tcu erfolgt sei, daß eine der höchsten fascistischen Autoritäten, !>cr„Hohe Kommissär der Staatsbahnen" nichts von ihr ge- wüßt habe und daß der Opponent, Farinacci selbst, nichts vor- her von ihr erfahren habe. Durch die Zlbtretung würden etwa 40 bis 50 Proz. der Eisenbahner entlassen werden, und diese seien vorwiegend Fascisten. Durch diese schlagenden Gründe hat sich Mussolini be- wogen gefühlt, einen bereits moralisch verbindlichen Vertrag „einer neuen Durchficht zu unterwerfen", also einen seiner Minister zu desavouieren, den Staat als Kontrahenten bloß- zustellen und die ungeheuerliche Norm zu sanktionieren, daß von derartig weittragenden finanziellen Maßnahmen die fasei- sti scheu Würdenträger vorher informiert werden müssen, so daß man künftighin gut tun wird, mit diesen Leuten zu be- raten, wenn man Fingerzeige über bevorstehende Hausse und Baisse an der Börse haben will. Aber diese Episode, in der kapitalistische Interessen, als deren berufener Schützer sich der Fasdsmus fühlt, gegen sasci- stische Parteiinteressen prallen, har eine ziemlich weittragende symptomatische Bedeutung. Durch die Maßnahme waren 40 Proz. fascislischer Eisenbahner brotlos geworden� Deshalb will Farinacci für„feine" Provinz nichts von lhr wissen. Je- doch dieselbe Maßnahme ist man dem Privatkapital schuldig, wird sie in ganz Italien durchführen— wie aber, wenn nun in jeder Provinz ein Farrinacci ersteht, der seine fascistischen Eisenbahn -er schützt? Slus irgendeiner Haut müssen die Riemen schon geschnitten werden: wenn nun das ganze Proletariat sich unter die Banner des Fascismus flüchtet, wo soll da der Lohn herkommen für die vom Bank-, Industrie- und Agrarkapital geleisteten Dienste? Der Fascismus hat eine kindliche Auffassung vom Regie» ren und sucht die Lösung aller Fragen in neuen Verwünschun- gen gegen die„Feinde des Vaterlandes", worunter man in Italien die Widersacher der hentigen Regierung versteht. Unser Parteiblatt in Verona ist beschlagnahmt worden(obwohl es ln Italien keine Präventivzensur mehr gibt!), weil es einen Arti- kel mit der Ueberfchrift brachte:„Nieder der Fascismus! Es lebe Italien ". Dies? Worte wurden vor einigen Tagen wäh- rcnd einer der unzähligen fascistischen Weihen und Zeremonien von dem Ingenieur Rossotti ausgerufen, dem Manne, der das österreichische Panzerschiff„Viribus Unitis" versenkte. Rossetti erklärte nachher, der Kommandant des großen Kriegsschiffes hätte ihn, den Feind, der ihm und seinen Panzer den Unter- gang gebracht, ritterlicher behandelt, als es die Fascisten nach seinem Zwischenruf getan. Der Kommandant war freilich aus anderem Stoffe: er war bereit, für sein Land zu ster- den und starb wenige Augenblicke daraus für sein Land: die Leutchen, die Rossetti mit Fußtritten traktierten, verstehen sich darauf, von ihrem Lande zu leben. Einstweilen erklärt Mussolini in einer seiner zahllosen Reden, er wäre bereit, falls es nötig wäre, über den zersetzten Körper der Freiheit vorzuschreiten, worauf ein Witzblatt mit einer Karrikatur antwortet, die die schon zu Frikassee verarbeitete Freiheit darstellt, mit der Unterschrift:„Es scheint nicht mehr nötig zu sein". Das Organ der italienischen Schtver- induftrie und der französischen Botschaft bringt einen wut- schnaubenden Artikel, in dem die Opposition beschuldigt wird, den Staat zu entwaffnen. Das Ganze sieht danach aus, als ab die einen alhzu gut wüßten, was sie wollen,, und die anderen an Halluzinationen und Zwangsvorstellungen litten. Die offt» zielle Regierung steht in Gladiatorenstelllmg gegen den Landesfeind und erweist sich lenkbar wie ein Hypnotisierter, während die Würdenträger der fascistischen Partei eine klar sehende und gar nicht halluzinierte Nebenregierung darstellen und ihre Schäfchen ins trockene bringen.
Die Regierung Seipel ist vom deutsöbösterreichischsn Nationalrat y�teii die Stimmen der Sozialdemokraten wiedergewählt worden. natürlich mit weniger Minislern infolge der Zusammenlegung eiiiiger Ministerien.
Die Not öes Geistes. Von Michael Eh a r o l. Di« Rot des Geistes ist eins und die Not des Geistes ein anderes. Not der Geistigen ist, wenn Menschen, die materiell nicht beruertbare Güter schassen, keine Mittel besitzen, um das unentbehr- liche materielle Lebensminimum zu erschwingen. Bon dieser Not ist in letzter Zeit viel und vielfach gesprochen worden, aber nicht von ihrer Ursache: von der Not de» Geistes. Not des Geistes ist, wenn Menschen, die das materielle Lebensminimum besitzen, ihre matsrielltm Bedürfnisse so hoch ansetzen, datz ihr geistiges Leben unter das Minimum sinken muß. Die Nor des Geistes ist besser als die Not des Geistigen, weil' doch nur ein verschwindend kleiner Teil des Volkes materiell nicht bewertbare Kulturgüter produziert, so daß er im Notfalle entweder in andere materielle Güter schaffende Berufe übergehen kann, oder wenn er starrköpfig untergeht, das Volk an sich scheinbar nicht un- nüttelb«? getroffen wird. Dagegen leide» an der Not des Geistes alle, die ihre Lebenshaltung gegenüber der Vorkriegszeit nicht auf ollen Gebieten gleichmäßig eingeschränkt oder vergrößert haben. lind das sind nahezu alle. Bei der Verkleinerung des Etats wurden im allgemeinen zu allererst die geistigen Posten gestrichen. Bibliotheken wurden nicht mehr ergänz:, Zeitschriften abbestellt. Wenn die 'Rot zur Veräußerung von Wertgegenständen zwang, so wurde seibstoerständlich eher auf Gemälde als auf Gold- urft' Silberfachsn verzichtet. Ebenso selbstverständlich wurde der Erlös zuerst zur Befriedigung der materiellen Bedürfnisse verwendet. Und da diese doch nie vollauf befriedigt werden können, mußte der Geist darbex Nun ist aber der Geist anders als die Körper beschasten. Wäh- reitd der körperliche Hunger, ungestillt, sich immer steigert, wird die geistige Leere mit der Zeit immer weniger empfunden. Dem von geistiger Nahrung Entwöhnten erscheint bald jede Lektüre uberslüssig, jede Bildung zwecklos. Er verzichtet auf jede geistige Anregung, er verzichtet auf Bücher, ja, wi« es heute bald traurig« Made geworden ist, er gibt auch die Zeitung auf.— Sensationelle Ereignisse erfährt man auch so, den» sie sprechen sich schnell herum und sogar noch sensationeller, weil sie auf ihrer Wanderung von Mund zu Mund sich vergrößern.--- Die Folge ist, daß solche Geistesunterrrnährten bald jeden Zusammenhang mit dem Zeitgeist, mit den Problemen der Gegenwart, mit allem, was nicht rein inattriell ist, oerliHen. Solange noch die paar Geistigen bereit sind, sich für ihre Ideale zu opfern, können wir ja noch vom Zeitgeist, von Gegen» wartsproblemen sprechen. Aber wenn sie einmal müde geworden oder ausgestorben sind— und dieser Zeltpunkt ist bei Fortdauer der heutigen Verhältnisse nicht mehr fern— was dann? Dann wird die nächst? Generation ohne Zeitschriften,'ohne Zeitungen. ahne moderne, d. h. zeitgenössisch« Literatur und Kunst aufwachsen. Daun können die materiellen Verhältnisse besser werden, der Wohl- stand kann einkehren, die Zimlisation kann fortschreiten, aber den
Severins unö üer Reichsgeöanke. Die„D. A. Z", die bisher mit ihren Angriffen auf den preußischen Innenminister nur Spott geernt« hat, versucht jetzt, den Rechtsgelehrten Heilfron als schwer« Kanone in Front zu bringen. Herr 5)«i!fron erteilt dem Genossen Severing nachträglich den guten Rat, er habe in der deutschvölkischen Angelegenheit nicht selbst vorgehen dürfen, sondern di« gesamte Materie dem Reichs- i n n e n M i n i st e r i u ni zur Gesamtregelung überlassen müssen. Genosse Severing wird für diese Belehrung sicherlich äußerst dankbar sein, wir befürchten aber, daß die deutschvölkische Kamarilla ihre Ab- sichten längst in die Tat umgesetzt hätte, wenn der Innenminister sich für sein« Entscheidung so lange Zeit gelassen hätte, wie die „D. A. Z." und ihre 5zintermLnner für ihre so außerordentlich wohl- wollenden Ratschläge. Im übrigen mag das beleidigte Rechts- empfinden eines oerehrten Herrn Heilfron sich bei dem Gedanken beruhigen, daß sowohl der Reichs Innenminister als auch das preußische Koalitionskabinett die mimoseuhafte Empfindlichkeit.des Herrn Heilfron nicht teilen. Aber freilich, was wiegt eine Handvoll Minister gegen einen Ncchtsgelehrten!
Umstellung der preußischen Staatsbergwerke Der Gefetzeniwurf zur Umstellung der preußischen Staatsbergwerke ist im preußischen Handelsministerium so gut wie abgeschlossen und wird den Staatsrat am 20. April be» jchäftigen. Es ist also damit ziz rechnen, daß der Entwurf Mitte Mai dem Preußischen Landtag vorliegen wird. Es handelt sich bei dem Gesetzentwurf um eine Umstellung der staatlichen Bergwerke, Hütten und Salinen auf eine moderne Wirtschaftsform. Der privat« Charakter der Betriebsform der neuen selbständigen, nach modernen technischen und kaufmännischen Grundsätzen arbeiten. den Gesellschaften ändert nichts daran, daß die Bergwerk« nach wie vor im Besitz und Eigentum des preußischen Staa- tes bleiben. Das Gesetz umfaßt natürlich alle staatlichen Berg- werte, nicht nur die oberschlesischen.
„die Leipziger Tscheka". Der Bayernsturin gegen den TtaatSgerichtShof. Lebten wir nicht in einer so ernsten Zeit, in der das Schicksal des Reiches von unbekannten außenpolitischen Faktoren abhängig ist, und hätten nicht die von völkischen Berchwörern begangenen Attentate auf Vertreter der Republik die große Gefahr erwiesen, die von diesen Kreisen der ruhigen Entwicklung unseres Volkes droht, so könnte man oft einmal über die Mannigfaltigkeit der Einfälle sich amüsieren, die der völkischen Presse in Bayern in ihrem Kampfe gegen das Reich zur Verfügung stehen. Der sagenhafte„Arizona- kicker" ist gar nichts mit seiner Häufung von Kraftausdrücken aus dem wilden Westen im Vergleich zu dem von Dietrich Eckart heraus- gegebenen„Völkischen Beobachter". Dieser Eckart hat mit dem„Getreuen Ekkehard" der deutschen Sage nichts gemein. Er beschimpft mit den unglaublichsten Aus- drücken nicht nur das Judentum, sondern auch das ganze deutsche Volk, soweit es sich zur Republik bekennt. Und daß dabei der preußische Staat und das Sündenbabel Berlin nicht zu kurz kommen, versteht sich am Rande. Da nun Herr Eckart sich wegen einer unglaublich gehässigen Be- schimpfung und Verächtlichniachung des Reichspräsidenten vor dem Staatsgerichtshvf zum Schutze der Republik verantworten soll, be- kommt er es mit dem deutschen Mut. Das heißt, er geht nicht noch Leipzig zur Vekhandümg, sondern stellt sich nach Art eines Schul- buben unter den Schutz der Münchencr Sturmtrupps auf die Gasse, droht nach Leipzig hinüber, nennt den Staatsgerichtshof„d i e Leipziger T s ch e k a" und rückt der Regierung Knilling auf die Bude, um sie zu veranlassen, die Ausführung des Haftbefehls zu verweigern und damit einen neuen Kriegszustand mit der Reichs- regierung herbeizufiihren. Warum sollte er sich auch vor dem Staats- gerichtshof verantworten und mutig die Verteidigung führen?„Mut zeiget auch der Mameluck", aber die Völkischen in Bayern wollen
Geist, den toten Zeitgeist wachzurufen ist schwerer. Wir kennen aus der Geschichte ganze Epochen tiefster Barbarei, und wir haben uns bis vor kurzem gewundert, wieso es möglich war, daß nach einer Epoche der Kultur, der hohen geistigen Entwicklung, der Blüte aller Künste plötzlich«in solcher Fall möglich war.— Nun, jetzt brauchen wir uns nicht mehr zu wundern, da wir doch selbst einen solchen Uebergang erleben., Vielleicht wird der Leser meinen, es wäre nicht so schlimm. Es würde immer noch Menschen geben, die Sehnsucht nach geistig Wertvollem haben werden, und die würden schon wieder dafür sorgen... wenn die schlechte Konjunktur erst vorbei ist. Aber das ist ein Irrtum. Es handelt sich nicht um eine vorübergehende Krise, sondern um den Beginn einer Abwärtsentwicklung. Konnten sich di? Wenigen nicht mehr gegen den Zellstrom erhalten, so wer- den später die VrteinzeUen erst recht in de? Barbarei untergehen. Wenn nicht bald, wenn micht sofort ein Umschwung eintritt, wenn nicht sofort die materiell Begüierten Opfer, die materiell Minder- begüterten' einen Beitrag für die Erhaltung des Geistes sich auf- erlegen können, wie soll es dann möglich fem, daß später, wenn die Mensche» die geistige Kultur noch viel weniger zu schätzen oer- stehen, zehnfach so große Anstrengungen machen sollen. Nein, wenn jetzt nicht jeder sich zwingt, Zeitungen und Zeitschriften und Bücher zu kaufen, wenn jetzt nicht, gemeinnützige Verlag« gegründet werden, die unter Opfern billige und gute Geistesnahrung dringen werden, wenn jetzt nicht die alten Blätter erhalten und neue ge- gründet werden, wenn nicht ein jeder es für seine erste Pflicht halten wird, mit der Kultur zu leben und nicht nur mit ihr zu leben, sondern durch Kauf ihr Lebensmöglichkeit zu geben, dann ist unser» Zukunft die sinsterste Barbarei.
Au« Zustu« von Liebigs Zugendlagen. Der Todesiag des größten deusschen Chemikers, des Begründers dieser Wissenschaft für Deutich- land, in der wir heute der Welt vorangehen, Justus von Liebigs, der sich am 18. April zum 50. Male jährt, lenkt die Blicke zurück in jene Kindheitstag« der chemischen Forschung, da der Chemiker noch als eine Art Alchimist und Goldmacher galt.. Liebia lag das Experimentieren von Kindheit an im Blut und er erbte diese bei ihm genial ausgebildete Kunst bereits von feinem Dater, der mit Farbstoffen handelte und allerlei Methoden nachsann, um seine Waren zu verbessern. Für die Schule hatte der kleine Justus gar keinen Sinn und schmückte beständig die letzte Bank, so daß man ihn schließlich für„ganz untauglich" erklärte und von der Schule entließ, weil er sich zu viel mit„Spielereien" abgab. Diese Spiele- reien waren seine naturwissenschaftlichen Versuche. Chemiker wollte er werden. Aber wo gab es jemand— abgesehen von dem fernen Paris , wo diese Wissenschaft damals blühte— der ihn darin unterrichten konnte? Die einzige Form des Chemikers, die er kannte, war der Apotheker, der ja als Mischer von Tränklein und wunderlichen Mixturen dem Knaben der von ihm geliebten Geheim- lehre am nächsten zu stehen schien. So trat«r also als Lehrling bci dem Apotheker in Heppenheim in der Röhe feines Geburtsortes Darmstadt ein, mcrkte aber bald den großen Unterschied, der zwischen
kerne Mamelucken sein und haben den Mut deshalb nur, wenn fis zu Tausenden in Sturmtrupps vereinigt sind. Die Hitler-Parad« vom letzten Sonntag war ein großartige« Manöver, um die Regierung einzuschüchtern. Und es ist nicht ohne Interesse, aus der„Münchener Post" zu erfahren, daß an dieser Parade auch einige mit Namen ausgeführte Reichswehr » sji« ziere teilgenommen haben! Indessen hat der Aufmarsch dieser Hitler-Eckartschen Truppen sogar in den Kreisen, der„Bayerischen Volkspartei " einige Beängsti- gung hervorgerufen, die bisher durch stille Duldung das Wachstum dieser völkischen Banden in mehr als einer Beziehung begünstigt haben. So hat denn jetzt im Haushaltausschuß des Landtages der zur Bayerischen Volkspartei gehörig« Abgeordnete Graf Peftalozza die Regierung gefragt, ob sie für den Fall rechtsradikaler Angriffe alle Vorbereitungen getroffen und alle Machtmittel in der Hand hahe, um gegebenenfalls rechtsradikale Vorstöße in den Schranken zu halten, und ob sie insbesondere der Landes- polizei sicher sei. Man sei vielfach der Meinung, daß in der Lcmdespolizci nicht Leute mit staatlichen Geldern unterhalten werden dürsten, bei denen die Gefahr bestehe, daß sie im gegebenen Augen- blick nicht aus seiten der Negierung stehen würden. Die Befürch- tungen bezögen sich nicht bloß auf die untersten Stellen, sondern auf die Spitzen selbst. Der demokratische Abg. Hübsch kam auf die Haftbefehle des Stnatsgerichtshoses zu sprechen und erklärt«, die Ansicht seiner Partei sei, daß die Durchführung des Ge- setze? zum Schutze der Republik erfolgen müsse. Ueber die Selbst- schutzorganisationen könnten nur Reich und Staat letzten Endes vir- fügen. Andernfalls wären sie nichts als Organisationen des Bürgerkrieges. Der Minister des Innern hatte auf diese für die Lage bezeich» nenden Fragen Pestalozzos zunächst keine«ndere Antwort als die. daß die Gesetzgebung zum Schutze der Republik als ungerecht und für den Reichsgedanken schädlich erachte! Die Regierung werde in ihren Bemühungen um deren Beseitigung nicht erlahmen. Nach allerhand Bedauern darüber, daß man Gelände- Übungen veranstalte, die als Kriegsvorbereitungen ge- deutet werden könnten, fügte er� aber doch schließlich hinzu, daß die Regierung glaube, die Fragen Pestalozzas durchaus bejahend beantworten zu können. Er sei gewiß, daß alle Beamten, namentlich auch die LandSspolizei, in vollem Maße ihre Pflicht tun würden. Der Haftbefehl müsse noch Gesetz und Vertrag ausgeführt werden. Die beiden Redakteur« hästen den Reichspräsidenten bzw. den früheren Reichsjustizminister mit schweren Beleidigungen be- dacht, die mit der Betätigung vaterländischer Gesinnung nicht das geringste zu tun haben. Die Forderung der„Vaterländischen Ver- bände", den Haftbefehl nicht auszuführen, fei nach dem Gesetz un- erfüllbar,»nd ihre Verwirklichung müßte schwere innere und äußere Erschütterungen- mit sich bringen! Herr Echweyer, der selbst von den völkischen Blättern auf das heftigste angegriffen zu werden pflegt, hätte sich allerdings einen erheblichen Teil seiner Rede ersparen können, wenn er rechtzei- tig die Anweisung gegeben hätte, die beiden völkischen Helden als- bald durch Kriminalbeamte festnehmen und nach Leipzig transpor- tieren zu lassen. Während die ganze Welt über die Frage sich unter- l>ält, ob Hitler oder Schweyer-Knilling Sieger in dem Streite bleiben werden, hätte eine feste Polizeigewalt, die wirklich ihrer Be- amten. sicher ist, längst zugegriffen und praktisch das Schutzgesetz erfüllt. Inzwischen aber lachen sich die gesuchten Ekkeharde ins Fäustchen und werden, wenn wirklich ein Münchener Polizist sie suchen sollte, wahrscheinlich längst über die Grenze ge- gangen sein. Mittlerweile hat das Volksgcricht München den Böltischen ein Trostpflästerchen verabreicht. Es hat beschlossen, allen wegen des Sturmes auf die„Münch euer Post" verurteilten an- geblichen„Arbeitern aus dem Ruhrgebiet " Bewährungsfrist vom 7. Mai ab zu gewähren. An diesem Tage werden sie erst einen Monat ihrer ohnehin sehr gelinden Strafe verbüßt haben. Wie man sieht, gibt es noch milde Richter in Bayern , und man kann es den Eckart und Weger nicht oerargen, wenn sie lieber vor einem derartigen Münchener Voiksgericht als vor der„Leipziger Tscheka" stehen!
dem gelehrten Studium und der beschränkten praktischen Anwendung bestand und kehrte enttäuscht nach zehn Monaten nach Hause zurück. Während seines vtudiums in Bonn und Erlangen gründete er unter den Studenten naturwissenschaftliche und chemische Vereine und machte in Erlangen seinen Doktor. Die Freigebigkeit des Groß- Herzogs von Hessen gestattete ihm dami, seine chemischen Studien m Paris fortzusetzen. Seine Erstlingsarbeit über das Knallgas erregte da; Aufsehen der gelehrten Welt und brachte Alexander von Hum- boldt mit dem jungen Forscher in Verbindung. Auf Humboldts Rat entschloß er sich, als Lehrer dieser Wisftnschafl zu wirken. Ein Professor der Chemie war damals in Deutschland so selten, wie ein weißer Rabe, und als er an der'Landesunivcrsität Gießen diesen Posten bekleidete, hatte er zunächst unendlich viele Vorurteile zu überwinden. Er ichuf hier mit Hilfe der Darmstädter Regierung ein Laboratorium, an dem die Studenten eine praktische Ausbildung erhielten. Allmählich setzte sich mit dem raschen Wachsen seines wissenschaftlichen Ansehens auch seine Lehrmethode durch, und Haupt- sächlich auf seine Forderung hin wurden die deutschen Universitäten mit Laboratorien ausgestattet, die dann zu so hoher Vervollkomm- nung gebracht wurden. Liebias Bedeutung für die Geschichte der Chemie liegt nicht nur in der Errichtung des Gießener Labo- ratoriums und der Einführung des chemischen Unterricht», sondern in seiner Entdeckung neuer Tatsachen, in der Verbesserung der vor- hantenen Methoden und Apvarate, in der Ausbildung der theore- tischen Chemie und in ihrer Anwendung auf asie Lebensgebiete. Der Landwirtschaft brachte er mit seinen neuen»Düngemethoden Auf- klürung über den Haushalt des Bodens, sein„F l e i s ch ex tra kt, der seinen Namen über die ganze Welt trug, war das Ergebnis seiner Ernährungsforschungen. Um die Verbreitung und Bekannt- mcchung seiner Wissenschaft hat er sich ein unsterbliches Verdienst erworben durch die lichtvolle Darstellung seiner„Chemischen Briefe", die für die populärwissenschaftliche Literatur bahnbrechend wurden. Mit Gießen sind seine größten Leistungen, ist der Ruhm seines Namens verknüpft. Nur ungern entschloß er sich 1852 nach München überzusiedeln, wo er bis zu seinem Tode gewirkt hat. Selbssschreibende Funksprüche. In der letzten Sitzung de« Ver-, eins der Elektroingenieure von London 'berichtete Dr. N. W. Mc Laohlan, Ingenieur.bei der Marconi -Gesellschast, über eine von ihm erfundene automatische Niederschrift drahtloser Telegramme ohne Benutzung von Verstärkern. Er führte dabei den von ihm ton- sttuierten neuen Apparat vor, der von Paris ausgesandte, mit Hoch- frequenzmaschinen gegebene Funksprüche selbsttätig in Morseschrift auszeichnete. Soweit man sich aus den bisher vorliegenden Meldun- gen ein Bild von der technischen Leistung des Apparats machen kann, werden die elettrischen Wellen von einer Drahtspule aufgefangen, mit der eine zylinderifche, eiserne Trommel bespannen ist. Diese Trommel ist mit eisernen Ringen umkleidet und wird durch ein Uhr- werk langsam in rotierender Bewegung gehalten. Dabei gleitet über ihre Oberfläche ein kleiner Stahlschuh, der von den einzelnen Im- pulsen der drahtlosen Meldung jedesmal mit sehr großer Kraft cm dj « Trommel angedrückt wird. Hierdurch wird eine Schreibvorrich- ttmg betätigt, die die Meldungen in Marseschrist auf einen Papier - stressen druckt,»nd zwar mit einer Leistungsfähigkeit von etwa 350 Worten in der Minute. Der Streifen mit der Niederschrift des Funkspruchs kann überdies automatisch jeder beliebigen Telegraphen- linie zugeführt werden, die den Funkspruch nach Art der bekannten Schnelltelegraphen aus dem Draht weiterbefördert. Eine genaue«