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Nr. S4 40. Jahrgang
Heilage öes vorwärts
Dienstag, 20. Februar 1423
Das öerliner Schloß und feine Sewohner.
Für den braven Bürger von einst war das Berliner   Stadt- Motz stets ein ganz besonders interessanter Bau und man witterte allerhand Geheimnisvolles hinter diesen altersgrauen Mauern, die man mit Pietät betrachtete. Ach, Geheimnisvolles gab es gewiß gar nicht an der Person seines Bewohners, und auch nicht in seiner Umgebung. Dünkel und Ueberhebung über jeden anderen haben mit Geheimnisvollem nichts zu tun. Das Schloß von heute freilich birgt noch manches, wenn auch nicht Geheimnisvolles, so doch Un- aufgeklärtes, worüber noch zu sprechen sein wird. Uns interessiert natürlich nur, wie und ob man es verstanden hat, die vielen Räume und Säle der heutigen Zeit entsprechend praktisch und nutzbringend einzurichten, während früher ein« maßlose Verschwendung mit den Räumen für die viele Dienerschaft und die Hofschranzen getrieben wurde. üer Saugeschichte. Kurfürst Friedrich II.   begann mit dem ersten Teil in der Zeit von 1443 bis 1451. Dieser erste und älteste Teil hieß die kursürsl- liche Burg, und der.hohe Herr" ließ sie errichten zum Schutz gegen die eventuell aufsässigen Bürger von Berlin   und dem alten Kölln an der Spree  , deren Selbständigkeit er beseitigt hatte und die er darum fürchtete. Dieser älteste Teil hieß der grüne Hut. Er liegt an der Wasserseite, gegenüber der Börse. Wilhelm ließ hier eine Terrasse am Wasser erbauen, an der das Motorboot anlegte, das ihn in stolzer Admiralsumform zur Ruderregatta nach Grünau  alljährlich fuhr. Reben dem.grünen Hut" befand sich ursprünglich ein niedriger Anbau, die Rüstkammer. Später entstand dann die sogenannte Schloßapotheke, ebenfalls am Wasser, und erst unter König Friedrich I. erhielt das Schloß seine heutige Gestalt mit aller architektonischer Pracht, während Wilhelm die Prunkräume mit kolossaler Eleganz umbauen undmodernisieren" ließ. Das Schlotz, lediglich als Bauwerk betrachtet, bietet sich jedenfalls als ein hervor- ragendes architektonisches Denkmal dar, teils deutsche, teils italieni- fche Renaissance. Augenblicklich werden übrigens interessante Aus- gradungeu in den Kcllergcwölben desgrünen Huts" vorgeaam- inen, der so genannt wird nach den patinagrünen Dächern, die ihn bedecken. Baurat Geyer ist damit beschäftigt, die B a u g e- schichte des Schlosses zu schreiben, und da man aus ältester Zeit kein« Pläne und Grundrisse besitzt, läßt er Ausgrabungen machen, um festzustellen, wie die Grundmauern ursprünglich lagen. Wie sieht es heute im Schloß aus! Um es vorweg zu sagen: Wenn man auchumgruppiert" und das gewaltige Biereck des Schlosses allgemein nutzbar zu nzachen versucht hat, so ist doch noch recht wenig geschehen. Das Schloß hat die Kleinigkeit von 700 Räumen mit 050 Aonstern. Dazu kommen aber noch eine große Anzahl von Kammern und anderen Räumen, und man sieh: wahrlich den Grund nicht ein, warum man nicht de? notleidenden Allgemeinheit dient und Notwohnungen ein- richtet. Das Schloß hat fünf Portale, von denen das Portal III, gegenüber dem Wilhelm-Denkmal, ein hervorragendes Kunstwerk ist, nachgebildet dem Triumphbogen des römischen Kaisers Septimius Severus   und erbaut von Eosander von Göthe  . Geöffnet ist heute nur dieses PoAol. doch führt es nur zum Schlotzmufeum und ein paar Bureaus, aber nicht auf den großen Schlotzhos, von dem es durch häßliche, hölzerne Türme abgesperrt ist. Auf den, Hof selbst lagert neben dem Denkmal des Ritters Georg  , der den Drachen tötet, ein großer Haufe Koks, der zur Vcrschönerung des Ganzen gewiß nicht beiträgt. Ein zweiter Zugana zunr Schloß bc- stnder sich am Schloßapoihekenflügel an der Wasserseite. Das Schloh-Museum, wie das Kunstgewerbe-Museum, das ins Schlaf; übergesiedelt ist, heute heißt, nimmt einen großen Teil des Schlosses ein. Es füllt die ehemaligen Pracht, und Prunkräume und erstreckt sich durch mehrere Etagen. Ueber sein« Emrichtung und Anordnung ist seinerzeit imVorwärts" das Notwendige sagt worden, so daß es sich erübrigt, hier noch einmal darauf ein- zugehen. Es sei nur darauf hingewiesen, daß im Winter nur die 29 beheizten Räume gezeigt werden, und daß der Eintrittspreis 1000 BT. beträgt für Balutaftarke. für Deutsche und Oesterreicher  - 50 AI. und für Schüler unter Führung der Lehrer 10 M. Dem
Leiter des Museums, Geheimrat Dr. v. Falke, ist außerdem die sogenannte Prinz-Heinrich-Wohnung im Apothekenflügel zu Wohn- zwecken eingeräumt worden. Sehöröen unü Jnsiitute. Im Schloß, und zwar in den Räumen, die zum Teil früher die Prinzen bewohnten, in denen ferner das Gefolge, Hofdamen und Lakaien logierten, wo die Silberkammer und die Wäschekam- mern eingerichtet waren, sind folgende Behörden und Bureaus untergebracht: Das psychologische llnslitut. die Saiser-Dilhelm-Gc- sellschaft, die auch den A r ch i v s a a l zur Verfügung hat, in dem sich das Archiv befand, das dann später nach Charlottenburg   ver- legt wurde, das Landesamt für Gewässerbünde, die Ztolgemeinschafi deutscher Wissenschast. die Quäkcrhilse und Kindersürlorge, die Frauenerwerbshilfe, die Geschäftsstelle des Bundes deutscher Her- waltungsbeamteu(im ehemaligen Poft-Hofamt) und das Fürsorge- amt für Beamte aus den Grenzgebieten. Von Behörden und Einrichtungen von frühe? besteht heute noch und nehmen nicht geringen Raum ein: das Oberhofmarschall-Amt(ja- wohl, das gibt es immer noch!), die Schloßverwaltung, die Schloß- banoerwaUung, die Bibliothek und die Gemäldesammlung. Es wurde im Anfang dieser Ausführungen von mancherlei» nicht Ge- heimnisvollem, aber Unaufgeklärtem im heutigen Schloß gesprochen, dazu gehört vor allem folgendes: Wo sind die Silberschätze und die großen Wäschevorräte geblieben? Fragt man danach im sogenmm- ten Oberhosmarschall-Amt, dann zuckt man hier verlegen mit den Schultern. Aehnlich steht es mit der Gemäldesammlung. Einige Stücke sind in die staallichen Galerien gekommen, einiges nach dem Hohenzollern  -Muscum und einiges ist noch im Schlotz in Räumen, die heut« viel zu groß dafür sind. Aber es ist nicht alles! Hier sei eingefügt daß in den alten Schloßbureaus und in den Zimmern der alten Schloßhehörden noch so manches, überaus werwolles Stück ungenützt hängt. Entweder soll man es auch in die staallichen Museen bringen, oder oerkaufen. Der Staat braucht Geld! Un­angetastet geblieben sind die Schlaf- Ankleide-, Garderoben-, Fri­sier-, Wohn- und Arbeitsräume des früheren Kaisers. Sie nehmen in der ersten Etage, gegenüber dem Kaiser-Wilhelin-Denkmab bis hinüber zur Kurfürstenbrücke einen oußerordentlssh großen Raum ein. Viel Möbel befinden sich nicht mehr in diesen Räumen. Man erinnert sich noch, daß derhohe Herr" in Doorn   schnell zugegriffen hat und die Möbel auf vielen Rollwagen noch Holland   kommen ließ. Hierüber ist ja auch seinerzeit in den Parlamenten von unseren Ab- geordneten manch kräftiges Wort gesprochen worden, aber es war zu spät. Verschlossen und unbenutzt ist ferner die Schloß» ka pelle, di« 700 Plätze aufweist. Küche unü Keller. Zum Schloß gehört natürlich auch eine große Küchenanloge. In dieser Küche konnte für 3000 bis 4000»Personen gekocht werden. und am Ordensfest wenn alle diejenigen, die«inenPiepmotz" erhalten hatten,«ingeladen waren, gab es so viel Gäste im Schloß. Dann wurde drei Tage long gekocht, und da» gekochte Essen in große Wärmeschränke gestellt. DiesesAufgewärmte" bekamen ge- wiß später die glücklichen Inhaber der Kronen- und Roten Adler. orden vierter Gute, während di« hohen und höchsten Orden frisch- gekochte» Essen   erhielten. Dem Verdienste seine Kronen nicht nur, sondern auch das ihm gebührend« Essen  . O, bitte sehr! Die großen Küchenräume stehen heute auch noch ungenutzt. Ein hiesiges großes Hotel wollte sie mieten, aber gleichzeitig dazu Räum« haben, um im Schloß ein Resiaurcmt einzurichten. Dieses wurde a b g e- lehnt, hätte ober jedenfalls sehr viel Geld dem Staat gebracht. Einen Teil der Keller hat eine hiesige Weingroßfirma ge. pachtet und lagert dort ihre besten Marken. t So sieht das Schloß von heute aus. Sicher könnte es in be­deutend größerem Umfang ausgenützt werden. Hoffentlich ent. schließt man sich recht bald dazu lznd stellt kurz entschlossen alle Pietät" und verlogene Sentimentalität in den Winkel, mitsamt einigen alten Perrückcn und Geheimräten.
wo bleibt üas billigere fleisch! Mit auffallender Geschwindigkeit sind die Fleischpreise dem An- stieg des Dollars gefolgt. Mit Recht entrüstete sich das Publikum über diesen Vorgang, das wohl darüber unterrichtet war, datz die deutschen Schweine keine Dollarnoten zu fressen bekommen. Eine gewisse Begründung erfuhr die Fleischteuerung allerdings dadurch, daß die Fleischpreise auch abhängig sind von den Fettprcisen, die bekanntlich mit automatischer Valuta sich verteuern. Jetzt aber kann man beobachten, wie zwar die Diehpreise zurückgegangen sind, während die Fleischpreise nur wenig Miene machen, ihnen zu folgen. Im Gegenteil sind die Preise für Rindfleisch noch um zirka 200 M. pro Pfund gestiegen. So sind die Preise sür Ochsen am Berliner   Schlachtviehhof vom 14. bis 17. Februar um mehr als 10 Proz., die von Schweinen sogar um 25 Proz. zurückgegangen,. während an den beiden darauffolgenden Tagen, am 15. und 19., die Preise sür Fleisch im Kleinverkaüf sich läng st nicht ent- sprechend ermäßigt Izaben. Eine Gegenüberstellung der in den Berliner   Markthallen geforderten und gezahlten Preise beweist das ebenso wie die tägliche Sorge der Hausfrau, die endlich einmal nach der Senkung des Dollarkurses das oft und lang entbehrte Fleisch ihrer Familie vortischen möchte. Die Wiederbeschaffungstheorie, die uns schon so viele schöne Preissteigerungen unter den Augen der Wucherpolizei beschert hat, ist ja vom Fleischvertrieb so gründlich angewandt worden, daß die meisten Verbraucher das Fleisch als ein Luxusgericht anzusehen gewohnt sind. Nachdem aber einmal die Diehpreise rückgangig sind und nachdem vor allem am letzten Sonn- abend derart viel Vieh angeboten wurde, daß sich kaum. Abnehmer fanden, besteht kein Grund mehr zur Aufrechterhaliung der hohen Fleischpreise in den Läden. Die Fleischer sind höflichst daraus hin- gewiesen. An ihnen liegt es, nun auch bei sinkenden Preisen die Konsequenz aus der Marktlage zu ziehen. Andern- falls brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn das Publikum sich genötigt sieht, den Schutz gegen den Wucher in Anspruch zu nehmen. Preisrückgang üer Milch!( In der laufenden Woche beruht der M i l ch p r e i s von 720 Nt. noch auf den Butternotierungen der vorigen Woche mit 5800 und 54 00 M. Da die Milch am Montag von der Butternotierungs- kommifsion mit 45 00 M. festgesetzt wurde und für die Mittwoch- Notierung mit einem höheren Preise nicht zu rechnen ist, so würde das für den Erzeugerpreis, der zurzeit sich auf 5 4 6 M. belauft, eine wesentliche Verbilligung bedeuten. Di« für die Bearbeitung in Berlin   festgesetzten Spannen stehen für Februar so gut wie fest, so daß sie für die nächsten beiden Wochen kaum anders lauten werden als zurzett. Es kann also für die nächste Woche mit einer Milchverbilligung von m i n d e st e n s 80 M so gut wie sicher letzt schon gerechnet werden. Anders liegen die Dinge beim sogenannten Markenbrot. Dort wirken sich zunächst di« noch weiter steigenden Kohlen- preise, Löhne usw. aus, während der Preis des Martenmehls nicht den Schwankungen unterliegt vzie das im freien Handel zu beziehende Mehl. Wir werden also mit der merkwürdigen Tatsach« zu rechnen hoben, daß die sogenanntefreie Backware" (markenfreies Brot, Schrippen usw.) beim Anhalten dies Dollar- rückgange» im Preis« zurückgeht, während Markenbrot und Kommunalschrippcn vorläufig im Preis« noch weiter anziehen werden. Do» Markenbrot wird in der nächsten Woche 830 M., die Kommunalschrippe 28 M. kosten. Der Preis wird wahrscheinlich für zwei Wochen Geltung Hadem Schwere Zuchthausstrafe für einen Metallhehler. Umfangreiche Diebstähle bei der Firma Ludwig Loewe   lagen einer Anklage zugrunde, welche die 1. Strafkammer des Land- gerichts I beschäftigte. Wegen einfacher und gewerbsmäßiger Hehle- rei war der Inhaber einer Metallankaufsstelle Josef Gorny ange- klagt, der in der Beufselstraße eine Metallankaufsstell« betreibt. Cr wurde zu zwei Iahren Zuchthaus verurteilt. Der Händler Grud erhielt 9 Monat« Gefängnis. In der Verhandlung stellte sich heraus, datz sich in der nurOOHäuserzählendenBeussel- st r a ß e in Moabit   nichtwenigeralslO Metallankaufs- st e l l e n befinden, die durch ihre marktschreierisch« Reklame«ine direkt« Verführung für die dort wohnhaften Metallarbeiter darstellen. Ein Arbeiter, ein Kontorist und ein DroschkenkutsckKr mußten, nachdem sie den Verlockungen der
kNechdruck mJeten. Set SRalil-Setlaa. SettlnJ
Drei Soldaken.
41] von John dos Paffos. Au» de» amerikanischen Manuskript 2d ersetzt von Julian Eumpet». 3. Chrisfield schaute hinauf auf die Blätter in den Kronen der Wallnußbäume, die metallscharf gegen den hellen, färb- losen Himmel abstachen und mit Zacken von Gold umrändert waren, wo das Sonnenlicht durch sie hindurchfiel. Er stand steif und bewegungslos, obfchon in seinem linken Knöchel ein haftiger Schmerz war, so stark, daß es schien, als ob der ge- geschwollene Knöchel den Stiefel sprengen wolle. Er konnte fühlen, daß Soldaten zu beiden Seiten von ihm standen. Es schien, als ob die ausmarschierte Linie strammstehender Sol- baten in grauen Uniformen endlos auf irgend jemand warte, sie aus ihrer Erstarrung zu befreien, und sich ununterbrochen um die ganze'Welt erstrecke. Er blickte hinunter auf das zer- trampelte Gras des Feldes, wo das Regiment ausmarschiert war. Irgendwo hinter ihm konnte er das Klirren von Sporen an den Hacken irgendeines Offiziers hören. Dann ertönte plötzlich das Geräusch eines Motors auf der Straße, und Schritte, die die aufmarschierte Reihe von Soldaten hinunter- kamen. Eine Gruppe von Offizieren ging eilig vorbei mit heftigen Schritten, als ob sie ihr ganzes Leben lang nichts ge- tan hätten, als an Kolonnen aufmarschierter Soldaten vorbei- zuschreiten. Chrisfield sah auf ihren Khakischultern Adler, dann einen einzelnen Stern und einen doppelten Stern. Der General ging zu schnell vorbei, als daß Chrisfield fein Gesicht hätte erkennen können. Chrisfield fluchte, weil sein Knöchel so weh tat. Seine Augen glitten wieder hinauf an den Bäumen entlang bis zu der Stelle, wo die golden umran- dxten Blätter der Baumkronen in den hellen Himmel hinein- reichten. So, also dafür hatte er diese Woche in den Gräben gelegen, dafür hatte er die Kugeln in das Unbekannte, gegen die grauen Flecken, die sich im grauen Schlamm herumbe- wcgten, abgeschlossen. Irgend etwas kroch ihm mitten über den Rücken hinauf. Er war nicht sicher, ob es eine Laus war, oder ob er sich das nur einbilde. Ein Befehl war ausgerufen worden. Automatisch hatte er sein« Stellung geändert. Irgend- wo weit weg marschierte ein kleiner Mann auf die lange graue Linie zu. Ein Wind hatte sich erhoben und raschelte in den steifen Blättern des Hains. Der Wind in den Bäumen tönte weit und rbnthmisch wie das strömende Wasser, das an dem Transportschiff, auf dem er herübergekommen war. vor- beischäumte. Die goldigen Blätter und die oliofarbenen Schatten tanzten herum, als ob sie irgend etwas wegfege»
wollten, hinauf in den hellen Himmel. Ein Gedanke stieg in Chxisfield auf. Wenn die Blätter in breiteren und immer breiteren Kurven schwingen könnten, bis sie den Boden er- reichen würden, und fegen und fegen könnten, bis dieser ganze Krieg weggefegt sein würde, all diese Schmerzen und Läuse und Uniformen und Offiziere mit AHornblättern oder Adlern oder Einzelstern oder Doppelstern oder dreifachen Sternen auf ihren Schultern. Plötzlich erschien er sich selbst in seiner alten, bequemen Kleidung, mit offenem Hemd, der Wind liebkoste seinen Nacken wie ein Mädchen. Wie schön war es, auf einem Heuhaufen unter der heißen Sonne von Indiana   zu liegen.Komisch, an oll das zu denken," sagte er zu sich selbst. Bevor er Andy kannte, würde er nie daran gedacht haben. Was war jetzt über ihn gekommen? Das Regiment marschierte in Kolonnen zu viert ab. Chrisfields Knöchel schmerzte scharf und heiß bei jedem Schritt. Seine Uniform war zu eng, und der Schweiß lief ihm den Rücken hinunter: um ihn herum waren schwitzende Gesichter. Die wollenen Uniformen mit ihren hochgeschlossenen Kragen waren wie Zwangsjacken an diesem heißen Nachmittag. Chrisfield marschierte mit geballten Fäusten. Er wollte mit irgend jemand kämpfen. Sein Bajonett in irgend jemands Körper rennen, wie er es mit der Puppe während des Ba- jonettdrills gemacht hatte. Er wollte sich ganz nackt aus- ziehen, er wollte die Handgelenke eines Mädchens so lange pressen, bis es schrie. Seine Kompagnie marschierte an einer anderen Kam- pagnie vorbei, die aufmarschiert war vor einer zerschossenen Scheune, deren Dach in der Mitte eingesackt war wie der Rücken einer alten Kuh. Der Sergeant stand vor der Kom- pagnie mit gekreuzten Armen und. sah sich die Vorbeimarschie- renden kritisch an. Er hatte ein weißes, schweres Gesicht und schwarze Augenbrauen, die über der Rase zusammenliefen. Chrisfield starrte ihn an, als sie vorbeimarschierten, aber Sergeant Anderson schien ihn nicht zu erkennen. Das ärgerte ihn so, als ob ihn ein Freund geschnitten habe. Die Kompagnie löste sich plötzlich in eine Gruppe von Männern auf, die ihre Uniformen und Hemden aufknöpften vor einer kleinen Unterkunstshütte, die vor Jahren, während der Marneschlacht, von den Franzosen gebaut worden war. So hotte es einer Andy erzähst. Was träumst du von Indiana  ?" sagte Iudkins und knuffte Chrisfields jovial in die Rippen. Chrisfields ballte die Fäuste und holte zu einem Schlag in Iudkins Gesicht aus, den dieser gerade zur rechten Zeit noch abwehrte. Iudkins Gesicht war flammend rot. Was ist denn mit dem los?" sprudelte Iudkins atemlos heraus.' Kameraden waren zwischen sie getreten.
Laßt msth an ihn'ran!" Halt doch das Maul!" sagte Andrews und zog Chrisfields weg. Die Kompagnie zerstreute sich langsam. Einige legten sich in das lange, unbeschnittere Gras in den Schatten des Hauses. Andrews und Chrisfields gingen schweigend die Straße hinunter. Chrisfield hinkte.' Zu beiden Seiten der Straße waren Felder mit reifem Weizen, der golden in der Sonne stand. Weit weg waren niedrige grüne Hjügel, die mit dem reifen Getreide zusammen in blau und blaßgelb verblichen. Hier und da durchbrach ein Hausen Bäume oder eine Reihe Pappeln die glatte Oberfläche der langen Hügel. In den Hecken tanzten blaue Kornblumen, die im Winde wippten. An der Wegbicgung verlor sich das Geräusch der Division und man hörte nur noch die Bienen über den Blumen schwirren. Du bist ein wilder Mann, Chris. Was zum Teufel war in dich gefahren, als du Iudkins ins Gesicht schlagen wolltest? Der hätte dich doch nur verprügelt: er ist zweimal so stark wie du." Chrisfield ging schweigend weiter. Bei Gott  , ich denke, du solltest genug davon haben. Ich denke, du hättest endlich einmal genug davon, immer wieder Streit anzufangen. Du kannst doch selbst keine Schmerzen ver- tragen, nicht?" Andrews sprach in kurzen Sätzen, bitter, die Augen gesenkt. Habe mir gestern den Knöchel oerstaucht, als ich vom Transportwagen herunterfiel... Dann melde dich krank. Sieh, Chris, ich kann diese Ge- schichte nicht mehr mitmachen, bin krank davon. Man sollte sich lieber erschießen, als noch einen Tag länger dabei bleiben." Laß das, Andy. Komm, wir wollen schwimmen gehen. Da unten am Weg ist ein Teich." Ich habe Seife in der Tasche. Wir können uns den Schmutz etwas abwaschen." Geh nicht so schnell, Andy.... Du hast mehr gelernt als ich. Solltest mir sagen können, warum ein Ktzrl so ver- rückt werden kann____ Denke immer, Hab'nen Teufel in mir." Andrews rieb die sanfte Seide eines Mohnblattes gegen sein Gesicht.Wie das wohl wirken wird, wenn ich etwas davon esse?" meinte er. Warum?" Man soll einschlafen, wenn man sich in ein Mohnfeld legt. Würdest du das nicht gern wollen, Chris, und nicht wieder aufwachen, bis der Krieg vorbei ist und man wieder Mensch sein kann?" (Fortsetzung folgt.)