in einem faum Stellungsfampf im Ruhrrevier zu rechnen fei. Man ist sich vorstellbaren Ausmaß, er bedeutet auch die Versperrung jedes darüber klar, daß unter diesen Umständen die Entwertung ber Ausmegs, er bedeutet, daß Deutschland die Möglichkeit verliert, mart weiter starte Fortschritte machen müsse. Der Dollar ffieg als Kraftzentrum einer demokratisch sozial vorbildlichen Ent- bis heute mittag bereits auf 24 000! midlung in die Welt hinaus zu wirfen.

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Bahnhöfen in Osterfelbe- Süd, Horl( bei Bottrop ). In Hohen Effen, 26. Januar. ( Tul.) Die Arbeit ist eingestellt auf den Budberg wurde der Obervorsteher verhaftet, ebenso sein Bertreter und verschiedene Lokomotivführer und Heizer. Aus A a chen wird gemeldet, daß auch dort die Weiterleitung von Transportzügen ver­weigert wird. Der Streit greift allmählich auf das linke Rheinufer über. Der Verkehr im ganzen Westen liegt daher sowohl für Per­senen wie für Güter fast still. Die Berliner Schnellzüge werden über Hagen und Ohlig nach Köln umgeleitet.

Der Bahnhof Dahlhausen und damit die Strede Steble- Hattingen ist stillgelegt. Bon Hattingen verfehren vorläufig noch Züge nach Hagen . Wenn die Stillegung der Eisenbahnen für den westlichen Bezirk Oberhausen - Duisburg und Düsseldorf erfolgt, ist für diese und die dazwischen liegenden Stationen von morgen ab mit der Annahmesperre zu rechnen. Die Lebensmitteltransporte der franzöfifchen Truppen werden mit Rücksicht auf die Gefahr der Re­quifitionen gefahren. Heute sind keine Beschlagnahmen gemeldet. Das Telegraphenamt in Hattingen ist von den Beamten stillgelegt worden. Es wird nur ein Notbetrieb für lebenswichtige Betriebe aufrechterhalten. In Hattingen ist die Berliner Post an­scheinend wegen Beschlagnahme ausgeblieben. Die Rohlenlieferung ist normal. Wegen Wagenmangel wird die Kohle nur in geringem Umfange gestürzt. Die Wagengestellung ist knapp, aber ausreichend.

Simmern ( Hunsrüd), 26. Januar. ( WTB.) In großen Ber­fammlungen faßten sämtliche Behörden des Kreises Simmern den Beschluß, die neuen Berordnungen der Rheinlandkommission nicht zu befolgen. Gestern nachmittag zwei Uhr legten die hiesigen Gifenbahner die Arbeit nieber. Der Berkehr auf dem Bahnhof ruht vollständig.

Demonstrationen in Essen .

Effen, 26. Januar.( Eigener Drahtbericht.) Anschließend an die Rundgebungen, die sich gestern nachmittag bei der Rückkehr der in Mainz Berurteilten abspielten, durchzogen nachts junge Leute unter Abfingung von Liedern die Straßen. Auch auf dem Haupt­bahnhof fam es zu nächtlichen Rundgebungen. Zwischen­fälle ereigneten sich nicht. Die Arbeiterschaft glaubt, daß die paffive Resistenz eine beffere Waffe im Abwehr­fampf gegen die Ruhrinvafion ist, als berartige Demonstrationen, bie leicht zu Zusammenstößen von unübersehbaren Folgen führen Die Tenerung.

önnen.

Effen, 26. Januar. Ueber die Berteuerung der wichtigsten Lebensmittel infolge der Befehung des Ruhrgebiets wird mitgeteilt, daß diese Verteuerung in der Zeit pom 11. bis 20. Januar 46,3 Proz. An ber Effettenbörse entwickelte sich eine beispiellose betrug. Die Preise für Fette fin dagegen sogar um 73,4 Proz. ge­Hausse in Montanwerten. Offenbar find große französische und stiegen. Bom 21. bis 24. Januar haben die Preise abermals um belgische Spekulationen am Wert, um alles irgendwie erreichbare 25 bis 50 Broz. angezogen. Die Effener Milch versorgung, Rapital in Montanwerten an sich zu ziehen. Die Kurssteigerungen die ohnehin fo unzugänglich ist, daß Kindern über zwei Jahren über­bei den westdeutschen Papieren waren heute geradezu toloffal. Diese haupt keine Bollmilch verabfolgt wird, wird durch die Besetzung Bewegung riß natürlich die ganze übrige Börse mit nach oben. Die noch dadurch weiter beschränkt, daß die Besaßungsbehörde für die Industriepapiere werden von der Spekulation hauptsächlich unter franzöfifchen Offiziere täglich 50 Blankomilchkarten ver­dem Gesichtspunkte bewertet, ob die Kohlenversorgung der betreffen- langt. Sie hatte sogar zunächst für jeden Offizier 5 Liter Milch ge­Alles kommt also darauf an, ob die Absicht der französi- den Unternehmungen durch einen eigenen Befiz von Rohlenfeldern fordert und ist von dieser Forderung erst auf Borstellungen der Jchen Regierung, mit vertragswidriger militärischer Gewalt oder durch andere Umstände gesichert ist. Stadtverwaltung auf 50 Mildytarten zurückgegangen.

Gelingt es dem französischen Imperialismus, fein unge­heures Verbrechen zu vollenden, dann schreitet die im Osten begonnene Baltanisierung nach dem Herzen unseres Erdteils fort, die Zerrissenheit wird grenzenlos, die Schärfe der nationalen Gegenfäße steigert sich zum Wahnsinn und be droht jede sozial aufbauende Bewegung mit Unfruchtbarkeit und zeitweiligem Untergang.