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Strefemann für psfltwe

Der Reichstag setzte gestern die politische Aussprache beim Auswärtigen Amt fort. Abg. Golhein(Dem.) weist darauf hin, daß Poincare mehrfach erklärt Hab«, daß Frankreich ein wiedererstarktes Deutschland zu fürchten habe. So erkläre sich die Politik der französischen Regie- rung. Frankreich glaube, daß jetzt die Zeit gekommen sei, das durchzusetzen, was es!Slg bei den Friedensverhandlungen nicht zu erreichen vermochte. Es wähle dabei die Pfänderpolitik bis zur Erledigung aller Zahlungen. Das ist das Gefährlichste von allem. Denn jetzt brauchen sie der Bevölkerung-keincrlei Wahlrecht und keinerlei Mitwirkung bei der Verwaltung zu geben. Sie können einfach auf Grund eines angemaßten Rechts eine Militärdiktatur ausüben. Dos Versprechen der Räumung nacl) Zahlung ist also nur ein Verschieben auf den Sankt Nimmerleinstag. Uebar die Forderung der etappenweisen Räumung des Ruhrgebiets tibt es daher kein Paktieren. Ebensowenig Zweifel darf de? Rmtster darüber lassen, daß ein Rhetnstaat unter Völkerbunds- kontrolle undiskutierbar ist.(Zustimmung.) Aber unsere Aufgabe ist, das schwer« Joch der Bevölkerung so bald wie möglich abzu- nehmen. Das Unglück war, daß in der Kommission die größte Macht, die Dereinigten Staaten von Amerika , ihren Platz nicht einnahm, sondern nur die nackten Interessenten, denen es gar nicht darauf ankam, Deutschland leistungsfähig zu erhalten, sondern es wirtschaftlich zu vernichten. Nun verlangt man von uns neue Vorschläge. Die konkrete Grundlage für Verhandlungen ist geschaffen, denn der Reichskanzler hat wiederholt erklärt, daß wir uns an die Vorschläge halten, die Bergmann im Januar vorlegen sollte. Aber bei der jetzigen Einstellung Poincares und seiner Verbündeten kommen Verhandlungen' ja doch nicht zustande. Solch« Summen, wie sie Poincare fordert, gibt e» in der ganzen Welt nicht. Da» reiche England, da» im Kriege seine Kolonien noch sogar vermehrt hat, hat sich Amerika gegenüber nach langem(feilschen bereit erklärt, ganze lg Milliarden zu zahlen, und zwar verteilt aus 62 Zahre!(Hört! Hört!) Was aber verlangt man von uns? 3n vier Monaten des vorigen Zahnes haben wir 388 Millionen Goldmark für die Erfüllung des Friedensvertrages a»sgebra«ht, also weit mehr als die Hälfte desien. was da» reiche England in de» Zeiten der höchsten Belastung im ganzen Zahre glaubt aus­bringen zu können. Und trotzdem würden wir diese Leistungen weiter erfüllen, wenn man unser« Wirtschaft nicht sinnlos zerstört hätte. Unser Geld ist durch die Gewaltpolitik der Entente vösiig entwerlet worden, und der Wert der Jndustrieoktien ist gemessen am Dollarkurs auf «tu Viertel zurückgegangen.(Hört! Hort!) Abg. Dr. Helfferich(Dntl.): Das sind die berühmten»Gold- werte'! Abg. Golhein(fortf.): Man kann Annuitäten nicht au» dem Vermögen, aus der Substanz leisten, sondern nur aus den U« b e r- sch rissen der Wirtschaft. Das zeigte sich, als wir die erste Gold- Milliarde aufgebracht hatten: man mußte uns sofort«in Moratorium gewähren. Was nützen die 132 Milliarden Goldbons, wenn sie von uns hergegeben werden und kein« Deckung dafür vor- banden ist? Sie find eben nicht verwertbar. Ein direktes Angebot Deutschlands würde auf manche Kreise im Auslande und Inland« einen günstigen Eindruck machen. Da» darf man nicht unterschätzen. Aber ein solches Angebot könnte doch nur«in ganz bedingtes sein: wir sind vollständig mit ollem«inverstanden, was der Minister des Auswärtigen darüber gesagt hat. Dieses Angebot müßt« außerdem garantiert fein von den Finanzmännern der Welt. Die An leih«, die man uns gewährt«, um Frankreich zu bezahlen, müßt« außerdem auf«inig« Jahre un verzins- lich s«in, damit der Wiederaufbau d«r deutschen Wirtschaft möglich ist. Denn wenn Deutschland nicht wieder leistungsfähig gemacht wird, schwebt ja �auch di« Anleih« in der Luft. Auch der Redner der Sozialdemkrati« würde vielleicht weiter- gehende Forderungen nicht erhoben haben, wenn ihm der tatsächliche Text der Rosenbergschen Rede bereit, vorgelegen hätte. Abg. ZNüller-Franken(Soz.): Das ist«in Irrtum! Pbg. Golhein lfortf.): Das ist bedauerlich. Durch weiter- gehez�i« Angebote, die wir nicht erfüllen tonnen, bringen wir uns selbst um unseren Kredit. Wir bekommen auch keinen Kredit, solange die Reparationen- nicht auf«in erträgliches Maß zurückgeführt sind und Frankreich nicht auf seine Sanktionen ver- Sichtet. Abg. Dr. Strefemann(Dp.): Wir stimmen den Ausführungen über das Memelland lebhaft zu. Der junge litauische Staat sollte kein Präjudiz schaffen, damit nicht einmal seine Nachbarn ihr« Macht zu seinem Nachteil anwenden könnten.(Zustimmung.) Mit den gestrigen Ausführungen de» Außenministers sind wir in allem wesentlichen einverstanden. In unserer internationalen Situation heißt Handeln, daß wir den Weg freimachen muffen zu internationalen Ab- machungen über die Reparationen und damit dos Ruhrgebiet und das Rheinland freimachen. Das Handeln kann bestehen in parlamentarischer oder diplomatisch«? Fühlungnahme, in Reden und Noten. Mir scheint, daß der Außenminister gestern die im Januar tJcgonnen« aktiv« Politik der Reichsregierung in günstiger Weife fort» geführt hat. Ich sehe das Entscheidende darin, daß dies« Politik«in« aeetgnet« Grundlage abgibt für internationale Abmachungen, falls sie Entente nnd besonder« Frankreich «ine Der» ständigung wollen. Man kann nicht die Frage der Repora- tionen irgendwie durch Nennung einer Ziffar begrenzen. Der Pariser Porschlag gab einmal«ine konstante Summ«. Di« Ver- zinsung dieser konstanten Summ« war abhängig gamacht von inter - nationalem Bankkredit. Der Vorschlag gab andererseits zwei ton- ditionell« Zahlen, di« abhängig waren von der Entwicklung der Leistungsfähigkeit Deutschlands . Hier besteht wohl ein Zusammen- hang mit der Rede des Außenministers, der davon sprach, daß das Pariser Angebot doch wohl der Ausgangspunkt für neu« Verhandlungen sem könnt«. Beachtlich erschienen die Ausführungen de» Abg. TNllller, wir könnten nicht den Gesamt­komplex der Fragen abhängig machen von internationalen Ab- schähungen, die sich monatc-, womöglich jahrelang hinziehen können. Wir können nicht oerlangen, daß im Buhraebiet ein vassiver wider- stand gelelsiei wird, der wartei. bis internasioncile Sachverständige zu einem Craebnis grtommeu sind.(Sehr richtig!) Man kann die Frage auswerfen: Wird man denn überhaupt einen solchen deutschen Vorschlag als beachtlich an- sehen? Wir taumeln von einer Konferenz in die ander«. In der Zeit aber verschwindet immer«in Teil der deutschen Leistungs- fäbigkeit nach dem anderen.(Sehr gut!) Dt. v. Rosenberg' hat gestern ein Beispiel angeführt, daß wenn man es sehr flüchtig liest leicht einen falschen Eindruck erwecken kann. Ich möchte doshalb hinzufügen, daß da» erst« Angebot unter der Voraussetzung gemacht wurde, daß die deutschen Auslandsvermögen und die deut- scken Kolonien bei Deutschland verblieben, und daß deshalb mehr a l» 100 Milliarden G o l d ma r k von Deutschland bereits geleistet«">->->» waren.(Sehr richtig!) Der Frieden wird für Frankreich immer teurer. Soll da» �ieparationeproblem nach den Absichten der Herren, die Frankreich regieren, tatsächlich gelöst werden, oder treibt die franzv- stsche Politik absichtlich ixnu, die Rerarationswunde offenzulaffen, um dodurä' das Ziel der Zerstöriina der deutschen Einheit zu er- reichen? Frankreich weist darauf hin, daß e» durch den Krieg am meisten gelitten habe. Darauf können wir fragen: Wsr'gntschädint die Deutschen , die deutsch « Kriegranleihe gezeichnet haben, die Hypothekengläubiger, �die ihr Vermögen vollkommen verloren haben? Deutschland tonnte überhaupt aus der Situation, in die es durch den verlorenen Krieg gekommen war, nur derauskomme», indem es rücksichtslos da« Staatsinteress» über da» Interesse gavzer Klasse» stellt«. Wenn man zugibt, daß Frankreichs

Finanzen zerstört sind, daß es eminente Aufwendungen für seine zerstörten Gebiete gemacht hat wobei zweifelhaft bleibt, ob all diese Summen auch tatsachlich nur für die zerstörten Gebiete auf- gewendet sind(lebh. Zustimmung), so ist und bleibt es ein v v l k s- wirtschaftlicher und politischer Unsinn, die Be- seitigung aller Schäden von Deutschland zu sor- d e r n. Man stellt heute die französischen Forderungen in den Vordergrund. Diese Rechnung kann nicht aufgehen. Vielmehr muß Deulschiond» Leislunzssähigkeit der Ausgangspunkt sein. Das sage ich nicht alz dcuffcher Parlamentarier, das ist nicht die egoistische Meinung Deutschlands . Auf der Pariser Konferenz hat ja auch Bonar Law den Gedanken ausgesprochen und es entschieden zurückgewiesen, daß der Ausgangspunkt dos sein mutz, was die Alliierten brauchten, sondern er hin gemeint, der Ausgangs- punkt müßte das> sein, was Deutschland leisten kann. Dr. Strcsc- mann lenkte dann die Aufmerksamkeit auf ein« Entschließung des internationalen Handelskammerkongresses in Rom , die mit den Stimmen der französischen Wirtschaftsvertreter angenommen worden ist, und in der es heißt:Es ist zwecklos, den Komplex der Reparationssragen zu betrachten, ohne gleichzeitia die­jenigen ZNaßnahmen in Bekrocht zu ziehen, die wirklich die endgültige Regelung gewährleisten. Die Erfüllung der Reparasionsoerpflich- tunqen allein ist nicht genügend, es ist wesentlich, daß da» Vertrauen wieder hergestellt und Sicherheiken geschaffen werden, daß keine Grenzverletzungen mehr zu befürchten sind und die Welt von der Lost unmöglicher Rüstungen des reit wird." Der Internationale Handrlskammerkongreß hat dabei wohl kaum an die deutsche Schutz- oolizei gedacht.(Heiterkeit und Zustimmung.) Hier ist doch in einer Entschließung, der französische Wirtschafter mit zu» gestimmt haben, ganz deutlich die schärfste Verurteitung des Ruhr- abenteuers der Franzosen ausgesprochen worden.(Sehr richtig!) Zweierlei steht sich also gegenüber: Die deutsche Leistungsfähigkeit, die auch Bonar Law zum Ausgangspunkt aller internationalen Diskussion machen will, und die französischen Ansprüche, die einen Ausaleich dann unmöglich machen, wenn ihnen hinzugefügt werden die Ansprüche aller anderen Alliierten. Der.T« m p»' hat die Behauptung ausgestellt, Deutschland suche Zwietracht unter den Alliierten zu säen, um daraus Vorteile für sich zu ziehen. Der Temps" darf den deutschen Politikern wirtlich zutrauen, daß sie aus der Entwicklung der letzten Jahre gelernt haben, daß Streitig- leiten unter den Alliierten immer auf dem Rücken der Deutschen ausgetragen werden. Es ist nickt unwichtig zu erwähnen, daß Bonar Law in dieser ganzen Frage einen anderen Standpunkt eingenommen hat als Lloyd George , indem er sogt«,wenn Deutschland durch ein Erd- beben vollkommen verschwinden würde, so würde das auf die eng- lisch« Wirtschaft nur den Eindruck machen, daß wir einen wesentlichen Rivalen verloren haben'. Mir scheint es, als wenn in einer Zeit. wo vom Rhein bis zum Ural nur kaufarm« Völker leben, kein Land ein solches Interesse an der Sanierung der europäischen Wirtschast hat wie England.(Sehr richtig!) Man muß allmählich sich von der Illusion losmachen, daß die Erschütterungen eines Weltkrieges an einem Volk ollein vorübergehen. Finanziell allein kann diese Frage überhaupt nicht gelöst werden. Ich weise darauf hin, daß vielleicht die ganze Entwicklung der europäischen Verhältnisse überhaupt uns dazu bringen wird, ganz anders als früher die Frage zu erörtern, ob nicht alle Länder wirtschaftlich zusammenhängen und der Welthandel nicht länaer durch Barrieren an den Grenzen abgeriegelt werden soll.(Lebhafte Zustimmung.) Auch die neuen Grenzen ändern ab- solut nichts an der wirffchaftlichen Zusammengehörigkeit. Dieser ganze Gedanke ist für die französische Wirtschaft viel wichtiger als der rein ziffernmäßige Streit um einige Milliarden. Hier erössnen sich Ausblicke wirtschaftlicher Art, die geeignet sind, in ganz anderer Weise die Wunden des Krieges zu heilen. Ein wirtschastllches Zusammenwirken würde uns wenigstens Wirtschaft- sich mit Frankreich mehr zusammenbringen, ein politisches Näher- kommen hat ja die Politik des Herrn Poincare für lange Zeit un- möglich gemacht. Nun wird man uns sagen, wie könnt Ihr über- Haupt angesichts Eurer Valuta internationale Leistungen ver- sprechen? Man soll an solchen Dingen nicht vorübergehen. Es ist ganz falsch zu glauben, daß man international Eindruck macht, wenn man die eigene Volitik immer nur als den weißen, unschuldsoollen Engel hinstellt.(Lebhafte Zustimmung links.) Ich habe die größte Hochachtung vor der englischen Finanzpolitik, die im Kriege ebenso vorbildlich war, wie nach dem Kriege. Das ist vielleicht dos Be- deutungsvollste, nach einem gewonnenen Kriege solche Anforderun- gen an die Bevölkerung zu stellen. Das zeugt von eminentem Der- antwortlichkcitsqcfühl und Staaisgefühl. Bei uns zerfließt jetzt das Budget kurze Zeit nachdem es ausgestellt ist. Wenn England über unsere Kapitalslucht spricht, so frag« ich, welche Regierung denn die Kapitalslucht bekämpfen könnte bei den Zuständen, die uns durch die Ententepolitik zugefügt wird. Wo soll die Autorität einer Re- gierung herkommen, ivenn sie so nach außen hin mit Füßen getreten wird?(Sehr richtig!) Wenn wir eine endgültige Lösung haben und klar sehen, was Deutschland zu leisten hat, erst dann können wir» auch ein Höchstmaß der Sieuerfähigtcit in Venlschland erzielen. Schaffe man erst Zustände,-die un« eine gesunde Entwicklung ge- währleisten, dann wird auch das Kapital wieder nach Deutschland zurückströmen. Gerade Frankreich , das uns Vorwürfe macht, hat un» zu dieser Knpitalsflucht getrieben.(Zustimmung.) Da» Höchst - maß der Steuerfähigteit seh« ich nach zwei Richtungen, einmal nach der moralischen Richtung, weil der Staat, der weiß, daß die Steuern, die er öerlangt, dem eigenen Staate zugute kommen, ganz ander?«inen moralischen Druck aus die Steuerzahler ausüben kann, und ferner können neue Wirtschaftspläne heute erst gefaßt werden, wenn die Welt weiß, mit welchem Deutschland sie zu tun hat. Heute ist uns diese Steuerfähigteit versagt. Es ist schon früher gesagt: Ist die deutsche Freiheit und Selbständigkeit damit zu erringen, daß Industrie und Finanzen und Landwirtschaft sich dem Staat zur Verfügung stellen als Garanten sür deutsche internatio- nale Leistungen, dann werden sie sich nicht sträuben. Wenn Poincare eine Lösung der Reparationsfrage will, so kann er un» ja aus die Probe stellen, ob e» uns ernst ist mit einer ehrlichen Verständigung. Mit jeder Woche, die das Ruhrgebiet länger besetzt wird, verlängert sich auch automatisch das Moratorium, das Deutschland sordern muß. Es ist notwendig, gerade die Absicht einmal vor der ganzen Welt festzustellen, daß eine Verständigung in der Frage der Repa- rationen nicht an Deutschland scheitere. Siber di« ganze Entscheidung liegt in der Frag«, die Dr. David am 7. März ge» stellt hat: Was wollt Ihr? Wollt Ihr Reparationen, dann ist die Verständigung möglich, wollt Ihr da, Rheinland , dann gibt« keine Verständigung.(Lebhafter. Beifall.) Ganz entschieden muh ich mich aber dagegen verwahren, wenn in der.Deutschen Zeitung' erklärt wird: wir wollen nicht zahlen.(Hört, hört!) Davon ist keine Rede, daß irgendein verantwortlicher Politiker hier einen solchen Gedanken ausgesprochen hätte. Nichts schadet uns im Kampfe um die Freiheit mehr.(Lebhafte Zu- ftimmung.) Wir erstreben mit aller Kraft die endgültige Lösung der Reparationsfroge. Ich habe erst gestern wieder von Führern der deutschen Wirtschaft, die den ganzen Ernst dieser Derhältnisse am meisten empfinden, gehört, daß sie sagen: Wir können überhaupt nicht disponieren, wenn wir nicht einmal wissen, wie und wo wir belastet sind. Es ist geradezu eine Depression, die von außen auf Deutschland kommt, daß man«» nicht zu einer endgültigen Lösung kommen läßt. Man hat die Empfindung, daß dabei Absichten, min- bestens von manchen französischen Politikern, mitspielen.

Was uns so außerordentlich bedenklich macht ich möchte bei- nahe sagen: die Sicherheit gibt, daß es keinen Reparationswillen in Frankreich gibt, das sind die unerhörten A u s w e! f n n g e n im besetzten Gcbi ct. Man hat Familien von Tausenden von Be- amten um Wohnung und Brot gebracht. Ist das nicht die Vor- bereilung der Annexion?(Sehr wahr!) Eins scheint mir doch die Empfindung aller zu sein: Voraussetzung internationaler VerHand- lungen ist die Freiheit oller derjenigen Deutschen , die von Frank- reich ihrer Freiheit beraubt worden sind.(Lebhafter Beifall. > Die Räumung des Ruhrgebietes liegt auch im Interesse Frankreichs , wir lehnen die etappenweise Räumung nicht nur in unserem Interesse ab. Wir sind doch über die Stimmung der sranzösischeii Truppen und Eisenbahner auch einigermaßen unterrichtet.' Vielleicht teilt uns Poincare einmal die erbaulichen Ziffern darüber mit, wieviel Pro- zsnt der Eisenbahner bereit waren, noch über den April hinaus im Ruhrgcbiet zu bleiben.(Sehr gut!) Es liegt auch im Interesse der Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse, wenn das Ruhr- gebiet vollständig geräumt wird. Unter Bajonetten hat sich noch niemals eine w i r t s chn f tl i ch c Prosperität ent- wickelt. Der S e e l e n z u st a n d des deutschen Voltes wird durch all die Ereignisse seit dem 11. Januar auf eine außerordentlich Harle Probe gestellt; auch politisch. Man kann sich gar nicht darüber wun- dem, wenn die Extreme im Innern gestärkt werden durch diese Politik der Zerrüttung der deutschen Verhältnisse von außen her. Unendlich schwer ist die Stellung jeder Regierung gegenüber diesen Extremen. Seltsam sind diejenigen, die sich auf Bismarck beziehen und in ihrer innen- und außenpolitischen Beurteilung von Bismarck keine Spur erkennen lasten. Sonst würden sie olle» daran sehen, alle Kräfte zusammenzusassen, um die Einheit sür den deulschen Staat zu reticn.(Sehr richtig!) Die Regierung kann gegenüber zuweiigehenden nationalen Forderungen nur die P o l i t i k des Erreichbaren befolgen. Unsere Aufgabe ist es, wie auch der Abgeordnete Hergt betont hat, den Staat zu verteidigen, wie er ist, und durch nationale Besonnenheit und Zusammen- fassung aller Kräfte den Staat, zu retten sür unsere Nachkommen, die uns dankbarer sein werden als manche Kritiker der Gegenwart, die an ihm lediglich negative Kritik üben.(Lebhafter Beifall und /ländeklatschen auch auf den Tribünen.) Abg. Dr. Leicht(Bayer. Volksp.): Es gibt Leute, die schon emp­findlich sind, wenn man von Verhandlungen spricht. Das ist poli­tische Hysterie. Ich weise diese Heißsporne daraus hin, daß hier nur die Alternative gilt: Verhandlungen, bei denen wir dabei sind, oder Diktat. Alle», wo» die deutsche Einigkeit stören kam», mag e» auch au» München ich sage das als Bayer oder von recht» oder links kommen, lehnen wir ganz entschiede:, ob. Alles kommt darauf an, daß wir unseren Rhein verteidigen, unseren freien, deutschen Rhein. (Beifall.) Abg. Stöcker(Komm.) bezeichnet die Rede des Herrn v. Rosen­berg als inhaltslos und fordert die Arbeiterschaft auf, den Kampf gemeinsam mit der französischen Arbeiterschaft zu führen. Die Ar- britcrschaft de» Rheinlandes denkt nicht daran, die Bestrebungen auf Loslösung von Deutschland oder Preußen zu unterstützen. Nach weiteren Ausführungen der Abgg. Atpers lDt.-Hann.) und o. Graes «(Dt.-Völk.) vertagt sich da? Haus auf Miitwoch 2 Uhr: Weiterberatung. Schluß 7 Uhr.

Soziale Zragen im Lanötag. Der Landtag trat gestern zu der ersten Sitzung nach Ostern zusammen. Präsident Leinert legte namens des Landtages Ver- wahrung ein«gegen die französisch-belgisch« Gewaltpolitik m, dir Ruhr und sprach den Opfern des Essener Blutbades die Teilnahm« des Landtages aus. Die Erklärung hebt hervor, daß von de» M e n- schenrechte», von denen Poincare in Dünkirchen gesprochen hat, im besetzten Gebiet kein Schimmer zu verspüren sei. Wie wenig der französische Imperialismus die Dolkssouoeränität achte, als deren Schvvfer Frankreich vo.» Poincare gefeiert worden sei, ergebe sich aus den früheren und aus den neu«, Ausweisungen von Mitgliedern des Preußischen Landtages . Neuerdings feien die Ad- geordneten W a l r a f f und Dr. Kalle ohne Angabe von Grün- den aus dem besetzten Gebiet ausgerviesen worden. Ich habe betonte der Präsident den Minister des Auswärtigen gebeten, schärfsten Einspruch zu erheben, und ich Hobe die Anttoor: erhalten, daß die deutschen Vertreter in Paris , London und Brüssel entsprechende Anlveisungen erhalten haben. Ein Antrag kah, verschiedene kommunistische Anfragen, dar­unter eine wegen des Verbots derRoten Fahne", sofort zur Be- ratung zu stellen, wird abgelehnt. Das Haus setzt nunmehr die zweite Beratung des H a u s h a l t s für Volkswohlfahrt fort. Bei der Vrsprechung der Ein- nahmen von 6 Millionen Mark aus dem Anteil an den Erträgnissen des Branntweinmonopols führte Frau 2lbg. kunert(Soz.): aus: In einer Zeit schwerer Gefährdung der Volksgesundheit durch Unterernährung muß die Zunahme des A l k o h o l k o n s u m s besonders verheerend»virken. Wichtige Lebensmitt.'l wer­den der Volksernährung entzogen und zu Alkohol verarbeitet. Hät- ten wir nicht eine so gute Kartofseierni? gehabt, so würde sich die Tatsache, daß 20 Proz. der dieszährigen Kartossel- ernte zur Schnapserzcugung freigegeben sind, sehr un- angenehm fühlbar machen. Sehr übel ist auch die Verwendung und Vergeudung von Zucker, Melasse»ind Sirup bei der Herstellung von Likör und Schnaps. Und wenn erst das Verfahren, aus Zuckerrüben Rum herzustellen, der Fabrikation allgemein zugänglich gemacht' wird, dann werden wir im Punkte der Zuckerversorgung noch Herr- licheren Zeiten entgegengehen. Die Mengen von Kernobst aller Art, die zu Branntwein vergoren werden, sind gleichfall» gar nicht ob- zuschätzen. Für die Kinder- stehen nicht ausreichend erwärmte Schulräume zur Verfügung, aber Kohle für die Spiritusherstcliung Ist genügend vorhanden. Wenn zur Herstellung» einem Hskto- liier Spiritus drei Zentner Sreinkohi« notwendig sind, so werden für die Fabrikation von 1.0 Millionen Hektoliter Irinlbrannlwein nicht weniger als 5.7 Millionen Zentner Steinkohlen vergeudet. Das Alkoholkapital hat goldene Tage, seine Akiicn stehen glänzend. ! Der gesteigerte Schnapskonsum bringt eine gesteigerte Inanspruch- nähme der Trinkerfürsorge stellen in den Krankenhäusern. Diese Anstalten füllen sich jetzt»rieder in bedenklichster Weis«. So- gar unsere Schulkinder bekommen öfter Schnaps zu trinken. Aus- klärung in den Schulen, vor allem in den Fortbildungsschulen, über den Alkoholismus ist dringend notwendig. Der Kampf gegen den AI- koholismus ist zugleich«in Kampf um die Volkssittlichkeit. Wer es gut meint mit dem Volt, muß in die Front gegen den Alkoholis- mu» eintreten.(Beif. b. d. Soz.) Zu den dauernden Ausgaben fordert Abg. Dr. weyl(Zoz.) di« Aufhebung der ärztlichen Ehrengerichte und ver- langt, daß bei der Regelung der Besoldung der Kreisärzte, die bei ausreichender Besoldung aus Nebenbeschäftigung verzichten müß­ten, ähnlich wie bei den Beamten eine feste Grundlage geschaffen werden müsse. Zur Ausführung der Beschlüsse des Landesgesund- hciterats fordert Genosse Dr. Weyl Erhöhung der Staatsmittel. Bishek feien die Beschlüsse des Landeegesundheitsrotes leider nur auf dem Papier geblieben. Wenn der Rat auch keine Exekutive habe, so sei es doch möglich, daß von Preußen her für die Durch- führung der Beschlüsse gesorgt werde." Die Beihilfen zur Bekämpfung der Säuglings, und Kinder­sterblichkeit werden nach dem Antrag des Hauplausschuljes mit 10 Millionen Mark, also mit dem doppelten Betrage, eingestellt. Nächste Sitzung Mittwoch 12 Uhr: Weiterberatung. Tuber- lulosegesetz. Schluß«ach 6, Uhr.