kenntnis kein Friede. Ohne es getze die Dkockade und die Aushungerung der Gesamtbevölkerung, auch der Frauen und Kinder weiter. Sicher ist die Klärung der Schuldfrage sehr wichtig. Durch freie und unbefangene wissenschaftliche Forschung sollen die Vorgänge klargelegt werden, die zum Kriege führten. Nicht um Schadensersatzansprüche an die Schuldigen daraus zu deduzieren, sondern um politische Wirkungen hervorzurufen, um den Völkern zu zeigen, welches Maß von Vertrauen oder Mißtrauen sie ihren Regenten und Regierungssystemen zu schenken haben. Diese unerläßliche Klarlegung der Schuldfrage wurde aufs stärkste gestört durch die Methode der Sieger, nicht bloß die Schuld eines Negierungssystems zur Schuld einer Nation zu gestalten, sondern überdies noch dieser das Geständnis der Schuld durch die Tortur zu erpressen. Das war das erste Ergebnis der neuen hohen Moral, die im Friedensvertrag verkörpert sein sollte. Aber noch verhäng- nisvoller wurden die ökonomischen Wirtungen der neuen Methode. In den früheren Friedensschlüssen war, soweit sie überhaupt eine Kriegsentschädigung stipulierten, diese so bemessen, daß sie die Kreditfähigkeit des Landes nicht über- schritt, so daß sie rasch bezahlt werden konnte, jede Okkupation fremder Truppen im besiegten Lande für längere Zeit da. durch vermieden wurde und daher rasch dem Kriege ein wirklicher Zustand des Friedens folgte. Selbst die ungeheuerlich �scheinende Kriegsentschädigung, die der Frankfurter Frieden, Mai 1871, Frankreich auferlegte, wurde so schnell aufgebracht, daß im September 1873 die letzten deutschen Besatzungs- tnrppen Frankreich verließen. Ganz anders wirtschaftete die neue Methode. Sie setzte im Friedensvertrag überhaupt keine feste Summe fest, die Deutschland zu zahlen hatte. Es sollte den angerichteten Schaden ersetzen— welche dehnbare Bestimmung! Von der Zahlungsfähigkeit Deutschlands sprach man gar nicht. Und doch ist es klar: je länger der Krieg dauerte, je größer die Schäden, die er anrichtete, desto geringer mußte die Zahlungs- fähigkeit jedes der am Krieg beteiligten Länder fein. Eine Kommission mit diktatorischen Befugnisien, die Reparationskommission, sollte die einzutreibende Schadensumme festsetzen. Ganz fabelhafte Summen wurden in der Ententepresis erwartet. Man sprach von 809 Milliarden Goldmark— ungefähr ebenso viel, als das ganze deutsche Voltsvermögen vor dem Kriege betragen hatte, vor dessen Verheerungen, vor den Abtretungen im Westen und Osten, vor dem Verlust der Kolonien und der Auslieferung der Handelsflotte. Nicht viel vernünftiger waren die verbün- deten Regierungen, die im Iamiar 1921 die Gesamtsumme der in Geld zu zahlenden Reparationen auf 226 Milliarden Gold- mark angaben. Dazu noch eine Abgabe von der� deutschen Ausfuhr, so daß man damit auch fast auf 369 Milliarden ge- kommen wäre. Desien schämte stch selbst die Reparattons- kommifsion, ste setzte die Schadenssumme wenig« Monate späte? auf 132 Milliarden an. Auch von dieser Summ« ist sie seitdem weiter und weiter heruntergegangen, aber stets erst. nachdem sie Unheil gestiftet und Deutschlands Lei» stungsfahigkeit immer mehr untergraben hatte. Ein Staat, über dem das Damoklesschwert einer derartigen ebenso ungeheuerlichen wie unbestimmten Schuld bängt, ist natürlich bar jedes Kredits. So blieb dem deutschen Staat nach den Katastrophen des Krieges und des Friedensvertrages, die feine Finanzen aufs äußerste ruinierten und seine Zahlungsbilanz hochgradig vassiv machten, zur Deckung seiner Bedürfnisse und der Anforderungen seiner Gläubiger nur ein Hilfsmittel übrig, ständige Noteninftatton, die momentan half, Staatsfinanzen und Oekonomie aber immer trostloser verwirrte. Die Reparationsschuld durch eine Anleihe rasch ab- zuzahlen, wurde ganz unmöglich. Solange sie aber besteht, dauert auch die mit der Schuld verbundene Polittk der Garan- tien und Pfänder, das heißt der Besetzung deutschen Gebietes durch fremde Truppen fort, ja, ste nimmt von Jahr zu Jahr
Mein heim. Von Alf on s P e tzo ld. Di» Eigenart ntrfiorfiejwn Dlcht»»»: fein« sprvhmd« Em?. sänglichkeit. sein» KuIlurbrgciKemna, s»in ixschwinlkttt. feinen Stimmungen sich hingebender SUl prägt sich in di«s«m t.-k-MhI-en Hnmnil»«uf dos Wiener BollÄh-im und damit auf dl« Bildung». bcltrebungen der ArbeiterNasse ülxrhauut vollendet au». Es stand ganz in glücklicher Sonn«. War selbst mit feinem leuchtenden Anstrich ein weißes Steingestirn in dem Grau des»er- sattes und des Elends seiner Umgebung. Das Haus der Freude! Es war noch eines der jetzt schon so selten werdenden Wiener Volkslieder aus Holz und Stein. Moosgrüne Holzschindeln deckten das alte, hochgiebellge Dach. saugten die goldig« Liebe Gottes ein: Regen, silbernen Schnee, Sternen- und Sonnenweisheit, und gaben den weihen Mauern unter sich das Gefühl innerlichen Reichtums und stiller Beharrlichkeit. Aus kaltem, sinnarmem Eisen war nur der metergvoß«(Stiefelschild des Schusters, der, zugleich Hausdiener und Torwatt. Heizer, Beleuchter und Behüter aller möglichen Bücher und wisienschastlichen Ding«, in den zwei menschenhohen Stuben neben dem mächtigen, dunkelgrün angestrichenen Haustor houste, über dem das Handwerksschild in nimmer rastender Unruhe hin und her baumelt« und mißgünstig zu der schönpolietten, langen Tafel ausblickte, die den Namen d«s Hauses mit schwarzen, stolzen Lettern in die Welt hinaussang: Volksheim I Wort voll donnernder Bewegung, schöpferischer Kraft und ftted- bcher Ruhe der Erkenntnis. Die Gass«, in der dieser Name prangt, ist heilig geworden und das Mekka einer neuen Religion. Ungezählte Füße trugen schon über ihr holperiges Straßen. Pflaster die seligste, edelste Sehnsucht der Erde: Die Sehnsucht nach dem Erkennen der Welt im Kreise der Wesen und Dinge. Tausend und aber Tausend Herzen schlugen im Laufe der Jahr« wieder fromm und weltfröhlich, wenn ihre Blutwellen zum Takte der schnellen Schritte sich hoben und senkten, die zu dem Heim der Schönheit, der Kunst und des Wissens strebten. Und in den feurigen Tagen des lang in Gärung gewesenen und nun aufzischenden Hasses der Waffe, in der kochenden Zell der großen Lohnkämpfe, des Messens der politischen Stimmenmacht von Partei gegen Pattei, da hört« man oft im wildesten Trubel einer abendlichen Versammlung einen, auf sich selbst besinnend, vor sich hersagen: „Jetzt hätte ich bald vergessen ins Bolksheim zu gehen. Heut' Hab' ich ja englische Stunde!" Valksheim! Zahnlose, greisig umfaltcte Münder, aus denen schon viele grau- same, lebensverächtliche, weltanspeiende Motte gefallen waren, sprachin diese zwei Eilben mit derselben jungen Begeisterung und
größere Ausdeymmg an, bis sie zur Besetzung des Ruhrgebietes fühtte. Dieser erbitternden Quelle ewiger Reibungen, Gewalttaten, Demüti- gungen ist bei dem bisherigen Stande der Reparattons- forderungen keine Grenze gesetzt. Das bedeutet ständige Un- ruhe und ökonomischen Verfall in Mitteleuropa und davon ausstrahlend in den anderen Ländern europäischer Zivili- sation. Es ist so schlimm wie dauernder Krieg. (Ein zweiter Attikel folgt.)
Politik im porzeUanlaöen. Die Stinnes -Preffe gegen Hjamar Branting. In der„Deutschen Allgemeinen Zeitung", dem Blatt des Herrn Hugo Stinnes , findet sich eine Anrempelung des schwedischen Ministerpräsidenten Hjalmar Branting , wie sie bösarttger kaum in irgendeinem Blatte vorkommen könnte, das sich die Heranzüchtung weiterer Gegner Deutschlands zur besonderen Aufgabe gemacht hätte. An die Vermutung, daß Branting , angeblich auf der Durchreise nach Paris , auch Berlin berühren werde, werden folgende Ungezogenheiten als aus einer„schwedischen Zuschrift" stammend veröffentlicht: „Branting hat vor einigen Tagen P o i n e a r e, diesem Feind des Fttedsns, des Recht«, der Freiheit und der ganzen Menschheit, in einem Pttvattelogramm zu semer für Frankreich so„siegreichen" Politik gratuliert. Wie im August, so kommt Branting jetzt nach Berlin mir als Spion Poincares, von dem er„mein treuer Freund" genannt wird." Zum Schluß werden die deutschen Behörden ge- warnt, Branting zu empfangen, der angeblich sogar die„Abmachungen der Ruhrindustrie mit den schwedischen Erzgruben verhindern" wollte. Aus diesem letzten Satze läßt stch leicht erkennen, aus welchen Interessentenkreisen diese politischen Ungezogen. Herten stammen. So richtig es ist, daß Branting während des Krieges für das wilhelminische Deutschland nicht das geringste übrig hatte, so bekannt ist, daß er dem republikanischen Deutschland mit ganz anderen Gefühlen gegenübersteht. Als schwedischer Ministerpräsident hat er mehr als einmal sich bs- müht, Deutschland für den BeitrittzumBölterbund zu gewinnen, in dem er selbst eine nicht unwesentliche Post- tion einnimmt und von dem er sich eine gerechte Regelung des Reparationsproblems verspricht. Bevor er die Ministerpräsi- dentenschaft übernahm, war Branttng bekanntlich Haupt- redakteur des Stockholmer „Socialdemokraten". Auch jetzt ver- binden ihn mit diesem führenden Parteiblatt Schwedens noch viele Beziehungen. Und wenn er auch selten mit seinem Namen an die Oeffentlichkeit tritt, so besteht doch mehr als ein Gmnd für die Annahme, daß ein Leitarttkel des„Social- demokraten" vom 22. Januar ganz im Sinne Bran- tings geschrieben ist. Dieser Artikel trägt die Ueberschrift: „Die Sackgasse und der Völkerbund ". Er de- schästigt sich mit der Ruhrbesetzung und mit der„v o n j e d e m nüchtern denkenden Menschen als die erste Folge der Ruhrokkupatton vorausgesehenen" deutschen Ob- struktion. Er betont, daß die gesamte öffentliche Meinung der Welt die Forderung billig finde, daß Deutschland wieder auf- baue, was es in Belgien und Nordfrankreich zerstört hat. Aber, so fähtt er fort: „Was hilft eine auch noch so einstimmige Stellungnahme zu- gunsten der Rechtsforderung, wenn die fordernde Partei bei der Eintreibung ihrer Forderungen Methoden zur Anwen- d u n g bringt, die derartig sind, daß sie den Schuldner wirt- schaftlich ins Grab legen! Und das ist«, was jetzt ge- fchieht." Die Franzosen erblickten, fo heißt es wetter, in der Ruhr- besetzung lediglich ein mathematisches Problem. Aber ste fei nicht einmal zu 19 Proz. ein mathematisches Problem. Vielmehr fei sie im höchsten Grade ein volks- psychologisches Problem und müsse als solches behan- delt werden:
tönenden Freude aus, wie der vierzehnjährig« Lehrbub, der trotz harter Tagesarbeit zwei Lehrstunden besuchte, um recht schnell in da» Licht des Wissens aufzuwachsen. Es war ja ein« Lichtquelle heiligster Art. In seiner ewigen Freud« versank jeglicher Weltschmutz und LSrm. Und jeden Tag schtttt ein Wanderer, immer«in und der- selb«, auf das Haus zu. Wett auf warfen sich die sieben Fenster des Obergeschosses dem treuen Gesellen in die liebreichen Arm« Da» war der Abend. Der brachte die wette Stille der Felder, die Kraft des Waldes und die Weisheit der Ferne mit. Gern nahm er die Gastlichkett des Volksheims in Empfang. Auf dem beschwerlichen Weg über die westlichen Berg«, steinig. holpttgen Straßen, feuchten Wiesen und durch stintende Gassen, von den Stelnlöchern der Armut gebildet, beherrscht von den Industrie- bürgen, durch jene oberweltlichen Katakomben, in denen jeder Stein vollgessckett war von dem Elend der Bewohner, war der Abend vieler Qual, unsäglicher Mutlosigkeit und unbändigstem Hasse begegnet. Tränen, diamantglänzend, hingen in seinem schattenden Bart. Tränen, die er täglich aufs neue vergießen mußte über all den Jammer, den er sah. Denn in jeden Raum mußte er treten, seinen Frieden ver- kündend. Und wie oft wurde er vom Wahnwitz der Not in dos gütige Angesicht geschlagen. So war et für ihn jeden Tag immer aufs neue ein warmer Trost und eine hell« Freude, wenn er zu dem Volksheim kam. Da stand schon das brette, gütig« alte Tor offen, als wollte es sogen: „Lieber Abend, wie schön von dir, daß du wieder da bist! Was machen denn meine Brüder im Wald?" Ein großer Saal mit sechs Fenstern in den Gatten hinaus, und vier kleinere Räume mit Bänken. Tischen, schwarzglänzenden hohen Schultafeln und vielen Schränken, die eine Menge Bücher, getrock- ntt« Pflanzen, ausgestopfte Tiere und«rgenattig« Instrumente aus Glas, fein pollettem Stahl und Messing enthielten, matteten schon ungeduldig auf ihn, und als die Stiege unter seinem leichten Tritt ganz fachte erzitterte, ging ein stummer Jubel durch das Haus. Und da kamen auch schon viel« junge Menschen, die der Abend noch kurz vorher, wottkarg und mit müden Gesichtern in den Fabriten, Rähftuben und Werkstätten hatte schaffen sehen, mit Büchern unter dem Arm« und Frohsinn in den entrußten und arbeitsstaubbefreiten Augen, und füllten Saal und Zimmer. Es war auch mancher bejahtte Mensch darunter, dessen durchkerbtes Antlitz den Widerschein der frohen Jugend um sich trug. Bald war das ganz« Haus voll Licht, Freude und Wißbegier, und die menschlichen Stimmen klangen darin wie Gesang. Dann verließ der Abend immer nur ungern dies« ihm so liebe Stätte, um der Pflicht seines Dofems zu folgen und wieder in falsch« Freude und Elend zu sehen.
„Der ungeheure Druck, dem Deutschland ausgesetzt wird und dessen Zweck ein Zwang des deutschen Willens zur Nachgiebigkeit sein soll, erzielt eine sichere Folge, nämlich allgemein« Aufhetzung in Deutschland . Was ein Volk, das der Gewalt unterworfen wird, aushalten kann, ohne nachzugeben, hat niemand besser bewiesen, als das belgische Volk während der deutschen Okkupation. Die ungebrochene Kraft des kleinen Belgien nach einer beinahe fünsjährigen Okkupation scheint ober dem tap- feren Volk dieses Landes nicht einmal die einfache Lehre erkcilt zu haben, daß solche Gewalt das Unerträglichste aus der Welt ist, denn sonst würde es Frankreich vor dem jetzt eingeschlagenen Weg gewarnt hoben, statt es zu unterstützen." Und in weiterer Erkenntnis, daß die Ruhrbesetzung, auch wenn sie keine anderen politischen Folgen hätte, die Hosfnun- gen auf die wirtschaftliche Gesundung Europas auf lange Zeit hinaus vernichten und die Kluft zwischen Frankreich und Deutschland bis zur Unüberbrücl- barkeit erweitern würde, heißt es in dem Aufsatz weiter: „... Frankreich kann nichts gewinnen, ausgenommen die wahr- hastig wenig beneidenswerte Ehre, in der Geschichte als das Land bezeichnet zu werden, dessen Maßnahmen schließlich zu einem vollständigen Chaos in unserem Weltteil führten." D a s ist die Auffassung der schwedischen Sozialdemokrane, und wir haben allen Anlaß zu der Annahme, daß auch der Potteigeiwsse Branting , wenn er nicht selbst der Ver- fasser des Arttkelg ist, so ihn doch vollinhaltlich billigt. So sieht ein Spion Poincarss aus. Wie aber ein Redakteur der„DAZ."? Ein französisches Urteil. Der Angriff der„D. A. Z." auf Branting wird am besten durch eine Aeußerung des Chefredakteurs des Pariser „Eclair" Emile Bure abgetan. Dieser besprach am 18. d. M. die ersten Meldungen über die Möglichkeit eines Eingreifens des Völkerbundrats auf Veranlassung Brantings und er- klätte, es sei Aufgabe der französischen Regierung,„diesen Schlag zu parieren". Branting habe sich zwar während des Krieges der Entente gegenüber korrekt verhalten, aber Frankreich könne keineswegs Vertrauen zu ihm haben. Als Schwede verteidige er die Interessen seines Landes, die durch die Ruhrbesetzung beein- ttächtigt seien, und als Sozialist neige er zu allen pazifistischen Thesen, die danach trachteten,„Frankreich um die Früchte seines Sieges zu bringen". Dann fährt Bure wörtlich fort: „Gründe genug, um ihm Mißtrauen entgegenzubringen. Während des ganzen Krieges hat er als guter Schwede und als uter Sozialist nie aufgehört, dem Traume eines„weihen Frie- ens" nachzujagen. Diesen Frieden lehnen wir ab. Es droht uns von feiten Schwedens , das sich zum Sprache rohr des englischen und amettkanischen Pazifismus macht, eine Gefahr.... Herr Poincare möge sich davor in acht nehmen!" Es ist für den Genossen Branting nur schmeichelhaft, daß er den deutschen Nationalisten als„Spion Poincares" und den fron- zösischen Nationalen als„Agent Deutschlands " hingestellt wird. Einen humoristischen Beigeschmack gewinnt die Warnung der „D. A. Z.", Branting in Berlin zu empfangen, noch dadurch, daß schon vor Tagen bekanntgegeben wurde, daß Branttng über Hamburg nach Paris gereist ist, ohne Berlin zu berühren.
flusnahmezustanö für Gera . Weimar , 27. Januar. (Eigener Drahtbettcht.) An d» Spitze der In Gera festgesetzten Roßbach-Leute stand der in Thüringen durch seine berüchttgten Denunziationen und durch Landtags- debatten ziemlich bekannte Hauptmann Lampel. Der ganze Transport ist heute nachmittag nach Leipzig abgeschoben worden. Das Thüringische Staatsministettum hat, veranlaßt durch diesen Vorfall, auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung unter dem 27. Januar zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für den Stadt- und Landkreis Gera den Ausnahmezustand verhängt. Zur Durchführung der Verordnung ist der Kreisdirektor, Genosse Drechsler, zum Regierungskommissar für den Stadt- und Land- kreis ernannt worden.
Tagsüber in dem qualmigen Dämmer öl- und schweißdunst. durchzogener Fabriksöle, staubiger Werkstätten im Banne des Dämons Industrie, mit vor Hast unnatürlich verkrümmten Fingen,, verdortten Gehirnen und eingetrockneten Herzen ihnen nicht zu Genuß kommende Wette schaffend, stehen nun die Boltsstudenten und-studentinnen in der Sonnenhell« und Freiheit einiger herrlicher Stunden, und alles in ihnen ist mittendes Denken und blühendes Gefühl der Freude am Leben. Die erdenstark« Weisheit und Daseinsfrömmigkeit großer Dichter, der Wahrheitskampf berühmter Gelehtter. der prattischc Wett realer Wissenschaften und Kenntnisse, die der Tag und die neue Zett verlangten, die Stenographie, dos Erlernen fremder Sprachen, das Einsichtnehmen in die Gesetze der Naturwissenschaft, Geographie, Geschichte und Kunst, nimmt von ihnen auf zwei Stunden festen Besitz und bringt die uralte Heiligkeit gottgeweihter Sabbatta ge in die Abende der langen Woche. Da stehen und sitzen die Aufrechten, die Kühnen, Wachenden, die Soldaten der Zukunft und lernen ein neues Welthorchen und Schauen, das ihnen einen köstlichen Wett gibt: Sie ahnen und wissen es zum Teil schon, wie schön, weise und gottnahe jegliches Dasein ist. Das Tor knartt auf. Einige Dutzend Menschen strömen daraus, wandern ihren groben Betten zu. Bald verschlingt sie die Finsternis. Aber jeder von ihnen bringt ein innerliches Licht, das leuchtet ihnen allen heim, manchen wohl noch darüber hinaus in die Ferne wacher Träume. Das Volksheim ist still geworden, schlafen gegangen.
Volksheim I So Hab' ich dich gesehen, als ich einer deiner Studenten war und allabendlich aus deinem Jungbrunnen den Trank der Lebensfreude und Daseinsliebs schöpfte. Heute bist du ein stolzer Palast, ein Königsschloß des Wissens, aus dem alltäglich des Abends eine gewaltig« Lichtfülle strömt. Volksheim! Ein alter Proletatterstudent grüßt dich!
Das fliegende Schiff. Auf einer englischen Werft ist soeben der Bau ein«? Schiffes vollendet worden, das sich im Wasser wie in der Luft zu bewegen oermag. Man könnte, wie Londoner Blätter berichten, das Fahrzeug mit seinen Maschinen und Schiffs- schrauben äußerlich für ein leicht gebautes, ausschließlich für das Wasser bestimmtes Transportmittel hatten. Im Innern birgt es bequeme Wohn- und Schlafräume für die fünf Köpfe zählende Mannschaft. Auf der Kommandobrücke sieht man das übliche Karten- zimmsr und den mit Glasfenstern geschlossenen Raum, von dem aus das Schiff gesteuert und gelenkt wird. Jetzt beginnt ober das Wunderbar«. Dos Schiff mit seinem das Wasser durchfurchenden Rumpf, das mit Maschinengewehren und Torpedos ausgerüstet ist, legt sich längsseits ein« großen Flugzeugmutterschiffes, von dessen