/ranzö fische Besetzung das Gegenteil zwar nicht gewollt aber bewirkt hätte. Sticht als ob die französischen Truppen schlech- teren Willens gewesen wären als andere in und nach dem Weltkriege, aber sie erfuhren, was alle Heerführer und Poli- tiker endlich hätten lernen können: jede Besetzungstruppe muß sich in jedem ökonomisch sortgeschrittenen, von demo- lratischem Leben erfüllten Volke verhaßt machen, wenn sie als siegreiches Militär sich gebärdet und, was noch stärker wirkt, mit politisch-imperialistischen Zielen auftritt. Wir erleben im Rheinlande seit vier Iahren an uns allen, wie wahr das Wort Kautskys ist, daß jeder demokratische Nationalstaat dem fremden Erobererwillen „den energisch st en, dauernd kaum über» windbaren Wider st and" entgegensetzt. Jeder Imperialismus, jeder Militarismus bleibt, so klug er sich zu maskieren strebt, täppisch brutal. Frankreichs Paraden im Rhythmus der Marseillaise unter dem Rauschen der Trikolore, Frankreichs lockende Gesänge vom gallischen „Genius des Rheins", Frankreichs mit Franken gekaufte Llpoftel der„friedlichen Durchdringung" sind im Grunde so ungeschickt wie der mauschelnde Ludendorff in Polen , Tvie der „flamenbegeisterte" Preußengeneral Bissing in Belgien und andere„Befreier" dieser Art. Ihr politischer Unkrautsame schießt als Haß und Rache ins Kraut. Wars nicht genug, daß die französische Besetzung in vier Iahren verwüstet hat, den Umständen nach verwüsten lnußte, was in einem Jahrhundert an Brücken zwischen den beiden Kulturvölkern geschlagen war? Nun hat Ruhr- besetzung das unheilvolle Werk vollendet. Unter den breiten Rädern der Tanks ist beinahe alles zer- malmt, was trotz allem an Keimen der Verständigung zu sprießen begann. Wenn die regierenden Herren in Paris die Welt von verwüsteten Gebieten unterhalten, mögen sie eines nicht vergessen, auf das wir rheinischen, wir deutschen Sozialdemokraten mit besonderer Trauer blicken: die von drüben und hüben unter Wogen verblendeten Hasses einst- weilen begrabenen Saaten einer deutsch -französischen Ver ständigung am Rhein.___ wann kommen Taten � Die sprunghafte Teuerung, die jetzt auf allen Gebieten � des Warenmarktes auftritt und deren letzte Ursache die neue durch die Besetzung der Ruhr herbeigeführte Katastrophe der Mark ist, macht Abwehrmaßnahmen der Regierung unbedingt erforderlich. Statt dessen hört man lediglich, daß eine Reihe kleiner Maßnahmen geplant ist, so die Einschrän» kung des Unfugs im Handel mit Edelmetallen, das Vorgehen gegen den übermäßigen Verbrauch von Lebensmitteln in Luxusgaststätten— von einem ern st haften Versuch aber, den Keimen der Teuerung entgegenzuwirken, ist wenig zu vernehmen. Nachdem der frühere Reichswirtschafts- minister, Genosie Robert Schmidt, im Reichstag«m letzten Freitag auf die enormen Auswüchse der Devisenspekulation hingewiesen hat, verstand sich der Reichsinnenminister Dr. O e f e r dazu, weitere Maßnahmen anzukündigen. Kaum war das jedoch geschehen, so hallte die gesamte Presse wider von Dementis der verschiedensten Art. Wenn es auch den Anschein hat, daß nach wie vor die Herausgabe von wert» beständigen Anleihen wohlwollend erwogen wird, so gehen die Beratungen dennoch mit einer Langsamkeit vor sich, gegen die die übliche Schnelligkeit des heiligen Bureautratismus ge- radezu ein Eilzugstempo ist. Auch in der Frage der Wucherbekämpfung wird mehr erwogen als ge- bandelt. Angesichts dieser Umstände ist es dringend ge- boten, darauf hinzuweisen, daß der Abwehrkampf gegen die l Ruhrokkupation nur möglich ist, wenn das ganze Volk in; die Loge versetzt wird, ihn zu bestehen. Gegenwärtig aber � entwickeln sich die Verhältnisse zu einem glänzenden Geschäft für die Börsianer, während die Verbraucher in ungeheuren Preisen bei nur langsam folgenden Löhnen die Kosten� dieses Wirtschaftskrieges tragen. Die Regierung muß schleunigst zu, Entschlüssen kommen, die den Sturm am Devisenmarkt und!
die ungeheure Preiswelle einzudämmen geeignet sind. Sie macht sich sonst mitschuldig an der Lähmung der Abwehrkraft unserer Arbeiterschaft!_ Sescbleunigung öer Steuererhebung? Eine der dringendsten Forderungen einer vernünftigen Finanzpolitik ist die beschleunigte Einziehung der Steuer. Der Gesetzentwurf über die Berücksichtigung der Geldentwertung in den Steuergesetzen sollte durch die Einführung von Verzugszinsen den Steuereingang beschleunigen. In der Praxis aber merkt man von diesen löblichey Absichten des Finanzministeriums einstweilen nichts. Im Gegenteil! Die Steuererklärungen, die früher abgegeben wurden in der Zeit vom 1ö. Januar bis Mitte Februar, fällen in diesem Jahre im Monat Februar abgegeben werden. Für die Beendigung der Veranlagung ist der Tennin vom 31. März aus den 15. Mai hinausgeschoben worden! Aber auch diese Termine scheinen auf dem Papier stehen zu sollen. Nach einer Mitteilung der„Franks. Ztg." sind die Finanzämter angewiesen worden, vorläufig keine B o r d r u ck e für die im Februar vorgeschriebene Vermö- gens- und Einkominensteuererklärung auszugeben, weil das bald zu erwartende Gesetz über die Berücksichtigung der Geld- entwertung in der Steuergesetzgebung in der Abgabe der Steuererklärung berücksichtigt werden soll. Der Zeitpunkt der Herausgabe der Bordrucke werde noch bekanntgegeben. In unterrichteten Kreisen nimmt man an, daß als Folge dieser Maßnahme eine Verlängerung der Frist für die Abgabe der Steuererklärung eintreten wird, wenn auch bei den Finanzämtem bisher darüber noch keine Weisungen vor- liegen. Wir verlangen vom Reichsfinanzministerium, daß es sich zu dieser Mitteilung, die durch eine Bekanntmachung der Frankfurter Finanzämter bestätigt wird, sofort äußert. Wenn die H i n a u s s ch i e b u n g der Termine die e r st e Wir- kung des neuen Gesetzentwurfs sein soll, so wird wiederum eine abschüssige Bahn betreten, auf der es ein Halten nicht mehr gibt. Denn da die Beratung des Gesetzentwurfs im Reichstag überhaupt noch nicht begonnen hat, ist bei dem Widerstand, den das Bürgertum jetzt bereits diesem Gesetz- entwurf bereitet, kaum damit zu rechnen, daß er in abseh- barer Zeit verabschiedet wird. Es geht deshalb nicht an, daß unter dem Vorwand der Berücksichtigung des neuen Gesetz- entwurfs die Veranlagung für die Einkommensteuerpflichtigen und die Vermögenssteuer auf unabsehbare Zeit hinaus- geschoben wird._ Zur Klarstellung. Verschiedene Anfragen aus unserem Leserkreise veran- lassen uns zu folgender Feststellung: Die Redaktion des„Vorwärts" trägt keinerlei Berant- worlung weder für den Inhalt, noch für den Stil, noch für den Ton solcher Meldungen und Telegramme, die von Agen- turen verbreitet und die als solche in unserem Blatte mit den bekannten Buchstaben(MTB., TU., EE.. Eca. usw.) ausdrück- lich gekennzeichnet werden. Auch die, Tatsache, daß die Re- daktion ein Agenturtelegramm kommentarlos wiedergibt, be- deutet keineswegs, daß sie sich damit identifiziere. In Fällen, � wo es ihr politisch wichtig und technisch möglich erscheint, er-' folgt eine kritische Stellungnahme, sei es durch redaktionelle Bemerkungen im Text selber, sei es durch beigefügte Kom- i mentare. Es braucht nicht besonders betont zu werden, daß uns der Ton und die Tendenz mancher Meldung von MTB. und> dgl., die sich auf die Ereignisse im Ruhrgebiet beziehen, oft be- dcnklich erscheint. Es ist aber weder technisch durchführbar, noch politisch und journalistisch ratsam, dies jedesmal zum Ausdruck zu bringen. Volle Verantwortung trägt die„Bor- wärts"-Redaktion nur für eigene Drahtberichte, eigene Kommentare und eigene Artikel, soweit diese nicht ge- zeichnet sind oder ein ausdrücklicher Borbehalt geltend ge- macht wird.
Ueberschichten in NieSerschlesien. Es wird uns mitgeteilt: Die Lezirkskoascrcnz de» Vergarbeiterverbandes für das niederschlejische Steinfohlengebiet hat mit großer Mehrheit beschlossen, zur Abwehr der folgen der widerrechtlichen Lesehnng des Ruhrrevier» das Verfahren von Ueberschichten sofort aufzunehmen. Die ve-lrauer.sleute waren der lleberzeugung, daß alle feindlichen Versuche, das deutsche Wirtschaftsleben durch Entziehung der Ruhrfohle zu schädigen und den deutschen wider- stand zu brechen, bei den Bergleuten der unbesetzten Bergbau- gebiete nur versiärklen Opfersiun auslösen können.
Erfüllte Zusage. Slufhebung des Zlusnahmezustandes in Bayern . München , 5. Februar.(III.) Amtlich wird gemeldet: Vom Gesamtministerium des Freistaates Bayern wird verordnet, daß die am 26. Januar getroffenen einstweiligen Maßnahmen zum Schuhe der Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wieder aufgehoben werden und mit dem b. Februar außer Kraft treten. Rüstungen der Hitler-Stnrmtruppen. München , 5. Februar.(TU.) Die»Münchener Post� macht heute eingehende Mitteilung, daß der nationalsozialtstiiche Sturmtruppiübrer Liebte an die Kasse der nationolsozialist'ichen Arbeiterpartei sehr große Geldbeträge abführt, die Hitler» Armee mit sehr großen Mengen von BekleidungS - und AusrüsiungS- gegenständen versorgt und in den ReickSwehrkasernen unter Aufwand tolosialer Geldbeträge versucht, mit Leuten in Ver» bindung zu kommen, die über L?ossen Bescheid wissen. Hitler dementiert. Hitler ersucht die Telegraphcn-Union um Verbreitung folgender Erklärung: Seit einigen Tagen verbreiten Berliner und Münchener Zei- tungen eine»Anfrage", ob es wohr(ei, daß die Nationallozialistische deutsche Arbeiterpartei durch französische Gelder unterstützt werde. Ich erkläre hiermit, daß dies in keiner Weise den Tatsachen entspricht und bezeichne jede dahinzielende Behauptung als eine niedrige Verleumdung. Luüenöorffs Triumphfahrt. Wien , S. Februar.(Eigener Drohtbericht.) Gestern kam es in Klagenfurt zu Zusammenstößen zwischen Ar» beitern und Hakenkreuzlern, wobei die Hokenkreuzler mit Revolvern gegen die Arbeiter losgingen, allerdings ohne zu schießen. Es wurden am Sonnabend und gestern acht Arbeiter in Klagenfurt verhaftet. Ludendorff ist heute von Klagensurt nach Wien gefahren. Bei der Fahrt ist es auch in Bruck a. d. M u r und in Katzen bürg in der Steiermark zu stürmischen De - monstrationen der Arbeiter gegen Ludendorff ge- kommen, wobei die Arbeiter riefen:„Wo ist der Massenmörder, der Deutschland ins Unglück gestürzt hat!" Es gelang aber den Ordnern, die Abfahrt des Zuges schließlich aus beiden Stationen durchzusetzen. In Katzenburg drangen trotzdem die Arbeiter in den Zug ein und durchsuchten ihn, ohne freilich Ludendorst zu finden, der sich offenbar in einem Klosett ver st eckt hatte. In Wien -Reustadt waren die Arbeiter ebenfalls sehr erregt, es gelang jedoch, sie vom Eindringen in den Bahnhof abzuhalten. Heute in später Nacht kommt Ludendorst in Wien an. Auch hier sind die Ordner in Bereitschaft, um Ausschreitungen entgegenzuwirken. Die Generäle Ludendorff und o. Zwehl haben gegen den Genossen Hermann Wendel einen Beleidigungsprozeß angestrengt. Gegenstand der Anklage bildet ein Artikel in der„Glocke" vom 8. Januar, der von den Verwüstungen in Nordsrank- reich handelt. Der„Völkische Beobachter" ist wegen eines Artikels„Parla- mentarijcher Sumpf" auf die Dauer von vier Wochen verboten worden.
Rückschrittliche hochsthulpolitik. Die unmittelbaren Bedürfnisse der deutschen Weltwirtschaft und Deltpolitik schufen im Jahre 1837 das„Seminar für Orten- talische Sprachen". Dieses Hochschulinstitut stellte sich von Anbeginn an ganz andere Aufgaben und umfaßte in seiner Wirk- samkeit ganz andere Kreise als die deutschen Universitäten. Es wid- met« sich nicht dem gewöhnlichen historisch-philologischen Sprachen- betriebe der Universitäten, sondern förderte mit dem intensiven praktischen Gebrauche der modernen Sprachen zugleich eine gründliche Kenntnis der wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Einrichtungen der an der Weltwirtschast und Weltpolitik beteiligten Völker. Das Seminar für Orientalische Sprachen öffnete seine Pforten nicht nur Philologen, sondern den Männern der modernen Ver- waltung und des internationalen wirtschaftlichen Lebens. Die allzeit praktischen Engländer gingen bei uns in die Schule und errichteten 1909 eine die gleichen Ziele wie das Orientalisch« Seminar ver- folgende Hochschule, weil sie erkannten, daß die Unioersitäten mit ihrem sich in den alten historisch-philologischen Geleisen bewegenden Sprachenbetrieb nicht Pflegestätten von Studien sein könnten, die nicht Sprachlehrer(Philologen), sondern Männer de» Welthandels, der Wcltinduftrie. der Weltarbeit und des internationalen Verwaltungsdienstes aus- und fortzubilden hatten. Mit der rapiden Entwicklung der deutschen Weltwirtschaft setzten fast automatisch Bestrebungen ein, das.Seminar für Orientalische Sprachen" zu einer Auslandshochschule auszubauen. In diesem Sinn« bewegten sich ein Beschluß des Reichstages vom Jahre 1913 und Beschlüsse des Preußischen Landtages . Ausschlaggebend war dabei der Gedanke, daß man den Bedürfnissen der internationalen deutschen Wirtschaft und de» deutschen Auslandsdienstes genügen müßte. Jetzt scheint Herr Becker, der tatsächliche Leiter des preußischen Hochschulwesens, alles das, was im Orientalischen Seminar hlsto- risch geworden ist und durch Reichstags- und Landtags- b e s ch l ü s s e bereits st a a t l i ch e Form und Gestalt an- nehmen wollte, auf dem Berordnungswege in ganz andere Bahnen lenken zu wollen. Er will dem Seminar sein eigenartiges selbständiges Leben nehmen und dieses dem modernen weit- wirtschaftlichen Berkehr dienende Institut dem reichlich veralteten und dringend reformbedürftigen Betriebe der Univer- fitäten eingliedrn. Herr Becker kann eine Angelegenheit, dte grundsätzlich nur durch den Deutschen Reichstag und Preußischen Land- j tag gelöst werden kann, nicht durch obrigkeitliche Erlasse regelnl Deutschland wird in der Zukunft in eine ganz neue eigenartige Entwicklung der Weltökonomie- und Weltpolitik oerwickelt werden. Deutsche Berwoltungsmänner, deutsche Industrielle, deutsche Kaufleute und deutsche Arbeiter werden sich gründlich in der praktischen Handhabung ausländischer Sprachen schulen und in das Studium der international«» ökonomischen und staatlichen
Institutionen versenken müssen, wenn Deutschland den Sturmschritt der kommenden rapiden wirtschaftlichen Entwicklung einhalten will. Wir brauchen eine allen Kreisen zugängliche Auslands- Hochschule: und zu dieser gelangen wir durch die vom Deutschen Reichstag und Preußischen Landtag bereits ins Auge gefaßte Aus- gestaltung des Orientalischen Seminars! * Herr Becker läßt in der„Deutschen Allg. Ztg." bereits mit- teilen, daß„zur Beunruhigung keinerlei Anlaß vorliege". Es wird ein Reformplan erwogen, der den Parlamenten in Form einer Denkschrift vorgelegt werden soll. Mögen unsere Vertreter dafür sorgen, daß das bewährte Institut nicht ein Versuchsobjekt Becker- scher Hochschulreform werde. Verleger Semer Majestät! Don Hans Bauer. In der„Deutschen Zeitung" steht sse nunmehr zu lesen: die Ent- stehungsgeschichte des Kaiserbttckjes. Da sie über einem halbseitigen Inserat des Berlages K. F. Koehler steht, dürfte sie sogar einiger- maßen offiziell sein. Vorerst Pardon: Kaiserbuch. Ich mußte mich auch erst Momente lang bedenken, daß es sich um eben jene„Ereignisse und Gestalten" handeln möchte, die wir alle mit einiger Spannung erwarteten und deren Lektüre wir schließlich alle nach einigen Fortschungen lautlos einstellten, da die Einsicht, daß die Bocksledernheit allenfalls die Eigenschaft eines Einbände? eines Buches sein darf, an die Partei- richtung nicht gebunden ist. Wir ersahren es also nunmehr: Drei große Papierfabriken teil- ten sich in die Herstellung der 219S Kilometer Papier , die für die Aus- läge geschaffen werden mußten. 7454 Quadratmeter weißer und blauer Leinewand waren für die Einbände nötig. 24 vollbepackte Möbelwagen rumpelten die Buchpakete zur Post. Den zehn größten Buchbindereien wurden die Falzarbctten übertragen. Ein Mann wurde allein mit dem�lufstapeln der Bücher beschäftigt. Sechs Millionen Bogen Papie�mußten zu über 300000 Stück Bücher zu- fammengetragen werden. Wir erfahren weiter, daß Professor Tiemann den Einband in Schwarz-Weiß-Rot hielt.„Das verstand sick von selbst." Und wir erfahren, daß am 1. Oktober der verbind- liche Preis festgesetzt wurde, und daß die Beendigung des Aus- schreibe,»s der Rechnungen das Signal für den Beginn der Pack- arbeiten war. Ueber dieser schönen Uebersicht des Handwerksmäßigen hinaus gewährt der Verlag dem begehrlichen Leser auch Einblick in Seelisches:„Mit Stolz kann das Haus K. F. Koehler auf ein mehr als hundertjähriges Bestehen zurückblicken, aber der größte Ehrentag war der 27. Oktober 1922. Die Uebernahme des Kaiscrbuches war die folgerichtig zu erwartende Krönung der Tätigkeit des Berlages." Ein Verlag ist keine Wohlfahrtseinrichtung. Aber ein Geschäfts- unternehmen, dem eine literarische Richtigkeit wie das Kaiserbuch eine Tätigkeitskrönung bedeutet, ist auch kein ernsthafter Verlag.
Kindern je ein Quadratmeter Hemdentuch entzogen zu werden, daß die Auslage der Dichter ihrer Wahl gebunden werden kann. Koehler hat es da gut. Bei ihm fluischts. Koehler verlegt General v. Wris- berg, Genetal v. Frangois, General v. Stein, Großadmiral Tirpitz. Koehler verlegt Seine Majestät. Zu solcher Derlegertätigteit braucht es kein Einfühlen in fremde Herzen, braucht es kein Risiko. Sein« Majestät und die Generäle ziehen. Bitte: Nicht ihre Werke ziehen. sondern die Herren. Bitte: Nicht deren nichttge Namen» sondern deren Titel Unglückliche deutsche Dichter, deren Fähigkeit, schreiben zu können, sich leider gegen die Unfähigkeit kompensiert, ein Boll ins Unglück zu stürzen. Daß euch Koehler auf ewig verschlossen bleibt, das wäre nicht schlimm. Was liegt an Koehler. Aber seine PapierkUometer und Leinwandguadrate brechen einem das Herz. Vortragsabend Erich Drach . Einen Einblick in die.Arbeiter- seeb-" zu vermitteln, war der Zweck eines Vortragsabend, den Dr. Erich Drach von der Universität Berlin am Sonntag im gutbesetzten Meistersaale veranstaltete. Die Zuhörerschar rekrutierte bar aus den verschiedensten GestUsthostsschichten, die Zahl der ossen- bar aus dem Arbeilerstand stammenden Anwesenden, ferner die vielen halben und ganzen Wandervögel und das Abzeichen unserer„Ar- beiterjunaend bewiesen, daß Dr. Drach bereits in proletarischen Kreisen dte Anerkennung findet, die er verdient. Die Auswahl und Reihenfolge der Stücke war geschickt und wirkungsvoll. Es kamen lauter erstklassige Gedichte unserer bekanntesten Ärbeiterlyriker zum Vortragt Gartt Engelke, Max Barthel , Alfons Petzold , Bruno Schön- lank, Karl Bröger und Heinrich Lersch spiegeln die Empfindungen und Sehnsüchte des Proletariers in der Fabrik, im Freien, im Kriege und im ewigen Kcmp;e um ein höheres und besseres Dasein wider. Dr. Drach zeigte sich seiner schwierigen Aufgabe durchaus gewachsen, und der laute Beifall, der ihm zuteil wurde, bewies, daß er die Zuhörerschaft durch feine Kunst gefesselt hatte. Indessen könnten für künftige Abende dieser Art zwei Bemerkungen Be- rücksichtigung finden: Zunächst sollte der Bortragende, wenn er Arbeiterdichter bekannt machen will, mit der Tradition des Fracks, der weißen Binde, und der Lackstiefel drecken. Diese Toilette zer- stört einen Teil der Illusion und daher auch der Wirkung. Be- sonders ist es nicht zu empfehlen, den Schluß eines Gedichtes und den Uebergang zu einem neuen Stück stets nur mit einem mehr oder minder ausgedehnten Schließen der Augen anzudeuten. Auf die Dauer wirkt das etwas monoton. Aber" das find nur Schönheit?- fehler, deren Erwähnung da» Verdienst des Dortragenden in keiner Weife herabsetzen soll.—ff.
Es gibt ein paar Verleger, die nach Seele fahnden, Talent auf- spüren. Sie schwimmen messt nicht in Geld. Es braucht nicht 7400
ver drahtlose Wahlanruf Drahtlose Telegraph!« und Tele. phonie haben sich in jüngster Zeit eine immer wichtigere Stellung im modernen Leben erworben. Run stand aber der Möglichkeit, daß sich jeder Laie diese Errungenschaft wie de» gewöhnlichen Tele- phons bedienen kann, der Umstand entgegen, daß die drahtlos aus- � gesandten Zeichen sich für den Beobachter, der kein Telephon am Ohr hat, in keiner Weise bemerkbar machen. Diesem liebelstand wird nun durch eine Erfinduna der Berliner Huih-Gesellschaft kür Funkentelegraphi« abgeholfen, über die Wilhelm Rottgardt in der „Umschau" berichtet. Bisher war unbedingt erforderlich, daß die drahtlose Empfangsstation ununterbrochen Tag und Nacht mit einem