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Nr. 58<>4H. Jahrgang

I. Seilage öes vorwärts

Sonntag, 4. Jebruar l42Z

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Die Wannseebahn ist in mancherlei Beziehung eine merkwür- dige und beachtenswerte Bertehrsanstalt Groß-Berlins. Es ist näm. lich wenig bekannt, daß diese Bahn in verkchrstechnischer chinstcht heute schon das erreichbare Ideal darstellt. Auf keiner der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortstrecken gibt es eine schnellere und»er- hältnismäßig bequemere Verbindung als hier. Die heute vollkommen selbständig fahrende Bahn Berlin Zehleickwrf Wannsee Potsdam, als Wannseebahn bekannt, hat auch ein Stückchen interessante Eisen- bahngeschichte zu verzeichnen. Als nach dem Krieg« von 1870/71 pensionierte Offiziere und Beamte, Kriegsschieber und Spekulanten daran gingen, sich an dem sehr idyllischen Schlachtensee und Wann- sce anzusiedeln, da bedurfte es nur eines Winkes von oben und einiger Winke von rechts, um diesen Herrschaften eine eigene Bahn- Verbindung zu schassen. Diese wurde in Zehlendorf von der Stamm- bahn abgezweigt, ging über Schlachtensee, Nikolassee und Wannsee und oereinigt« sich in Babelsberg wieder mit der Stammbahn. 1891 wurde die Bahn, nachdem das dritte und vierte Gleis nach Potsdam gebaut worden war, als eigene Bahn unter dem NamenWannsee- bahn" bis Potsdam weitergeführt. Auf diese Weise hat Potsdam bereits vor dreißig Iahrem eine ideale viergleisige Borortverbin- dung bekommen, wie sie sämtliche anderen Berliner Dororte auch heute noch nicht haben. ,öankkerzüge�. Di« Berliner Eisenbahndirektion schüttete aber weiter über die Wannseebahn das Füllhorn ihrer Gnade aus, während sie alle an- deren Borortstrecken darben ließ. Als die hohen Herren der großen Banken und die höheren Beamten, die sich im Lauf« der Jahre zwischen Zchlendors und Wannsee angesiedelt hatten, winkten, war die Direktion sofort bereit, noch eine dritte Verbindung zu schaffen. Vor Zehlendorf wurde von der Wannseebahn zur Stammbahn ein Ueberführungsgleis angelegt, auf dem alle von der Wannseebahn kommenden Züge in Zehlendorf , wo sie noch einmal hielten, auf die Stammbahn übergeführt wurden, um nun nach Berlin in einem Zug« durchzufahren. Diese Züge, von denen auch heute noch sechs in seder Richtung fahren, erhielten den sehr bezeichnenden NamenBankierzüge". Auf diese Weise wird die ganze Strecke Verlin Potsdam in drei Etappen eingeteilt, eine Nahzon«, eine mittlere und eine Fernzone. Es ist wiederum sehr bezeichnend für die ehemalige Verkehrspolitik der Berliner Direktion, daß sie das zwischen Neu-Babelsberg und Potsdam gelegene Arbeiterdorf N o. w a w e s in den Schnellverkehr nicht mit einbezog. Stellt man den Gefamtverkehrsverhälmissen dieser Bahn die auf anderen Vorortstrecken herrschenden Zustände gegenüber, z. B. Alexander­platz Erkner, so bedeutet das Fahren hier zeitweilig eine Strafe, ein« Tortur. Und die Berliner Direktion könnte sich kein größeres Verdienst erwerben, als wenn sie mit allen erreichbaren Mitteln auch auf den anderen©trecken Verhältnisse schüfe, die denen der Stamm- und der Wannseebahn ähnlich sind. Nationale Stammgäste. Das Publikum, das auf dieser Strecke fährt, ist mit dem keiner anderen der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortzüge, vielleicht mit Ausnahme der Stadtbahnstrecke Friedrichstraß« Charlottenburg , zu verqleichen. Die handarbeitende Bevölkerung fehlt f a st ganz. Nur frühmorgens fährt ein starker Trupp bis Lichter- selbe oder Zehlendorf , um von dort die Fabriken am Teltow - k a n a l zu erreichen. Die Bahn ist in der Hauptsache das Verkehrs- mittel der im Berliner Außenwesten wohnenden Bevölkerung, so- fern sie keine Automobile hat, und der hohen und mittleren Reichs- und Staatsbeamten, die in Steglitz , Lichterfelde und weiter draußen wohnen, also ganz national besetzt. Nur am Sonnabend nachmittag und Sonntag ftllh wird sie auch von den vielen Siedlern, die jetzt um Zehlendorf herum sitzen, benutzt. Wenn man morgens auf der Hinfahrt und abends auf der Rückfahrt gelegentlich durch die Abteile streift und sich die Zeitungen ansieht, die dort gelesen werden, dann weiß man bald, was los ist: Fast ausschließlichnationale" Blätter. Wie oft die Republik fett ihrem Bestehen samt ihren Füh- rern in den Abteilungen zweiter Klasse der Wannseebahn und der Stammbahn in mehr oder minder laut und deutlich geführten an- züglichen Gesprächen gemeuchett worden ist, ist kaum zu sagen. In den Kapp-Tagen sah man erwartungsfrohe Gesichter, kühne Reden schwirrten herum. Hernach wurden die Gesichter wieder länger.

Heute jedoch treten dies« Herrschaften bereits wieder selbstbewußt auf undBayern " ist das ewige Thema ihrer besonderen Zuneigung. Hin und wieder ereignet sich auch folgende drollige kleine Szene: Ein O f f i z i e r der Reichsarmee springt eilig in ein'Abteil dritter� Klasse und auf den Gesichtern aller Mitreisenden malt sich soforr| Ver- und Bewunderung, als wenn man sagen wollte: Ei, ei, also' auch die Herren Offizer« passen sich der neuen Zeit und der oft ge- forderten einfachen Lebensweise an. Aber es ist jedesmal ein Irr­tum An der nächsten Haltestelle steigt der Herr Offizier aus und schwirrt in ein Abteil zweiter Klasse hinein, das er vorher, da der Zug bereits im Anfahren war, nicht mehr hatte erreichen können. Es scheint also, als ob Offiziere und neue Zeit unvereinbar sind. keine Ueberfüllung. An den Markttagen sind die Abteil« voll von Frauen und Mädchen, die mit Körben und Körbchen aus Schlachtensee und Ni- kolassee nach Zehlendorf und wieder aus Zehlendorf und Lichter- felde nach Steglitz zum Markt fahren, weil es jeweils ein paar Mark billiger ist als am Orte selbst. Die unerhört« Ueberfüllung, die z. B. die Südringzüge und die Züge nach Erkner und Niederschöne- weide in den Hauptverkehrszeiten aufzuweisen haben, kennt man, außer in gewissen Morgenstunden auf der Strecke Steglitz Berlin , hier nicht. Jnfolgedesien steht auch das Innere der Wagen weit mehr geschont aus als auf jenen Strecken. Am 1. August 1921 hat die Eisenbcchndirektton Berlin für alle Besitzer von Monats- karten einen Zwang zur Führung eines Lichtbildes eingeführt. Dadurch sollen eine gewisie Kontrolle erreicht und ein Mißbrauch der Monatskarte verhindert werden. Diese Einrichtung hat aber zu einem Mißerfolg geführt, so daß sich die Direktion, da diese wunderbare Einrichtung gar nicht abgeschaftt wird, offenbar entschlossen hat, sie einzig und allein auf der Wannseebahn für unabsehbare Zeiten bei- zubehalten als Beweis modernen Reformeifers. 4- Sogenannten feudal-nattonalistischen Charakter hat die Pots- damer Bahn immer zu wahren gewußt, denn sie war emst die ein- Zige Vorortstreck«, die Wagen erster Kasse führte, in denen man die Potsdamer Gardeoffizier« mit ihren Damm, die Hof- und Regie- rungsbeamtm und alle möglichen feudalen Schranzen, getrennt von dem übrigen zweit- und drillklafstgen Plebs, hin- und herfahrm sah. Nach dem 9. November wurde diesem kindischen Unfug endlich ein Ende gemacht und die Potsdamer Stammbahn führt heute auch nur noch zweiter und dritter Klasse. Aber immer noch genießt sie vor allen anderen Vorortstr ecken dm großm Vorzug, daß sie außer in Babelsberg auf keiner Zwischcnstatton anhält. Die Leute, die von Nauen , Bernau , Zossen , Oranienburg , Königswusterhausm und Erkner nach Berlin rein müssen, haben es bekanntlich nicht so gut.

Serliner in Amerika . Der Redaktion bt»Dorw." flattert der Brief einer Berlinerin, einer ffrau ans dem Volke, ans den Tisch, die mit ihrer Famiii« nach Amerika , wo st- zunächst bei Berwandten llnterstiwung fand, ausa-wander» ist. Da der Brief ein Beweis dafür ist, wie rasch sich die Umstellung der Ledensgewohnheiten in die neuen Berhältnisfe vollzieht, so soll er hier stehen. Der starke Optimismus darf aller­dings nicht darüber hinwegtäusche», daß die Schilderung unter dem ersten Eindruck der neuen Dinge geschrieben ist, und daß in den Großstädten Amerika » die Verhältnisse bei weitem nicht so roflg stnd, wie st« die Briesschrriberin in der paradistschen Um- gebung von Los Angelos angetroffen hat. D. Red. .. Am 10. fuhren wir abends 7 Uhr von New Port ab, ftüh um S Uhr trafen wir in Washington ein. Hier tranken wir den ersten richtigen Kaffee, o, das war was Schönes. Um 9 Uhr ging es wieder weiter Es war eine herrliche Fahrt. Wir fuhren durch Zuckerplantagcn, Baumwoll-, Mais- und Weizenfelder, un- absehbar, durch Sandwüsten, Negerdörfer, große Felsen, sumpfige Palmenwiesen, auch stellenweis« Kakteenwiesen, die Kakteen waren so groß wie Bäume. Unser Zug fuhr auch«ine Seemeile über Wasser, da keine Brücke gebaut werden kann, weil es so sumpfig ist. Der Zug gelangt auf eine Fähre, in zwei Hälften, und wird dann wieder zusammengesetzt. Die Fahrt war wirklich herrlich, ts hätte so noch ein paar Wochen gehen können, es war gar nicht langweilig. Auch fahren die Züge hier alle so schnell wie bei uns die v-Züge. Wir halten es schön bequem: die Wagen sind sehr groß, es gehen 60 65 Personen hinein, d. h. soviel Sitzplätze sind

es, wir hatten jeder vier Sitze und tonnten es uns schön bequem machen, da wir nur 20 Auswanderer waren, die nach Los An- gelos fuhren. Auch ist in jedem Wagen Waschtollette und Eis- wasser, da es im Ottober noch sehr heiß war. Am 16. Oktober abends um 10 Uhr trafen wir hier ein. Mein Nesse hatte uns mit seinem Auto abgeholt; hier haben sie fast alle ein Auto. Wir waren also 21 Tage unterwegs. Die Reise kostet uns 1040 Dollar. Also das wären auf den Kopf 260 Dollar. Das Schiff kostet 109 und die Bahn III, das Visum 10 Dollar, und 25 Dollar muß hier jeder vorzeigen, sonst kommt man nicht herein. Dazu kommen 8 Dollar Köpfst, uer. Da wir schnell unsere Schulden abzahlen wollen, damit wir bald ein eigenes Heim haben, sind wir alle in Stellung gegangen. Die Mädchen und ich haben es sehr gut an- getroffen, sie verdienen 60 Dollar. Die Leute sprechen deutsch . Ich habe hier zwei Zimmer, ein Schlaf- und ein Badezimmer, alles elektrisch beleuchtet. Wenn ich auf den Knopf drücke, ist es warm, und morgens gibt es reinen, schönen Kaffee. Margarine kommt nicht ins Haus. Hier find die Leute ganz anders als bei uns, nicht so eingebildet wie der Deutsche ist. Wenn einer in Deutschland einen Titel hat. dann weiß er nicht, wie hoch er seinen Kopf tragen soll, aber hier streben sie nur nach Mitteln. Im großen und ganzen ist der Amerikaner nicht gut auf die Deutschen zu sprechen: wenn hier im Kino deutsche Soldaten zu sehen sind, überhaupt Ludendorff , Hindenburg und wie sie alle heißen, dann werden sie ausgejohlt. Für Militär sind die wenigsten Amerikaner. Arbeiten muß man hier, wer nicht arbeitet, hat auch nichts; aber man kann doch anders leben. Wir kochen hier drei Pfund Fleisch für vier Teller Suppe. Das ausgekochte Fleisch essen wir nicht, und ich Lenke, wenn sie das nur in Berlin hätten. Wir essen viel Obst, auch alle Tage Kuchen, entweder wird welcher gebacken oder wir kaufen ihn. Auch wird hier viel Eiskrem gegessen, da es immer warm ist. Die Blumen blühen das ganze Jahr, auch frisches Gemüse gibt es das ganze Jahr hindurch, wie Schoten, grüne Bohnen, Spinat, Salat und dann die Kohlarten. Wir wohnen in den Bergen, von hier aus kann man die ganze Stadt übersehen. Sie müßten hier wohnen, da brauchen Sie nicht zu stieren. Es ist ein herrlicher Anblick, unsere Berge sind grün und weit hinten sind Schneeberge, wenn das Wetter klar ist, kann man sie sehen. Hier trägt man jetzt weiße dünne Blusen...." Soweit der Brief unserer Berliner Arbeiterfrau, die zunächst nur die Sonnenseiten des neuen Landes sieht. Es ist übrigens inter- essant, daß sie nach kurzem Aufenthalt dort bereits aus eigenem bemerkt, in welchem Ruf uns der deutsche Militarismus mit dem Gehaben seiner Nattonalgötzen gebracht hat.

Wohnungsnot überall! Vor einiger Zeit hatten wir uns einmal unter der Hpitzmarke Hausbesitzer gegen Mieter und Gewerkschaften" den Neujahrserguß des Herrn Ladendorff imGrundeigentum", dem in dem deutsch - nationalen Scherl-Verlag erscheinenden Organ des Bundes der Berliner Haus- und Grundbesitzervereine, vorgeknöpft. Herr Laden- dorff scheint deswegen einen kleinen Schwächeanfall bekommen zu haben, denn er überläßt das weitere seinem Knappen Karl Kuhls, Volkswirt RDB. Während aber olle Zettungen und Zeitschriften infolge Papierüberteuerung unter Raumnot leiden, verfügt dos Haus- und Grundbesitzerorgan, das übrigens jede Woche erscheint, über 20 Setten Umfang, davon 12 Seiten Anzeigen, was wiederum recht interessante Rückschlüsse auf die offenbar von den Inserenten recht hoch eingeschätzte Kaufkraft der angeblichin Not und Elend verkommenden Hausbesitzer" zuläßt. Von den resttichen acht Seiten widmet uns Herr Kuhls eine ganze und noch etwas drüber. Seiner langweiligen Rede kurzer Unsinn ist, daß denHausbesitzern das nationale Wohl weit mehr am Herzen liege als den kurzsichtigen Vertretern der Internationale", und daß die Stunde nicht mehr fern fein wird, wo die Zeit über all« krassen Parteiegoisten hinweggehen wird, welche es bisher so gut ver- standen haben, unser gutgläubiges Volk in Not und Elend hinein- zukutschieren". Wiederum, wie schon das erstemal, muß man bei den berufenen Vertretern des Hausbesitzes eine verdammt klägliche Logik feststellen, denn mit den krassen Parteiegoisten, die unser gut, gläubiges Volk in Not und Elend hineinkutschiert haben, können doch nur die deutschen Nationalisten gemeint sein, die dieses Kunst- stück tatsächlich auch Mischen 1914 bis 1923 fertigbekommen haben. Warum spricht Herr Kuhls das nicht, wie es einem deutschen Mann geziemt, offen und ehrlich aus und bringt es so ganz heim- lich in einen polemischen Artikel gegen denVorwärts" hinein? Und dann die nationalen Hausbesitzer! Herr Haberland, ein pro- minenter Vertreter des Haus- und Grundbesitzes, dessen Denkweise der des Herrn Kuhls gewiß besonders innig verbunden sein wird, hat in der Delegiertenoersammlung des Schutzverbandes für beut- schen Grundbesitz vom 10. Januar d. I. den bemerkenswerten Aus- ! fpruch getan, mit dem man überhaupt alles Gerede der Natio- ! nalisten abtun kann:Wir können uns nicht den Luxus

iNachäruck verboten. Der Malik-Derläg, Berlin .) Drei Soldaten. 28j Von 3ohn dos Passos . Aus dem amerikanischen Manuskript übersetzt von Julian Gumperz . Er hatte die Hände in den Taschen vergraben und den Kops zurückgeworfen und beobachtete sie, wie sie Brot schnitt, den großen Laib an ihre Brust gedrückt. Sie bürstete einige Krumen mit ihrer dünnen weißen Hand von ihrem Kleide ab. Du bist mein Mädel, Dvonne, nich?" Fuselli legte seine Hand um sie. .,t5alk bStp/ sagte sie lachend und schob ihn fort. Draußen kam ein schneller Schritt, und ein anderes Mädchen trat in die Küche, ein dünnes Geschöpf mit gelbem Gesicht, scharfer Nase und langen Zähnen. Meine Cousine,"mein lieber Amerikaner." Sie lachten beide Fuselli wurde rot, als er dem Mädchen die Hand schüttelte. Es ist hübsch, nicht?" sagte Dvonne mürrisch. Ja, er ist reizend, dein Amerikaner!".Sie lachte wieder. Fuselli, der nicht recht verstand, lachte auch und dachte bei sich, die werden das Essen kalt werden lassen, wenn sie sich nicht bald hinsetzen. Hole Mama. Dan," sagte Yvonne. Fuselli ging in den Laden durch den Raum mit dem großen Eichentisch hindurch. In dem schwachen Licht, das aus der Küche hereinkam, sah er die weiße Haube der alten Frau. Ihr Gesicht war im Schatten, aber in ihren kleinen, perligen Augen lag ein schwacher Glanz. Abendbrot, Madame!" rief er. Sie murmelte irgend- etwas in ihrer kreischenden, kleinen Stimme und folgte ihm dann in die Küche. Bom Lampenlicht vergoldeter Dampf stieg aus der großen Suppenterrine wie Kissen zur Decke empor. Ein weißes Tuch lag auf dem Tisch und ein großer Laib Brot am Ende. Die verzierten Teller schienen Fuselli die schönsten, die er je gesehen hatte. Die Weinflasche stand dunkel neben der Suppen- terrine, und der Wein in den Gläsern warf dunkelrote Licht- flcke auf das Tischtuch. Fuselli seine Suppe schweigend. Er verstand sehr wenig von dem Französisch, das die beiden I

Mädchen miteinander sprachen. Die alte Frau sagte selten etwas, und wenn sie es tat, warf ihr eines der beiden Mäd- chen eine heftige Bemerkung zu; sie ließen sich kaum dadurch in ihrem Plaudern stören. Fuselli dachte an die anderen, die jetzt in Reihe und Glied vor der dunklen Eßbaracke aufmarschiert standen und an das Geräusch des Essens, wenn es in die großen Eßgeschirre hineingelöffelt wurde. Plötzlich kam ihm ein Gedanke:Ich werde Yvonne dem Sergeanten vorführen. Wir können ihn ja zum Essen auffordern. Wird auch meinem Vorwärts- kommen nichts schaden." Das Omelett schmolz ihm im Munde. Verflucht bon," sagte er zu Yvonne mit vollem Munde. Sie sah ihn groß an. Bon, bon," sagte er wieder. Du... bon, bon," sagte sie und lachte. Die Cousine sah neidisch von einem aus den anderen. Ihre Oberlippe hob sich von den Zähnen zu einem Lächeln. Die alte Frau kaute schweigend auf ihrem Brot herum. Da ist jemand im Laden," sagte Fuselli nach einer lan- gen Pause. Ich werde gehen." Er legte seine Serviette nieder unh ging hinaus, nachdem er seinen Mund mit dem Handrücken abgewischt hatte. Eisenstein und ein Junge mit kreidigem Gesicht waren im Laden. Hallo? Führst du hier Wirtschast?" ftagte Eisenstein. Natürlich," sagte Fuselli eingebildet. Habt Ihr'was Schokolade?" stagte der Junge mit dem kreidigen Gesicht in dünnem, blulleerem Tone. Fuselli schaute in den Fächern herum und warf eine Tafel Schokolade auf den Ladentisch. Noch was?" Danke, Korporal. Wieviel sind wir schuldig?" Fuselli pfiff ein Lied und ging in das Innere des Zim- mers zurück.Was kostet die Schokolade?" fragte er. Nachdem er das Geld in Empfang genommen hatte, setzte er sich wieder auf seinen Platz am Tisch und lächelte wichtig. Muß Al das schreiben," dachte er, und er wunderte sich, ob wohl Al eingezogen sei. Nach Tisch saßen die Frauen eine Weile plaudernd beim Kaffee, während Fuselli unruhig auf seinem Stuhl hin und

her rückte, dann und wann aus die Uhr schauend. Sein Paß lautete nur bis zwölf Uhr, und es ging jetzt schon auf zehn. Er versuchte Yvonnes Augen zu erhaschen. Aber sie bewegte sich in der Küche, machte alles für die Nacht fertig und schien ihn kaum zu beachten. Endlich schob sich die alte Frau in den Laden, und man hörte einen Schlüssel schwer in der äußeren Tür knarren. Als sie zurückkam, sagte Fuselli allen gute Nacht und ging durch die hintere Tür in den Hof hinaus. Dort lehnte er sich verdrießlich gegen die Mauer und lauschte im Dunkeln aus die Geräusche, die aus dem Hause kamen. Er konnte die Schatten sehen, die durch das orangefarbene Lichtviereck hin- durchgingen, das das Fenster auf die Pflastersteine des Hofes hinabwarf. Ein Licht erschien in einem oberen Fenster und sandte einen schwachen Schein nach den unordentlichen Ziegeln des gegenüberliegenden Daches. Die Tür öffnete sich, und Yvonne und ihre Cousine standen plaudernd auf der breiten Steintreppe der Tür. Fuselli hatte sich hinter ein großes Faß zurückgezogen, dessen altes, feuchtes Holz einen ange- nehmen Weingeruch ausströmte. Schließlich bewegten sich die Köpfe für einen Augenblick im Schatten auf den Pflaster- steinen aufeinander zu, und dann war die Cousine über den Hof in die Straßen hinaus. Ihre schnellen Schritte erstarben allmählich. Yvonnes Schatten war nochln der Tür zu sehen. Dan." sagte sie weich. Fuselli kam hinter dem Faß her- vor. Sein ganzer Körper zuckte vor Freude. Yvonne deutete auf seine Schuhe. Er zog sie aus und ließ sie unter der Tür zurück. Er sah auf die Uhr. Es war ein Viertel auf elf. Komm," sagte sie. Er folgte ihr. Seine Knie zitterten ein wenig vor Aufregung, als er die steilen Stufen hinaufstieg. Die tiefen Schläge der Turmuhr begannen gerade Mitter- nacht zu schlagen, als Fuselli in das Lagertor hineineilte. Er gab seinen Paß der Wache und marschierte zu den Baracken. Die standen abgrundschwarz, erfüllt von einem Ton tiefen Atmens und dem gelegentlichen Geräusch von Schnarchen. Ein dicker Geruch von Uniformwolle, in der Schweiß einge- trocknet war, quoll ihm entgegen. Fuselli zog sich ohne Hast aus und dehnte wohlig die Arme. Er wickelte sich in seine Laken, fühlte sich kühl und müde und schlief mit einem Lächeln der Selbstzufriedenheit auf den Lippen ein. (Fortsetzung folgt.)