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Schuld auszulasten und die ganze oder teilweise Uebernahme der Schufen deutscher Privatpersonen durch das Reich auf die' jenigen Fälle zu beschränken, in denen die Unfähigkeit der Schuldner, einen größeren als im Entwurf vorgesehenen Be- trag zu zahlen, durch Entscheidung einer unparteiischen In- stanz, etwa einer Spruch stelle, festgestellt worden ist.
Krankenkassen unü Merzte. Infolge einer Anregung im Hauptansschust des Preusti- schen Landtages fanden im WohlfahrtSministerium Verhand­lungen zwischen Mitgliedern des Groß-Berliner KrankenkassenverbandeS und des G r o ß- B e r- liner AerztebundeS, sowie des Apothekervereins unter Beteiligung pon Vertretern des WohlfahrtSministeriums mit dem Ziele statt, eine engere Arbeitsgemeinsch aft j zwischen diesen für die Sozialversicherung wichtigen Faktoren zu erreichen. Im besonderen wurde der zwischen ttrankenkassen und Aerztcn vor zwei Jahren abgeschlossene Vertrag zum Gegenstand eingehender Erörterungen gemacht, um seine Durchführung wirksamer zu gestalten. Die Ver- Handlungen nahmen einen aussichtsreichen Verlauf und werden sortgesetzt.__ 750 Milliarden für üie wittelsbacker! Die bayerische   Republik  , repräsentiert durch die Bayerische  Dolkspartei, die offen verfasiungs f e i n d l i ch e deutschnationale Mittelpartei nebst deren, zwischen Räterepublik und angestammtem Herrscherhause hin» und herpendelndem bauernbündlerischen An- hang, hat sich nicht entblödet, der Familie Wittelsbach als Schmerzensgeld für den Verlust ihres Thrones 7 50 Mil­liarden Papiermark zuzuschanzen. Als Äug rechnende sorg- same Hausväter begnügten die Wtttelsbacher sich mit einer baren Liebesgabe von nur KS Millionen, da sie den Schwerpunkt ihrer Forderungen von Beginn der vier Jahre dauernden Verhandlungen an auf die Ueberlasiung von Sachwerten gelegt hatten. Als solche kommen an erster Stelle in Betracht über 7000 Hektar vorzüglicher Staatswälder, dann Güter, Liegenschaften, Schlösser und Kunstschätze sowie Wohnungsrechte in den Palästen verschiedener Landesteile. Damit aber dos bayerisch« Volk die Er- lnnerung an die Dynastie nicht aufgibt, werden Teil« der sehr zahl- reichen Famille recht häufig von dem ihnen«ingeräumten Rechte der unentgeltlichen Benutzung zweier Proszeniums- l o g e n in den beiden Staatstheatern Gebrauch machen. Der Zweck dieser.Abfindung" läuft darauf hinaus, den Glanz der Fa- miii« Wittelsbach aufrechtzuerhalten und die Wiederherstellung der Monarchie etappenweise herbeizuführen; so können die Prinzen und Prinzeßchen durch ihr Theaterprivileg auch persönlich dem Volke nähertreten. Die bayerischen Reaktionär« haben mit einem Eifer und einem Geschick, die st« niemals für das Reich oder die bayerische   Republik  aufwendeten, die Sache so gedreht, daß sie im Landtage bei der be- stehenden Parteikonstellation glatt durchgehen mutzte. Vorarbeit hatten die K r o n j u r i st e n, insbesondere der Reichstagsabgeordnete Dr. Beyerle, in ausreichender Weife geleistet. Sollte es sich doch um eine reine Rechtefrage, beileibe nicht um eine politische Angelegen- heit handeln. Da aber die Regierung selbst in der Begründung ihrer Vorlage zugestehen mutzte, auf wie wackeligen Füßen das»Recht" der Wittetsbacher stand, so verlegt« man sich auf die.gemütliche" Seite und ließ das Milliardengeschenk als Anstandspflicht de» demo- kratischen Staate« erscheinen, als Degenleistung für die Derdienste der Wittelsbacher um da» Wohlergehen ihres Volkes. Der von der Regierung mit den Wittelsbachern abgeschlossene Bertrog" ließ weder«ine Abänderung noch eine Prüfung ihrer Ansprüche zu. Alle» war hinter den Kulissen abge- macht. Was kümmerte sich die Befolgschaft der reaktionären Land- togsmehrheit um die historische Tatsache, daß durch da» Zivillisten. gesetz die Apanageansprüche der Wittelsbacher   den Charakter Lffent- lich-rechtlicher Ansprüche erlangt hatten, die durch die Revolutton beselligt waren? Was um die Freigebigkeit eines an einem
Milliardendefizit krankenden Staates, der angs- sichts einer sich täglich steigernden Not des arbeitenden Voltes einer gutsituierten Sippe Milliarden zuschiebt und ihr fürstliche Wohn­gelegenheiten verschafft, wo Millionen fleißiger Menschen in Löchern Hausen müssen? Um dem Werke monarchistischer Liebeställgtell die rechte Weih« zu geben, schuf man unter der Firma eine»Ausgleichsfonds" ein« öffentlich-rechtliche Stiftung, die ihrem Wesen nach nichts andere» ist als ein Fideikommis zugunsten der Wittelsbacher  . Die Verwendung dieses Fonds liegt ganz in ihrer Hand; nur bei Deräutzerungen aus diesem Fonds steht dem Staat ein Barkaufs- recht zu. Sollten aber einmal, was bei der Fruchtbarkeit des Ge- schlechtes kaum«intreten dürfte, die Wittelsbacher   bis auf da» letzte Prinzeßchen ausgestorben sein, dann fallen die Schlösser, Wälder, Liegenschaften und Kunstschätze usw. wieder dem Staate zu. Bis zu dieser nebelhaften Möglichkeit haben die Anwärter der Nestau- ration einen Kampffonds gegen die Republik   in der Hand, der gegebenenfalls sich zu einem neuen Repttlienfonds ent­wickeln könnte.
Verschiebung öer Wahlen in Glüenburg. Oldenburg  , 14. März.(TU.) In der gestrigen Sitzung des Oldenburgi'chen Landtages stand u. a. auch der Brief des Kanzlers Cuno wegen der Verschiebung der Landtagswahlcn auf der Tages- ordnung. Di« Deutsche Volkspartei   sprach sich stritte gegen diesen Vorschlag aus und erklärte die Motivierung, daß durch die Wahlen die Parteileidenschaften erregt werden könnten, nicht für auereichend. Demokraten. Zentrum und Sozialdemo- traten vertreten den Standpunkt, daß grundsätzlich die Wahl- Periode einzuhalten sei. In außergewöhnlichen Zeiten könnten unter gewissen Umständen natürlich Ausnahmen gemacht werden. Man kam überein, in«ine ernste Prüfung der Anregung des Reichs- konzlers einzutreten. Es sei Aufgabe der Regierung, die Angelegen- heit weiter zu verfolgen. Der Landtag erklärte sich damit einver­standen.
Die Begleichung üer Neparationswechsel. Amtlich wird mitgeteilt: Die Reichsbank hat für die Einlösung der am IS. März fälligen von Schweizer   Banken diskontierten, zur Erledigung der letzten Reparationszahlungen ausgestellten söge- nannten belgischen Reichsschatzwechsel die Valuta in Höhe von rund 48 Millionen Goldmark an die Dank von England überwiesen._
Der Zoll(Dehme  . Di« Verhaftung Walter Dehmes ist nach einer kurzen Per- nehmung im Pollzeiprästdium auf Anordnung des Oberrcichsanwalks erfolgt und vom Amtsgericht Berlin-Mitte bestätigt worden. Oehm« wird nach Leipzig   gebracht werden, um dort zur Verfügung des Oberreichsanwalls zu stehen.
Das Gewerberecht im Lanötag. Der Preußische Landtag   nahm am Mitiwochnpchmitag in einer kurzen Sitzung die zweite Beratung de» Hau»bal«s der Handel»- und Gewerbeverwaltung bei den ein- zelnen Titeln de» Haushalte» wieder auf. llusere Genossen beantragten, den unter den dauernden Ausgaben für die Unler- itützung gewerblicherFachschulen ausgeworfenen Betrag von 8 893 000 M. um 8107 000 M. aus 12 Millionen M. zu er- höhen. Ferner forderten unsere Genossen in einem Entsckließung»- anirag, au« diesen, ethöhlen Betrog die T e x t i l s a ch s ck> u l e n zu unterstätzen. Abg. Haltmann(Tem.i empfahl einen Antrag. der da» StaatSministeriiim ersuch», zu den Kosten der st ä d t i s«b e n Be-utb-Schule(höbere Maschine, chauichul«) in Berlin   einen angemessenen Zuschuß zu leisten. Diese drei Anträge wurden mit großer Mebrbeit angenommen. Die weitere Beratung w»rde dann vertagt. Nächste Sitzung Donnerstag 12 Ubr: Fortietzuna der Beratung de» Haushalt» der Handels- und Gewerbeverwaltung, Haushalt der Porzellanmanufaklur. Berghaushalt. Schluß gegen 6 Uhr.
2 00000 Frank auf. Er zahlt jetzt an das Reich 960 000 Papier- mark, dieses übernimmt' dt« Differenz zwischen Papier  - und Valuta- betrag und macht dem Bankier ein Geschenk von rund zweihuudert- sechzig Mllionen Mark. 7. Einem Dienstpflichtigen ist es während des Krieges auf Grund eines ärztlichen Zeugnisses gelungen, sich einen Paß nach der Schweiz   zu verschaffen. Dort betreibt er alsbald mittels eins« Kredits, welchen ihm die Schweizer   Filiale einer elsässischen Bank einräumt, umfangreiche Schieber- und Spekulations- gefchäft«. Er oerdient dabei möchtig und erwirbt mit dem Er- trag dieser Geschäfte nach Friedensschluß in Deutschland   einen schönen Landsitz. Sein Kontokorrent mit der elsässischen Bant schloß am Stichtage mit einem Debet von rund 100000 Schwei. zer Franken ab. Cr zahlt dem Reich nunmehr 430 000 Papier- mark, und dieses macht durch Uebernahme der Valutadifferenz dem Ehrenmann auf Kosten der Steuerzahler ela Geschenk von nahezu vierhundert Millionen Mark. 8. Ein Kriegsgefangener war in der Schweiz   ge- zwungen, zur Wiederherstellung seiner im Krieg zerrütteten Ge- sundheit ein Darlehen von SOO Frank aufzunehmen. Er sieht sich immer weniger imstande, diese Schuld abzutragen, die heute einen Betrag von zweieinhalb Millionen Mark ausmacht und sein« wirtschaftliche Existenz zu zerstören droht. Da» Reich muß seine Hilfe ablehnen, weil es nach dem Relchsrnsgleichsgeseh und dem dem Reichslage vorliegende« Aevderungsentwurj für derartige Schulden nicht aufkommt. 0. Eine betagte Lehrerin, die lange Jahre in England gelebt hatte, hat sich mit chre.a sauer verdienten Geld»in Spar» kassenguthoben in Höh« von ISO Pfund Sterling erworben. Das Reich bekommt diesen Betrag vom englischen Amt gutgeschrieben und zahlt nach dem Gesetzentwurf der Lehreria 18 OOS Papiermark: den Rest von einer Million elnhunderizwelund- drelßig Mark behält es. um damit die Schulden der unker 1 bis 7 genannten Interessenten zu tilgen. Di« Lehrerin, die mit dem ihr gehärigen Geld für den Rest ihrer Tage«inen auskömmliche» Lebens- unterhalt gehabt hätte, ist nunmehr gezwungen, ihr Leben mit der Armenunterstützung zu fristen, die Ihr ihre Heimatsgemeinde gewährt. Soweit di« Beispiele. Sw könnten beliebig vermehrt werdin. Es ist»Acht nötig. Die angeführten Fälle zeigen zur Genüge, daß der Entwurf in der Praxis die Wirkung aus- üben muß, daß alle jeneil kleinen Leute, deren Eigentum in Frankreich  , Belgien  , England oder Italien   liquidiert worden ist, mit einem Bettelpfennig abgesunden werden, während das Reich zum Teil aufKostendieserLeute und. zum Teil auf Kosten der Steuerzahler den größten Teil der Lasten der Großschuldner trägt, wobei die Gefahr naheliegt, daß die Großschuldner leichtfertig ihre Schuld anerkennen, um den Mißhelligkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit im Falle einer Klage zu entgehen. Kein Mensch wird leugnen können, daß durch einen derartigen Ausgleich der Liquidationsschäden eine soziale Ungerechtigkeit gesetzlich festgelegt wüxde, die Im Rahmen des heutigen Deutschland u ne r t r ä g l i ch ist. Zieht man die Staffelung bei den Wiederaufbau, und Entwurzelungs- zuschüssen als Vergleich hinzu, so wird man den Eindruck nicht los, daß einflußreiche Großinteressenten es verstanden haben, sich bei der Ausarbeitung des Entwurfs ungebührlich in den Vordergrund zu schieben, und daß das Ganze nicht demokratischen, sondern plutokratischen Geist atmet. Der Wiederaufbau ist sicherlich ein« Aufgabe, der auch die Sozialdemokratische Partei   jede berechtigte Unterstützung zu teil werden läßt. Das darf aber nicht dazu führen, daß einzelnen Privaten auf Kosten der Allgemeinheit Millionen- geschenke in den Cchoß geworfen werden. Ein Vergleich mit den P r i v a t r e n t n e r n, die wenn auch nicht in derftlben, so doch in einer ähnlichen Lage sind wie die durch den Kneg im Ausland Geschädigten, sollte zur Vorsicht mahnen. Auch darf man nicht vergesien, daß das Ausland diese Vorgänge mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Der Gesetzentwurf be- darf also in den Ausschußberatungen, die wahrschein- sich bereits in der nächsten Woche beginnen, einer sehr gründ- lichen Bereinigung. Zum mindesten sollte angestrebt werden. den wirklich Vermögenden einen größeren' Prozentsatz ihrer
?ohann Christian Günther. Zum 200. Todestag am 15. März. Von Otto Ernst Hesse  . Goethe, der in seinen Leipziger Studienjahre« dem Einfluß de, unglückseligen Günther unterstand, hat mit jenem viel zitierten Wort, daß ihm.Leben und Dichten zerrann", da» Schicksal des schlesichstn Dichters von der Warte feiner späteren Gelosienheit fest­gelegt. Erst allmählich hat man einsehen gelernt, daß dieser Vagant wider Willen, der, als er die Fünfundzwanzig überschritten hatte, emsig bemüht war, in ein neues aktives Verhältnis zum Leben zu treten und nur an der sinnlosen Dummheit seines Erzeuger» scheiterte,«in größeres Plus auf der Bilanzseit« seines Lebens hatte, als es dem Weimarer   Geheimrat schien. E» ist heut« geläufig« Schulweisheit geworden, daß mit Günther recht eigentlich die deutsch  « Lyrik beginne, dos heißt jene Lyrik der großen menschlichen Persönlichkeiten, jene individuell« Bekenntnislyrik, die Goethe von Günther übernahm und die nach ihm mit den Namen Hölderlin  , Novalis  , Mörike  , Hebbel  , Eichendorsf, Storm, Liliencron  , Dehmel usw. das eigen« Gesicht der deutschen   Lyrik ausmacht. Günther war der erste, der sich aus der Klassen-, Standes- und Gesellschaftslyrik zum subjektiven Bekenntnis in lyrischer Form freimachte. Nur die bitterste Lebensnot vermochte diese Entwicklung in dieser einen Persönlichkeit, in dieser einen Seele, die nicht von einem überragenden Intellekt kontrolliert und gezügelt wurde, zu voll- bringen. Die Tragödie Günther trägt di« Ueberschrist»Der Sohn". Man muß sich die Lebensformen des beginnenden 18. Jahrhunderts vergegenwärtigen, um zu begreifen, daß dieser Sohn bis zu seinem Tod« im 28. Lebensjahre nicht von dem Urteil, das sein Vater von ihm hatte, loskam. Damalr redet« der Sohn den Vater noch mitallergnädigster Herr Vater" an und küßte ihm in»allerunter- tänigster Ehrerbietung" die Hand. Ein Recht auf eigene» Leben, eigne Anschauungen, eigne Ziele durfte der Sohn nicht habeiu er mußt« gehorchen, mußte kuschen. Das beinahe Hündisch«, da» in den Bersöhnungsversuchen Günthers mit dem Vater liegt, kommt auf die Zeit, nicht auf seinen Charakter. Neben dem Vater, der den Sohn immer wieder wie ein Tier hinrnlsjagt, obschon er in festen Stellungen als Arzt seinen guten Willen, ein sogenannter brauchbarer Mensch zu werden, mehrmals kundtut, ist es eine Frau, die ihm Schicksal wird, jene berühmte Lenore, die t«r Stern Ist, der ihm in allen wilden Äugendstürmen voranleuchtet. Er ist ihr nicht treu, das Blut kocht zu wild in ihm, sie ihm jahrelang; bis er ihr selbst den Abfchiedsbrief schreibt und mit ibm. in der tiefsten Rat der Vereinsamung, jenes ganz große Gedicht Geduld, Gelassenheit" hier steht dos von Goetbt beliebte Wort als Wort der Sehnsucht am Ansang, das da» schönste und gewai- tigst« Gedicht der deutschen   Sprach« vor Goethe ist. Innerlich hofft er, Lenore werde ihm trotz der Freigabe Treue wahren. Aber sie sucht Versorgung in einer Heirat. Das gibt dem durch Hungern und Trinken ebenso wie durch seelische Qualen Zerrütteten und Haltlosen den letzten Stoß. Er hetzt verlassen und einsam, nur noch um Gott  und einen Sinn des Lebens in tiefen reinen Gedichten ringend, von Stadt zu Stadt, versucht noch einmal in Jena   zu studiere«, muß
aber dort, ein berühmt gewordener und doch armer, kranke? Mann von 28 Jahren die dunkle Fahrt in» Jenseits antreten. Den Spießer schaudert, liest er die Lebensgelchicht« diese» Dä­monischen. Der Selbstgerechte spricht leicht von Schuld am eigenen Schicksal. Der Dummkopf findet aus dem Wust von Gclegenheits- gedichten, die dieser Dichter um ein paar Goldstücke willen h.nschmiß, das nicht heraus, was aus den Tiefen seines Wesens kam. Zwang und Wille, Not und Schuld, Lebensangst und Lebensfreude mischen sich in ihm unauflösbar. In einer Auswahl, di« Hermann Wendel  unter dem TitelDie deutsch  « Laute" bei Erich Reih vor kurzem er. scheinen ließ, findet der, der jenseits aller Moralisirerei einen Menschen und Künstler als Einheit zu erfassen vermag, da» Unsterb- sich« dieses tragischen Jüngling», dem es nicht beschieden war, zum Manne zu reife». Ein Torso, dessen Unfertigteit man beklagen kann, dessen Größe man aber lieben muß.
Huer. E» Ist gerade ein Jahr her, daß man zum erstenmal von Buer  sprach. Damals feierte dl« Stadt ein freudiges Ereignis: die Ankunft ihres 100 000 Bürgers in Gestalt eines kleinen Bergmanns- töchterchens, des 11. Kindes dieser gesegneten Familie. Seither ist Buer   in die Reihe der deutschen   Großstädte eingetreten, deren jüngst« es bis zum heutigen Tage geblieben ist. Aber wenn man hier von Großstadt spricht, darf man nicht di« Maßstäbe anlegen, die man sonst mit diesem Begriff verbindet. Dafür ist das junge Gemein- wefen an der Emscher zu rasch emporgewachsen; sein« Lebensbedin- gungen sind viel zu weil entfernt von den Bedingungen, unter denen andere, ältere Städte groß geworden sind. Denn Buer   ist nicht nur die jüngste deutsch  « Großstadt, es ist ein« der vllerjüngsten Städte überhaupt, und es hat erst im Jahre 1911 Stadtrechte erlangt. Dabei ist di« Landgemeinde Buer  , im Kreis Recklinghausen  gelegen, durchaus nicht etwa ein« neue Siedlung. Im Gegenteil; Buer   ist nicht viel weniger als ein Jahrtausend alt. Im Jahre 1003 wird zum erstenmal einer OcrtlichkeitPuire" urkundlich Erwähnung getan. Freilich weih man aus der Geschichte des Ortes bis an die Grenzen der Neuzeit so gut wie nichts; der Ort gehörte zum Bistum Köln   und bildete im Mittelalter mit der umgebenden Landschaft die Freiheit Buer  , auf deren Boden eine ganze Anzahl von Ritter- gsschlechtern ihre festen Burgen hatte. Inmitten der Freiheit Buer  , da, wo sich noch heute der Mittelpunkt der Stadt befindet, stand eine präcktige romanische Kirche, deren Ornament« zum Teil noch Seute im Museum aufbewahrt sind. Im 10. Jahrhundert wurde diese iirchs abgebrochen, wahrschemlich w:il sie für die stark angewachsene Gemeinde nicht mehr genügte. Wie oll« deutschen Städte und Ge» meinden, so machte auch Buer   im Laufe der Jahrhunderte viel Schweres durch. Im Dreißigjährigen Kriege, im S'ebensährigen Krieg« und noch zu anderen Zeiten war«« von feindlichen Truppen bedrängt und gebrandtzhotzt worden. Dreimal, zuletzt im Jahre 1088, «st d'« Gemeinde völlig durch Feuer vernichtet worden; Pest und Seuchen oller Art haben ihr schlimm mitgespielt. So wurde da» Gemeinwesen nach mancher Zelt der Blüte immer wieder entvölkert, und über einig« tausend Einwohner ist e» bis in die allerneueste Zeit nie hinausgekommen. Hatte Buer   doch im Jahre 1880 erst 5600
Bewohner. 1890 war die Zahl auf 11000 angewachsen, und nun begann der rasche Ausstieg zur Großstadt, der ohne den Krieg schon viel früher zum hundertlausendsten Einwohner geführt hätte. Schon einmal in seiner Geschichte hatte Buer   unter französischen  Drangsalen schwer zu leiden. E« war im April 17S7, als französische  Truppen in den Ort einrückten und 14 Tage im Quartier lagen. 1738 kam wieder»in französischer General mit 3000 Mann nach Buer  . Im Staatsarchiv zu Münster   findet sich noch ein» Aufzählung all der Dinge, di« di? Franzosen   damals raubten. Es waren Gerät» fchaften und Vorräte, Gold- und Silbersachen, Kleider, Lebensmittel, Hühner kurz, alles, was den Heerhaufcn des Mitnehmens wert erschien. Obwohl die Franzosen   in jenem Jahre bei Krefeld   ge- schlagen wurden, standen auch 1759 noch große Teil« ihrer Streit- träft« am Niederrhein  , und wiederum rückte ein Häuflein Knegs- mannen nach Buer  , wo beide Bürgermeister zu wiederholten Malen gefangen fortgeschleppt wurden damals also ganz so wie heut«. Die Manieren des französischen   Militarismus haben sich, wie man sieht, seit andrrhalb Jahrhunderten nicht geändert.
Ein neuer utopischer Roma» von Well». Der englische   Dichter H. G. Wells  , dessen phantastische Roman« auch bei uns viele Leser gesunden haben, ist von seinen geschichtlichen und sozialresormerischen Studien wieder zur Dichtung zurückgedehrt. Cr hat soeben emen Roman mit dem TitelMenschen wie Götter" veröffentlicht. Der Dichter bleibt auch hier auf seinem Lieblingsgebiet der Gefell  - schaftekritit und Satire, aber das Ganze sst in die Fdrm einer Utopie gekleidet. So findet man in dem neuen Werk die Lorzüg« seiner früheren Schriften vereint: spannende Handlung, phandastische Ausblick« und geistvoll« Verurteilung der Gegenwart. Das Thema. das der Roman behandelt, ist einfach. Einig« Kraftwagen, in denen sich verschieden« Leute befinden, werden plötzlich in eine andere utopische Welt durch einen merkwürdigen vierdünensionalen Versuch versetzt. Sie gelangen in eine Umgebung, di« der unsrigen ziemlich ähnlich, aber ihr im kulturellen Fortschritt etwa um 1000 Jahre voraus ist. Die Bewohne? dieses utopischen Reiches sind über all« Begriffe gut und weife,gleich Göttern". Mit Ausnahm« eines auf Urlaub befindlichen Journalisten Ba.rnstaple sst keiner derErb- linge", wie sie genannt werden, auch nur im geringsten fähig, den Forsschritt dieser Utopien richtig zu würbigen. Sie fassen den Plan, sich Ku Herren des Landes zu machen und di« Bevölkerung zu unter- werfen. Dabei erleiden sie kläglichen Schiffbruch, mit alleiniger Aus- nahm« von Barnstaple  , der mit den Utoyiern gemeinsame Sache macht und unter ihnen Itn ideale» glückliche« Leben führt, bis er nach seiner Weit zurückgeschickt wird. Die Handlung ist mit der be» kannten Geschicklichkeit von Wells aufgebaut, bildet aber nur di« Einkleidung für ein« Gesellschaftskritik, durch die der Dichter unserer Kultur einen idealen Spiegel vorhalten will. Während er da» Leben in unterer Wel: in sibarfen Karikaturen zeichnet, stellt er ihr eine andere Welt gegenüber, in der all« di« Problem« gelöst sind, die unserer Dasein mit Armut, Krankheit und Unglück erfüllen. Ein versinkende» Kriegerdenkmal. Di« Stadt Kyritz   in der Priegnitz hat im vorigen Jahre ihren im Weltkrieg« gefallenen Einwohnern ein Denkmal errichten lassen. Da» 4% Meter hohe Werk aus Muschelkalkstein ist ein« Schöpfung des Berliner   Bild- Hauers Prof. Josef Limburg  . Der Künstler hat e» auf einem vor»