Nr. 86 40. Jahrgang Ausgabe A nr. 43
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Morgenausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
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Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3
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Mittwoch, den 21. Februar 1923
Verschärfte Abwehr.
Gas, Wasser, Elektrizität für Militärbetriebe gesperrt.
Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3
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Gemeingefährliches Treiben.
Piraten der öffentlichen Meinung.
Der Reichsverkehrsminister hat die Reichsbahndirektionen| im linfsrheinisch besetzten Gebiet mit wenig geringen Aus ftraße 32, ihren ersten Vertretertag ab. Borsigender war beauftragt, die Lieferung von Gas, Wasser und nahmen auf lange Zeit verboten sind. Elektrizität an alle die Dienststellen ein stellen zu laffen, welche in den gegnerischen Militärbetrieb übergegangen find; zugleich werden die Lieferer angewiesen, die Zuleitungen von Gas usw. nach diesen Dienststellen zu unterbrechen.
100 Millionen Franken erste Ruhrkosten. Der französische Minifterrat genehmigte die Borlage, die 100 Million Frant Kredit für die Ruhrattion verlangt. Im Senat hat d'Estournelles de Constant eine Interpellation eingebracht, die fragt, welche Ergebnisse die Regierung
von ihrer Ruhrattion erwarte.
Die Organisation des Boykotts.
Dortmund , 20. Februar.( Eig. Drahtbericht.) Jeder weitere Tag der Ruhrbesetzung setzt Frankreich Dortmund , 20. Februar.( Eig. Drahtbericht.) Auch im han. und Belgien mehr ins Unrecht, und im Berhältnis zu diesem detskammerbezirt Dortmund soll jegt der Bontott größer werdenden Unrecht wächst nicht nur die deutsche Ab- gegen die Franzosen durchgeführt werden. Ab Donnerstag wehrneigung, sondern auch der Unmut gegen Frantwerden an die Franzosen und Belgier weder Lebensmittel noch Gereich und seine Methoden im neutralen Ausland. tränke oder dergleichen verabreicht Der Boyfoftbeschluß ist von den Raum ein englischer oder amerikanischer Journalist im Ruhr- Interessentenverbänden und allen Gewerkschaften gefaßt worden. gebiet deckt die Gewaltmethode der französisch - belgischen Be- Auf den gestern von den Franzosen erneut befeßten Bahn. fatzung, und als wir heute mit dem schwedischen Reichs höfen wurde das deutsche Personal weggejagt. Nach tagsabgeordneten, Genossen Engberg, der sich Mitteilungen, die bei der Eisenbahndirektion in Elberfeld vorliegen, in Begleitung eines Vertreters der Gewerkschaften, Genossen soll im Laufe des Tages auch Bochum hauptbahnhof beBadlund, hier aufhält, über die Lage und die Taktik der fezt werden. Im allgemeinen hat sich die Berkehrslage nicht ge Eindringlinge sprachen, fam eine starte Entrüstung ändert. Ueber Lünen- Nord fönnen ab heute brei planmäßige Büter. zum Ausdruck, die schwer in Worte zu fleiden ist. Engberg, züge gefahren werden. der dem Abrüstungsausschuß des Völkerbundes als Vertreter Nach zuverlässigen Mitteilungen sollen der Oberbürgermeister der schwedischen Regierung angehört, erklärte weiter, daß es von Oberhausen Havenstein und der Essener Bürgermeister ein Fiasko für die deutsche Arbeiterbewegung und die Ar- Schäfer zur Berbüßung ihrer Strafe in den allernächsten Tagen beiterbewegung überhaupt gewesen wäre, wenn Deutschlands nach Saarbrüden abtransportiert werden. Die Frau Arbeiter gegen den Einbruch nicht den Kampf durch passive des Bürgermeisters Schäfer, die mehrfach versuchte, thren Mann zu Resistenz aufgenommen hätten! sprechen, wurde immer mit dem Bemezten abgewiesen, daß ihr Aber was ftören alle Entrüftungsrufe der Welt Herrn Mann in diesen Tagen abtransportiert würde und ihr vor diesem Poincaré? Für den Verlust seiner Sympathien im Ausland Abtransport noch Gelegenheit gegeben werden solle, ihren Mann hat er teilweise Ersaz gefunden. Das Berbrechertum zu[ prechen. in Essen steht auf seiner Seite, seitdem seine Beauftragten die größte Stadt des Industriegebietes von Polizei entblößt
teit ausüben tönnen.
Effen ohne Schuhpolizei.
Effen a. d. Ruhr, 20. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Laut
haben und Räuber und Diebe ihr Handwerk ohne Schwierig Befehl des Kommandeurs ber 128. franzöfifchen Division in Essen Gegen pflichttreue deutsche, Staatsbürger nicht Bredenen ist die gestern entwaffnete Schupo als abgelöft zu gegen die Verbrecher werden indessen die Gewaltakte fort betrachten. Jedes Mitglied, das Dienft tut, soll vor ein Kriegsgericht gejezt. Selbst an der Grenze des unbesetzten Ge- gestellt werden. Gemeinde bzw. Bürgermeister und Landrat werden bietes sind die Ausgewiesenen ihrer Haut nicht sicher. Der hierfür mitverantwortlich gemacht. In dem Erlaß heißt es weiter, Don schon seit mehreren Tagen ausgewiesene Amtmann von daß eine rein örtliche Polizei in Starte Datteln hielt sich z. B. jenseits der Lippe auf. Heute vor- 600 Mann gebildet werden kann. Die Angehörigen diefer Bolizei mittag überschritt eine belgische Reiterpatrouille den Fluß haben den Zivildienst zu tun. Als Abzeichen tragen sie eine Armund verschleppte den Amtmann ins befeßte Gebiet. Syfte binde. Die Polizei soll mit Pistolen bewaffnet werden. Die matisch wird auch die Entfernung deutscher Eisenbahner aus Bolizeibeamten sind auf ihren Rajernen verblie. den Dienstwohnungen und deren llebergabe an die französi ben. Bis heute vormittag fuchen die Franzofen die Pferde und schen und belgischen Eisenbahner in Gesamtstärke von 10 000 Autos ter Schupo , die bereits in Sicherheit gebracht sind. Zurzeit finden Berhandlungen statt, in denen über das weitere BerMann weiter betrieben. halten der Schupo Beschlüsse gefaßt werden sollen.
Am 20. Januar 1923 hielten die sogenannten Vereinigten Baterländischen Verbände Deutschlands in Berlin , Kleistder volksparteiliche Reichstagsabgeordnete Geisler, der zum Schluß zum geschäftsführenden Vorfizendieser sogenannten vaterländischen Verbände wurde von ihm ben gewählt wurde. Als Hauptaufgabe des Zusammenschlusses die Bekämpfung der Kriegsschuldlüge und die Bekämp fung des Margismus in allen feinen Erschei nungsarten" bezeichnet. Herr Geisler erklärte es sodann als unzweifelhaft, daß man vor einer gänzlichen Abschüttelung der Franzosenherrschaft stehe und begrüßte es, daß Deutsch land endlich mit Frankreich allein sei. Jetzt sei Gelegenheit, die Franzosen abzuschütteln, wenn das deutsche Bolt nur in feinem paffiven- und wenn es not tue, auch attivenWiderstand verharre. Herr Geisler polemisierte sodann gegen den preußischen Innenminister, Genossen Severing, ber einen Berständigungsfrieden als Ziel der deutschen Aktion hin gestellt habe.
Der Industrielle Friedrich Karl vom Brud erklärte eine Agitation im Sinne der Ausführungen Geislers in Arbeiterund Angestelltenfreisen für besonders notwendig. Die Ver beren Organisation übertragen, die sich Nationale Einheitsbreitung antimarristischer Aufklärung wurde einer besonberen Organisation übertragen, die sich Nationale Einheitsfront" nennt und von einem gewissen Herrn Wagner dirigiert wird.
Als geschäftsführender Borsitzender der Berbände hat dann der volksparteiliche Abgeordnete Geisler am 1. Fe bruar ein Rundschreiben an die angeschlossenen Organisationen losgelaffen, worin zunächst über 3 erlegungsversuche der Sozialbemotraten im Ruhrrevier" berichtet wird. Als Berfegungsarbeit betrachtet Herr Geisler die von sozialdemokratischer Seite ausgehende Abwehr des nationalistischen Treibens. Severing habe in einer Konferenz der Polizeipräsidenten des Ruhrrepiers deutlich errafen lassen, daß die preußische Regierung den Willen zu dauerndem ernsten Biderstand nicht befize. Im Hintergrunde lauerten schon Birth und Genossen, um ihre Erfüllungspolitik fortfeßen zu fönnen. Herr Geisler erklärt unter folchen Umstän den eine Stärkung der nationalen Propaganda für unbedingt notwendig. Angesichts der von seiten der Sozialdemotraten drohenden Gefahr habe der Unterzeichnete die ihm vom Nationalen Klub Berlin " übergebenen Mittel in anderer als der zurzeit für zwedmäßig angesehenen Weise vermendet. Es set notwendig, gegen fozialistische hochperräterische Flugblätter" Gegenſchriften herauszugeben, und das fofte eben viel Geld. Es seien neue, fehr große Mittel erforderlich, um die Ruhrarbeiterschaft darüber aufzuffären, daß ihr Interesse mit denen der Unternehmer gleichliefe. Darum feien nationale Spenden nützlicher angelegt, wenn sie zur nationalen PropaDie Gewaltmaßnahmen sind von neuen Drohun ganda im Ruhrrevier verwendet würden, statt in den großen gen begleitet. Heute warnt Herr Degoutte durch Anschlag Siering und Stingl im Ruhrgebiet . Topf der allgemeinen Ruhrhilfe zu fließen zum Schluß weist die Bevölkerung vor Sabotage und droht die Verhaftung Ruhrrevier, 20. Februar.( Cig. Drahtbericht.) Am Dienstag ist der voltsparteiliche Reichstagsabgeordnete Herr Geisler darjener Gemeindebeamten an, in deren Verwaltungsbezirk Sabotage geübt wird. Gleichzeitig soll die betreffende Ge- der preußische Handelsminister Genosse Giering aus dem Ruhr- auf hin, daß die Ausführungen des Herrn vom Brud in der meinde mit einer großen Geldbuße bestraft werden, die man revie: nach Berlin zurückgekehrt. Sein Aufenthalt im Einbruchs ersten Bertreterversammlung der vaterländischen Berbände in gegebenenfalls durch Fortsetzung der Straßenräubereien ein- gebiet galt ausführlichen Besprechungen mit Bertretern der Ge- der Deutschen Zeitung" wörtlich veröffentlicht worden seien. Danach steht also folgendes fest: Unter dem Vorsitz des treiben will. Die Bevölkerung tut gut, sich entsprechend vor- werkschaften und der Betriebsräte, der Arbeigeberorganisationen, der zubereiten. Wenn es überall so geht wie in Gelfen Handelstammern usw. über die wichtigen Fragen, wie allen fran volksparteilichen Reichstagsabgeordneten Geisler hat sich eine firchen, wird man jedenfalls von den Eintreibungen nicht bösisch- belgischen Eingriffen zum Troß Berfeh: und Industrie, Handel extrem- nationalistische Organisation gebildet, deren Publikaviel haben. Seit vier Tagen sind die Franzosen hier glücklich und Gewerbe auch fernerhin aufrechterhalten werden fönnen. Aus- tionsorgan die völkische Deutsche Zeitung" ist. Diese Organidabei, 100 Millionen Mart mit Gewalt zu faffieren. Am giebig erörtert wurden die Fragen der Lebensmittelver- fation treibt unter dem Bormand, die Franzosen zu bekämpfen, Dienstagnachmittag war der Betrag laut Mitteilung des orgung und perteilung, der Preisgestaltung und eine innerpolitische Heße gegen die fozialdemokratische Partei französischen Rechnungsamtes in Düsseldorf noch nicht voll der Loha und Gehaltszahlung. Mit dem Minister und verwendet zu Zwecken diefer Heße Mittel, die der allge Ständig geraubt. Die Truppe erhielt infolgedessen Anweisung, waren fich die Bertreter der einheimischen Bevölkerung darüber flar, meinen Ruhrhilfe zur Linderung der Not im Ruhrrevier zuin der Stadt weiter zu verbleiben. Berbringt sie auch den daß man sich, so wie die Dinge heute liegen, auf einen Abwehr gedacht waren. Was sagt die Deutsche Bolkspartei zu ihrem fchäzenswerten Fraktionsmitglied, und mas gedenkt die Refünften Tag noch in der Stadt, dann werden die 100 Millio- tampf non langer Dauer einstellen müsse. nen gerade dazu reichen, den Aufwand an Kost und Löhnung gierung gegen die Unterminierung der Widerstandsfront, zu begleichen. wie fie von Herrn Geisler und Genossen zu innerpolitischen 3meden betrieben wird, zu unternehmen?
Ueber die Einbrüde, die er auf seiner Reise in das Embruchs. An der Haltung der Bevölkerung muß schließlich jede gebiet empfangen hatte, hielt der Reichspoftminister Stingl heute Maßnahme der Befaßung troh Ausweisungen und Berhaf- mittag vor der Beamenschaft eine Rede, in der er die vorbildliche tungen scheitern. Am Dienstag follten die 3ollmaßhaltung des aller feindlichen Wittür ausgesetzten Post, Telenahmen in Kraft treten. Es scheint, daß der hohen" graphen- und Fernsprechpersonals rühmend anerkannte. In der Interalliierten Rheinlandkommission in Koblenz inzwischen gesamten Postbeamtenschaft herrscht keine Hoch- und Hurra. eingefallen ist, daß das nicht so einfach ist wie die Aus- ftimmung, wohl abe: die unbeugsame Entschlossenheit, alles zu arbeitung einer Berordnung. Man hat vorläufig nämlich um, was das Baterland von ihr erwartet. noch nicht einmal den Versuch gemacht, die entsprechende Verordnung durchzuführen.
Ein holländischer Redaktene verhaftet?
Bei aller Opferfreudigkeit unserer Arbeiterschaft bleibt das Aus dem Ruhrgebiet , 20. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Ein Berhalten mancher lintsrheinisch erscheiRebatteur des Amsterdamer handelsblad, der fich nenden Blätter ein Standal. Diese Zeitungen bringen im Ruhrgebiet aufhielt, in der Hauptsache, um Filmaufnahmen zu infolge der Drobingen der Kreisdelegierten nicht mehr den machen, foll heute nachmittag von Franzosen verhaftet Mut auf, die Vorkommnisse im Ruhrgebiet ungeschminkt und nach Düsseldorf gebracht worden sein. wiederzugeben, ganz abgesehen von einer entschiedenen In Brambauer sind von den Franzosen die von der ameri Stellungnahme gegen die Gewalt, die das deutsche Bolf von tanischen Quätergesellschaft zur Herstellung des Effens Ihnen erwarten fönnte. Bielmehr benuken fie die Mitteilun- für arme Kinder benutten Kessel sämtlich mitgenommen gen der Kreisdelegierten, die in französischem und belgischem worden. Der Hinweis, daß es sich hier um eine Wohltätigkeit der Sinne gehalten sind und von der Wahrheit start abweichen. amerikanischen Quäter handle, brachte die Franzosen von ihrem AnDas ist um so gefährlicher, als die großen deutschen Blätter finnen nicht ab.
Die politischen Kannegießereien des Herrn Geisler über das Glück, mit Frankreich allein zu fein, fönnten nur lautes Gelächter erregen, wenn die Zeit zum Lachen nicht zu ernit wäre und wenn das Treiben derartiger unsauberer Elemente nicht eine schwere Gefahr für Deutschland bedeutete. Wir empfehlen den unreifen Köpfen, die folche Tiraden, wie die des Herrn Geisler, ernst nehmen, die Lektüre der letzten Rede Lloyd Georges, in der deutlich gesagt wird, Deutschland würde wieder die ganze Welt gegen sich haben, wenn es zum aktiven Widerstand überginge.
Indes scheint ja die Sorge um das Schicksal Deutschlands so ziemlich das lekte zu sein, was das Herz des Herrn Geisler bewegt. Sonst würde er sich wohl scheuen, in diesem Augenblid eine Hege gegen einen fozialdemokrati. fchen Minister Preußens zu eröffnen, ungeachtet der Tatsache, daß seine Partei mit der Sozialdemokratie in Breußen in einer Roalition steht. Auch die Rücksichtnahme auf feine eigene Partei scheint ihm ganz fernzuliegen. Ihm tommt es vor allem darauf an, seine Berleumdungen gegen