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Nr.215 40.Jahrgang Ausgabe nr. 106

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Mittwoch, den 9. Mai 1923

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Schreckensurteile in Werden und Mainz  .

179 Jahre Gefängnis, 600 Millionen Geldstrafe!

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Werden, 8. Mai.  ( Eigener Drahtbericht.) Im Das Walten fremder Kriegsgerichte ist nach den Grundsäßen zu verbreiten. Man will durch die Verurteilung der deuts Krupp- Prozeß iourde um 6 Uhr abends folgendes des Bölkerrechts nur zuläffig in einem Lande, das während schen Eisenbahnarbeiter und-Beamten andere von der Besol­Urteil gefällt: krupp von Bohlen und Halbach eines Krieges von einer feindlichen Macht besetzt ist. gung ihrer selbstverständlichen Bf1fcht gegen das eigene wird zu einer Gefängnisstrafe von 15 Jahren Bisher aber hat selbst die französische   Politik die Fiktion auf and abhalten. Vielleicht glaubt man naiven Gemütes, mit und 100 Millionen Mark Geldstrafe verurteilt, Direttor rechterhalten, als ob die Anwesenheit der französisch  - belgischen dieser Abschreckungstheorie irgendwelchen Erfolg zu haben. und 100 Millionen Mark Geldstrafe verurteilt, Direktor Truppen im Ruhrgebiet   lediglich eine friedliche Mission" Aber schon die Lehren, die frühere Urteile ähnlicher Art ihnen Bruhn zu 10 Jahren und 100 Millionen, Direktor Defter- darstelle. Von einer Kriegserklärung an das Deutsche Reich erteilt haben, sollten den militärischen Gewalthabern zeigen, len zu 15 Jahren und 100 Millionen, Direktor Hartwig hat felbst Poincaré   Abstand genommen, weil diese Erklärung daß fie nur das Gegenteil von dem erzielen, was sie an­ebenfalls zu 15 Jahren und 100 millionen, Direktor ihn vor aller Welt ins Unrecht gefeht hätte. Ist aber diese streben. Die Steigerung in den Strafmaßen ist nur daraus Schräpler zu 20 Jahren und 100 Millionen, Schäfer Kriegserklärung nicht erfolgt, so ist die Anwesenheit französi- zu erklären, daß die bisherigen Urteile von sechs Monaten, zu 20 Jahren und 100 Millionen, das Betriebsratsmitglied scher Truppen auf deutschem Boden soweit nicht Deutsch   zwei, drei und mehr Jahren Gefängnis nicht abgeschredt Müller zu 6 Monaten Gefängnis und die beiden Arbeiter, land durch das Diktat von Versailles   verurteilt ist, sie zu dul- haben, sondern den Willen zum Widerstand nur verstärkten. die das belgische Motorrad entwendet hatten, zu je 2 Monaten den, nichts anderes als ein rechtloser Gewaltatt. Und die bisher nicht verurteilten Eisenbahner werden aus Und alle Urteilssprüche der Kriegsgerichte sind wiederum nur der Tatsache, daß ihre Vertrauensmänner mit jahrelangem Gefängnis. Ausflüsse der rohen militärischen Gewalt, nicht irgendeines auf Gefängnis bedacht wurden, keine andere Nutzanwendung ziehen, als daß sie von Zorn und Empörung erfüllt erst recht daran noch so fchmaler Grundlage beruhenden Rechtes. Aber selbst vorausgesetzt, daß die einzelnen französischen   festhalten, daß der französischen   Gewaltpolitit feine Gefolg­Offiziere, die das Kollegium des Kriegsgerichts bilden, von Schaft geleistet werden darf. Weit über diese Zeit hinaus wer­der Rechtmäßigkeit ihrer Amtshandlungen überzeugt wären, ben solche Urteile daher fortwirten in gesteigertem bedeuten die von ihnen ausgesprochenen Urteile nichts anderes Grimm gegen den Militarismus, der sich in hechtblauer Uni­als nad testen Terror. Man nimmt sich Geiseln, setzt sie form den deutschen   Arbeitern zu zeigen wagt. in Haft, läßt sie durch irgendeinen militärischen Auditeur ver­hören, dieser Auditeur verwandelt sich vom Untersuchungs­richter in den Staatsanwalt und die kommandierten Offiziere Dom Kriegsgericht müssen ihr Urteil sprechen. Sie handeln damit im Interesse der Macht, die sie vertreten, nicht in dem Streben, objektiv Recht zu sprechen. So nur find die Urteile zu verstehen, die seit dem Januar sowohl im alt­besetzten Gebiet wie auch im Einbruchsgebiet an der Ruhr ge­fällt wurden und die ihre Krönung in den neuesten Richter­fprüchen von Werden und von Mainz   gefunden haben dürften.

Zur Erläuterung dieses Urteilsspruchs teilte der Vor­fihende mit, daß von den 23 Schuldfragen 21 mit Ja beant­wortet find. Die Angeflagten feien sowohl eines& om­plotts wie auch der Störung der öffentlichen Ordnung für schuldig befunden worden. Die Verurteilung erfolgte bei allen Angeklagten einstimmig. Nur bei krupp von Bohlen und Haibach   und Direktor Bruhn wurde das Schuldig mit 3 gegen 2 Stimmen ausgesprochen. Betriebs­ratsmitglied Müller wurde mit der gleichen Stimmenzahl von der Auflage des Komplotts freigesprochen und nur wegen Störung der öffentlichen Ordnung verurteilt. Die zahlreichen Zuhörer nahmen das Urteil mit eisigem Schweigen auf.

Gleich nach Beendigung des Prozesses wurde den An­geflagten, die bei der Urteilsverfündigung nicht im Saale an­wesend waren, durch den Verteidiger das Urteil zur Kenntnis gebracht. Bon der Berteidigung wird gegen das Urteil Re­vision angemeldet werden, die wahrscheinlich am 18. mai vor dem Kriegsgericht in Düffeldorf verhandelt werden wird.

Noch traffer als in Mainz   tritt die brutale Gewaltpolitik unter dem Mantel des Rechts im Krupp- Prozeß zutage. Die Tragödie vom Karsonnabend, der dreizehn Arbeiterleben zum Opfer fielen, hatte das Schuldtonto der französischen  Truppen eigentlich schon schwer genug belastet. Daß auf eine friedliche Arbeiterschaft blindlings geschossen wurde, bedeutet an sich schon eine so ungeheuerliche Tat, daß die Komman­dierenden allen Anlaß gehabt hätten, die beteiligten Soldaten und ihren Führer still verschwinden zu lassen. Viel größer aber als die Verfehlung des Kolonialleutnants, der den Befehl zum Schießen gab, ist die Schuld seiner vorgesezten Kom= Schon die Massenverurteilung der Mainzer   Eisen- mandostelle, die jene kleine Truppe stundenlang in bahner, um deren Verteidigung sich unsere französischen ihrer Lage beließ, ohne sich um sie zu fümmern, ohne sie ab­Genossen Uhry und Le Troquer vergeblich bemühten, zulösen und ohne ihr auch nur irgendwelche neuen Weisungen zeigt in den gesucht hohen Strafmaßen, daß es den zu erteilen. Bier Stunden lang war die fleine Schar auf Kriegsrichtern darauf ankommt, Angst und Schrecken ihrem verlorenen Poften. Stundenlang heulten die Sirenen

Baldwin gegen Poincaré  .

Besondere Noten Englands und Italiens  .

Jm

Mainz  , 8. Mai.  ( Eig. Drahtbericht.) Am Montag verhandelte das französische   Kriegsgericht in Mainz   unter Ausschluß der Deffentlichkeit gegen eine Reihe von Gewerkschafts­führern und Angestellten des Deutschen Eisenbahner­verbandes fowie über Beamte des Direktionsbezirks Mainz  , die vor ungefähr einem Vierteljahr verhaftet wurden, weil sie die Eisen­bahner allgemein aufgefordert haben sollen, nur die Gesetze und An­ordnungen der deutschen   Regierung zu befolgen. Sämtliche An­gefiagle find feitdem in Haft und wurden vorgeführt. Die Verhand­lung war in jedem Falle furz und fdematisch. Es wurden folgende Condon, 8. Mai.  ( WIB.) Auf das Erfuchen Ramsay die italienische Regierung, deren Halfung fich in all­furchtbaren Urteile gefällt: Roth, Bezirksleiter des Deutschen Eisen­bahnerverbandes, 10 Jahre Gefängnis, Beder, Saffierer Macdonalds um eine Mitteilung bezüglich der deutschen   Note gemeiner Uebereinstimmung mit derjenigen der des Deutschen Eisenbahnerverbandes, 6 Monate Gefängnis und betreffend die Ruhrfrage verlas der Schahtanzler Baldwin unter britischen Regierung befindet, ein ähnliches Vorgehen 100 000 m. Geldstrafe, Böswetter, Ortsbeamter des Deutschen   der größten Aufmerksamkeit des dichtbefehten Unterhauses folgende erwägt. Sobald die britische   Antwort der deutschen   Regierung mit. geteilt sein wird, wird sie veröffentlicht werden." Eisenbahnerverbandes, 7 Jahre Gefängnis, Ceppert, Sekretär Erflärung: ,, Die britische Regierung war der Ansicht, daß der beste und Eine Aussprache schloß sich an die Erklärung nicht an. der Beamtenabteilung des Deutschen Eisenbahnerverbandes, 5 3 ahre Gefängnis, Weise, Schreibgehilfe des Deutschen   Eisenbahnerver- natürlichste Weg gewesen wäre, eine mit den Regierungen von Oberhause gab Lord Curzon   eine identische Erklärung ab. bandes, 4 Monate Gefängnis, 100 000 m. Geldstrafe, Cein- Frankreich, 3talien und Belgien   vereinbarte Antwort auf die Die Erklärung des britischen   Schazkanzlers.fann nach weber, Borsitzender des Betriebsrates in Wiesbaden  , 3 Jahre deutsche   Note abzusenden, um so mehr als die Note eine Antwort auf Gefängnis, nuse, Ortsbeamter des Eisenbahnerverbandes, 8 Jahre die von Curzon   öffentlich und amtlich gemachte Anregung war und den Ankündigungen der Londoner   offiziösen Presse nicht über­Gefängnis, Harzdorf. Eisenbahnbediensteter, 3 Monate Ge- das hauptsächlich in Frage kommende problem, das der Repara- raschen. Sie bestätigt, daß England Anstrengungen gemacht fängnis, 100 000 m. Geldstrafe, Engel, Eisenbahnbediensteter, tionen, ein Problem ist, an dem alle Alliierten und nicht nur hatte, eine gemeinsame Antwort der Ententeverbände zustande 1 Jahr Gefängnis, 100 000 m. Geldstrafe, Klingler, Vor- Frankreich und Belgien   allein in hohem Grade intereffiert sind. Auch bringen, und daß es damit bei Frankreich   eine brüste Ab­figender des Betriebsrats Mainz  , 6 3 ahre Gefängnis, Salomon- brauchte fich nach Ansicht der britischen Regierung feine unüber- lehmung erfahren hat. Dementsprechend zeichnet sich ihr Ton Schwind, Angestellter des Deutschen Eisenbahnerverbandes, windliche Schwierigkeit zu ergeben bei der Auffehung einer Kollektiv auch durch eisig falte Korrektheit aus. Bemerkenswert, weil 4 Jahre Gefängnis, Hummel, Oberbaurat der Eisenbahn- antwort unter dem Vorbehalt, daß die französische   und die in diesem Zusammenhang wohl berechnet, ist die Feststellung, direktion Mainz  , 1 Jahr Gefängnis, 100 000 m. Geldstrafe, Had, belgische Regierung die aus der Besetzung deutschen   Gebietes durch daß England mit seiner Auffassung gegen Frankreich   nicht Regierungsbaurat der Eisenbahndirektion Mainz, 8 Jahre Ge- ihre militärischen Streitkräfte fich ergebenden Fragen gesondert allein steht. Gegenüber der franko- belgischen Entente taucht fängnis, Ersling, Vertreter der Reichsgewertschaft deutscher   behandelten, falls sie es wünschten. Die britishe Regierung jetzt die englisch  - italienische auf, hinter ihr wird der Eisenbahner, 6 Jahre Gefängnis, Ludwig, Vertreter der Ge- batte Grund zur Annahme, daß diese Auffassung große Schatten Ameritas sichtbar. Ob diese offensichtlichen Gegensäge zwischen den einstigen wertschaft deutscher Eisenbahner, 6 Jahre Gefängnis,& rimmel, von einigen ihrer Alliierten geteilt wurden und Bertreter der Gewerkschaft der Rangierer, 6 Jahre Gefängnis, war vollkommen bereit, dahingehende Vorschläge zu machen, nachdem Alliierten eine Verbesserung der Aussichten für Deutschland   be­Liebte, Vertreter der Gewerkschaft deutscher Eisenbahner, 7 Jahre fie fchon ihre allgemeinen Anfichten den alliierten Regierungen mit deuten, mag dahingestellt bleiben. Möglich ist es immerhin, Gefängnis. Diese Schredensurteile lösen in den Kreisen der Eisen- geteilt hatte, als fie offiziell davon in Kenntnis gejezt wurde, daß da Rückwirkungen in Belgien   und in Frankreich   selbst nicht die französische   und die belgische Regierung schon für ausbleiben werden. Die deutsche   Regierung fann die bahner größte Erbifferung aus. jich allein eine gemeinsame Antwort aufgefeht hatten, deren Tert gegebene Lage zum Vorteil Deutschlands   ausnutzen, indem sie der britischen Regierung am Sonnabend nachmittag mit der Be- im Geiste des Entgegenkommens und der bereitwilligen sach­Die Urteile von Werden und Mainz   werden in ganz mertung mitgeteilt wurde, daß fie binnen 24 Stunden den deutschen   lichen Mitarbeit nach einer rafchen endgültigen Lösung Andernfalls Deutschland   und in allen Bolfskreisen hellste Empörung aus Botschaftern in Paris   und Brüffel überreicht werden würde. Die des Reparationsproblems drängt. lösen. Wenn die französischen   Kriegsrichter geglaubt haben, britische Regierung bedauert, was ihr an diesem Schritt als eine besteht die Gefahr, daß über den Streit der Alliierten unter­mit ihren Schreckensurteilen irgendwie Recht zu sprechen, so unnötige Ueberstützung erscheint und als Berluft einer einander wertvolle Zeit verloren geht, in der sich das mili­befinden sie sich in einem faum glaublichen Irrtum. Ganz ab- Gelegenheit, die sich nach ihrer Ansicht bot, durch eine gemeinsame taristische Gewaltregiment im befezten Gebiet noch scham­gesehen von der Tatsache, daß zumindest im Ruhrgebiet   das Sundgebung erneut die Solidarität der Entente der Alliierten zu loser und brutaler als bisher geltend macht, ohne daß ein Kriegsgericht auch nicht die geringste Rechtsgrundlage für sich bezeugen. Ende abzusehen ist.

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in Anspruch nehmen kann, daß also die Berhandlung selbst Die britische Regierung fühlt sich indessen nicht der Pflicht ent- Man erkennt jetzt, was gewonnen werden konnte, wenn nichts anderes darstellt als ein Femgericht von Gewalt hoben, ihre Anfichten in Beantwortung der deutschen   der deutsche Borschlag geschickter abgefaßt worden wäre. Aber habern über die ihrer Gewait Anheimgefallenen, ist auch die Note festzustellen und beabsichtigt dies mit dem geringmög- noch einmal bietet sich der deutschen   Regierung die Gelegen­Art der Urteilsfindung in teinem Strafgefeßbuch vorgesehen. Ilichen Aufschub zu tun. Es besteht Grund zur Annahme, daß heit, an ihren eigenen Fehlern zu lernen.